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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Sie tanzte gut und kochte schlecht.
dem Augenblicke hatte der Herr Rittmeister seinen Tanz geen-
digt und unterbrach die Unterredung von neuen. Ich kan
also auch nichts weiter davon erzählen. Doch habe ich nach-
her gehört, daß die Heyrath mit der ungeschickten Tänzerin
glücklich zu Stande gekommen, und ihr Mann, der Herr
Oberamtmann, mehrmalen gesagt habe: ihm wäre mehr mit
einer guten Wirthin als mit einer kostbaren Zierpuppe gedient.
Die Wittwe ist jetzt die glückliche Haushälterinn ihres Vatres,
und hat das Herz in schwarzen Schuhen zu tanzen.



XV.
Schreiben eines Frauenzimmers vom Lande
an die Frau ... in der Hauptstadt.
Wertheste Freundinn!

Unser Beruf in der Welt ist sehr von einander unterschie-
den. Ihnen, Wertheste Freundin, steht es sehr wohl,
daß Sie des Morgens bis 10 Uhr schlafen, drey Stunden
am Nachttische sitzen, und die übrige Zeit in angenehmen
Gesellschaften zubringen. Allein, uns, die wir auf dem
Lande wohnen, und ganz andere Pflichten haben, müssen
Sie deswegen nicht verachten.

Unser Nacken kan nicht so risch, wie der ihrige stehen, und
unsere Schulterknochen sind mit gutem Rechte etwas mehr
ausgebogen, als diejenigen, welche Ihnen die gütige Natur
blos zur Zierde gegeben.

Sie

Sie tanzte gut und kochte ſchlecht.
dem Augenblicke hatte der Herr Rittmeiſter ſeinen Tanz geen-
digt und unterbrach die Unterredung von neuen. Ich kan
alſo auch nichts weiter davon erzaͤhlen. Doch habe ich nach-
her gehoͤrt, daß die Heyrath mit der ungeſchickten Taͤnzerin
gluͤcklich zu Stande gekommen, und ihr Mann, der Herr
Oberamtmann, mehrmalen geſagt habe: ihm waͤre mehr mit
einer guten Wirthin als mit einer koſtbaren Zierpuppe gedient.
Die Wittwe iſt jetzt die gluͤckliche Haushaͤlterinn ihres Vatres,
und hat das Herz in ſchwarzen Schuhen zu tanzen.



XV.
Schreiben eines Frauenzimmers vom Lande
an die Frau … in der Hauptſtadt.
Wertheſte Freundinn!

Unſer Beruf in der Welt iſt ſehr von einander unterſchie-
den. Ihnen, Wertheſte Freundin, ſteht es ſehr wohl,
daß Sie des Morgens bis 10 Uhr ſchlafen, drey Stunden
am Nachttiſche ſitzen, und die uͤbrige Zeit in angenehmen
Geſellſchaften zubringen. Allein, uns, die wir auf dem
Lande wohnen, und ganz andere Pflichten haben, muͤſſen
Sie deswegen nicht verachten.

Unſer Nacken kan nicht ſo riſch, wie der ihrige ſtehen, und
unſere Schulterknochen ſind mit gutem Rechte etwas mehr
ausgebogen, als diejenigen, welche Ihnen die guͤtige Natur
blos zur Zierde gegeben.

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[80/0098] Sie tanzte gut und kochte ſchlecht. dem Augenblicke hatte der Herr Rittmeiſter ſeinen Tanz geen- digt und unterbrach die Unterredung von neuen. Ich kan alſo auch nichts weiter davon erzaͤhlen. Doch habe ich nach- her gehoͤrt, daß die Heyrath mit der ungeſchickten Taͤnzerin gluͤcklich zu Stande gekommen, und ihr Mann, der Herr Oberamtmann, mehrmalen geſagt habe: ihm waͤre mehr mit einer guten Wirthin als mit einer koſtbaren Zierpuppe gedient. Die Wittwe iſt jetzt die gluͤckliche Haushaͤlterinn ihres Vatres, und hat das Herz in ſchwarzen Schuhen zu tanzen. XV. Schreiben eines Frauenzimmers vom Lande an die Frau … in der Hauptſtadt. Wertheſte Freundinn! Unſer Beruf in der Welt iſt ſehr von einander unterſchie- den. Ihnen, Wertheſte Freundin, ſteht es ſehr wohl, daß Sie des Morgens bis 10 Uhr ſchlafen, drey Stunden am Nachttiſche ſitzen, und die uͤbrige Zeit in angenehmen Geſellſchaften zubringen. Allein, uns, die wir auf dem Lande wohnen, und ganz andere Pflichten haben, muͤſſen Sie deswegen nicht verachten. Unſer Nacken kan nicht ſo riſch, wie der ihrige ſtehen, und unſere Schulterknochen ſind mit gutem Rechte etwas mehr ausgebogen, als diejenigen, welche Ihnen die guͤtige Natur blos zur Zierde gegeben. Sie

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/98>, abgerufen am 28.03.2024.