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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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KAPITEL VIII.


Die östlichen Staaten und der zweite makedonische
Krieg
.

Das Werk, welches König Alexander von Makedonien
begonnen hatte ein Jahrhundert zuvor ehe die Römer in dem
Gebiet, das er sein genannt, den ersten Fussbreit Landes ge-
wannen, dies Werk hatte im Verlauf der Zeit, bei wesentlicher
Festhaltung des grossen Grundgedankens den Orient zu helle-
nisiren, sich allmählich verändert und erweitert zu dem Auf-
bau eines hellenisch-asiatischen Staatensystems. Die unbe-
zwingliche Wander- und Siedellust der griechischen Nation,
die einst ihre Handelsleute nach Massalia und Kyrene, an den
Nil und in das schwarze Meer geführt hatte, hielt jetzt fest,
was der König gewonnen hatte, und überall in dem alten
Reich der Achämeniden liess sich die griechische Civilisation
friedlich nieder unter dem Schutz der Sarissen. Die Offiziere,
die den grossen Feldherrn beerbten, glichen allmählich sich
aus und es stellte ein Gleichgewichtssystem sich her, dessen
Schwankungen selbst eine gewisse Regelmässigkeit zeigen.
Von den drei Staaten ersten Ranges, die demselben angehö-
ren, Makedonien, Asien und Aegypten, war Makedonien unter
Philippos dem Fünften, der seit 534 dort den Königsthron
einnahm, äusserlich wenigstens im Ganzen was es gewesen
war unter dem zweiten Philippos, dem Vater Alexanders: ein
gut arrondirter Militärstaat mit wohl geordneten Finanzen.
An der Nordgrenze hatten die ehemaligen Verhältnisse sich
wieder hergestellt, nachdem die Fluthen der gallischen Ueber-
schwemmung sich verlaufen hatten; die Grenzwache hielt die

KAPITEL VIII.


Die östlichen Staaten und der zweite makedonische
Krieg
.

Das Werk, welches König Alexander von Makedonien
begonnen hatte ein Jahrhundert zuvor ehe die Römer in dem
Gebiet, das er sein genannt, den ersten Fuſsbreit Landes ge-
wannen, dies Werk hatte im Verlauf der Zeit, bei wesentlicher
Festhaltung des groſsen Grundgedankens den Orient zu helle-
nisiren, sich allmählich verändert und erweitert zu dem Auf-
bau eines hellenisch-asiatischen Staatensystems. Die unbe-
zwingliche Wander- und Siedellust der griechischen Nation,
die einst ihre Handelsleute nach Massalia und Kyrene, an den
Nil und in das schwarze Meer geführt hatte, hielt jetzt fest,
was der König gewonnen hatte, und überall in dem alten
Reich der Achämeniden lieſs sich die griechische Civilisation
friedlich nieder unter dem Schutz der Sarissen. Die Offiziere,
die den groſsen Feldherrn beerbten, glichen allmählich sich
aus und es stellte ein Gleichgewichtssystem sich her, dessen
Schwankungen selbst eine gewisse Regelmäſsigkeit zeigen.
Von den drei Staaten ersten Ranges, die demselben angehö-
ren, Makedonien, Asien und Aegypten, war Makedonien unter
Philippos dem Fünften, der seit 534 dort den Königsthron
einnahm, äuſserlich wenigstens im Ganzen was es gewesen
war unter dem zweiten Philippos, dem Vater Alexanders: ein
gut arrondirter Militärstaat mit wohl geordneten Finanzen.
An der Nordgrenze hatten die ehemaligen Verhältnisse sich
wieder hergestellt, nachdem die Fluthen der gallischen Ueber-
schwemmung sich verlaufen hatten; die Grenzwache hielt die

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[[501]/0515] KAPITEL VIII. Die östlichen Staaten und der zweite makedonische Krieg. Das Werk, welches König Alexander von Makedonien begonnen hatte ein Jahrhundert zuvor ehe die Römer in dem Gebiet, das er sein genannt, den ersten Fuſsbreit Landes ge- wannen, dies Werk hatte im Verlauf der Zeit, bei wesentlicher Festhaltung des groſsen Grundgedankens den Orient zu helle- nisiren, sich allmählich verändert und erweitert zu dem Auf- bau eines hellenisch-asiatischen Staatensystems. Die unbe- zwingliche Wander- und Siedellust der griechischen Nation, die einst ihre Handelsleute nach Massalia und Kyrene, an den Nil und in das schwarze Meer geführt hatte, hielt jetzt fest, was der König gewonnen hatte, und überall in dem alten Reich der Achämeniden lieſs sich die griechische Civilisation friedlich nieder unter dem Schutz der Sarissen. Die Offiziere, die den groſsen Feldherrn beerbten, glichen allmählich sich aus und es stellte ein Gleichgewichtssystem sich her, dessen Schwankungen selbst eine gewisse Regelmäſsigkeit zeigen. Von den drei Staaten ersten Ranges, die demselben angehö- ren, Makedonien, Asien und Aegypten, war Makedonien unter Philippos dem Fünften, der seit 534 dort den Königsthron einnahm, äuſserlich wenigstens im Ganzen was es gewesen war unter dem zweiten Philippos, dem Vater Alexanders: ein gut arrondirter Militärstaat mit wohl geordneten Finanzen. An der Nordgrenze hatten die ehemaligen Verhältnisse sich wieder hergestellt, nachdem die Fluthen der gallischen Ueber- schwemmung sich verlaufen hatten; die Grenzwache hielt die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. [501]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/515>, abgerufen am 28.03.2024.