Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
KAPITEL VII.
Die Empörung der italischen Unterthanen und die
sulpicische Revolution
.

Fast zweihundert Jahre hatte jetzt das römische Principat
in Italien bestanden, ohne dass es selbst unter den gefährlich-
sten Verhältnissen ein einziges Mal in seiner Grundlage ge-
schwankt hätte, seitdem mit Pyrrhos Ueberwindung der letzte
Krieg, den die Italiker für ihre Unabhängigkeit geführt hatten,
zu Ende gegangen war. Vergeblich hatte das Heldengeschlecht
der Barkiden, vergeblich die Nachfolger des grossen Alexander
und der Achämeniden versucht die italische Nation zum Kampf
aufzurütteln gegen die übermächtige Hauptstadt; gehorsam war
dieselbe auf den Schlachtfeldern am Guadalquivir und an der
Medscherda, am Tempepass und am Sipylos erschienen und hatte
mit dem besten Blute ihrer Jugend ihren Herren die Unterthänig-
keit dreier Welttheile erfechten helfen. Ihre eigene Stellung in-
dessen hatte sich wohl verändert, aber eher verschlechtert als
verbessert. In materieller Hinsicht hatte sie sich im Allgemei-
nen nicht zu beklagen. Zwar der kleine und der mittlere Grund-
besitzer litt durch ganz Italien in Folge der unverständigen rö-
mischen Korngesetzgebung; aber die grösseren Gutsbesitzer ge-
diehen und mehr noch der Kaufmanns- und Capitalistenstand,
da die Italiker hinsichtlich der finanziellen Ausbeutung der Pro-
vinzen im Wesentlichen denselben Schutz und dieselben Vor-
rechte genossen wie die römischen Bürger, so dass die materiel-
len Vortheile des politischen Uebergewichts der Römer grossen-
theils auch den Italikern zu Gute kamen. Ueberhaupt hing die

Röm. Gesch. II. 14
KAPITEL VII.
Die Empörung der italischen Unterthanen und die
sulpicische Revolution
.

Fast zweihundert Jahre hatte jetzt das römische Principat
in Italien bestanden, ohne daſs es selbst unter den gefährlich-
sten Verhältnissen ein einziges Mal in seiner Grundlage ge-
schwankt hätte, seitdem mit Pyrrhos Ueberwindung der letzte
Krieg, den die Italiker für ihre Unabhängigkeit geführt hatten,
zu Ende gegangen war. Vergeblich hatte das Heldengeschlecht
der Barkiden, vergeblich die Nachfolger des groſsen Alexander
und der Achämeniden versucht die italische Nation zum Kampf
aufzurütteln gegen die übermächtige Hauptstadt; gehorsam war
dieselbe auf den Schlachtfeldern am Guadalquivir und an der
Medscherda, am Tempepaſs und am Sipylos erschienen und hatte
mit dem besten Blute ihrer Jugend ihren Herren die Unterthänig-
keit dreier Welttheile erfechten helfen. Ihre eigene Stellung in-
dessen hatte sich wohl verändert, aber eher verschlechtert als
verbessert. In materieller Hinsicht hatte sie sich im Allgemei-
nen nicht zu beklagen. Zwar der kleine und der mittlere Grund-
besitzer litt durch ganz Italien in Folge der unverständigen rö-
mischen Korngesetzgebung; aber die gröſseren Gutsbesitzer ge-
diehen und mehr noch der Kaufmanns- und Capitalistenstand,
da die Italiker hinsichtlich der finanziellen Ausbeutung der Pro-
vinzen im Wesentlichen denselben Schutz und dieselben Vor-
rechte genossen wie die römischen Bürger, so daſs die materiel-
len Vortheile des politischen Uebergewichts der Römer groſsen-
theils auch den Italikern zu Gute kamen. Ueberhaupt hing die

Röm. Gesch. II. 14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0219" n="[209]"/>
        <div n="2">
          <head>KAPITEL VII.<lb/><hi rendition="#g">Die Empörung der italischen Unterthanen und die<lb/>
sulpicische Revolution</hi>.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">F</hi>ast zweihundert Jahre hatte jetzt das römische Principat<lb/>
in Italien bestanden, ohne da&#x017F;s es selbst unter den gefährlich-<lb/>
sten Verhältnissen ein einziges Mal in seiner Grundlage ge-<lb/>
schwankt hätte, seitdem mit Pyrrhos Ueberwindung der letzte<lb/>
Krieg, den die Italiker für ihre Unabhängigkeit geführt hatten,<lb/>
zu Ende gegangen war. Vergeblich hatte das Heldengeschlecht<lb/>
der Barkiden, vergeblich die Nachfolger des gro&#x017F;sen Alexander<lb/>
und der Achämeniden versucht die italische Nation zum Kampf<lb/>
aufzurütteln gegen die übermächtige Hauptstadt; gehorsam war<lb/>
dieselbe auf den Schlachtfeldern am Guadalquivir und an der<lb/>
Medscherda, am Tempepa&#x017F;s und am Sipylos erschienen und hatte<lb/>
mit dem besten Blute ihrer Jugend ihren Herren die Unterthänig-<lb/>
keit dreier Welttheile erfechten helfen. Ihre eigene Stellung in-<lb/>
dessen hatte sich wohl verändert, aber eher verschlechtert als<lb/>
verbessert. In materieller Hinsicht hatte sie sich im Allgemei-<lb/>
nen nicht zu beklagen. Zwar der kleine und der mittlere Grund-<lb/>
besitzer litt durch ganz Italien in Folge der unverständigen rö-<lb/>
mischen Korngesetzgebung; aber die grö&#x017F;seren Gutsbesitzer ge-<lb/>
diehen und mehr noch der Kaufmanns- und Capitalistenstand,<lb/>
da die Italiker hinsichtlich der finanziellen Ausbeutung der Pro-<lb/>
vinzen im Wesentlichen denselben Schutz und dieselben Vor-<lb/>
rechte genossen wie die römischen Bürger, so da&#x017F;s die materiel-<lb/>
len Vortheile des politischen Uebergewichts der Römer gro&#x017F;sen-<lb/>
theils auch den Italikern zu Gute kamen. Ueberhaupt hing die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Röm. Gesch. II. 14</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[209]/0219] KAPITEL VII. Die Empörung der italischen Unterthanen und die sulpicische Revolution. Fast zweihundert Jahre hatte jetzt das römische Principat in Italien bestanden, ohne daſs es selbst unter den gefährlich- sten Verhältnissen ein einziges Mal in seiner Grundlage ge- schwankt hätte, seitdem mit Pyrrhos Ueberwindung der letzte Krieg, den die Italiker für ihre Unabhängigkeit geführt hatten, zu Ende gegangen war. Vergeblich hatte das Heldengeschlecht der Barkiden, vergeblich die Nachfolger des groſsen Alexander und der Achämeniden versucht die italische Nation zum Kampf aufzurütteln gegen die übermächtige Hauptstadt; gehorsam war dieselbe auf den Schlachtfeldern am Guadalquivir und an der Medscherda, am Tempepaſs und am Sipylos erschienen und hatte mit dem besten Blute ihrer Jugend ihren Herren die Unterthänig- keit dreier Welttheile erfechten helfen. Ihre eigene Stellung in- dessen hatte sich wohl verändert, aber eher verschlechtert als verbessert. In materieller Hinsicht hatte sie sich im Allgemei- nen nicht zu beklagen. Zwar der kleine und der mittlere Grund- besitzer litt durch ganz Italien in Folge der unverständigen rö- mischen Korngesetzgebung; aber die gröſseren Gutsbesitzer ge- diehen und mehr noch der Kaufmanns- und Capitalistenstand, da die Italiker hinsichtlich der finanziellen Ausbeutung der Pro- vinzen im Wesentlichen denselben Schutz und dieselben Vor- rechte genossen wie die römischen Bürger, so daſs die materiel- len Vortheile des politischen Uebergewichts der Römer groſsen- theils auch den Italikern zu Gute kamen. Ueberhaupt hing die Röm. Gesch. II. 14

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/219
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. [209]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/219>, abgerufen am 19.04.2024.