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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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oft solche Spuren vorangegangener Generationen,
wie Herculanum und Pompeji, mit der Lava,
der Asche ihrer Vulkane neidisch bedeckt, aber
gerade dadurch die innigere Allianz, das bessere
Verständniß zwischen den Römern des ersten,
und den Europäern des achtzehnten Jahrhun-
derts, die jene Spuren wieder auffanden, veran-
laßt. Dieselben Barbaren, welche sie herein rief,
um das prächtige Alterthum zu zerstören, haben
im Laufe der Zeiten alle Denkmähler von Rom
und Griechenland wieder aus dem Staube her-
vorgezogen, und sind in eine festere Verbindung
mit ihnen getreten, als erfolgt seyn würde, wenn
das große Erbtheil jener Zeiten ruhig und all-
mählich auf die unsrigen herabgekommen wäre.

Die Erzählung von diesem Kriege aller Krie-
ge, diesem Kriege des menschlichen Geschlechtes
mit der Erde, nennen wir Weltgeschichte,
und die oft unterbrochene, doch immer sicherer
zu Stande gebrachte Allianz der menschlichen
Individuen unter einander gegen die Erde nen-
nen wir Staat. Da das ganze Leben in die-
sem unaufhörlichen geheimen und öffentlichen
Kriege mit der Erde und ihren Kräften besteht,
so läßt sich kein Leben der Menschen ohne diese
Allianz der Menschen unter einander denken,
und auch von diesem ganz verschiedenen Stand-

oft ſolche Spuren vorangegangener Generationen,
wie Herculanum und Pompeji, mit der Lava,
der Aſche ihrer Vulkane neidiſch bedeckt, aber
gerade dadurch die innigere Allianz, das beſſere
Verſtaͤndniß zwiſchen den Roͤmern des erſten,
und den Europaͤern des achtzehnten Jahrhun-
derts, die jene Spuren wieder auffanden, veran-
laßt. Dieſelben Barbaren, welche ſie herein rief,
um das praͤchtige Alterthum zu zerſtoͤren, haben
im Laufe der Zeiten alle Denkmaͤhler von Rom
und Griechenland wieder aus dem Staube her-
vorgezogen, und ſind in eine feſtere Verbindung
mit ihnen getreten, als erfolgt ſeyn wuͤrde, wenn
das große Erbtheil jener Zeiten ruhig und all-
maͤhlich auf die unſrigen herabgekommen waͤre.

Die Erzaͤhlung von dieſem Kriege aller Krie-
ge, dieſem Kriege des menſchlichen Geſchlechtes
mit der Erde, nennen wir Weltgeſchichte,
und die oft unterbrochene, doch immer ſicherer
zu Stande gebrachte Allianz der menſchlichen
Individuen unter einander gegen die Erde nen-
nen wir Staat. Da das ganze Leben in die-
ſem unaufhoͤrlichen geheimen und oͤffentlichen
Kriege mit der Erde und ihren Kraͤften beſteht,
ſo laͤßt ſich kein Leben der Menſchen ohne dieſe
Allianz der Menſchen unter einander denken,
und auch von dieſem ganz verſchiedenen Stand-

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[79/0113] oft ſolche Spuren vorangegangener Generationen, wie Herculanum und Pompeji, mit der Lava, der Aſche ihrer Vulkane neidiſch bedeckt, aber gerade dadurch die innigere Allianz, das beſſere Verſtaͤndniß zwiſchen den Roͤmern des erſten, und den Europaͤern des achtzehnten Jahrhun- derts, die jene Spuren wieder auffanden, veran- laßt. Dieſelben Barbaren, welche ſie herein rief, um das praͤchtige Alterthum zu zerſtoͤren, haben im Laufe der Zeiten alle Denkmaͤhler von Rom und Griechenland wieder aus dem Staube her- vorgezogen, und ſind in eine feſtere Verbindung mit ihnen getreten, als erfolgt ſeyn wuͤrde, wenn das große Erbtheil jener Zeiten ruhig und all- maͤhlich auf die unſrigen herabgekommen waͤre. Die Erzaͤhlung von dieſem Kriege aller Krie- ge, dieſem Kriege des menſchlichen Geſchlechtes mit der Erde, nennen wir Weltgeſchichte, und die oft unterbrochene, doch immer ſicherer zu Stande gebrachte Allianz der menſchlichen Individuen unter einander gegen die Erde nen- nen wir Staat. Da das ganze Leben in die- ſem unaufhoͤrlichen geheimen und oͤffentlichen Kriege mit der Erde und ihren Kraͤften beſteht, ſo laͤßt ſich kein Leben der Menſchen ohne dieſe Allianz der Menſchen unter einander denken, und auch von dieſem ganz verſchiedenen Stand-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/113>, abgerufen am 23.04.2024.