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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Siebente Vorlesung.

Wie sich die Partheien zum Richter, der Contract zum
Gesetze, und die Freiheit zum Rechte verhalte.


Der berühmte Wahlspruch: suum cuique,
drückt das Wesen der Gerechtigkeit vollkommen
aus, wenn man das suum ideenweise ver-
steht. Meint man damit bloß jenes Aggregat von
Sachen, welches dem menschlichen Leben ange-
hängt wird und ihm nachschleppt, todtes Eigen-
thum, unempfindlichen Besitz, so kann sich leicht
die höchste Ungerechtigkeit hinter jenem Wahl-
spruch verstecken. In einer Staatslehre, wie die
meinige, die den lebendigen, bewegten, in allen
seinen Elementen kriegerischen (nicht bloß militä-
rischen) Staat postulirt, die demnach innerhalb
einer Nation nur solche Einrichtungen gelten
läßt, welche den Staat innerlich und äußerlich
vertheidigen helfen und lebendig in das leben-
dige Ganze eingreifen, ist das erste unter allen


Siebente Vorleſung.

Wie ſich die Partheien zum Richter, der Contract zum
Geſetze, und die Freiheit zum Rechte verhalte.


Der beruͤhmte Wahlſpruch: suum cuique,
druͤckt das Weſen der Gerechtigkeit vollkommen
aus, wenn man das suum ideenweiſe ver-
ſteht. Meint man damit bloß jenes Aggregat von
Sachen, welches dem menſchlichen Leben ange-
haͤngt wird und ihm nachſchleppt, todtes Eigen-
thum, unempfindlichen Beſitz, ſo kann ſich leicht
die hoͤchſte Ungerechtigkeit hinter jenem Wahl-
ſpruch verſtecken. In einer Staatslehre, wie die
meinige, die den lebendigen, bewegten, in allen
ſeinen Elementen kriegeriſchen (nicht bloß militaͤ-
riſchen) Staat poſtulirt, die demnach innerhalb
einer Nation nur ſolche Einrichtungen gelten
laͤßt, welche den Staat innerlich und aͤußerlich
vertheidigen helfen und lebendig in das leben-
dige Ganze eingreifen, iſt das erſte unter allen

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[186/0220] Siebente Vorleſung. Wie ſich die Partheien zum Richter, der Contract zum Geſetze, und die Freiheit zum Rechte verhalte. Der beruͤhmte Wahlſpruch: suum cuique, druͤckt das Weſen der Gerechtigkeit vollkommen aus, wenn man das suum ideenweiſe ver- ſteht. Meint man damit bloß jenes Aggregat von Sachen, welches dem menſchlichen Leben ange- haͤngt wird und ihm nachſchleppt, todtes Eigen- thum, unempfindlichen Beſitz, ſo kann ſich leicht die hoͤchſte Ungerechtigkeit hinter jenem Wahl- ſpruch verſtecken. In einer Staatslehre, wie die meinige, die den lebendigen, bewegten, in allen ſeinen Elementen kriegeriſchen (nicht bloß militaͤ- riſchen) Staat poſtulirt, die demnach innerhalb einer Nation nur ſolche Einrichtungen gelten laͤßt, welche den Staat innerlich und aͤußerlich vertheidigen helfen und lebendig in das leben- dige Ganze eingreifen, iſt das erſte unter allen

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/220>, abgerufen am 29.03.2024.