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Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

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seine Wunder beruft. Urtheilen Sie nun selbst, was in
diesem Stücke von Roußeau zu halten ist, ob er nicht
entweder unredlich zu Werke geht, oder doch wenigstens
gegen Wahrheiten schreibt, die er sich nicht einmahl die
Mühe gegeben hat, in ihren Quellen zu untersuchen.

Zehnte Unterredung, den 20sten März.

Jn dieser Unterredung wollte ich den Grafen zu über-
zeugen suchen, daß die Vernunft nichts gegründetes
gegen die Lehre von der Versöhnung der Welt durch
Christum einwenden könne. Jch habe selbst über die
Sache, von der wir heute handeln wollen, schon nach-
gedacht; so fieng er unsre Unterredung an. Vielleicht
will Gott dadurch, daß er für die Lehre von der Erlösung
unsern Glauben fordert, unsre Gesinnungen gegen seine
Vorschriften prüfen. Und wenn das ist, so sind wir
schon aus diesem Grunde verbunden sie anzunehmen.
"Wir sind freylich verbunden alles zu glauben, wovon
wir gewiß sind, daß es Gott offenbahrt hat. Jch hoffe
aber Jhnen heute noch zu zeigen, daß die Lehre von der
Versöhnung noch näher zu unsrer Vernunft gebracht wer-
den kann, in so ferne sie für die Eigenschaften Gottes so
verherrlichend und unsrer Glückseeligkeit so sehr gemäß
ist. Verlangen Sie nur nicht verborgene Rahtschlüsse
Gottes einzusehen, sondern seyn Sie damit zufrieden,
überzeugt zu werden, daß Gottes Vollkommenheiten
uns durch die Lehre von der Versöhnung der Welt weit
verehrungswürdiger werden, als wir sie sonst erkennen
würden, und daß unser Heil durch sie augenscheinlich
befördert wird: so wird Jhre Vernunft gewiß befrie-
digt seyn."

Derjenige würde gewiß zu viel wagen, der die
Lehre von der Versöhnung deswegen für unverträglich mit

den




ſeine Wunder beruft. Urtheilen Sie nun ſelbſt, was in
dieſem Stuͤcke von Roußeau zu halten iſt, ob er nicht
entweder unredlich zu Werke geht, oder doch wenigſtens
gegen Wahrheiten ſchreibt, die er ſich nicht einmahl die
Muͤhe gegeben hat, in ihren Quellen zu unterſuchen.

Zehnte Unterredung, den 20ſten Maͤrz.

Jn dieſer Unterredung wollte ich den Grafen zu uͤber-
zeugen ſuchen, daß die Vernunft nichts gegruͤndetes
gegen die Lehre von der Verſoͤhnung der Welt durch
Chriſtum einwenden koͤnne. Jch habe ſelbſt uͤber die
Sache, von der wir heute handeln wollen, ſchon nach-
gedacht; ſo fieng er unſre Unterredung an. Vielleicht
will Gott dadurch, daß er fuͤr die Lehre von der Erloͤſung
unſern Glauben fordert, unſre Geſinnungen gegen ſeine
Vorſchriften pruͤfen. Und wenn das iſt, ſo ſind wir
ſchon aus dieſem Grunde verbunden ſie anzunehmen.
“Wir ſind freylich verbunden alles zu glauben, wovon
wir gewiß ſind, daß es Gott offenbahrt hat. Jch hoffe
aber Jhnen heute noch zu zeigen, daß die Lehre von der
Verſoͤhnung noch naͤher zu unſrer Vernunft gebracht wer-
den kann, in ſo ferne ſie fuͤr die Eigenſchaften Gottes ſo
verherrlichend und unſrer Gluͤckſeeligkeit ſo ſehr gemaͤß
iſt. Verlangen Sie nur nicht verborgene Rahtſchluͤſſe
Gottes einzuſehen, ſondern ſeyn Sie damit zufrieden,
uͤberzeugt zu werden, daß Gottes Vollkommenheiten
uns durch die Lehre von der Verſoͤhnung der Welt weit
verehrungswuͤrdiger werden, als wir ſie ſonſt erkennen
wuͤrden, und daß unſer Heil durch ſie augenſcheinlich
befoͤrdert wird: ſo wird Jhre Vernunft gewiß befrie-
digt ſeyn.„

Derjenige wuͤrde gewiß zu viel wagen, der die
Lehre von der Verſoͤhnung deswegen fuͤr unvertraͤglich mit

den
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[109/0121] ſeine Wunder beruft. Urtheilen Sie nun ſelbſt, was in dieſem Stuͤcke von Roußeau zu halten iſt, ob er nicht entweder unredlich zu Werke geht, oder doch wenigſtens gegen Wahrheiten ſchreibt, die er ſich nicht einmahl die Muͤhe gegeben hat, in ihren Quellen zu unterſuchen. Zehnte Unterredung, den 20ſten Maͤrz. Jn dieſer Unterredung wollte ich den Grafen zu uͤber- zeugen ſuchen, daß die Vernunft nichts gegruͤndetes gegen die Lehre von der Verſoͤhnung der Welt durch Chriſtum einwenden koͤnne. Jch habe ſelbſt uͤber die Sache, von der wir heute handeln wollen, ſchon nach- gedacht; ſo fieng er unſre Unterredung an. Vielleicht will Gott dadurch, daß er fuͤr die Lehre von der Erloͤſung unſern Glauben fordert, unſre Geſinnungen gegen ſeine Vorſchriften pruͤfen. Und wenn das iſt, ſo ſind wir ſchon aus dieſem Grunde verbunden ſie anzunehmen. “Wir ſind freylich verbunden alles zu glauben, wovon wir gewiß ſind, daß es Gott offenbahrt hat. Jch hoffe aber Jhnen heute noch zu zeigen, daß die Lehre von der Verſoͤhnung noch naͤher zu unſrer Vernunft gebracht wer- den kann, in ſo ferne ſie fuͤr die Eigenſchaften Gottes ſo verherrlichend und unſrer Gluͤckſeeligkeit ſo ſehr gemaͤß iſt. Verlangen Sie nur nicht verborgene Rahtſchluͤſſe Gottes einzuſehen, ſondern ſeyn Sie damit zufrieden, uͤberzeugt zu werden, daß Gottes Vollkommenheiten uns durch die Lehre von der Verſoͤhnung der Welt weit verehrungswuͤrdiger werden, als wir ſie ſonſt erkennen wuͤrden, und daß unſer Heil durch ſie augenſcheinlich befoͤrdert wird: ſo wird Jhre Vernunft gewiß befrie- digt ſeyn.„ Derjenige wuͤrde gewiß zu viel wagen, der die Lehre von der Verſoͤhnung deswegen fuͤr unvertraͤglich mit den

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Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/121>, abgerufen am 28.03.2024.