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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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andern Richter haben, und auch für den dritten gab
des Patrons richterliche Macht eine einfachere und
schnelle Entscheidung, von der ihm, wenn sie ungenü-
gend schien, noch immer die Abrufung der Sache vor
ein gewöhnliches Gericht offen stand.

Was die Volksgemeinde damals nur noch war, an-
fänglich nichts als eine richtende Versammlung, und erst
im Verlauf dieses ersten Zeitraums berechtigt Beschlüsse
zu fassen, die aber noch keineswegs gesetzliche Kraft
hatten, sondern nur als Vorstellungen den Senat nö-
thigten über ihren Inhalt zu beschließen, ist schon oben
gesagt worden 14); ich erinnere daran damit es sich
der Leser zum Verständniß der folgenden Geschichtser-
zählung vergegenwärtige.

Innere Geschichte von Cassius Tod bis
auf das Decemvirat
.

Ein Grundfehler verderbt Livius Darstellung der gan-
zen älteren Geschichte; vor seinem Blick schwebte kaum ein
dunkles Bild der ursprünglichen Verfassung noch der Ge-
stalten welche sie bey den sich folgenden Hauptverän-

derungen
härter gezogen waren und sich im Verfolg der Zeit immer
mehr lößten.
14) Th. I. S. 422. Man erläutere sich den Begriff der da-
maligen Plebiscite durch Erinnerung an die unterthänigen
Vorstellungen der Stände im sechszehnten Jahrhu[nde]rt, oder
sogar des englischen Parlaments in jener Zeit, oder in noch
späterer der versammelten Kammern an den Seigneur Roi.

andern Richter haben, und auch fuͤr den dritten gab
des Patrons richterliche Macht eine einfachere und
ſchnelle Entſcheidung, von der ihm, wenn ſie ungenuͤ-
gend ſchien, noch immer die Abrufung der Sache vor
ein gewoͤhnliches Gericht offen ſtand.

Was die Volksgemeinde damals nur noch war, an-
faͤnglich nichts als eine richtende Verſammlung, und erſt
im Verlauf dieſes erſten Zeitraums berechtigt Beſchluͤſſe
zu faſſen, die aber noch keineswegs geſetzliche Kraft
hatten, ſondern nur als Vorſtellungen den Senat noͤ-
thigten uͤber ihren Inhalt zu beſchließen, iſt ſchon oben
geſagt worden 14); ich erinnere daran damit es ſich
der Leſer zum Verſtaͤndniß der folgenden Geſchichtser-
zaͤhlung vergegenwaͤrtige.

Innere Geſchichte von Caſſius Tod bis
auf das Decemvirat
.

Ein Grundfehler verderbt Livius Darſtellung der gan-
zen aͤlteren Geſchichte; vor ſeinem Blick ſchwebte kaum ein
dunkles Bild der urſpruͤnglichen Verfaſſung noch der Ge-
ſtalten welche ſie bey den ſich folgenden Hauptveraͤn-

derungen
haͤrter gezogen waren und ſich im Verfolg der Zeit immer
mehr loͤßten.
14) Th. I. S. 422. Man erlaͤutere ſich den Begriff der da-
maligen Plebiſcite durch Erinnerung an die unterthaͤnigen
Vorſtellungen der Staͤnde im ſechszehnten Jahrhu[nde]rt, oder
ſogar des engliſchen Parlaments in jener Zeit, oder in noch
ſpaͤterer der verſammelten Kammern an den Seigneur Roi.
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[16/0032] andern Richter haben, und auch fuͤr den dritten gab des Patrons richterliche Macht eine einfachere und ſchnelle Entſcheidung, von der ihm, wenn ſie ungenuͤ- gend ſchien, noch immer die Abrufung der Sache vor ein gewoͤhnliches Gericht offen ſtand. Was die Volksgemeinde damals nur noch war, an- faͤnglich nichts als eine richtende Verſammlung, und erſt im Verlauf dieſes erſten Zeitraums berechtigt Beſchluͤſſe zu faſſen, die aber noch keineswegs geſetzliche Kraft hatten, ſondern nur als Vorſtellungen den Senat noͤ- thigten uͤber ihren Inhalt zu beſchließen, iſt ſchon oben geſagt worden 14); ich erinnere daran damit es ſich der Leſer zum Verſtaͤndniß der folgenden Geſchichtser- zaͤhlung vergegenwaͤrtige. Innere Geſchichte von Caſſius Tod bis auf das Decemvirat. Ein Grundfehler verderbt Livius Darſtellung der gan- zen aͤlteren Geſchichte; vor ſeinem Blick ſchwebte kaum ein dunkles Bild der urſpruͤnglichen Verfaſſung noch der Ge- ſtalten welche ſie bey den ſich folgenden Hauptveraͤn- derungen 13) 14) Th. I. S. 422. Man erlaͤutere ſich den Begriff der da- maligen Plebiſcite durch Erinnerung an die unterthaͤnigen Vorſtellungen der Staͤnde im ſechszehnten Jahrhundert, oder ſogar des engliſchen Parlaments in jener Zeit, oder in noch ſpaͤterer der verſammelten Kammern an den Seigneur Roi. 13) haͤrter gezogen waren und ſich im Verfolg der Zeit immer mehr loͤßten.

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/32>, abgerufen am 29.03.2024.