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Der Arbeitgeber. Nr. 671. Frankfurt a. M., 11. März 1870.

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Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen
3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr.,
bei allen übrigen deutschen
Postämtern 2 fl. 55 kr. od.
1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die
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Red. des "Arbeitgeber",
Gallusgasse 9.
in Frankfurt a. M.

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Der
Arbeitgeber.
Archiv für die gesammte Volkswirthschaft,
Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche.

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neuer Erfindungen, vermit-
telt den Ankauf ( zum Fabrik-
preis ) und Verkauf von Ma-
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Nro 671.
Usingen bei
Frankfurt a. M., 11. März
1870.


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des "Arbeitgeber" bitten wir möglichst bald einzu-
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Preis pr. Halbjahr 2 fl. 20 kr., einschließlich Postaufschlag
2 fl. 55 kr. ( 1 Thlr. 20 ) , in Preußen mit Zeitungssteuer 3 fl. 2 kr.



Das literarische Eigenthumsrecht.

Jn unserer letzten Nummer brachten wir einen Artikel über die
Verhandlungen im norddeutschen Reichstag über dieses Thema, dem
wir nachstehende Bemerkungen folgen lassen.

Die "Volkszeitung" sagt darüber unter anderem: "Wer nicht
denkfaul oder ein Heiterkeitsmacher ( Braun ) ist, muß sich sagen, daß
gerade das geistige Eigenthum das eigentlichste Eigenthum eines
Menschen ist. Materielles Eigenthum kann man durch Zufall erwer-
ben, durch Spiel gewinnen, das geistige Eigenthum kann man nur
durch Arbeit besitzen. Wenn man es als Diebstahl oder Raub be-
trachtet und straft, falls ein Mensch dem andern etwas heimlich nimmt
oder stiehlt, was dieser durch einen Glückszufall, ein Lotteriespiel ge-
wonnen, so ist es sicherlich nicht minder Diebstahl, wenn sich Jemand
ein Ding eines Anderen aneignet, was dieser nur durch Arbeit her-
vorgebracht hat. Wenn eine Gesetzgebung überhaupt einen Schutz
des Eigenthums durch Strafgesetze schaffen will, so kann sie unmög-
lich dasjenige Eigenthum ohne Schutz lassen, welches niemals einem
Zufall, sondern einzig und allein der Arbeit verdankt wird."

Alles Kapital ist nichts anderes als verdichtete Arbeit; was der
Schriftsteller produzirt ist daher auch Kapital. Warum soll dieses
weniger geschützt sein als das irgend eines anderen Menschen?
Vielleicht aus dem Grund, weil es mitunter einen bedeutenden Werth
haben kann? Unsere Rechtsbegriffe müssen wirklich noch äußerst
wenig geklärt sein, sie müssen noch sehr unnobel sein, wenn man
gezwungen ist, auf diese Weise zu argumentiren. Daß sie es
leider noch sind, lehrt die Zeitgeschichte der letzten Jahre und ganz
besonders die Gegenwart. Wie lang ist es denn her, daß man im
ganzen Volk durchaus nichts Unrechtes dabei fand, wenn ein Hut-
macher oder ein Parfumeur die Firma eines berühmten Pariser Jn-
dustriellen auf seine Waaren setzte? Erst in neuerer Zeit haben sich
die Ansichten so geläutert, daß man darin eine unerlaubte Handlung
sieht. Dies hatten aber die Jndustrievölker schon längst ein-
gesehen, und sie hatten Recht uns Barbaren zu nennen, mit demselben
Recht als die Vertheidiger der Todesstrafe dieses Prädikat verdienen.
Ebenso ist es noch nicht so sehr lange her, daß man den Nachdruck
als etwas Erlaubtes betrachtete, in Folge plumper, laxer Rechtsan-
schauungen, welche, wie die Bauern heutzutage noch, nur das rein
materielle
Eigenthum kennen. Leider hat sich bei einer Gruppe
unserer neuern Volkswirthschaftler eine Schule gebildet, die in Bezug
auf geistiges Eigenthum so primitive und wilde wirthschaftliche Be-
griffe und Anschauungen hat wie -- die Bauern. Wenn ich ver-
schiedene Völker in Bezug auf die Entwicklung in ihren Rechtsan-
schauungen mit einander vergleichen soll, so fallen mir immer die
polnischen Juden ein, und zwar nicht die Betteljuden, sondern die,
[Spaltenumbruch] welche zu uns kommen, um Geschäfte zu machen. Dieselben verfügen
oft über bedeutende Mittel, allein ihre äußere Erscheinung ist so un-
appetitlich, so schmierig, daß es einem an Reinlichkeit gewöhnten Mann
sehr unangenehm ist, mit ihnen zu verkehren. Sieht man diese Juden
nun in ihrer Heimath, so findet man, daß dieselben noch außerordent-
lich sauber gekleidet sind; und stellt man den deutschen Kleinstädter,
der den polnischen Juden schmierig fand, einem in der Wäsche, Klei-
dung ec. peniblen Londoner oder Pariser vor, so findet vielleicht der
Letztere den Ersteren unappetitlich. Gerade so geht es einem Volk,
das entwickelte, reine, klare, noble Rechtsanschauungen hat, wenn es
mit einem andern in Verkehr treten muß, das unentwickelte, schmutzige,
trübe und unnoble Rechtsanschaungen hat. Je kultivirter ein Volk
ist, desto besser wird auch seine äußere Repräsentation sein, desto
besser wird es gekleidet sein, desto besser wird es leben. Mit zu seiner
äußeren Repräsentation gehört vor allen Dingen ein Gesetzbuch, das
unsern modernen Begriffen über Mein und Dein entspricht; ein Ge-
setz aber, das den Nachdruck erlaubt, ist eines Kulturstaates unwür-
dig, und die Amerikaner, welche den Nachdruck gestatten, entschuldigen
gerade diesen Ausnahmezustand damit, daß die Vereinigten Staaten
von Nordamerika eben noch keine Kulturstaaten nach modernem Be-
griffe seien. Diese Jndianer=Jurisprudenz treiben aber alle Diejenigen,
welche sich auf den nämlichen Boden stellen, und das geistige Eigen-
thum für vogelfrei erklären. Auf was basiren solche irrigen Rechts-
anschauungen? Auf einer Verschiebung der Sachlage, wie die
Volkszeitung richtig bemerkt, auf Geltendmachung von Motiven, welche
man unter dem Schein der Humanität und der Velksliebe
vorführen kann.

Die Gegner behaupten, es gibt kein Eigenthum an einer Jdee,
und darin haben sie Recht; wenn aber die Jdee durch Arbeit in Ka-
pital verwandelt ist, wie der Schuster durch Arbeit Leder in ein
Paar Schuhe, d. i. Kapital verwandelt, dann gehört das Produkt
Demjenigen, der es geschaffen. Die Jdee ist nichts anders als das
Rohmaterial und unterscheidet sich von dem, was man gewöhnlich unter
dieser Ausdrucksweise versteht nur dadurch, daß das eine Roh-
material, woraus wir das materielle Eigenthum bereiten, in der
Werkstätt der Natur produzirt wird, während das andere, das zur
Schaffung des geistigen Eigenthums dient, in der Werkstätte des
menschlichen Gehirns erzeugt ist.

"Jn Göthes Faust, sagt die Volksztg., liegt eine Jdee, welche
durch ihre Bearbeitung zu einem unübertroffenen Meisterwerk gewor-
den. Nun aber hat Niemand in der Welt diese "Jdee" als ein
apartes Eigenthum Göthe's betrachtet. Unzählige Dichterlinge haben
diese Jdee benutzt, und in ihrer Weise verarbeitet, aber Niemand hat
dies als Nachdruck betrachtet, sondern höchstens als erlaubte Nachah-
mung. Der Faust aber, wie er vorliegt, ist eine Arbeit Göthe's.
Wer die Jdee benutzt und etwa wie Klingemann oder Lenau ein
anderes Dichterwerk oder Drama daraus macht, der wird nimmer-
mehr als ein Mensch betrachtet werden, welcher sich einen Eingriff
in das Eigenthum Göthe's erlaubt hat. Wenn aber Jemand Göthe's
Arbeit nahm, sie nachdruckte und Geschäfte damit machte, ohne Er-
laubniß des Dichters, raubte er mehr als die Jdee, er raubte die
Arbeit selber und ihren Ertrag. Eine solche Handlungsweise
mit der Benützung der Jdee verglichen, ist eine Verschiebung der Frage,
wie sie nur oberflächliche Redenmacher zur Beirrung gedankenloser
Zuhörer betreiben können."

Die Volksztg. widerlegt dann in einem zweiten Artikel die
Phrase, daß man aus Volksliebe den Nachdruck erlauben müsse.
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gerade das geistige Eigenthum das eigentlichste Eigenthum eines
Menschen ist. Materielles Eigenthum kann man durch Zufall erwer-
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trachtet und straft, falls ein Mensch dem andern etwas heimlich nimmt
oder stiehlt, was dieser durch einen Glückszufall, ein Lotteriespiel ge-
wonnen, so ist es sicherlich nicht minder Diebstahl, wenn sich Jemand
ein Ding eines Anderen aneignet, was dieser nur durch Arbeit her-
vorgebracht hat. Wenn eine Gesetzgebung überhaupt einen Schutz
des Eigenthums durch Strafgesetze schaffen will, so kann sie unmög-
lich dasjenige Eigenthum ohne Schutz lassen, welches niemals einem
Zufall, sondern einzig und allein der Arbeit verdankt wird.“

Alles Kapital ist nichts anderes als verdichtete Arbeit; was der
Schriftsteller produzirt ist daher auch Kapital. Warum soll dieses
weniger geschützt sein als das irgend eines anderen Menschen?
Vielleicht aus dem Grund, weil es mitunter einen bedeutenden Werth
haben kann? Unsere Rechtsbegriffe müssen wirklich noch äußerst
wenig geklärt sein, sie müssen noch sehr unnobel sein, wenn man
gezwungen ist, auf diese Weise zu argumentiren. Daß sie es
leider noch sind, lehrt die Zeitgeschichte der letzten Jahre und ganz
besonders die Gegenwart. Wie lang ist es denn her, daß man im
ganzen Volk durchaus nichts Unrechtes dabei fand, wenn ein Hut-
macher oder ein Parfumeur die Firma eines berühmten Pariser Jn-
dustriellen auf seine Waaren setzte? Erst in neuerer Zeit haben sich
die Ansichten so geläutert, daß man darin eine unerlaubte Handlung
sieht. Dies hatten aber die Jndustrievölker schon längst ein-
gesehen, und sie hatten Recht uns Barbaren zu nennen, mit demselben
Recht als die Vertheidiger der Todesstrafe dieses Prädikat verdienen.
Ebenso ist es noch nicht so sehr lange her, daß man den Nachdruck
als etwas Erlaubtes betrachtete, in Folge plumper, laxer Rechtsan-
schauungen, welche, wie die Bauern heutzutage noch, nur das rein
materielle
Eigenthum kennen. Leider hat sich bei einer Gruppe
unserer neuern Volkswirthschaftler eine Schule gebildet, die in Bezug
auf geistiges Eigenthum so primitive und wilde wirthschaftliche Be-
griffe und Anschauungen hat wie -- die Bauern. Wenn ich ver-
schiedene Völker in Bezug auf die Entwicklung in ihren Rechtsan-
schauungen mit einander vergleichen soll, so fallen mir immer die
polnischen Juden ein, und zwar nicht die Betteljuden, sondern die,
[Spaltenumbruch] welche zu uns kommen, um Geschäfte zu machen. Dieselben verfügen
oft über bedeutende Mittel, allein ihre äußere Erscheinung ist so un-
appetitlich, so schmierig, daß es einem an Reinlichkeit gewöhnten Mann
sehr unangenehm ist, mit ihnen zu verkehren. Sieht man diese Juden
nun in ihrer Heimath, so findet man, daß dieselben noch außerordent-
lich sauber gekleidet sind; und stellt man den deutschen Kleinstädter,
der den polnischen Juden schmierig fand, einem in der Wäsche, Klei-
dung ec. peniblen Londoner oder Pariser vor, so findet vielleicht der
Letztere den Ersteren unappetitlich. Gerade so geht es einem Volk,
das entwickelte, reine, klare, noble Rechtsanschauungen hat, wenn es
mit einem andern in Verkehr treten muß, das unentwickelte, schmutzige,
trübe und unnoble Rechtsanschaungen hat. Je kultivirter ein Volk
ist, desto besser wird auch seine äußere Repräsentation sein, desto
besser wird es gekleidet sein, desto besser wird es leben. Mit zu seiner
äußeren Repräsentation gehört vor allen Dingen ein Gesetzbuch, das
unsern modernen Begriffen über Mein und Dein entspricht; ein Ge-
setz aber, das den Nachdruck erlaubt, ist eines Kulturstaates unwür-
dig, und die Amerikaner, welche den Nachdruck gestatten, entschuldigen
gerade diesen Ausnahmezustand damit, daß die Vereinigten Staaten
von Nordamerika eben noch keine Kulturstaaten nach modernem Be-
griffe seien. Diese Jndianer=Jurisprudenz treiben aber alle Diejenigen,
welche sich auf den nämlichen Boden stellen, und das geistige Eigen-
thum für vogelfrei erklären. Auf was basiren solche irrigen Rechts-
anschauungen? Auf einer Verschiebung der Sachlage, wie die
Volkszeitung richtig bemerkt, auf Geltendmachung von Motiven, welche
man unter dem Schein der Humanität und der Velksliebe
vorführen kann.

Die Gegner behaupten, es gibt kein Eigenthum an einer Jdee,
und darin haben sie Recht; wenn aber die Jdee durch Arbeit in Ka-
pital verwandelt ist, wie der Schuster durch Arbeit Leder in ein
Paar Schuhe, d. i. Kapital verwandelt, dann gehört das Produkt
Demjenigen, der es geschaffen. Die Jdee ist nichts anders als das
Rohmaterial und unterscheidet sich von dem, was man gewöhnlich unter
dieser Ausdrucksweise versteht nur dadurch, daß das eine Roh-
material, woraus wir das materielle Eigenthum bereiten, in der
Werkstätt der Natur produzirt wird, während das andere, das zur
Schaffung des geistigen Eigenthums dient, in der Werkstätte des
menschlichen Gehirns erzeugt ist.

„Jn Göthes Faust, sagt die Volksztg., liegt eine Jdee, welche
durch ihre Bearbeitung zu einem unübertroffenen Meisterwerk gewor-
den. Nun aber hat Niemand in der Welt diese „Jdee“ als ein
apartes Eigenthum Göthe's betrachtet. Unzählige Dichterlinge haben
diese Jdee benutzt, und in ihrer Weise verarbeitet, aber Niemand hat
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Wer die Jdee benutzt und etwa wie Klingemann oder Lenau ein
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mehr als ein Mensch betrachtet werden, welcher sich einen Eingriff
in das Eigenthum Göthe's erlaubt hat. Wenn aber Jemand Göthe's
Arbeit nahm, sie nachdruckte und Geschäfte damit machte, ohne Er-
laubniß des Dichters, raubte er mehr als die Jdee, er raubte die
Arbeit selber und ihren Ertrag. Eine solche Handlungsweise
mit der Benützung der Jdee verglichen, ist eine Verschiebung der Frage,
wie sie nur oberflächliche Redenmacher zur Beirrung gedankenloser
Zuhörer betreiben können.“

Die Volksztg. widerlegt dann in einem zweiten Artikel die
Phrase, daß man aus Volksliebe den Nachdruck erlauben müsse.
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[0001] Der „Arbeitgeber“ erscheint wöchentlich, die „Patentliste“ monatlich. Preis: 1 / 2 jährl. in Preußen 3 fl. 2 kr. od. 1 Thlr. 22 Gr., bei allen übrigen deutschen Postämtern 2 fl. 55 kr. od. 1 2 / 3 Thlr. Anzeigen: für die dreispaltige Petitzeile od. deren Raum 6 kr. Der Betrag wird durch Postnachnahme erhoben. Klein Beträge können durch Briefmarken ausgeglichen werden. Red. des „Arbeitgeber“, Gallusgasse 9. in Frankfurt a. M. Der Arbeitgeber. Archiv für die gesammte Volkswirthschaft, Central-Anzeiger für Stellen- und Arbeitergesuche. Bestellungen werden von allen Postämtern u. Buchhandlun- gen, von letzteren auch Jnse- rate jederzeit angenommen. Briefe werden franco erbeten. Das Patent= u. Maschinen- Geschäft des „Arbeitgeber“ übernimmt die Ausführung neuer Erfindungen, vermit- telt den Ankauf ( zum Fabrik- preis ) und Verkauf von Ma- schinen aller Art, es besorgt Patente für alle Länder und übernimmt deren Ver- werthung. Nro 671. Usingen bei Frankfurt a. M., 11. März 1870. Einladung zum Abonnement. Neue Abonnements auf dasII. Vierteljahr 1870 des „Arbeitgeber“ bitten wir möglichst bald einzu- reichen. -- Da wir nichts mehr pr. Buchhandel versen- den, so bitten wir alle Bestellungen bei der Post zu machen oder direkt an uns zu richten. Preis pr. Halbjahr 2 fl. 20 kr., einschließlich Postaufschlag 2 fl. 55 kr. ( 1 Thlr. 20 ) , in Preußen mit Zeitungssteuer 3 fl. 2 kr. Das literarische Eigenthumsrecht. Jn unserer letzten Nummer brachten wir einen Artikel über die Verhandlungen im norddeutschen Reichstag über dieses Thema, dem wir nachstehende Bemerkungen folgen lassen. Die „Volkszeitung“ sagt darüber unter anderem: „Wer nicht denkfaul oder ein Heiterkeitsmacher ( Braun ) ist, muß sich sagen, daß gerade das geistige Eigenthum das eigentlichste Eigenthum eines Menschen ist. Materielles Eigenthum kann man durch Zufall erwer- ben, durch Spiel gewinnen, das geistige Eigenthum kann man nur durch Arbeit besitzen. Wenn man es als Diebstahl oder Raub be- trachtet und straft, falls ein Mensch dem andern etwas heimlich nimmt oder stiehlt, was dieser durch einen Glückszufall, ein Lotteriespiel ge- wonnen, so ist es sicherlich nicht minder Diebstahl, wenn sich Jemand ein Ding eines Anderen aneignet, was dieser nur durch Arbeit her- vorgebracht hat. Wenn eine Gesetzgebung überhaupt einen Schutz des Eigenthums durch Strafgesetze schaffen will, so kann sie unmög- lich dasjenige Eigenthum ohne Schutz lassen, welches niemals einem Zufall, sondern einzig und allein der Arbeit verdankt wird.“ Alles Kapital ist nichts anderes als verdichtete Arbeit; was der Schriftsteller produzirt ist daher auch Kapital. Warum soll dieses weniger geschützt sein als das irgend eines anderen Menschen? Vielleicht aus dem Grund, weil es mitunter einen bedeutenden Werth haben kann? Unsere Rechtsbegriffe müssen wirklich noch äußerst wenig geklärt sein, sie müssen noch sehr unnobel sein, wenn man gezwungen ist, auf diese Weise zu argumentiren. Daß sie es leider noch sind, lehrt die Zeitgeschichte der letzten Jahre und ganz besonders die Gegenwart. Wie lang ist es denn her, daß man im ganzen Volk durchaus nichts Unrechtes dabei fand, wenn ein Hut- macher oder ein Parfumeur die Firma eines berühmten Pariser Jn- dustriellen auf seine Waaren setzte? Erst in neuerer Zeit haben sich die Ansichten so geläutert, daß man darin eine unerlaubte Handlung sieht. Dies hatten aber die Jndustrievölker schon längst ein- gesehen, und sie hatten Recht uns Barbaren zu nennen, mit demselben Recht als die Vertheidiger der Todesstrafe dieses Prädikat verdienen. Ebenso ist es noch nicht so sehr lange her, daß man den Nachdruck als etwas Erlaubtes betrachtete, in Folge plumper, laxer Rechtsan- schauungen, welche, wie die Bauern heutzutage noch, nur das rein materielle Eigenthum kennen. Leider hat sich bei einer Gruppe unserer neuern Volkswirthschaftler eine Schule gebildet, die in Bezug auf geistiges Eigenthum so primitive und wilde wirthschaftliche Be- griffe und Anschauungen hat wie -- die Bauern. Wenn ich ver- schiedene Völker in Bezug auf die Entwicklung in ihren Rechtsan- schauungen mit einander vergleichen soll, so fallen mir immer die polnischen Juden ein, und zwar nicht die Betteljuden, sondern die, welche zu uns kommen, um Geschäfte zu machen. Dieselben verfügen oft über bedeutende Mittel, allein ihre äußere Erscheinung ist so un- appetitlich, so schmierig, daß es einem an Reinlichkeit gewöhnten Mann sehr unangenehm ist, mit ihnen zu verkehren. Sieht man diese Juden nun in ihrer Heimath, so findet man, daß dieselben noch außerordent- lich sauber gekleidet sind; und stellt man den deutschen Kleinstädter, der den polnischen Juden schmierig fand, einem in der Wäsche, Klei- dung ec. peniblen Londoner oder Pariser vor, so findet vielleicht der Letztere den Ersteren unappetitlich. Gerade so geht es einem Volk, das entwickelte, reine, klare, noble Rechtsanschauungen hat, wenn es mit einem andern in Verkehr treten muß, das unentwickelte, schmutzige, trübe und unnoble Rechtsanschaungen hat. Je kultivirter ein Volk ist, desto besser wird auch seine äußere Repräsentation sein, desto besser wird es gekleidet sein, desto besser wird es leben. Mit zu seiner äußeren Repräsentation gehört vor allen Dingen ein Gesetzbuch, das unsern modernen Begriffen über Mein und Dein entspricht; ein Ge- setz aber, das den Nachdruck erlaubt, ist eines Kulturstaates unwür- dig, und die Amerikaner, welche den Nachdruck gestatten, entschuldigen gerade diesen Ausnahmezustand damit, daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika eben noch keine Kulturstaaten nach modernem Be- griffe seien. Diese Jndianer=Jurisprudenz treiben aber alle Diejenigen, welche sich auf den nämlichen Boden stellen, und das geistige Eigen- thum für vogelfrei erklären. Auf was basiren solche irrigen Rechts- anschauungen? Auf einer Verschiebung der Sachlage, wie die Volkszeitung richtig bemerkt, auf Geltendmachung von Motiven, welche man unter dem Schein der Humanität und der Velksliebe vorführen kann. Die Gegner behaupten, es gibt kein Eigenthum an einer Jdee, und darin haben sie Recht; wenn aber die Jdee durch Arbeit in Ka- pital verwandelt ist, wie der Schuster durch Arbeit Leder in ein Paar Schuhe, d. i. Kapital verwandelt, dann gehört das Produkt Demjenigen, der es geschaffen. Die Jdee ist nichts anders als das Rohmaterial und unterscheidet sich von dem, was man gewöhnlich unter dieser Ausdrucksweise versteht nur dadurch, daß das eine Roh- material, woraus wir das materielle Eigenthum bereiten, in der Werkstätt der Natur produzirt wird, während das andere, das zur Schaffung des geistigen Eigenthums dient, in der Werkstätte des menschlichen Gehirns erzeugt ist. „Jn Göthes Faust, sagt die Volksztg., liegt eine Jdee, welche durch ihre Bearbeitung zu einem unübertroffenen Meisterwerk gewor- den. Nun aber hat Niemand in der Welt diese „Jdee“ als ein apartes Eigenthum Göthe's betrachtet. Unzählige Dichterlinge haben diese Jdee benutzt, und in ihrer Weise verarbeitet, aber Niemand hat dies als Nachdruck betrachtet, sondern höchstens als erlaubte Nachah- mung. Der Faust aber, wie er vorliegt, ist eine Arbeit Göthe's. Wer die Jdee benutzt und etwa wie Klingemann oder Lenau ein anderes Dichterwerk oder Drama daraus macht, der wird nimmer- mehr als ein Mensch betrachtet werden, welcher sich einen Eingriff in das Eigenthum Göthe's erlaubt hat. Wenn aber Jemand Göthe's Arbeit nahm, sie nachdruckte und Geschäfte damit machte, ohne Er- laubniß des Dichters, raubte er mehr als die Jdee, er raubte die Arbeit selber und ihren Ertrag. Eine solche Handlungsweise mit der Benützung der Jdee verglichen, ist eine Verschiebung der Frage, wie sie nur oberflächliche Redenmacher zur Beirrung gedankenloser Zuhörer betreiben können.“ Die Volksztg. widerlegt dann in einem zweiten Artikel die Phrase, daß man aus Volksliebe den Nachdruck erlauben müsse.

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 671. Frankfurt a. M., 11. März 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0671_1870/1>, abgerufen am 23.04.2024.