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Badener Zeitung. Nr. 14, Baden (Niederösterreich), 16.02.1898.

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Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl 1·25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50, halbjährig fl. 3.--,
ganzjährig fl. 6·--. Oesterreich-Ungarn: Mit Zusendung vierteljährig fl. 1.65, halbjährig fl. 3.25, ganzjährig fl. 6.50. Einzelne Mittwoch-Nummer 6 kr., Samstag-Nummer
8 kr. -- Inserate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 8 kr. für die erste, und mit 7 kr. für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber-
einkommen und können auch durch die bestehenden Annoncen-Bureaux an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mittheilungen, Notizen und Correspon-
denzen werden nach Uebereinkunft honorirt. Mannscripte werden nicht zurückgestellt.
[Abbildung] Erscheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustrirtes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 14. Mittwoch den 16. Februar 1898. 18. Jahrg.



[Spaltenumbruch]
Zweitheilung Böhmens.

Am 10. Februar haben namens der Deutschen
im Prager Landtage die Abgeordneten Dr. Lippert
und Dr. Pergelt einen Antrag in zwei Theilen
eingebracht, deren erster die sofortige Wiederauf-
nahme der in den Ausgleichsvereinbarungen vom
19. Jänner 1890 festgesetzten Commissionsarbeiten
zur nationalen Abgrenzung der Gerichtssprengel
fordert, der zweite Theil die Neuordnung der
gesammten Landesverwaltung im Interesse des
Friedens unter Festhaltung des Grundsatzes ver-
langt, dass den Ämtern und behördlichen Organen
nur Amtssprengel zugewiesen werden, welche
Gemeinden und Ortschaften möglichst ein und
derselben Nationalität umfassen. Als Folgeantrag,
welcher sich aus den oberwähnten Anträgen er-
gibt, wurde weiters die endliche Errichtung des
gleichfalls vereinbarten deutschen Kreisgerichtes zu
Trautenau in Antrag gebracht. Dazu begründete der
Abgeordnete Nitsche seinen Antrag auf Bestellung
eines Dolmetsches im Landtage, welcher das
Verständnis der czechischen Reden und Bekannt-
machungen den deutschen Abgeordneten, die nicht
czechisch verstehen, zu vermitteln hätte.

Alle diese Anträge kommen den Czechen
höchlich unbequem, weil sie sich gegen die von
ihnen beliebte Methode wenden, die Deutschen
selbst als Böhmen zu betrachten, worunter sie
eigentlich nur sich selbst, das ist, nur die Czechen
verstehen. Es handelt sich den Czechen darum,
das Dasein der Deutschen politisch zu unter-
schlagen und nur eine einzige politische Nation
in Böhmen gelten zu lassen, nämlich sich selber.
Sie confiscieren die Deutschen und das ge-
[Spaltenumbruch] schlossene deusche Sprachgebiet, wie die Polen in
Galizien die Ruthenen confiscieren und die Ma-
gyaren in Ungarn die übrigen Nationalitäten
unter den Gesammtbegriff "ungarisches Volk"
verstecken möchten. Indem die Czechen auf diese
Weise das Deutschthum in Böhmen wie die
Taschenspieler die Eier, die sie in den Mund
stecken, verschwinden lassen möchten, bemühen sie
sich, die Wirklichkeit gewaltsam an die Stelle
des bloßen Scheins zu setzen und wollen zu
diesem Zwecke die Deutschen in Böhmen auf alle
Weise nöthigen, czechisch zu lernen und ihre
Muttersprache aufzugeben. Daher der Sprachen-
zwang, den sie unter der falschen Flagge der
Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der beiden
Sprachen in Böhmen den Deutschen aufnöthigen
wollen, daher die Versuche, die gesammte Ver-
waltung und das gesammte Gerichtswesen, die
kaiserlichen und die Landesbehörden zweisprachig
zu gestalten und die Beamten und Richter zu
zwingen, in beiderlei Sprachen zu amtieren und
Recht zu pflegen; daher die Leugnung eines ge-
schlossenen deutschen Sprachgebietes und die
krampfhaften Versuche, es zu durchbrechen. Daher
die Anstrengungen, alles kaiserliche, alles öster-
reichische in Böhmen durch königlich böhmisch zu
ersetzen, wie sogar die Grenzzeichen des Landes
im Sinne dieser Anstrengungen abgeändert wurden.
Daher das Staatsrecht, welches den letzten Ein-
fluß des österreichischen Staates auf die inneren
Verhältnisse in Böhmen vernichten soll, damit
dann mit Gewalt, Kerker und Landesaustreibung
der letzte Rest des Deutschthumes im Lande zu
Paaren getrieben werden könnte, der sich nicht
gutwillig dem schon jetzt eingeführten Zwange
unterworfen hätte.


[Spaltenumbruch]

Lüge und Heuchelei ist alles Geschwätz von
Gleichberechtigung, von dem berühmten weißen
Blatte, welches den Deutschen hingehalten werden
soll, um ihre Wünsche darauf zu schreiben,
wenn sie das Staatsrecht anerkennen. Lüge und
Heuchelei ist die ganze nationale Politik des
Czechenthums und seiner feudalen Gönnerschaft
gegen die Deutschen in Böhmen, Lüge und
Heuchelei alle Redensarten, von der Rücksicht-
nahme auf den Gesammtstaat Österreich. Soweit
es ihnen möglich ist, gehen die Staatsrechtler
jetzt schon gewaltsam gegen die Deutschen vor
und ihr letztes Ziel ist Gewalt, Gewalt und
wieder Gewalt wider die Deutschen. Wo ihnen
diese nicht durch Zwangsverordnungen möglich
ist, welche sie der Wiener Regierung abpressen,
suchen sie ihre Majorität und das Vertretungs-
wesen auszunützen, um dem Deutschthum den Athem
zu benehmen. Wenn die Deutschen im Landes-
ausschusse, in allen Landesanstalten zurückgesetzt
sind, im Landtage an die Wand gedrückt werden,
so verschanzen sich die Czechen und ihre Gönner
hinter die parlamentarische Majorität im Land-
tage. Da gilt ihnen die Gleichberechtigung und
die Gleichwertigkeit nichts mehr. Wie der Teufel
die Bibel citiert, so nützen die Czechen alle
Schlagworte aus, um ihre Herrschgelüste zu ver-
bergen und ihnen trotzdem zu fröhnen. Wo bleibt
die Gleichberechtigung des deutschen Volkes in
Böhmen, wenn es der czechischen Majorität aus-
geliefert ist, welche dafür ebenso viel Verständnis
zeigt, wie der Wilde für die Menschenrechte,
wenn er seinen Feind vernichten kann? Der
czechische Grundbesitz versteht nicht einmal seinen
verfassungstreuen Standesgenossen Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen; wie wäre von ihm eine




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Eine zufällige Begegnung.

Unbefugter Nachdruck nicht gestattet.

Sie war jung und hübsch und trug jedes Stück
ihres stets tadellos sitzenden Anzuges mit jener
Grazie, die sie von ihrer französischen Großmutter
geerbt hatte, der sie auch die süßen braunen Augen
zu verdanken hatte und die langen dunklen Wimpern,
hinter deren Schleier, Marie selbst unbewusst, die
Augen oft so verführerisch glänzten. Er war jung,
groß und schön, und sein Äußeres hatte jene ver-
trauenerweckende Leichtigkeit und Gewandtheit, die
nur denen eigen zu sein pflegt, die auf der Sonnen-
seite des Lebens stehen Sie ging täglich genau um
dieselbe Stunde von ihrem Mittagessen zurück in die
Handelsschule, wo sie Stenographie erlernte, wenn er
sein Bureau verließ, um in einem Restaurant in der
Nähe ein Gabelfrühstück einzunehmen. Sie begegneten
sich an derselben Ecke derselben Straße fast täglich
um genau dieselbe Zeit; daher kannten sie sich bald
und fingen an, sich auf die Begegnung zu freuen.

Es wäre nutzlos, zu versichern, dass ein durchaus
"nettes" Mädchen dergleichen nicht gethan haben
würde. Jede junge Dame wird bereit sein, dies mit
überzeugender Wärme zu versichern, besonders
in Gegenwart von Herren. Und doch -- wenn sie
es bequem und angenehm finden, werden sie alle
es selbst thun.

Mary war durchaus "nett", aber sie kam aus
einem kleinen Dorfe, die älteste Tochter eines kinder-
[Spaltenumbruch] reichen Pfarrhauses. Sie war weder reich noch kokett.
Es erschreckte sie, als sie zum erstenmale die unver-
hohlene Bewunderung in seinen Augen las, aber
der Schreck war nicht gerade unangenehm.

Eine ihrer Mitschülerinnen, ein Mädchen ohne
jeden äußeren Reiz, die täglich die Schulwege mit
ihr ging, neckte sie bald nicht ohne Neid mit ihrer
"Eroberung". Die anderen führten den Scherz weiter
und so ward manche Pause zwischen den Unterrichts-
stunden mit diesen Neckereien ausgefüllt, und auch in
dem Hause, in dem beide in Pension waren, war
die Sache bald kein Geheimnis mehr. Was er dazu
gesagt haben würde, hätte er dies ahnen können --
sie hätte es gern gewusst.

Die Tage vergingen. Sie arbeitete mit immer
größerem Fleiße, je näher der Tag der Prüfung
kam. Es hing ja so viel davon ab, ob sie ein gutes
Abgangszeugnis und eine gute erste Stelle bekommen
würde. Daheim war so wenig Geld und so viele
Anforderungen daran. Sie sehnte sich danach, auf
eigenen Füßen zu stehen, den jüngeren Geschwistern
zu helfen. Wie frisch, wie heiter sie auch anderen
erscheinen mochte, innerlich fühlte sie sich ängstlich
müde und einsam. Der freundliche Blick, den sie
täglich aus seinen schönen blauen Augen auf sich
gerichtet fühlte, war wie ein erfrischender Trunk
nach ermüdender Wanderung.

Er lebte augenscheinlich in den besten Ver-
hältnissen. Sein Anzug zeigte das, wie auch die
frische Blume, die sie täglich in seinem Knopfloch
gewahrte. Diese Blume war es ja eigentlich, die
ihre Aufmerksamkeit zuerst auf ihn gelenkt hatte. Sie
vermisste den elterlichen Garten so sehr in dieser
großen Stadt, wo sie nie eine andere Blume sah
[Spaltenumbruch] als jene, welche in den Schaufenstern der Blumen-
läden prangten, die sie nur mit sehnsüchtigen Blicken
betrachten konnte.

Es dauerte nicht lange, so wurde aus dem
Blick gegenseitigen Erkennens ein Lächeln, aus dem
Lächeln ein Gruß. Ihre Schüchternheit verbot ihr
erst, den Gruß zu erwidern, doch überwog die
Furcht vor dem Spott ihrer Begleiterin -- eine
graziöse Verneigung erwiderte das achtungsvolle
Lüften des Hutes. Da geschah es eines Tages, dass
die Veilchen, die er im Knopfloch trug, auf das
Straßenpflaster fielen, er ging achtlos weiter und
trat darauf. Sie aber, die die Blumen liebte, als
seien es lebende Wesen, machte eine schnelle Be-
wegung, als wolle sie sich bücken, um sie aufzuheben,
ebenso rasch aber kam ihr die Besinnung und sie
erröthete unter dem Blick scheinbaren Einverständ-
nisses, der sie aus seinen Augen traf.

Als sie sich am nächsten Tage begegneten, war
sie zufällig allein und er trug in der Hand einen
großen Strauß süß duftender Veilchen. Er lächelte,
grüßte -- und die Veilchen waren für sie. Er bot
sie freundlich und höflich an -- und sie, obgleich sie
wusste, dass sie eigentlich etwas Ungehöriges that,
nahm sie voll zitternder Freude an. Dann gingen
beide in entgegengesetzter Richtung ihren Zielen zu.

Die ernste Wirklichkeit des Lebens nahm mit
den Tagen ihren Fortgang. Sie hatte alle Prüfungen
gut bestanden. Jetzt drehte sich die Unterhaltung in
der Pension hauptsächlich um die Möglichkeit und
Wahrscheinlichkeit des baldigen Eintrittes in eine
gute Stellung. Mary hatte sich bereits um eine solche
beworben.


Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl 1·25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50, halbjährig fl. 3.—,
ganzjährig fl. 6·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig fl. 1.65, halbjährig fl. 3.25, ganzjährig fl. 6.50. Einzelne Mittwoch-Nummer 6 kr., Samstag-Nummer
8 kr. — Inſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 8 kr. für die erſte, und mit 7 kr. für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber-
einkommen und können auch durch die beſtehenden Annoncen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und Correſpon-
denzen werden nach Uebereinkunft honorirt. Mannſcripte werden nicht zurückgeſtellt.
[Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtrirtes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 14. Mittwoch den 16. Februar 1898. 18. Jahrg.



[Spaltenumbruch]
Zweitheilung Böhmens.

Am 10. Februar haben namens der Deutſchen
im Prager Landtage die Abgeordneten Dr. Lippert
und Dr. Pergelt einen Antrag in zwei Theilen
eingebracht, deren erſter die ſofortige Wiederauf-
nahme der in den Ausgleichsvereinbarungen vom
19. Jänner 1890 feſtgeſetzten Commiſſionsarbeiten
zur nationalen Abgrenzung der Gerichtsſprengel
fordert, der zweite Theil die Neuordnung der
geſammten Landesverwaltung im Intereſſe des
Friedens unter Feſthaltung des Grundſatzes ver-
langt, daſs den Ämtern und behördlichen Organen
nur Amtsſprengel zugewieſen werden, welche
Gemeinden und Ortſchaften möglichſt ein und
derſelben Nationalität umfaſſen. Als Folgeantrag,
welcher ſich aus den oberwähnten Anträgen er-
gibt, wurde weiters die endliche Errichtung des
gleichfalls vereinbarten deutſchen Kreisgerichtes zu
Trautenau in Antrag gebracht. Dazu begründete der
Abgeordnete Nitſche ſeinen Antrag auf Beſtellung
eines Dolmetſches im Landtage, welcher das
Verſtändnis der czechiſchen Reden und Bekannt-
machungen den deutſchen Abgeordneten, die nicht
czechiſch verſtehen, zu vermitteln hätte.

Alle dieſe Anträge kommen den Czechen
höchlich unbequem, weil ſie ſich gegen die von
ihnen beliebte Methode wenden, die Deutſchen
ſelbſt als Böhmen zu betrachten, worunter ſie
eigentlich nur ſich ſelbſt, das iſt, nur die Czechen
verſtehen. Es handelt ſich den Czechen darum,
das Daſein der Deutſchen politiſch zu unter-
ſchlagen und nur eine einzige politiſche Nation
in Böhmen gelten zu laſſen, nämlich ſich ſelber.
Sie confiscieren die Deutſchen und das ge-
[Spaltenumbruch] ſchloſſene deuſche Sprachgebiet, wie die Polen in
Galizien die Ruthenen confiscieren und die Ma-
gyaren in Ungarn die übrigen Nationalitäten
unter den Geſammtbegriff „ungariſches Volk“
verſtecken möchten. Indem die Czechen auf dieſe
Weiſe das Deutſchthum in Böhmen wie die
Taſchenſpieler die Eier, die ſie in den Mund
ſtecken, verſchwinden laſſen möchten, bemühen ſie
ſich, die Wirklichkeit gewaltſam an die Stelle
des bloßen Scheins zu ſetzen und wollen zu
dieſem Zwecke die Deutſchen in Böhmen auf alle
Weiſe nöthigen, czechiſch zu lernen und ihre
Mutterſprache aufzugeben. Daher der Sprachen-
zwang, den ſie unter der falſchen Flagge der
Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der beiden
Sprachen in Böhmen den Deutſchen aufnöthigen
wollen, daher die Verſuche, die geſammte Ver-
waltung und das geſammte Gerichtsweſen, die
kaiſerlichen und die Landesbehörden zweiſprachig
zu geſtalten und die Beamten und Richter zu
zwingen, in beiderlei Sprachen zu amtieren und
Recht zu pflegen; daher die Leugnung eines ge-
ſchloſſenen deutſchen Sprachgebietes und die
krampfhaften Verſuche, es zu durchbrechen. Daher
die Anſtrengungen, alles kaiſerliche, alles öſter-
reichiſche in Böhmen durch königlich böhmiſch zu
erſetzen, wie ſogar die Grenzzeichen des Landes
im Sinne dieſer Anſtrengungen abgeändert wurden.
Daher das Staatsrecht, welches den letzten Ein-
fluß des öſterreichiſchen Staates auf die inneren
Verhältniſſe in Böhmen vernichten ſoll, damit
dann mit Gewalt, Kerker und Landesaustreibung
der letzte Reſt des Deutſchthumes im Lande zu
Paaren getrieben werden könnte, der ſich nicht
gutwillig dem ſchon jetzt eingeführten Zwange
unterworfen hätte.


[Spaltenumbruch]

Lüge und Heuchelei iſt alles Geſchwätz von
Gleichberechtigung, von dem berühmten weißen
Blatte, welches den Deutſchen hingehalten werden
ſoll, um ihre Wünſche darauf zu ſchreiben,
wenn ſie das Staatsrecht anerkennen. Lüge und
Heuchelei iſt die ganze nationale Politik des
Czechenthums und ſeiner feudalen Gönnerſchaft
gegen die Deutſchen in Böhmen, Lüge und
Heuchelei alle Redensarten, von der Rückſicht-
nahme auf den Geſammtſtaat Öſterreich. Soweit
es ihnen möglich iſt, gehen die Staatsrechtler
jetzt ſchon gewaltſam gegen die Deutſchen vor
und ihr letztes Ziel iſt Gewalt, Gewalt und
wieder Gewalt wider die Deutſchen. Wo ihnen
dieſe nicht durch Zwangsverordnungen möglich
iſt, welche ſie der Wiener Regierung abpreſſen,
ſuchen ſie ihre Majorität und das Vertretungs-
weſen auszunützen, um dem Deutſchthum den Athem
zu benehmen. Wenn die Deutſchen im Landes-
ausſchuſſe, in allen Landesanſtalten zurückgeſetzt
ſind, im Landtage an die Wand gedrückt werden,
ſo verſchanzen ſich die Czechen und ihre Gönner
hinter die parlamentariſche Majorität im Land-
tage. Da gilt ihnen die Gleichberechtigung und
die Gleichwertigkeit nichts mehr. Wie der Teufel
die Bibel citiert, ſo nützen die Czechen alle
Schlagworte aus, um ihre Herrſchgelüſte zu ver-
bergen und ihnen trotzdem zu fröhnen. Wo bleibt
die Gleichberechtigung des deutſchen Volkes in
Böhmen, wenn es der czechiſchen Majorität aus-
geliefert iſt, welche dafür ebenſo viel Verſtändnis
zeigt, wie der Wilde für die Menſchenrechte,
wenn er ſeinen Feind vernichten kann? Der
czechiſche Grundbeſitz verſteht nicht einmal ſeinen
verfaſſungstreuen Standesgenoſſen Gerechtigkeit
widerfahren zu laſſen; wie wäre von ihm eine




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.
Eine zufällige Begegnung.

Unbefugter Nachdruck nicht geſtattet.

Sie war jung und hübſch und trug jedes Stück
ihres ſtets tadellos ſitzenden Anzuges mit jener
Grazie, die ſie von ihrer franzöſiſchen Großmutter
geerbt hatte, der ſie auch die ſüßen braunen Augen
zu verdanken hatte und die langen dunklen Wimpern,
hinter deren Schleier, Marie ſelbſt unbewuſst, die
Augen oft ſo verführeriſch glänzten. Er war jung,
groß und ſchön, und ſein Äußeres hatte jene ver-
trauenerweckende Leichtigkeit und Gewandtheit, die
nur denen eigen zu ſein pflegt, die auf der Sonnen-
ſeite des Lebens ſtehen Sie ging täglich genau um
dieſelbe Stunde von ihrem Mittageſſen zurück in die
Handelsſchule, wo ſie Stenographie erlernte, wenn er
ſein Bureau verließ, um in einem Reſtaurant in der
Nähe ein Gabelfrühſtück einzunehmen. Sie begegneten
ſich an derſelben Ecke derſelben Straße faſt täglich
um genau dieſelbe Zeit; daher kannten ſie ſich bald
und fingen an, ſich auf die Begegnung zu freuen.

Es wäre nutzlos, zu verſichern, daſs ein durchaus
„nettes“ Mädchen dergleichen nicht gethan haben
würde. Jede junge Dame wird bereit ſein, dies mit
überzeugender Wärme zu verſichern, beſonders
in Gegenwart von Herren. Und doch — wenn ſie
es bequem und angenehm finden, werden ſie alle
es ſelbſt thun.

Mary war durchaus „nett“, aber ſie kam aus
einem kleinen Dorfe, die älteſte Tochter eines kinder-
[Spaltenumbruch] reichen Pfarrhauſes. Sie war weder reich noch kokett.
Es erſchreckte ſie, als ſie zum erſtenmale die unver-
hohlene Bewunderung in ſeinen Augen las, aber
der Schreck war nicht gerade unangenehm.

Eine ihrer Mitſchülerinnen, ein Mädchen ohne
jeden äußeren Reiz, die täglich die Schulwege mit
ihr ging, neckte ſie bald nicht ohne Neid mit ihrer
„Eroberung“. Die anderen führten den Scherz weiter
und ſo ward manche Pauſe zwiſchen den Unterrichts-
ſtunden mit dieſen Neckereien ausgefüllt, und auch in
dem Hauſe, in dem beide in Penſion waren, war
die Sache bald kein Geheimnis mehr. Was er dazu
geſagt haben würde, hätte er dies ahnen können —
ſie hätte es gern gewuſst.

Die Tage vergingen. Sie arbeitete mit immer
größerem Fleiße, je näher der Tag der Prüfung
kam. Es hing ja ſo viel davon ab, ob ſie ein gutes
Abgangszeugnis und eine gute erſte Stelle bekommen
würde. Daheim war ſo wenig Geld und ſo viele
Anforderungen daran. Sie ſehnte ſich danach, auf
eigenen Füßen zu ſtehen, den jüngeren Geſchwiſtern
zu helfen. Wie friſch, wie heiter ſie auch anderen
erſcheinen mochte, innerlich fühlte ſie ſich ängſtlich
müde und einſam. Der freundliche Blick, den ſie
täglich aus ſeinen ſchönen blauen Augen auf ſich
gerichtet fühlte, war wie ein erfriſchender Trunk
nach ermüdender Wanderung.

Er lebte augenſcheinlich in den beſten Ver-
hältniſſen. Sein Anzug zeigte das, wie auch die
friſche Blume, die ſie täglich in ſeinem Knopfloch
gewahrte. Dieſe Blume war es ja eigentlich, die
ihre Aufmerkſamkeit zuerſt auf ihn gelenkt hatte. Sie
vermiſste den elterlichen Garten ſo ſehr in dieſer
großen Stadt, wo ſie nie eine andere Blume ſah
[Spaltenumbruch] als jene, welche in den Schaufenſtern der Blumen-
läden prangten, die ſie nur mit ſehnſüchtigen Blicken
betrachten konnte.

Es dauerte nicht lange, ſo wurde aus dem
Blick gegenſeitigen Erkennens ein Lächeln, aus dem
Lächeln ein Gruß. Ihre Schüchternheit verbot ihr
erſt, den Gruß zu erwidern, doch überwog die
Furcht vor dem Spott ihrer Begleiterin — eine
graziöſe Verneigung erwiderte das achtungsvolle
Lüften des Hutes. Da geſchah es eines Tages, daſs
die Veilchen, die er im Knopfloch trug, auf das
Straßenpflaſter fielen, er ging achtlos weiter und
trat darauf. Sie aber, die die Blumen liebte, als
ſeien es lebende Weſen, machte eine ſchnelle Be-
wegung, als wolle ſie ſich bücken, um ſie aufzuheben,
ebenſo raſch aber kam ihr die Beſinnung und ſie
erröthete unter dem Blick ſcheinbaren Einverſtänd-
niſſes, der ſie aus ſeinen Augen traf.

Als ſie ſich am nächſten Tage begegneten, war
ſie zufällig allein und er trug in der Hand einen
großen Strauß ſüß duftender Veilchen. Er lächelte,
grüßte — und die Veilchen waren für ſie. Er bot
ſie freundlich und höflich an — und ſie, obgleich ſie
wuſste, daſs ſie eigentlich etwas Ungehöriges that,
nahm ſie voll zitternder Freude an. Dann gingen
beide in entgegengeſetzter Richtung ihren Zielen zu.

Die ernſte Wirklichkeit des Lebens nahm mit
den Tagen ihren Fortgang. Sie hatte alle Prüfungen
gut beſtanden. Jetzt drehte ſich die Unterhaltung in
der Penſion hauptſächlich um die Möglichkeit und
Wahrſcheinlichkeit des baldigen Eintrittes in eine
gute Stellung. Mary hatte ſich bereits um eine ſolche
beworben.


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[[1]/0001] Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl 1·25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50, halbjährig fl. 3.—, ganzjährig fl. 6·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig fl. 1.65, halbjährig fl. 3.25, ganzjährig fl. 6.50. Einzelne Mittwoch-Nummer 6 kr., Samstag-Nummer 8 kr. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 8 kr. für die erſte, und mit 7 kr. für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber- einkommen und können auch durch die beſtehenden Annoncen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und Correſpon- denzen werden nach Uebereinkunft honorirt. Mannſcripte werden nicht zurückgeſtellt. [Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung] (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtrirtes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 14. Mittwoch den 16. Februar 1898. 18. Jahrg. Zweitheilung Böhmens. Am 10. Februar haben namens der Deutſchen im Prager Landtage die Abgeordneten Dr. Lippert und Dr. Pergelt einen Antrag in zwei Theilen eingebracht, deren erſter die ſofortige Wiederauf- nahme der in den Ausgleichsvereinbarungen vom 19. Jänner 1890 feſtgeſetzten Commiſſionsarbeiten zur nationalen Abgrenzung der Gerichtsſprengel fordert, der zweite Theil die Neuordnung der geſammten Landesverwaltung im Intereſſe des Friedens unter Feſthaltung des Grundſatzes ver- langt, daſs den Ämtern und behördlichen Organen nur Amtsſprengel zugewieſen werden, welche Gemeinden und Ortſchaften möglichſt ein und derſelben Nationalität umfaſſen. Als Folgeantrag, welcher ſich aus den oberwähnten Anträgen er- gibt, wurde weiters die endliche Errichtung des gleichfalls vereinbarten deutſchen Kreisgerichtes zu Trautenau in Antrag gebracht. Dazu begründete der Abgeordnete Nitſche ſeinen Antrag auf Beſtellung eines Dolmetſches im Landtage, welcher das Verſtändnis der czechiſchen Reden und Bekannt- machungen den deutſchen Abgeordneten, die nicht czechiſch verſtehen, zu vermitteln hätte. Alle dieſe Anträge kommen den Czechen höchlich unbequem, weil ſie ſich gegen die von ihnen beliebte Methode wenden, die Deutſchen ſelbſt als Böhmen zu betrachten, worunter ſie eigentlich nur ſich ſelbſt, das iſt, nur die Czechen verſtehen. Es handelt ſich den Czechen darum, das Daſein der Deutſchen politiſch zu unter- ſchlagen und nur eine einzige politiſche Nation in Böhmen gelten zu laſſen, nämlich ſich ſelber. Sie confiscieren die Deutſchen und das ge- ſchloſſene deuſche Sprachgebiet, wie die Polen in Galizien die Ruthenen confiscieren und die Ma- gyaren in Ungarn die übrigen Nationalitäten unter den Geſammtbegriff „ungariſches Volk“ verſtecken möchten. Indem die Czechen auf dieſe Weiſe das Deutſchthum in Böhmen wie die Taſchenſpieler die Eier, die ſie in den Mund ſtecken, verſchwinden laſſen möchten, bemühen ſie ſich, die Wirklichkeit gewaltſam an die Stelle des bloßen Scheins zu ſetzen und wollen zu dieſem Zwecke die Deutſchen in Böhmen auf alle Weiſe nöthigen, czechiſch zu lernen und ihre Mutterſprache aufzugeben. Daher der Sprachen- zwang, den ſie unter der falſchen Flagge der Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit der beiden Sprachen in Böhmen den Deutſchen aufnöthigen wollen, daher die Verſuche, die geſammte Ver- waltung und das geſammte Gerichtsweſen, die kaiſerlichen und die Landesbehörden zweiſprachig zu geſtalten und die Beamten und Richter zu zwingen, in beiderlei Sprachen zu amtieren und Recht zu pflegen; daher die Leugnung eines ge- ſchloſſenen deutſchen Sprachgebietes und die krampfhaften Verſuche, es zu durchbrechen. Daher die Anſtrengungen, alles kaiſerliche, alles öſter- reichiſche in Böhmen durch königlich böhmiſch zu erſetzen, wie ſogar die Grenzzeichen des Landes im Sinne dieſer Anſtrengungen abgeändert wurden. Daher das Staatsrecht, welches den letzten Ein- fluß des öſterreichiſchen Staates auf die inneren Verhältniſſe in Böhmen vernichten ſoll, damit dann mit Gewalt, Kerker und Landesaustreibung der letzte Reſt des Deutſchthumes im Lande zu Paaren getrieben werden könnte, der ſich nicht gutwillig dem ſchon jetzt eingeführten Zwange unterworfen hätte. Lüge und Heuchelei iſt alles Geſchwätz von Gleichberechtigung, von dem berühmten weißen Blatte, welches den Deutſchen hingehalten werden ſoll, um ihre Wünſche darauf zu ſchreiben, wenn ſie das Staatsrecht anerkennen. Lüge und Heuchelei iſt die ganze nationale Politik des Czechenthums und ſeiner feudalen Gönnerſchaft gegen die Deutſchen in Böhmen, Lüge und Heuchelei alle Redensarten, von der Rückſicht- nahme auf den Geſammtſtaat Öſterreich. Soweit es ihnen möglich iſt, gehen die Staatsrechtler jetzt ſchon gewaltſam gegen die Deutſchen vor und ihr letztes Ziel iſt Gewalt, Gewalt und wieder Gewalt wider die Deutſchen. Wo ihnen dieſe nicht durch Zwangsverordnungen möglich iſt, welche ſie der Wiener Regierung abpreſſen, ſuchen ſie ihre Majorität und das Vertretungs- weſen auszunützen, um dem Deutſchthum den Athem zu benehmen. Wenn die Deutſchen im Landes- ausſchuſſe, in allen Landesanſtalten zurückgeſetzt ſind, im Landtage an die Wand gedrückt werden, ſo verſchanzen ſich die Czechen und ihre Gönner hinter die parlamentariſche Majorität im Land- tage. Da gilt ihnen die Gleichberechtigung und die Gleichwertigkeit nichts mehr. Wie der Teufel die Bibel citiert, ſo nützen die Czechen alle Schlagworte aus, um ihre Herrſchgelüſte zu ver- bergen und ihnen trotzdem zu fröhnen. Wo bleibt die Gleichberechtigung des deutſchen Volkes in Böhmen, wenn es der czechiſchen Majorität aus- geliefert iſt, welche dafür ebenſo viel Verſtändnis zeigt, wie der Wilde für die Menſchenrechte, wenn er ſeinen Feind vernichten kann? Der czechiſche Grundbeſitz verſteht nicht einmal ſeinen verfaſſungstreuen Standesgenoſſen Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen; wie wäre von ihm eine Feuilleton. Eine zufällige Begegnung. Nach dem Amerikaniſchen von A. Eck. Unbefugter Nachdruck nicht geſtattet. Sie war jung und hübſch und trug jedes Stück ihres ſtets tadellos ſitzenden Anzuges mit jener Grazie, die ſie von ihrer franzöſiſchen Großmutter geerbt hatte, der ſie auch die ſüßen braunen Augen zu verdanken hatte und die langen dunklen Wimpern, hinter deren Schleier, Marie ſelbſt unbewuſst, die Augen oft ſo verführeriſch glänzten. Er war jung, groß und ſchön, und ſein Äußeres hatte jene ver- trauenerweckende Leichtigkeit und Gewandtheit, die nur denen eigen zu ſein pflegt, die auf der Sonnen- ſeite des Lebens ſtehen Sie ging täglich genau um dieſelbe Stunde von ihrem Mittageſſen zurück in die Handelsſchule, wo ſie Stenographie erlernte, wenn er ſein Bureau verließ, um in einem Reſtaurant in der Nähe ein Gabelfrühſtück einzunehmen. Sie begegneten ſich an derſelben Ecke derſelben Straße faſt täglich um genau dieſelbe Zeit; daher kannten ſie ſich bald und fingen an, ſich auf die Begegnung zu freuen. Es wäre nutzlos, zu verſichern, daſs ein durchaus „nettes“ Mädchen dergleichen nicht gethan haben würde. Jede junge Dame wird bereit ſein, dies mit überzeugender Wärme zu verſichern, beſonders in Gegenwart von Herren. Und doch — wenn ſie es bequem und angenehm finden, werden ſie alle es ſelbſt thun. Mary war durchaus „nett“, aber ſie kam aus einem kleinen Dorfe, die älteſte Tochter eines kinder- reichen Pfarrhauſes. Sie war weder reich noch kokett. Es erſchreckte ſie, als ſie zum erſtenmale die unver- hohlene Bewunderung in ſeinen Augen las, aber der Schreck war nicht gerade unangenehm. Eine ihrer Mitſchülerinnen, ein Mädchen ohne jeden äußeren Reiz, die täglich die Schulwege mit ihr ging, neckte ſie bald nicht ohne Neid mit ihrer „Eroberung“. Die anderen führten den Scherz weiter und ſo ward manche Pauſe zwiſchen den Unterrichts- ſtunden mit dieſen Neckereien ausgefüllt, und auch in dem Hauſe, in dem beide in Penſion waren, war die Sache bald kein Geheimnis mehr. Was er dazu geſagt haben würde, hätte er dies ahnen können — ſie hätte es gern gewuſst. Die Tage vergingen. Sie arbeitete mit immer größerem Fleiße, je näher der Tag der Prüfung kam. Es hing ja ſo viel davon ab, ob ſie ein gutes Abgangszeugnis und eine gute erſte Stelle bekommen würde. Daheim war ſo wenig Geld und ſo viele Anforderungen daran. Sie ſehnte ſich danach, auf eigenen Füßen zu ſtehen, den jüngeren Geſchwiſtern zu helfen. Wie friſch, wie heiter ſie auch anderen erſcheinen mochte, innerlich fühlte ſie ſich ängſtlich müde und einſam. Der freundliche Blick, den ſie täglich aus ſeinen ſchönen blauen Augen auf ſich gerichtet fühlte, war wie ein erfriſchender Trunk nach ermüdender Wanderung. Er lebte augenſcheinlich in den beſten Ver- hältniſſen. Sein Anzug zeigte das, wie auch die friſche Blume, die ſie täglich in ſeinem Knopfloch gewahrte. Dieſe Blume war es ja eigentlich, die ihre Aufmerkſamkeit zuerſt auf ihn gelenkt hatte. Sie vermiſste den elterlichen Garten ſo ſehr in dieſer großen Stadt, wo ſie nie eine andere Blume ſah als jene, welche in den Schaufenſtern der Blumen- läden prangten, die ſie nur mit ſehnſüchtigen Blicken betrachten konnte. Es dauerte nicht lange, ſo wurde aus dem Blick gegenſeitigen Erkennens ein Lächeln, aus dem Lächeln ein Gruß. 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Dann gingen beide in entgegengeſetzter Richtung ihren Zielen zu. Die ernſte Wirklichkeit des Lebens nahm mit den Tagen ihren Fortgang. Sie hatte alle Prüfungen gut beſtanden. Jetzt drehte ſich die Unterhaltung in der Penſion hauptſächlich um die Möglichkeit und Wahrſcheinlichkeit des baldigen Eintrittes in eine gute Stellung. Mary hatte ſich bereits um eine ſolche beworben.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 14, Baden (Niederösterreich), 16.02.1898, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener014_1898/1>, abgerufen am 19.03.2024.