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Badener Zeitung. Nr. 91, Baden (Niederösterreich), 11.11.1896.

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Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl. 1 25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50, halbjährig fl. 3.--,
ganzjährig fl. 6 --. Oesterreich-Ungarn: Mit Zusendung vierteljährig fl. 1.65, halbjährig fl. 3.25, ganzjährig fl. 6.50. Einzelne Mittwoch-Nummer 6 kr., Samstag-Nummer
8 kr. -- Inserate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 8 kr. für die erste, und mit 7 kr. für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber-
einkommen und können auch durch die bestehenden Annoncen-Bureaux an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mittheilungen, Notizen und Correspon-
denzen werden nach Uebereinkunft honorirt. Manuscripte werden nicht zurückgestellt.

[Abbildung] Erscheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]

(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustrirtes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 91. Mittwoch den 11. November 1896. 16. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Der Antrag Pacak.

Der neueste Sprachenvorstoß der Jungczechen
mit dem alten czechischen Spasse, die Deutschen
eben durch die "Gleichberechtigung" in Böhmen
rechtlos zu machen, sie von allen Aemtern auszu-
schließen und zur Auswanderung oder mit Gewalt
und Zwang zur Aneignung der czechischen Sprache
zu zwingen, ist wieder einmal eingebracht worden,
und zwar zur Abwechslung diesmal im Reichs-
rathe. Die Dringlichkeit wurde abgelehnt und
damit auch dieser Antrag, der nur ein Umweg
ist, für das Verlangen, daß die Deutschen in
Böhmen czechisch zu lernen gezwungen werden
müssen, weil czechisch die Sprache des herrschenden
"Staatsvolkes" in Böhmen wäre und darum Jeder-
mann in Böhmen sich auch diese czechische Staats-
sprache aneignen solle. Eine Ungerechtigkeit und
Unbilligkeit wird Namens der Gerechtigkeit und
des gleichen Rechtes begehrt. Es gibt nichts
Widerlicheres, als diese Art Gleichmacherei, wie
sie da von den Czechen und den mit ihnen ver-
bündeten Schwarzenbergen verlangt wird. Weil
Böhmen ganz im deutschen Culturgebiete liegt,
ist jeder gebildete Czeche genöthigt, deutsch zu
lernen. Zum Troste dafür soll nun jeder Deutsche,
welcher im glorreichen Königreiche, auch in der
deutschesten Ecke, eine Anstellung haben will, auch
czechisch lernen müssen. Es ist nichts anderes,
als wenn ein Einarmiger aus Gründen der
Gleichberechtigung verlangen würde, daß sich alle
übrigen Menschen je einen Arm abnehmen lassen
sollen, damit sie keinen Vorzug vor den Einarmigen
haben, damit er und sie, Alle gleichberechtigt seien.
Es ist kaum jemals irgendwo im Sprachenverkehre
der Völker ein so toller Gedanke aufgetaucht, das
Maß des Nothwendigen und Zweckmäßigen in
solcher Weise zu Gunsten einer Liebhaberei zu
überschreiten.

Der Antrag Pacak wurde also nach einer
umständlichen Debatte, an welcher auf deutscher
Seite die Abgeordneten Scharschmid, Ruß, Schücker,
Menger und Fournier theilnahmen und zutreffende
[Spaltenumbruch] Reden hielten, und alle die Gründe wiederholten,
welche schon so oft wider diesen Sprachenzwangs-
eifer der Czechen angeführt wurden, abgelehnt.
Graf Badeni gab abermals eine Erklärung ab,
welche durchaus ausweichend sich verhält und
schwerlich von den Czechen als eine Zustimmung
zu ihren Wünschen aufgefaßt werden kann, obwohl
der sonst stets unbefriedigte Dr. Herold sagte, er
betrachte die Worte des Ministerpräsidenten als
eine Zusage, daß er die gerechte Forderung der
Czechen erfüllen wolle, weil sie sowohl sachlich
begründet als auch den staatlichen Interessen nicht
widersprechend sei. Weder das Eine noch das
Andere kann von der Einführung der inneren
czechischen Amtssprache behauptet werden.

Uebrigens wußten die Jungczechen sehr wohl,
daß ihr Antrag keinen Erfolg haben würde.
Trotzdem brachten sie ihn ein, weil ihn Vasaty
einbringen wollte. Man müßte sich auch wirklich
den Kopf darüber zerbrechen, warum die Czechen
gerade jetzt diesen Morgenstern von einem Antrage,
mit welchem sie schon so oft auf die Deutschen
losgeschlagen, eingebracht hatten. Es war jedoch
ein öffentliches Geheimniß, warum dies die Jung-
czechen thaten und Vasaty hat es in seinem Grimme
auch noch ausgesprochen. Die Jungczechen
wollten also den Radical-Nationalen den Wind
aus den Segeln nehmen und darum ließen sie
Pacak einen Antrag einbringen und in einer so
haltlosen Weise begründen, welche Scharschmid,
Menger und Fournier unbarmherzig an den
Pranger der Leichtfertigkeit und selbst der Lächerlich-
keit gestellt haben. Die Jungczechen holten sich
auf diese Weise eine Niederlage, welche sie aller-
dings voraussahen, da sie ja alsbald wissen
konnten, daß die Polen gegen den Antrag stimmen
würden, natürlich weil es dem Ministerpräsidenten
genehm war. Ihre Stellung haben die Jung-
czechen durch diese Niederlage keineswegs verbessert
und man könnte daraus den Schluß ziehen, daß
es keineswegs eine geschickte Taktik ist, sich
dadurch, daß man den Nadicalen stets um eine
Pferdelänge voraus zu sein trachtet, Schlappen
zuzuziehen. Außer den Polen hat diesmal auch
[Spaltenumbruch] die katholische Volkspartei gegen die Dringlichkeit,
gestimmt, sicherlich mit Rücksicht auf ihre Wähler
bei denen das nationale Gewissen doch schon so
weit erwacht ist, daß die Clericalen nicht mehr
so ohne Weiters ihren slavischen Helfershelfern
zu Willen sein können.

Bemerkenswerth bei dieser Verhandlung war
auch die Haltung des böhmischen Großgrund-
besitzes, in dessen Namen Prinz und Dr. der
czechischen Universität, Friedrich Schwarzenberg,
sprach. Es ist aber nicht anzunehmen, daß Alles,
was dieser verwunderliche Liebhaber des Czechen-
thums im Namen seiner Gesinnungsgenossen vor-
brachte, auch auf deren Rechnung gesetzt werden
und daß es ganz und gar als deren Meinung
gelten kann. Ritter von Wiedersperg war bestimmt,
für den feudalen Großgrundbesitz zu sprechen und
er hätte wahrscheinlich eine andere Meinungs-
schattirung zur Geltung gebracht, wie Schwarzen-
berg, der ihn vertrat. Immerhin war das Ein-
treten der Großgrundbesitzer für den Antrag
Pacak's und für diese czechische Forderung ein
auffallend heißes, welches uns den feudalen Groß-
grundbesitz in starker Hinneigung zu dem einst
von ihm so stark zurückgewiesenen Jungczechen-
thume zeigt. Diese feudale Liebesbezeugung wurde
denn auch von dem Jungczechen Herold mit einer
geschämigen Bemerkung, daß trotzdem von einer
Allianz der Jungczechen mit den Feudalen nicht
gesprochen werden könne, mit einer öffentlichen
Danksagung ausgezeichnet. Auch aus diesem Vor-
gange ist eine Lehre zu entnehmen. Die Jung-
czechen sind von der Meinung, daß sie in völliger
Isolirtheit am Besten wirken können, bereits ab-
gekommen und sie suchen Bundesgenossen und
finden, daß auch der Großgrundbesitz hiezu tauge.
Es ist ganz gut für eine parlamentarische Partei,
gegebenen Falles warme, verläßliche Freunde zu
haben. Wenn nach dieser Reichsrathssitzung die
deutschböhmischen Abgeordneten, denen sich auch
einige außerböhmische deutsche Abgeordnete an-
schlossen, ihren Austritt aus der Vereinigten
deutschen Linken anzeigten, so haben sie gerade
in dieser Sitzung Gelegenheit gehabt, zu sehen,




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Nuleeni der Sternengeist.
Ein indisches Märchen.

(Nachdruck verboten.)

Von allen Geistern, welche die gestirnten Regionen
bevölkern, war Zorab der einzig unglückliche -- der
schöne Zorab mit der süßen Stimme und dem flie-
genden Haar. Die Ursache seines Kummers war
folgende:

Seit dem Anfang der Welt waren alle seine
Brüder mit der Liebe eines hellen Zwillingssternes
gesegnet; nur ihm war keiner gegeben, nur er
mußte seit Jahrtausenden, einsam und verlassen,
allein wohnen. Er hatte keine Gefährtin, die ihre
Hand in die seine legte, ihre Stimme mit der seinen
im Gesange einte, wenn der Abend über den Him-
mel sank.

Wenn Nachts süße Weisen von den Wohnungen
der Geister her erschollen, von jenen strahlenden
Wohnungen her, die wir Erdenmenschen Sterne
nennen, war Zorab's helles Zelt das einzige am
Himmel, das still war oder höchstens durch seine
Seufzer und Klagen erschüttert wurde.

"Horch!" pflegten sie, mit Singen einhaltend,
zu sagen, "hört diese Seufzer und Klagen! 's ist
Zorab, der seine Verlassenheit beweint."


[Spaltenumbruch]

Nun hatte Zorab seit langen Zeiten auf die
Töchter der Erde geschaut und sie schön gefunden,
und er wußte, daß wenn eine von ihnen ihn mehr
lieben könnte, als alles Andere auf der Welt, ihr
Geist nach ihrem Tode zu ihm hinaufsteigeu und
ewig bei ihm bleiben würde. So wiegte er die
schönsten Mädchen in Schlaf und sprach im Traume
zu ihnen. Aber ihre Geister waren so sehr mit den
irdischen Dingen beschäftigt, daß sie nicht Zeit
hatten, sein sanftes Flüstern zu beantworten, und
manche ihn nicht einmal hörten.

Dann entdeckte er auch etwas sonderbares, daß
nämlich die Mädchen, welche ihm am besten gefielen,
welche die zarteste Haut und die schönsten Augen
hatten, die rohesten Seelen besaßen, und daß die
reinsten Herzen hinter dunkler Haut und unlieblichen
Augen wohnten.

Dies gab ihm zu denken: er schloß, daß die
Töchter der Menschen Fallstricken glichen, da sie
nicht das waren, was sie zu sein schienen. Doch er
gab noch nicht alle Hoffnung auf, das Mädchen,
welches er suchte, zu finden, ein Mädchen mit einem
schönen Gesicht und einer dem Mondstrahl gleichenden
Seele, welches ihn mehr als sich selbst lieben
würde. Oft glaubte er, ein solches gefunden zu
haben, doch sobald er sie im Traume mit sich zu
beschäftigen suchte, fand er für sich keinen Raum.
Sie war vollständig von dem Bilde eines irdischen
Geliebten erfüllt.


[Spaltenumbruch]

Der ewigen Enttäuschungen müde, wollte er
das Suchen ganz aufgeben. Still und traurig saß
er in seinem Sternenzelt. Doch plötzlich kam ihm
ein neuer Gedanke: das Mädchen, welches er suchte,
war nicht auf der Erde. Warum sollte er nun nicht
die allen Geistern gegebene Macht benutzen -- die
Macht zu wünschen? -- warum sollte er nicht
wünschen, daß ein Mädchen geboren würde, welches
seinem Verlangen entspräche? Ueber welches er un-
ausgesetzt wachen und es lehren könnte, ihn mehr
als sich selbst und alles auf der Welt zu lieben,
und dessen Geist, nachdem es gestorben, zu ihm
hinaufsteigen und bis in Ewigkeit bei ihm bleiben
würde?

Von Hoffnung erfüllt, heftete er seine Blicke
abermals auf die Erde. Die Töchter des Nordens
waren schön mit ihren blauen Augen und blondem
Haar. Aber sie waren kalt -- kalt wie der Schnee
ihrer Winter. Zorab fröstelte, als er sie sah, und er
wandte seinen Blick schnell nach Osten. Seine Augen
schweiften sorglos über die Töchter der Sonne, bis
sie an den Hindumädchen haften blieben. Er be-
merkte mit Vergnügen ihre zarten Formen, ihre
weichen rothen Lippen und kohlschwarzen Zöpfe, und
war von Entzücken erfüllt, wenn sie schüchtern die
Lider hoben und ihre träumerischen dunkeln Augen
enthüllten. Nur ihre braune und von der Sonne
Küssen glühende Haut gefiel ihm nicht.

"Sie soll ein Hindumädchen sein," dachte er,


Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl. 1 25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50, halbjährig fl. 3.—,
ganzjährig fl. 6 —. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig fl. 1.65, halbjährig fl. 3.25, ganzjährig fl. 6.50. Einzelne Mittwoch-Nummer 6 kr., Samstag-Nummer
8 kr. — Inſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 8 kr. für die erſte, und mit 7 kr. für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber-
einkommen und können auch durch die beſtehenden Annoncen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und Correſpon-
denzen werden nach Uebereinkunft honorirt. Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt.

[Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]

(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtrirtes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 91. Mittwoch den 11. November 1896. 16. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Der Antrag Pacak.

Der neueſte Sprachenvorſtoß der Jungczechen
mit dem alten czechiſchen Spaſſe, die Deutſchen
eben durch die „Gleichberechtigung“ in Böhmen
rechtlos zu machen, ſie von allen Aemtern auszu-
ſchließen und zur Auswanderung oder mit Gewalt
und Zwang zur Aneignung der czechiſchen Sprache
zu zwingen, iſt wieder einmal eingebracht worden,
und zwar zur Abwechslung diesmal im Reichs-
rathe. Die Dringlichkeit wurde abgelehnt und
damit auch dieſer Antrag, der nur ein Umweg
iſt, für das Verlangen, daß die Deutſchen in
Böhmen czechiſch zu lernen gezwungen werden
müſſen, weil czechiſch die Sprache des herrſchenden
„Staatsvolkes“ in Böhmen wäre und darum Jeder-
mann in Böhmen ſich auch dieſe czechiſche Staats-
ſprache aneignen ſolle. Eine Ungerechtigkeit und
Unbilligkeit wird Namens der Gerechtigkeit und
des gleichen Rechtes begehrt. Es gibt nichts
Widerlicheres, als dieſe Art Gleichmacherei, wie
ſie da von den Czechen und den mit ihnen ver-
bündeten Schwarzenbergen verlangt wird. Weil
Böhmen ganz im deutſchen Culturgebiete liegt,
iſt jeder gebildete Czeche genöthigt, deutſch zu
lernen. Zum Troſte dafür ſoll nun jeder Deutſche,
welcher im glorreichen Königreiche, auch in der
deutſcheſten Ecke, eine Anſtellung haben will, auch
czechiſch lernen müſſen. Es iſt nichts anderes,
als wenn ein Einarmiger aus Gründen der
Gleichberechtigung verlangen würde, daß ſich alle
übrigen Menſchen je einen Arm abnehmen laſſen
ſollen, damit ſie keinen Vorzug vor den Einarmigen
haben, damit er und ſie, Alle gleichberechtigt ſeien.
Es iſt kaum jemals irgendwo im Sprachenverkehre
der Völker ein ſo toller Gedanke aufgetaucht, das
Maß des Nothwendigen und Zweckmäßigen in
ſolcher Weiſe zu Gunſten einer Liebhaberei zu
überſchreiten.

Der Antrag Pacak wurde alſo nach einer
umſtändlichen Debatte, an welcher auf deutſcher
Seite die Abgeordneten Scharſchmid, Ruß, Schücker,
Menger und Fournier theilnahmen und zutreffende
[Spaltenumbruch] Reden hielten, und alle die Gründe wiederholten,
welche ſchon ſo oft wider dieſen Sprachenzwangs-
eifer der Czechen angeführt wurden, abgelehnt.
Graf Badeni gab abermals eine Erklärung ab,
welche durchaus ausweichend ſich verhält und
ſchwerlich von den Czechen als eine Zuſtimmung
zu ihren Wünſchen aufgefaßt werden kann, obwohl
der ſonſt ſtets unbefriedigte Dr. Herold ſagte, er
betrachte die Worte des Miniſterpräſidenten als
eine Zuſage, daß er die gerechte Forderung der
Czechen erfüllen wolle, weil ſie ſowohl ſachlich
begründet als auch den ſtaatlichen Intereſſen nicht
widerſprechend ſei. Weder das Eine noch das
Andere kann von der Einführung der inneren
czechiſchen Amtsſprache behauptet werden.

Uebrigens wußten die Jungczechen ſehr wohl,
daß ihr Antrag keinen Erfolg haben würde.
Trotzdem brachten ſie ihn ein, weil ihn Vaſaty
einbringen wollte. Man müßte ſich auch wirklich
den Kopf darüber zerbrechen, warum die Czechen
gerade jetzt dieſen Morgenſtern von einem Antrage,
mit welchem ſie ſchon ſo oft auf die Deutſchen
losgeſchlagen, eingebracht hatten. Es war jedoch
ein öffentliches Geheimniß, warum dies die Jung-
czechen thaten und Vaſaty hat es in ſeinem Grimme
auch noch ausgeſprochen. Die Jungczechen
wollten alſo den Radical-Nationalen den Wind
aus den Segeln nehmen und darum ließen ſie
Pacak einen Antrag einbringen und in einer ſo
haltloſen Weiſe begründen, welche Scharſchmid,
Menger und Fournier unbarmherzig an den
Pranger der Leichtfertigkeit und ſelbſt der Lächerlich-
keit geſtellt haben. Die Jungczechen holten ſich
auf dieſe Weiſe eine Niederlage, welche ſie aller-
dings vorausſahen, da ſie ja alsbald wiſſen
konnten, daß die Polen gegen den Antrag ſtimmen
würden, natürlich weil es dem Miniſterpräſidenten
genehm war. Ihre Stellung haben die Jung-
czechen durch dieſe Niederlage keineswegs verbeſſert
und man könnte daraus den Schluß ziehen, daß
es keineswegs eine geſchickte Taktik iſt, ſich
dadurch, daß man den Nadicalen ſtets um eine
Pferdelänge voraus zu ſein trachtet, Schlappen
zuzuziehen. Außer den Polen hat diesmal auch
[Spaltenumbruch] die katholiſche Volkspartei gegen die Dringlichkeit,
geſtimmt, ſicherlich mit Rückſicht auf ihre Wähler
bei denen das nationale Gewiſſen doch ſchon ſo
weit erwacht iſt, daß die Clericalen nicht mehr
ſo ohne Weiters ihren ſlaviſchen Helfershelfern
zu Willen ſein können.

Bemerkenswerth bei dieſer Verhandlung war
auch die Haltung des böhmiſchen Großgrund-
beſitzes, in deſſen Namen Prinz und Dr. der
czechiſchen Univerſität, Friedrich Schwarzenberg,
ſprach. Es iſt aber nicht anzunehmen, daß Alles,
was dieſer verwunderliche Liebhaber des Czechen-
thums im Namen ſeiner Geſinnungsgenoſſen vor-
brachte, auch auf deren Rechnung geſetzt werden
und daß es ganz und gar als deren Meinung
gelten kann. Ritter von Wiedersperg war beſtimmt,
für den feudalen Großgrundbeſitz zu ſprechen und
er hätte wahrſcheinlich eine andere Meinungs-
ſchattirung zur Geltung gebracht, wie Schwarzen-
berg, der ihn vertrat. Immerhin war das Ein-
treten der Großgrundbeſitzer für den Antrag
Pacak’s und für dieſe czechiſche Forderung ein
auffallend heißes, welches uns den feudalen Groß-
grundbeſitz in ſtarker Hinneigung zu dem einſt
von ihm ſo ſtark zurückgewieſenen Jungczechen-
thume zeigt. Dieſe feudale Liebesbezeugung wurde
denn auch von dem Jungczechen Herold mit einer
geſchämigen Bemerkung, daß trotzdem von einer
Allianz der Jungczechen mit den Feudalen nicht
geſprochen werden könne, mit einer öffentlichen
Dankſagung ausgezeichnet. Auch aus dieſem Vor-
gange iſt eine Lehre zu entnehmen. Die Jung-
czechen ſind von der Meinung, daß ſie in völliger
Iſolirtheit am Beſten wirken können, bereits ab-
gekommen und ſie ſuchen Bundesgenoſſen und
finden, daß auch der Großgrundbeſitz hiezu tauge.
Es iſt ganz gut für eine parlamentariſche Partei,
gegebenen Falles warme, verläßliche Freunde zu
haben. Wenn nach dieſer Reichsrathsſitzung die
deutſchböhmiſchen Abgeordneten, denen ſich auch
einige außerböhmiſche deutſche Abgeordnete an-
ſchloſſen, ihren Austritt aus der Vereinigten
deutſchen Linken anzeigten, ſo haben ſie gerade
in dieſer Sitzung Gelegenheit gehabt, zu ſehen,




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Nuleeni der Sternengeiſt.
Ein indiſches Märchen.

(Nachdruck verboten.)

Von allen Geiſtern, welche die geſtirnten Regionen
bevölkern, war Zorab der einzig unglückliche — der
ſchöne Zorab mit der ſüßen Stimme und dem flie-
genden Haar. Die Urſache ſeines Kummers war
folgende:

Seit dem Anfang der Welt waren alle ſeine
Brüder mit der Liebe eines hellen Zwillingsſternes
geſegnet; nur ihm war keiner gegeben, nur er
mußte ſeit Jahrtauſenden, einſam und verlaſſen,
allein wohnen. Er hatte keine Gefährtin, die ihre
Hand in die ſeine legte, ihre Stimme mit der ſeinen
im Geſange einte, wenn der Abend über den Him-
mel ſank.

Wenn Nachts ſüße Weiſen von den Wohnungen
der Geiſter her erſchollen, von jenen ſtrahlenden
Wohnungen her, die wir Erdenmenſchen Sterne
nennen, war Zorab’s helles Zelt das einzige am
Himmel, das ſtill war oder höchſtens durch ſeine
Seufzer und Klagen erſchüttert wurde.

„Horch!“ pflegten ſie, mit Singen einhaltend,
zu ſagen, „hört dieſe Seufzer und Klagen! ’s iſt
Zorab, der ſeine Verlaſſenheit beweint.“


[Spaltenumbruch]

Nun hatte Zorab ſeit langen Zeiten auf die
Töchter der Erde geſchaut und ſie ſchön gefunden,
und er wußte, daß wenn eine von ihnen ihn mehr
lieben könnte, als alles Andere auf der Welt, ihr
Geiſt nach ihrem Tode zu ihm hinaufſteigeu und
ewig bei ihm bleiben würde. So wiegte er die
ſchönſten Mädchen in Schlaf und ſprach im Traume
zu ihnen. Aber ihre Geiſter waren ſo ſehr mit den
irdiſchen Dingen beſchäftigt, daß ſie nicht Zeit
hatten, ſein ſanftes Flüſtern zu beantworten, und
manche ihn nicht einmal hörten.

Dann entdeckte er auch etwas ſonderbares, daß
nämlich die Mädchen, welche ihm am beſten gefielen,
welche die zarteſte Haut und die ſchönſten Augen
hatten, die roheſten Seelen beſaßen, und daß die
reinſten Herzen hinter dunkler Haut und unlieblichen
Augen wohnten.

Dies gab ihm zu denken: er ſchloß, daß die
Töchter der Menſchen Fallſtricken glichen, da ſie
nicht das waren, was ſie zu ſein ſchienen. Doch er
gab noch nicht alle Hoffnung auf, das Mädchen,
welches er ſuchte, zu finden, ein Mädchen mit einem
ſchönen Geſicht und einer dem Mondſtrahl gleichenden
Seele, welches ihn mehr als ſich ſelbſt lieben
würde. Oft glaubte er, ein ſolches gefunden zu
haben, doch ſobald er ſie im Traume mit ſich zu
beſchäftigen ſuchte, fand er für ſich keinen Raum.
Sie war vollſtändig von dem Bilde eines irdiſchen
Geliebten erfüllt.


[Spaltenumbruch]

Der ewigen Enttäuſchungen müde, wollte er
das Suchen ganz aufgeben. Still und traurig ſaß
er in ſeinem Sternenzelt. Doch plötzlich kam ihm
ein neuer Gedanke: das Mädchen, welches er ſuchte,
war nicht auf der Erde. Warum ſollte er nun nicht
die allen Geiſtern gegebene Macht benutzen — die
Macht zu wünſchen? — warum ſollte er nicht
wünſchen, daß ein Mädchen geboren würde, welches
ſeinem Verlangen entſpräche? Ueber welches er un-
ausgeſetzt wachen und es lehren könnte, ihn mehr
als ſich ſelbſt und alles auf der Welt zu lieben,
und deſſen Geiſt, nachdem es geſtorben, zu ihm
hinaufſteigen und bis in Ewigkeit bei ihm bleiben
würde?

Von Hoffnung erfüllt, heftete er ſeine Blicke
abermals auf die Erde. Die Töchter des Nordens
waren ſchön mit ihren blauen Augen und blondem
Haar. Aber ſie waren kalt — kalt wie der Schnee
ihrer Winter. Zorab fröſtelte, als er ſie ſah, und er
wandte ſeinen Blick ſchnell nach Oſten. Seine Augen
ſchweiften ſorglos über die Töchter der Sonne, bis
ſie an den Hindumädchen haften blieben. Er be-
merkte mit Vergnügen ihre zarten Formen, ihre
weichen rothen Lippen und kohlſchwarzen Zöpfe, und
war von Entzücken erfüllt, wenn ſie ſchüchtern die
Lider hoben und ihre träumeriſchen dunkeln Augen
enthüllten. Nur ihre braune und von der Sonne
Küſſen glühende Haut gefiel ihm nicht.

„Sie ſoll ein Hindumädchen ſein,“ dachte er,


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[[1]/0001] Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl. 1 25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50, halbjährig fl. 3.—, ganzjährig fl. 6 —. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig fl. 1.65, halbjährig fl. 3.25, ganzjährig fl. 6.50. Einzelne Mittwoch-Nummer 6 kr., Samstag-Nummer 8 kr. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 8 kr. für die erſte, und mit 7 kr. für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber- einkommen und können auch durch die beſtehenden Annoncen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und Correſpon- denzen werden nach Uebereinkunft honorirt. Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. [Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung] (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtrirtes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 91. Mittwoch den 11. November 1896. 16. Jahrg. Der Antrag Pacak. Der neueſte Sprachenvorſtoß der Jungczechen mit dem alten czechiſchen Spaſſe, die Deutſchen eben durch die „Gleichberechtigung“ in Böhmen rechtlos zu machen, ſie von allen Aemtern auszu- ſchließen und zur Auswanderung oder mit Gewalt und Zwang zur Aneignung der czechiſchen Sprache zu zwingen, iſt wieder einmal eingebracht worden, und zwar zur Abwechslung diesmal im Reichs- rathe. Die Dringlichkeit wurde abgelehnt und damit auch dieſer Antrag, der nur ein Umweg iſt, für das Verlangen, daß die Deutſchen in Böhmen czechiſch zu lernen gezwungen werden müſſen, weil czechiſch die Sprache des herrſchenden „Staatsvolkes“ in Böhmen wäre und darum Jeder- mann in Böhmen ſich auch dieſe czechiſche Staats- ſprache aneignen ſolle. Eine Ungerechtigkeit und Unbilligkeit wird Namens der Gerechtigkeit und des gleichen Rechtes begehrt. Es gibt nichts Widerlicheres, als dieſe Art Gleichmacherei, wie ſie da von den Czechen und den mit ihnen ver- bündeten Schwarzenbergen verlangt wird. Weil Böhmen ganz im deutſchen Culturgebiete liegt, iſt jeder gebildete Czeche genöthigt, deutſch zu lernen. Zum Troſte dafür ſoll nun jeder Deutſche, welcher im glorreichen Königreiche, auch in der deutſcheſten Ecke, eine Anſtellung haben will, auch czechiſch lernen müſſen. Es iſt nichts anderes, als wenn ein Einarmiger aus Gründen der Gleichberechtigung verlangen würde, daß ſich alle übrigen Menſchen je einen Arm abnehmen laſſen ſollen, damit ſie keinen Vorzug vor den Einarmigen haben, damit er und ſie, Alle gleichberechtigt ſeien. Es iſt kaum jemals irgendwo im Sprachenverkehre der Völker ein ſo toller Gedanke aufgetaucht, das Maß des Nothwendigen und Zweckmäßigen in ſolcher Weiſe zu Gunſten einer Liebhaberei zu überſchreiten. Der Antrag Pacak wurde alſo nach einer umſtändlichen Debatte, an welcher auf deutſcher Seite die Abgeordneten Scharſchmid, Ruß, Schücker, Menger und Fournier theilnahmen und zutreffende Reden hielten, und alle die Gründe wiederholten, welche ſchon ſo oft wider dieſen Sprachenzwangs- eifer der Czechen angeführt wurden, abgelehnt. Graf Badeni gab abermals eine Erklärung ab, welche durchaus ausweichend ſich verhält und ſchwerlich von den Czechen als eine Zuſtimmung zu ihren Wünſchen aufgefaßt werden kann, obwohl der ſonſt ſtets unbefriedigte Dr. Herold ſagte, er betrachte die Worte des Miniſterpräſidenten als eine Zuſage, daß er die gerechte Forderung der Czechen erfüllen wolle, weil ſie ſowohl ſachlich begründet als auch den ſtaatlichen Intereſſen nicht widerſprechend ſei. Weder das Eine noch das Andere kann von der Einführung der inneren czechiſchen Amtsſprache behauptet werden. Uebrigens wußten die Jungczechen ſehr wohl, daß ihr Antrag keinen Erfolg haben würde. Trotzdem brachten ſie ihn ein, weil ihn Vaſaty einbringen wollte. Man müßte ſich auch wirklich den Kopf darüber zerbrechen, warum die Czechen gerade jetzt dieſen Morgenſtern von einem Antrage, mit welchem ſie ſchon ſo oft auf die Deutſchen losgeſchlagen, eingebracht hatten. Es war jedoch ein öffentliches Geheimniß, warum dies die Jung- czechen thaten und Vaſaty hat es in ſeinem Grimme auch noch ausgeſprochen. Die Jungczechen wollten alſo den Radical-Nationalen den Wind aus den Segeln nehmen und darum ließen ſie Pacak einen Antrag einbringen und in einer ſo haltloſen Weiſe begründen, welche Scharſchmid, Menger und Fournier unbarmherzig an den Pranger der Leichtfertigkeit und ſelbſt der Lächerlich- keit geſtellt haben. Die Jungczechen holten ſich auf dieſe Weiſe eine Niederlage, welche ſie aller- dings vorausſahen, da ſie ja alsbald wiſſen konnten, daß die Polen gegen den Antrag ſtimmen würden, natürlich weil es dem Miniſterpräſidenten genehm war. 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Es iſt aber nicht anzunehmen, daß Alles, was dieſer verwunderliche Liebhaber des Czechen- thums im Namen ſeiner Geſinnungsgenoſſen vor- brachte, auch auf deren Rechnung geſetzt werden und daß es ganz und gar als deren Meinung gelten kann. Ritter von Wiedersperg war beſtimmt, für den feudalen Großgrundbeſitz zu ſprechen und er hätte wahrſcheinlich eine andere Meinungs- ſchattirung zur Geltung gebracht, wie Schwarzen- berg, der ihn vertrat. Immerhin war das Ein- treten der Großgrundbeſitzer für den Antrag Pacak’s und für dieſe czechiſche Forderung ein auffallend heißes, welches uns den feudalen Groß- grundbeſitz in ſtarker Hinneigung zu dem einſt von ihm ſo ſtark zurückgewieſenen Jungczechen- thume zeigt. Dieſe feudale Liebesbezeugung wurde denn auch von dem Jungczechen Herold mit einer geſchämigen Bemerkung, daß trotzdem von einer Allianz der Jungczechen mit den Feudalen nicht geſprochen werden könne, mit einer öffentlichen Dankſagung ausgezeichnet. Auch aus dieſem Vor- gange iſt eine Lehre zu entnehmen. Die Jung- czechen ſind von der Meinung, daß ſie in völliger Iſolirtheit am Beſten wirken können, bereits ab- gekommen und ſie ſuchen Bundesgenoſſen und finden, daß auch der Großgrundbeſitz hiezu tauge. Es iſt ganz gut für eine parlamentariſche Partei, gegebenen Falles warme, verläßliche Freunde zu haben. Wenn nach dieſer Reichsrathsſitzung die deutſchböhmiſchen Abgeordneten, denen ſich auch einige außerböhmiſche deutſche Abgeordnete an- ſchloſſen, ihren Austritt aus der Vereinigten deutſchen Linken anzeigten, ſo haben ſie gerade in dieſer Sitzung Gelegenheit gehabt, zu ſehen, Feuilleton. Nuleeni der Sternengeiſt. Ein indiſches Märchen. Von E. Reichel. (Nachdruck verboten.) Von allen Geiſtern, welche die geſtirnten Regionen bevölkern, war Zorab der einzig unglückliche — der ſchöne Zorab mit der ſüßen Stimme und dem flie- genden Haar. Die Urſache ſeines Kummers war folgende: Seit dem Anfang der Welt waren alle ſeine Brüder mit der Liebe eines hellen Zwillingsſternes geſegnet; nur ihm war keiner gegeben, nur er mußte ſeit Jahrtauſenden, einſam und verlaſſen, allein wohnen. Er hatte keine Gefährtin, die ihre Hand in die ſeine legte, ihre Stimme mit der ſeinen im Geſange einte, wenn der Abend über den Him- mel ſank. Wenn Nachts ſüße Weiſen von den Wohnungen der Geiſter her erſchollen, von jenen ſtrahlenden Wohnungen her, die wir Erdenmenſchen Sterne nennen, war Zorab’s helles Zelt das einzige am Himmel, das ſtill war oder höchſtens durch ſeine Seufzer und Klagen erſchüttert wurde. „Horch!“ pflegten ſie, mit Singen einhaltend, zu ſagen, „hört dieſe Seufzer und Klagen! ’s iſt Zorab, der ſeine Verlaſſenheit beweint.“ Nun hatte Zorab ſeit langen Zeiten auf die Töchter der Erde geſchaut und ſie ſchön gefunden, und er wußte, daß wenn eine von ihnen ihn mehr lieben könnte, als alles Andere auf der Welt, ihr Geiſt nach ihrem Tode zu ihm hinaufſteigeu und ewig bei ihm bleiben würde. So wiegte er die ſchönſten Mädchen in Schlaf und ſprach im Traume zu ihnen. Aber ihre Geiſter waren ſo ſehr mit den irdiſchen Dingen beſchäftigt, daß ſie nicht Zeit hatten, ſein ſanftes Flüſtern zu beantworten, und manche ihn nicht einmal hörten. Dann entdeckte er auch etwas ſonderbares, daß nämlich die Mädchen, welche ihm am beſten gefielen, welche die zarteſte Haut und die ſchönſten Augen hatten, die roheſten Seelen beſaßen, und daß die reinſten Herzen hinter dunkler Haut und unlieblichen Augen wohnten. Dies gab ihm zu denken: er ſchloß, daß die Töchter der Menſchen Fallſtricken glichen, da ſie nicht das waren, was ſie zu ſein ſchienen. Doch er gab noch nicht alle Hoffnung auf, das Mädchen, welches er ſuchte, zu finden, ein Mädchen mit einem ſchönen Geſicht und einer dem Mondſtrahl gleichenden Seele, welches ihn mehr als ſich ſelbſt lieben würde. Oft glaubte er, ein ſolches gefunden zu haben, doch ſobald er ſie im Traume mit ſich zu beſchäftigen ſuchte, fand er für ſich keinen Raum. Sie war vollſtändig von dem Bilde eines irdiſchen Geliebten erfüllt. Der ewigen Enttäuſchungen müde, wollte er das Suchen ganz aufgeben. Still und traurig ſaß er in ſeinem Sternenzelt. Doch plötzlich kam ihm ein neuer Gedanke: das Mädchen, welches er ſuchte, war nicht auf der Erde. Warum ſollte er nun nicht die allen Geiſtern gegebene Macht benutzen — die Macht zu wünſchen? — warum ſollte er nicht wünſchen, daß ein Mädchen geboren würde, welches ſeinem Verlangen entſpräche? Ueber welches er un- ausgeſetzt wachen und es lehren könnte, ihn mehr als ſich ſelbſt und alles auf der Welt zu lieben, und deſſen Geiſt, nachdem es geſtorben, zu ihm hinaufſteigen und bis in Ewigkeit bei ihm bleiben würde? Von Hoffnung erfüllt, heftete er ſeine Blicke abermals auf die Erde. Die Töchter des Nordens waren ſchön mit ihren blauen Augen und blondem Haar. Aber ſie waren kalt — kalt wie der Schnee ihrer Winter. Zorab fröſtelte, als er ſie ſah, und er wandte ſeinen Blick ſchnell nach Oſten. Seine Augen ſchweiften ſorglos über die Töchter der Sonne, bis ſie an den Hindumädchen haften blieben. Er be- merkte mit Vergnügen ihre zarten Formen, ihre weichen rothen Lippen und kohlſchwarzen Zöpfe, und war von Entzücken erfüllt, wenn ſie ſchüchtern die Lider hoben und ihre träumeriſchen dunkeln Augen enthüllten. Nur ihre braune und von der Sonne Küſſen glühende Haut gefiel ihm nicht. „Sie ſoll ein Hindumädchen ſein,“ dachte er,

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener091_1896
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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 91, Baden (Niederösterreich), 11.11.1896, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener091_1896/1>, abgerufen am 29.03.2024.