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Die Bayerische Presse. Nr. 204. Würzburg, 26. August 1850.

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[Spaltenumbruch] beweglichem Eigenthum, Anmaßung öffentlicher
Funktionen, lebensgefährliche Bedrohungen, zuge-
fügter Zwang, noch der Einquartierungen, der
Requisitionen um Vorspann und sonstige Liefe-
rungen ec. Wenn wir auch so sehr als irgend
Jemand die große Zahl der Unglücklichen bedau-
ern, welche in diesen Prozeß verwickelt sind, so
können wir nach solchen Thatsachen diese Zahl doch
wohl begreifen. Uebrigens haben wir mit Freu-
den gesehen, daß über ein Drittheil der Ange-
klagten, 116, nicht der Pfalz angehören, sondern
dem Auslande, größtentheils Gesindel, welches die
Pfalz so schmählich in seinem Jnteresse ausgebeu-
tet hat.

   
Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Flensburg. Durch ein Circulair an die Zoll-
kammern ist angeordnet, daß die schleswig'schen
Schiffe wieder mit dem "Dankt Eiendom" und
den früher gebräuchlichen Meßbriefen versehen
werden sollen. -- "Nach "Kold. Avis" ist am
18. d. M. der Kaufmann Martini mit militäri-
scher Escorte in Kolding angekommen und ging
am folgenden Tag nach Odense, um wegen Nicht-
ablieferung von Waffen und Munition 25 Tage
bei Wasser und Brod zu sitzen. Nach seiner Aus-
sage habe er mit den Ueberresten "Christian VIII."
Geschäfte gemacht und sei dadurch im Besitz von
Kugeln, Granaten, Bomben ec. gewesen, die er
nicht abgeliefert.

   

Am 17. August wurden in Rendsburg sechs
dänische Kriegsgefangene eingebracht und zugleich
mit ihnen der Schullehrer Heinrich Schlüter von
Wohlde in der Landschaft Stapelholm, der seiner
dänischen Sympathien wegen schon längst verdäch-
tig war, jetzt aber offenkundig als Wühler und
Spion sich gezeigt hat. Er trug einen dänischen
Militärrock und erwartet jetzt im Stockhause, was
über ihn verhängt werden wird.

   

Berlin, 21. August. Nach den hier einge-
gangenen Nachrichten zeigen sich im dänischen Heer
wiederkehrende Sympathie der Unzufriedenheit. Es
ist vor einigen Tagen vongekommen, daß 100
Mann sich weigerten, die Vorposten zu beziehen.
Sie wurden in Folge dessen nach Kopenhagen zur
Untersuchung geschickt. -- Von dem bei Duven-
stedt gefallenen französischen Oberstlieutenant du
Pin
waren wenige Tage vor dem Gefecht Briefe
an einen hiesigen Freund eingegangen. Es geht
daraus hervor, daß du Pin anfangs entschlossen
gewesen war, in die holsteinische Armee zu treten.
Er lobte das holsteinische Kriegsverfahren und
war den Dänen bei Beurtheilung ihrer militäri-
schen Einrichtungen nicht eben sehr günstig.

   

Frankfurt. Die Vollmacht für den kaiserl.
Gesandten Grafen Thun = Hohenstein. -- Wir
Franz Joseph ec. ec. Nachdem die Verhältnisse
es unerläßlich machen, daß die deutsche Bundes-
versammlung ihre am 12. Juli 1848 unterbro-
chene Thätigkeit, den Bestimmungen des Artikels
VII. der Wiener Schlußakte gemäß wieder auf-
nehme und dieselbe fortsetze, bis in Folge einer
auf gesetzmäßigem Wege zu Stande gekommene
Revision der Bundesverfassung, ein sie ersetzendes
Organ des Willens und Handelns des Bundes
an ihre Stelle getreten sein wird, -- haben wir
es unseres Dienstes befunden, Unseren lieben, ge-
treuen wirklichen geheimen Rath und Kämmerer,
Friedrich Grafen Thun = Hohenstein, zu Unserem
Bevollmächtigten, Minister und Präsidialgesandten
an dem deutschen Bundestage zu ernennen. -- Jn
Folge dessen ertheilen Wir demselben hiemit Kraft
und Vollmacht, mit den am deutschen Bundes-
tage versammelten Bevollmächtigten der übrigen
souverainen deutschen Fürsten und freien Städte,
entweder selbst, nöthigen Falls aber auch durch
einen substituirten Gewaltträger die zur Erreichung
des Bundeszweckes erforderlichen Berathungen zu
pflegen, und das Beschlossene in Ausführung zu
bringen, indem Wir auf Unser Kaiserliches Wort
[Spaltenumbruch] versprechen, daß Wir alles Jene genehmigen wer-
den, was Unser genannter Bevollmächtigter oder
dessen substituirter Gewaltträger einverständlich mit
den übrigen deutschen souverainen Fürsten und
freien Städten, in dem Sinne und nach dem
Wortlaute der Grundgesetze des Bundes, so wie
in den Grenzen der ihm hierüber besonders von
Uns ertheilten Justruktionen verhandelt, beschlossen
und bewirkt haben wird; zu dessen Bekräftigung
Wir die gegenwärtige in gewöhnlicher Form cum
clausula substiduendi
ausgestellte Vollmacht
eigenhändig unterzeichnet, und derselben Unser grö-
ßeres Staatssiegel aufzudrücken befohlen haben.
-- So geschehen in Unser Kaiserlichen Haupt-
und Residenzstadt Wien den 25. Tag des Monats
Juli im Jahre des Herrn 1850, Unserm Reiche
im Zweiten. -- Geg. Franz Joseph.

Berlin, 21. August. Wir können nun mit
König Rene Schafe hüten. Die Union ist auf-
gegeben. Es ist heute kein Geheimniß mehr.
Gott sei Dank, daß es so ist! Das bleierne
Band um die Brust ist gesprengt, eine freie Luft
weht uns an. Es ist ein schrecklicher Moment,
wenn der Arzt den Tod eines Kranken den An-
gehörigen verkündet, aber wenn sie tage= und
wochenlang um sein Sterbebette gewacht, Zeugen
seines Starrkrampfes, so ist das Wort Tod! auch
ihnen eine Erlösung. Wir zweifelten die letzten
Wochen nicht mehr an dem, was gekommen ist,
und am wenigsten hat uns das Jubelgeschrei neu-
lich; daß alle Minister sich die Hand gereicht,
Preußens Ehre zu wahren! nur einen Augenblick
zweifeln gemacht. Die Diagnose wird leicht, wenn
man die Menschen so lange beobachtet, wenn man
ihre Werke auf die Wagschale gelegt und endlich
ihr Gewicht kennen gelernt Wir zweifelten seit
Wochen nicht mehr an dem Resultat, aber wir
befürchteten, daß man es hinziehen werde, daß
noch ein Dutzend Schleinitzische Noten im Schub-
kasten bereit lägen, um mit dem ersten halben
Dutzend die Hoffnung zu erhalen, mit dem zwei-
ten halben sie allgemach auszulöschen. Das hat
man uns erspart. Dank dafür! Unter welcher
Grimasse man nun eingestehen wird, daß man die
Union fahren läßt, oder vielmehr, wie man das
Aufgeben als Erfüllung bemäntelt, ist uns gleich-
gültig. Wer wollte in solchen Verwicklungen die un-
gebührliche Forderung stellen, die nackte Wahrheit zu
sagen? Das hieße von den Betreffenden einen Selbst-
mord fordern, was unchristlich ist. Ja, es läßt sich
denken, daß Hr. v. Radowitz vor irgend einer
Kammer wieder eine glänzende Rede hält, worin
er beweist, daß Preußen ja glänzend sein Wort
( nemlich des Hrn. v. Radowitz ) gelöst und ge-
rade bis an "die Grenzen des Möglichen" vor-
geschritten ist, und keinen Schritt weiter. Wir
sind froh, daß es so ist; daß wir endlich den
Muth gefaßt ( de facto ) zu bekennen, daß wir
uns dem Gegner unterwerfen, dem die Stirne zu
zeigen, uns der Muth fehlte. Leid thun uns ei-
gentlich nur die ehrenwerthen Conservativen, die
echten schwarz = weißen Patrioten der alten Zeit,
die am 3. April jubelten, als Preußen die Kai-
serkrone ausschlug, denen Erfurt noch eine Thor-
heit und die Union etwas überflüssiges dünkte, die
eben des felsenfesten Glaubens waren, Preußen
brauche sich nur zu rütteln und sein Wille müsse
geschehen, entweder ein Preußen mit Union oder
ohne Union, aber Preußen vor allem. Allerdings
waren auch sie in den letzten Tagen scheu gewor-
den, die Mainzer Durchfahrt, die Klettergeschichte
der Badener über den Rommelsberg hatte sie
stutzig gemacht, aber sie hatten sich getröstet mit
Reminiscenzen und Kernsprüchen, deren unsere
Morgenzeitungen bis ehegestern, ja possierlicher-
weise noch bis heute viele enthalten: man solle
nur kommen, man vertraue fest, der preußische
Degen lasse sein nicht spotten u. s. w. Diese
wackern, treuen, ehrlichen Herzen! Des Königs
Befehl war ihnen Gottes Wille; auf sein Wort
bauten sie mehr als auf das Evangelium. Und
nun, ein zweites Jena, nnd ohne eine Schlacht
werden diese ehrenwerthen Männer zur Einsicht
kommen daß der vielbelobte Eckstein nichts ist wenn
das Gebände fehlt, und daß kein Jndividuum sich
[Spaltenumbruch] isoliren darf aus der Kette der Begebenheiten
ohne unterzugehen. Keinen Stein auf sie! Jhr
Schmerz ist zu groß, und ihre Schuld ist es nicht
daß sie doch so viel verschuldet. Man hat es ihnen
ja so tausendfältig vorgesungen und vorgekaut:
mit den Jdeen und denen, welche sich von densel-
ben leiten ließen ja nicht sich zu befassen, denn
sie führten geradewegs zur Revolution. Zwar ist
zu glauben, daß sie es glauben konnten, wenn sie
nur drei Capitel aus der preußischen Geschichte
lasen; wenn sie nur der Namen Friedrich, Stein
und Hardenberg sich erinnerten, mußten sie wissen
daß gerade die Jdeen es gewesen, die Preußen
gerettet, daß sie allein es sind, die Preußen, wenn
es Gottes Wille, einmal wieder retten können.
Aber man hat zu geschickt die Gräuel und Thor-
heiten der Revolution und Demokratie verarbeitet,
von den protestantischen Kanzeln und den purita-
nischen Predigtstuben ist es ihnen als Butter aufs
tägliche Brod gestrichen worden, daß sie es als
Gewissens= und Loyalitätspflicht betrachteten ihre
Vernunft gefangen zu geben, und einzuschlafen im
seligen Vertrauen, daß man da oben alles besser und
zum Besten und zur Ehre des Vaterlandes und
des Königshauses einrichten werde. Nächst diesen
Conservativen, die es in gutem Glauben waren,
aus Patriotismus zu Opfern bereit, ist die große
Masse der in den Tag Hineinlebenden, die, welche
nichts opfern wollen, wohl noch nicht erwacht. Die
Börse, die Banquiers, die Hoflieferanten, die Ren-
tiers sehen Frieden vor sich. Was wollen sie
mehr! Friede unter jeder Bedingung. Wenn
nur die Geschäfte heute ihren Fortgang haben
und einige Aussicht noch für morgen früh ist.
Weiter hinaus reicht ihr Gedanke nicht und Ehre
-- was ist Ehre? Falstaff schon hat ihnen die
Erklärung geliefert. Seltsam indeß, daß auch hier
ein gewisses äußeres Schamgefühl sich nicht ver-
winden läßt. Wer hätte nicht erwartet, daß alle
Kurse sofort steigen würden; aber auch die Börse
hat so viel Gefühl für den äußern Anstand, sie
läßt nur allmählig die Papiere sich heben, dies-
mal nicht aus Besorgniß.

   

Den "H. N." wird von ihrem Corresp. in
Berlin Folgendes geschrieben: Berlin, 21. Aug.
Es wird uns heute bestätigt, daß die Minister
sich vorgestern über alles Wesentliche geeinigt hat-
ten. Preußen zeigt sich geneigt, auf den Vor-
schlag der gemischten Commission einzugehen, aber
es verwahrt sich gegen alle feindseligen Conseqnen-
zen, wie schon gemeldet ward, und verlangt noch
Aufschlüsse über die Zusammensetzung der Com-
mission. Dies Alles mag im heutigen Minister-
rath seiner schließlichen und concreten Fassung ent-
gegensehen. Jndessen steht eine Aenderung der
Ansichten nicht leicht zu erwarten. -- Jn der
badischen Affaire war die Einigung im Schoße
des Ministeriums noch leichter, da Oesterreich in
diesem Punkt dem preuß. Vorschlag entgegenge-
kommen war. Aber eine Verwahrung gegen die
eventuelle Prätention, die ganze Truppenfrage vor
das Schiedsgericht zu bringen, ist beschlossen wor-
den. -- Einfach und jeder weitern Unterhandlung
enthoben ist also für das Erste nur die Weige-
rung, den engern Rath zu beschicken.

Frankreich.

Straßburg, 23. August. Ueber den Vorfall
bei dem Ball in Besancon laufen noch immer
verschiedene Erzählungen um, die jedoch alle in
dem Punkt darauf hinausgehen, zu zeigen, daß
das Benehmen eines Theils der Anwesenden kein
Beweis von französischer Höflichkeit war. Jn ei-
nem Privatschreiben wird der Hergang folgender-
maßen geschildert: Gegen 10 Uhr ist Louis Bo-
naparte in ungedeckter Kalesche ausgefahren, um
sich in den Ball der Halle zu begeben. Dies
war bekanntlich der Ball des Volks und des " ge-
meinen Haufens." Bei Anblick des Präsidenten
der Republik rief die Menge, welche den Saal
füllte, mit unbeschreiblicher Energie: "Es lebe die
Republik!" Zu gleicher Zeit drängte sie sich um
den Zug; es fand alsdann eine augenblickliche
Verwirrung Statt, so daß der Hr. General v. Ca-
stellane -- sich ohne Zweifel aber mit Unrecht be-

[Spaltenumbruch] beweglichem Eigenthum, Anmaßung öffentlicher
Funktionen, lebensgefährliche Bedrohungen, zuge-
fügter Zwang, noch der Einquartierungen, der
Requisitionen um Vorspann und sonstige Liefe-
rungen ec. Wenn wir auch so sehr als irgend
Jemand die große Zahl der Unglücklichen bedau-
ern, welche in diesen Prozeß verwickelt sind, so
können wir nach solchen Thatsachen diese Zahl doch
wohl begreifen. Uebrigens haben wir mit Freu-
den gesehen, daß über ein Drittheil der Ange-
klagten, 116, nicht der Pfalz angehören, sondern
dem Auslande, größtentheils Gesindel, welches die
Pfalz so schmählich in seinem Jnteresse ausgebeu-
tet hat.

   
Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Flensburg. Durch ein Circulair an die Zoll-
kammern ist angeordnet, daß die schleswig'schen
Schiffe wieder mit dem „Dankt Eiendom“ und
den früher gebräuchlichen Meßbriefen versehen
werden sollen. -- „Nach „Kold. Avis“ ist am
18. d. M. der Kaufmann Martini mit militäri-
scher Escorte in Kolding angekommen und ging
am folgenden Tag nach Odense, um wegen Nicht-
ablieferung von Waffen und Munition 25 Tage
bei Wasser und Brod zu sitzen. Nach seiner Aus-
sage habe er mit den Ueberresten „Christian VIII.“
Geschäfte gemacht und sei dadurch im Besitz von
Kugeln, Granaten, Bomben ec. gewesen, die er
nicht abgeliefert.

   

Am 17. August wurden in Rendsburg sechs
dänische Kriegsgefangene eingebracht und zugleich
mit ihnen der Schullehrer Heinrich Schlüter von
Wohlde in der Landschaft Stapelholm, der seiner
dänischen Sympathien wegen schon längst verdäch-
tig war, jetzt aber offenkundig als Wühler und
Spion sich gezeigt hat. Er trug einen dänischen
Militärrock und erwartet jetzt im Stockhause, was
über ihn verhängt werden wird.

   

Berlin, 21. August. Nach den hier einge-
gangenen Nachrichten zeigen sich im dänischen Heer
wiederkehrende Sympathie der Unzufriedenheit. Es
ist vor einigen Tagen vongekommen, daß 100
Mann sich weigerten, die Vorposten zu beziehen.
Sie wurden in Folge dessen nach Kopenhagen zur
Untersuchung geschickt. -- Von dem bei Duven-
stedt gefallenen französischen Oberstlieutenant du
Pin
waren wenige Tage vor dem Gefecht Briefe
an einen hiesigen Freund eingegangen. Es geht
daraus hervor, daß du Pin anfangs entschlossen
gewesen war, in die holsteinische Armee zu treten.
Er lobte das holsteinische Kriegsverfahren und
war den Dänen bei Beurtheilung ihrer militäri-
schen Einrichtungen nicht eben sehr günstig.

   

Frankfurt. Die Vollmacht für den kaiserl.
Gesandten Grafen Thun = Hohenstein. -- Wir
Franz Joseph ec. ec. Nachdem die Verhältnisse
es unerläßlich machen, daß die deutsche Bundes-
versammlung ihre am 12. Juli 1848 unterbro-
chene Thätigkeit, den Bestimmungen des Artikels
VII. der Wiener Schlußakte gemäß wieder auf-
nehme und dieselbe fortsetze, bis in Folge einer
auf gesetzmäßigem Wege zu Stande gekommene
Revision der Bundesverfassung, ein sie ersetzendes
Organ des Willens und Handelns des Bundes
an ihre Stelle getreten sein wird, -- haben wir
es unseres Dienstes befunden, Unseren lieben, ge-
treuen wirklichen geheimen Rath und Kämmerer,
Friedrich Grafen Thun = Hohenstein, zu Unserem
Bevollmächtigten, Minister und Präsidialgesandten
an dem deutschen Bundestage zu ernennen. -- Jn
Folge dessen ertheilen Wir demselben hiemit Kraft
und Vollmacht, mit den am deutschen Bundes-
tage versammelten Bevollmächtigten der übrigen
souverainen deutschen Fürsten und freien Städte,
entweder selbst, nöthigen Falls aber auch durch
einen substituirten Gewaltträger die zur Erreichung
des Bundeszweckes erforderlichen Berathungen zu
pflegen, und das Beschlossene in Ausführung zu
bringen, indem Wir auf Unser Kaiserliches Wort
[Spaltenumbruch] versprechen, daß Wir alles Jene genehmigen wer-
den, was Unser genannter Bevollmächtigter oder
dessen substituirter Gewaltträger einverständlich mit
den übrigen deutschen souverainen Fürsten und
freien Städten, in dem Sinne und nach dem
Wortlaute der Grundgesetze des Bundes, so wie
in den Grenzen der ihm hierüber besonders von
Uns ertheilten Justruktionen verhandelt, beschlossen
und bewirkt haben wird; zu dessen Bekräftigung
Wir die gegenwärtige in gewöhnlicher Form cum
clausula substiduendi
ausgestellte Vollmacht
eigenhändig unterzeichnet, und derselben Unser grö-
ßeres Staatssiegel aufzudrücken befohlen haben.
-- So geschehen in Unser Kaiserlichen Haupt-
und Residenzstadt Wien den 25. Tag des Monats
Juli im Jahre des Herrn 1850, Unserm Reiche
im Zweiten. -- Geg. Franz Joseph.

Berlin, 21. August. Wir können nun mit
König Rene Schafe hüten. Die Union ist auf-
gegeben. Es ist heute kein Geheimniß mehr.
Gott sei Dank, daß es so ist! Das bleierne
Band um die Brust ist gesprengt, eine freie Luft
weht uns an. Es ist ein schrecklicher Moment,
wenn der Arzt den Tod eines Kranken den An-
gehörigen verkündet, aber wenn sie tage= und
wochenlang um sein Sterbebette gewacht, Zeugen
seines Starrkrampfes, so ist das Wort Tod! auch
ihnen eine Erlösung. Wir zweifelten die letzten
Wochen nicht mehr an dem, was gekommen ist,
und am wenigsten hat uns das Jubelgeschrei neu-
lich; daß alle Minister sich die Hand gereicht,
Preußens Ehre zu wahren! nur einen Augenblick
zweifeln gemacht. Die Diagnose wird leicht, wenn
man die Menschen so lange beobachtet, wenn man
ihre Werke auf die Wagschale gelegt und endlich
ihr Gewicht kennen gelernt Wir zweifelten seit
Wochen nicht mehr an dem Resultat, aber wir
befürchteten, daß man es hinziehen werde, daß
noch ein Dutzend Schleinitzische Noten im Schub-
kasten bereit lägen, um mit dem ersten halben
Dutzend die Hoffnung zu erhalen, mit dem zwei-
ten halben sie allgemach auszulöschen. Das hat
man uns erspart. Dank dafür! Unter welcher
Grimasse man nun eingestehen wird, daß man die
Union fahren läßt, oder vielmehr, wie man das
Aufgeben als Erfüllung bemäntelt, ist uns gleich-
gültig. Wer wollte in solchen Verwicklungen die un-
gebührliche Forderung stellen, die nackte Wahrheit zu
sagen? Das hieße von den Betreffenden einen Selbst-
mord fordern, was unchristlich ist. Ja, es läßt sich
denken, daß Hr. v. Radowitz vor irgend einer
Kammer wieder eine glänzende Rede hält, worin
er beweist, daß Preußen ja glänzend sein Wort
( nemlich des Hrn. v. Radowitz ) gelöst und ge-
rade bis an „die Grenzen des Möglichen“ vor-
geschritten ist, und keinen Schritt weiter. Wir
sind froh, daß es so ist; daß wir endlich den
Muth gefaßt ( de facto ) zu bekennen, daß wir
uns dem Gegner unterwerfen, dem die Stirne zu
zeigen, uns der Muth fehlte. Leid thun uns ei-
gentlich nur die ehrenwerthen Conservativen, die
echten schwarz = weißen Patrioten der alten Zeit,
die am 3. April jubelten, als Preußen die Kai-
serkrone ausschlug, denen Erfurt noch eine Thor-
heit und die Union etwas überflüssiges dünkte, die
eben des felsenfesten Glaubens waren, Preußen
brauche sich nur zu rütteln und sein Wille müsse
geschehen, entweder ein Preußen mit Union oder
ohne Union, aber Preußen vor allem. Allerdings
waren auch sie in den letzten Tagen scheu gewor-
den, die Mainzer Durchfahrt, die Klettergeschichte
der Badener über den Rommelsberg hatte sie
stutzig gemacht, aber sie hatten sich getröstet mit
Reminiscenzen und Kernsprüchen, deren unsere
Morgenzeitungen bis ehegestern, ja possierlicher-
weise noch bis heute viele enthalten: man solle
nur kommen, man vertraue fest, der preußische
Degen lasse sein nicht spotten u. s. w. Diese
wackern, treuen, ehrlichen Herzen! Des Königs
Befehl war ihnen Gottes Wille; auf sein Wort
bauten sie mehr als auf das Evangelium. Und
nun, ein zweites Jena, nnd ohne eine Schlacht
werden diese ehrenwerthen Männer zur Einsicht
kommen daß der vielbelobte Eckstein nichts ist wenn
das Gebände fehlt, und daß kein Jndividuum sich
[Spaltenumbruch] isoliren darf aus der Kette der Begebenheiten
ohne unterzugehen. Keinen Stein auf sie! Jhr
Schmerz ist zu groß, und ihre Schuld ist es nicht
daß sie doch so viel verschuldet. Man hat es ihnen
ja so tausendfältig vorgesungen und vorgekaut:
mit den Jdeen und denen, welche sich von densel-
ben leiten ließen ja nicht sich zu befassen, denn
sie führten geradewegs zur Revolution. Zwar ist
zu glauben, daß sie es glauben konnten, wenn sie
nur drei Capitel aus der preußischen Geschichte
lasen; wenn sie nur der Namen Friedrich, Stein
und Hardenberg sich erinnerten, mußten sie wissen
daß gerade die Jdeen es gewesen, die Preußen
gerettet, daß sie allein es sind, die Preußen, wenn
es Gottes Wille, einmal wieder retten können.
Aber man hat zu geschickt die Gräuel und Thor-
heiten der Revolution und Demokratie verarbeitet,
von den protestantischen Kanzeln und den purita-
nischen Predigtstuben ist es ihnen als Butter aufs
tägliche Brod gestrichen worden, daß sie es als
Gewissens= und Loyalitätspflicht betrachteten ihre
Vernunft gefangen zu geben, und einzuschlafen im
seligen Vertrauen, daß man da oben alles besser und
zum Besten und zur Ehre des Vaterlandes und
des Königshauses einrichten werde. Nächst diesen
Conservativen, die es in gutem Glauben waren,
aus Patriotismus zu Opfern bereit, ist die große
Masse der in den Tag Hineinlebenden, die, welche
nichts opfern wollen, wohl noch nicht erwacht. Die
Börse, die Banquiers, die Hoflieferanten, die Ren-
tiers sehen Frieden vor sich. Was wollen sie
mehr! Friede unter jeder Bedingung. Wenn
nur die Geschäfte heute ihren Fortgang haben
und einige Aussicht noch für morgen früh ist.
Weiter hinaus reicht ihr Gedanke nicht und Ehre
-- was ist Ehre? Falstaff schon hat ihnen die
Erklärung geliefert. Seltsam indeß, daß auch hier
ein gewisses äußeres Schamgefühl sich nicht ver-
winden läßt. Wer hätte nicht erwartet, daß alle
Kurse sofort steigen würden; aber auch die Börse
hat so viel Gefühl für den äußern Anstand, sie
läßt nur allmählig die Papiere sich heben, dies-
mal nicht aus Besorgniß.

   

Den „H. N.“ wird von ihrem Corresp. in
Berlin Folgendes geschrieben: Berlin, 21. Aug.
Es wird uns heute bestätigt, daß die Minister
sich vorgestern über alles Wesentliche geeinigt hat-
ten. Preußen zeigt sich geneigt, auf den Vor-
schlag der gemischten Commission einzugehen, aber
es verwahrt sich gegen alle feindseligen Conseqnen-
zen, wie schon gemeldet ward, und verlangt noch
Aufschlüsse über die Zusammensetzung der Com-
mission. Dies Alles mag im heutigen Minister-
rath seiner schließlichen und concreten Fassung ent-
gegensehen. Jndessen steht eine Aenderung der
Ansichten nicht leicht zu erwarten. -- Jn der
badischen Affaire war die Einigung im Schoße
des Ministeriums noch leichter, da Oesterreich in
diesem Punkt dem preuß. Vorschlag entgegenge-
kommen war. Aber eine Verwahrung gegen die
eventuelle Prätention, die ganze Truppenfrage vor
das Schiedsgericht zu bringen, ist beschlossen wor-
den. -- Einfach und jeder weitern Unterhandlung
enthoben ist also für das Erste nur die Weige-
rung, den engern Rath zu beschicken.

Frankreich.

Straßburg, 23. August. Ueber den Vorfall
bei dem Ball in Besançon laufen noch immer
verschiedene Erzählungen um, die jedoch alle in
dem Punkt darauf hinausgehen, zu zeigen, daß
das Benehmen eines Theils der Anwesenden kein
Beweis von französischer Höflichkeit war. Jn ei-
nem Privatschreiben wird der Hergang folgender-
maßen geschildert: Gegen 10 Uhr ist Louis Bo-
naparte in ungedeckter Kalesche ausgefahren, um
sich in den Ball der Halle zu begeben. Dies
war bekanntlich der Ball des Volks und des „ ge-
meinen Haufens.“ Bei Anblick des Präsidenten
der Republik rief die Menge, welche den Saal
füllte, mit unbeschreiblicher Energie: „Es lebe die
Republik!“ Zu gleicher Zeit drängte sie sich um
den Zug; es fand alsdann eine augenblickliche
Verwirrung Statt, so daß der Hr. General v. Ca-
stellane -- sich ohne Zweifel aber mit Unrecht be-

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[0002] beweglichem Eigenthum, Anmaßung öffentlicher Funktionen, lebensgefährliche Bedrohungen, zuge- fügter Zwang, noch der Einquartierungen, der Requisitionen um Vorspann und sonstige Liefe- rungen ec. Wenn wir auch so sehr als irgend Jemand die große Zahl der Unglücklichen bedau- ern, welche in diesen Prozeß verwickelt sind, so können wir nach solchen Thatsachen diese Zahl doch wohl begreifen. Uebrigens haben wir mit Freu- den gesehen, daß über ein Drittheil der Ange- klagten, 116, nicht der Pfalz angehören, sondern dem Auslande, größtentheils Gesindel, welches die Pfalz so schmählich in seinem Jnteresse ausgebeu- tet hat. ( Pf. Z. ) Schleswig=holsteinische Ange- legenheiten . Flensburg. Durch ein Circulair an die Zoll- kammern ist angeordnet, daß die schleswig'schen Schiffe wieder mit dem „Dankt Eiendom“ und den früher gebräuchlichen Meßbriefen versehen werden sollen. -- „Nach „Kold. Avis“ ist am 18. d. M. der Kaufmann Martini mit militäri- scher Escorte in Kolding angekommen und ging am folgenden Tag nach Odense, um wegen Nicht- ablieferung von Waffen und Munition 25 Tage bei Wasser und Brod zu sitzen. Nach seiner Aus- sage habe er mit den Ueberresten „Christian VIII.“ Geschäfte gemacht und sei dadurch im Besitz von Kugeln, Granaten, Bomben ec. gewesen, die er nicht abgeliefert. ( H. N. ) Am 17. August wurden in Rendsburg sechs dänische Kriegsgefangene eingebracht und zugleich mit ihnen der Schullehrer Heinrich Schlüter von Wohlde in der Landschaft Stapelholm, der seiner dänischen Sympathien wegen schon längst verdäch- tig war, jetzt aber offenkundig als Wühler und Spion sich gezeigt hat. Er trug einen dänischen Militärrock und erwartet jetzt im Stockhause, was über ihn verhängt werden wird. ( Jtz. W. ) Berlin, 21. August. Nach den hier einge- gangenen Nachrichten zeigen sich im dänischen Heer wiederkehrende Sympathie der Unzufriedenheit. Es ist vor einigen Tagen vongekommen, daß 100 Mann sich weigerten, die Vorposten zu beziehen. Sie wurden in Folge dessen nach Kopenhagen zur Untersuchung geschickt. -- Von dem bei Duven- stedt gefallenen französischen Oberstlieutenant du Pin waren wenige Tage vor dem Gefecht Briefe an einen hiesigen Freund eingegangen. Es geht daraus hervor, daß du Pin anfangs entschlossen gewesen war, in die holsteinische Armee zu treten. Er lobte das holsteinische Kriegsverfahren und war den Dänen bei Beurtheilung ihrer militäri- schen Einrichtungen nicht eben sehr günstig. ( B. Z. ) Frankfurt. Die Vollmacht für den kaiserl. Gesandten Grafen Thun = Hohenstein. -- Wir Franz Joseph ec. ec. Nachdem die Verhältnisse es unerläßlich machen, daß die deutsche Bundes- versammlung ihre am 12. Juli 1848 unterbro- chene Thätigkeit, den Bestimmungen des Artikels VII. der Wiener Schlußakte gemäß wieder auf- nehme und dieselbe fortsetze, bis in Folge einer auf gesetzmäßigem Wege zu Stande gekommene Revision der Bundesverfassung, ein sie ersetzendes Organ des Willens und Handelns des Bundes an ihre Stelle getreten sein wird, -- haben wir es unseres Dienstes befunden, Unseren lieben, ge- treuen wirklichen geheimen Rath und Kämmerer, Friedrich Grafen Thun = Hohenstein, zu Unserem Bevollmächtigten, Minister und Präsidialgesandten an dem deutschen Bundestage zu ernennen. -- Jn Folge dessen ertheilen Wir demselben hiemit Kraft und Vollmacht, mit den am deutschen Bundes- tage versammelten Bevollmächtigten der übrigen souverainen deutschen Fürsten und freien Städte, entweder selbst, nöthigen Falls aber auch durch einen substituirten Gewaltträger die zur Erreichung des Bundeszweckes erforderlichen Berathungen zu pflegen, und das Beschlossene in Ausführung zu bringen, indem Wir auf Unser Kaiserliches Wort versprechen, daß Wir alles Jene genehmigen wer- den, was Unser genannter Bevollmächtigter oder dessen substituirter Gewaltträger einverständlich mit den übrigen deutschen souverainen Fürsten und freien Städten, in dem Sinne und nach dem Wortlaute der Grundgesetze des Bundes, so wie in den Grenzen der ihm hierüber besonders von Uns ertheilten Justruktionen verhandelt, beschlossen und bewirkt haben wird; zu dessen Bekräftigung Wir die gegenwärtige in gewöhnlicher Form cum clausula substiduendi ausgestellte Vollmacht eigenhändig unterzeichnet, und derselben Unser grö- ßeres Staatssiegel aufzudrücken befohlen haben. -- So geschehen in Unser Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien den 25. Tag des Monats Juli im Jahre des Herrn 1850, Unserm Reiche im Zweiten. -- Geg. Franz Joseph. Berlin, 21. August. Wir können nun mit König Rene Schafe hüten. Die Union ist auf- gegeben. Es ist heute kein Geheimniß mehr. Gott sei Dank, daß es so ist! Das bleierne Band um die Brust ist gesprengt, eine freie Luft weht uns an. Es ist ein schrecklicher Moment, wenn der Arzt den Tod eines Kranken den An- gehörigen verkündet, aber wenn sie tage= und wochenlang um sein Sterbebette gewacht, Zeugen seines Starrkrampfes, so ist das Wort Tod! auch ihnen eine Erlösung. Wir zweifelten die letzten Wochen nicht mehr an dem, was gekommen ist, und am wenigsten hat uns das Jubelgeschrei neu- lich; daß alle Minister sich die Hand gereicht, Preußens Ehre zu wahren! nur einen Augenblick zweifeln gemacht. Die Diagnose wird leicht, wenn man die Menschen so lange beobachtet, wenn man ihre Werke auf die Wagschale gelegt und endlich ihr Gewicht kennen gelernt Wir zweifelten seit Wochen nicht mehr an dem Resultat, aber wir befürchteten, daß man es hinziehen werde, daß noch ein Dutzend Schleinitzische Noten im Schub- kasten bereit lägen, um mit dem ersten halben Dutzend die Hoffnung zu erhalen, mit dem zwei- ten halben sie allgemach auszulöschen. Das hat man uns erspart. Dank dafür! Unter welcher Grimasse man nun eingestehen wird, daß man die Union fahren läßt, oder vielmehr, wie man das Aufgeben als Erfüllung bemäntelt, ist uns gleich- gültig. Wer wollte in solchen Verwicklungen die un- gebührliche Forderung stellen, die nackte Wahrheit zu sagen? Das hieße von den Betreffenden einen Selbst- mord fordern, was unchristlich ist. Ja, es läßt sich denken, daß Hr. v. Radowitz vor irgend einer Kammer wieder eine glänzende Rede hält, worin er beweist, daß Preußen ja glänzend sein Wort ( nemlich des Hrn. v. Radowitz ) gelöst und ge- rade bis an „die Grenzen des Möglichen“ vor- geschritten ist, und keinen Schritt weiter. Wir sind froh, daß es so ist; daß wir endlich den Muth gefaßt ( de facto ) zu bekennen, daß wir uns dem Gegner unterwerfen, dem die Stirne zu zeigen, uns der Muth fehlte. Leid thun uns ei- gentlich nur die ehrenwerthen Conservativen, die echten schwarz = weißen Patrioten der alten Zeit, die am 3. April jubelten, als Preußen die Kai- serkrone ausschlug, denen Erfurt noch eine Thor- heit und die Union etwas überflüssiges dünkte, die eben des felsenfesten Glaubens waren, Preußen brauche sich nur zu rütteln und sein Wille müsse geschehen, entweder ein Preußen mit Union oder ohne Union, aber Preußen vor allem. Allerdings waren auch sie in den letzten Tagen scheu gewor- den, die Mainzer Durchfahrt, die Klettergeschichte der Badener über den Rommelsberg hatte sie stutzig gemacht, aber sie hatten sich getröstet mit Reminiscenzen und Kernsprüchen, deren unsere Morgenzeitungen bis ehegestern, ja possierlicher- weise noch bis heute viele enthalten: man solle nur kommen, man vertraue fest, der preußische Degen lasse sein nicht spotten u. s. w. Diese wackern, treuen, ehrlichen Herzen! Des Königs Befehl war ihnen Gottes Wille; auf sein Wort bauten sie mehr als auf das Evangelium. Und nun, ein zweites Jena, nnd ohne eine Schlacht werden diese ehrenwerthen Männer zur Einsicht kommen daß der vielbelobte Eckstein nichts ist wenn das Gebände fehlt, und daß kein Jndividuum sich isoliren darf aus der Kette der Begebenheiten ohne unterzugehen. Keinen Stein auf sie! Jhr Schmerz ist zu groß, und ihre Schuld ist es nicht daß sie doch so viel verschuldet. 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Jndessen steht eine Aenderung der Ansichten nicht leicht zu erwarten. -- Jn der badischen Affaire war die Einigung im Schoße des Ministeriums noch leichter, da Oesterreich in diesem Punkt dem preuß. Vorschlag entgegenge- kommen war. Aber eine Verwahrung gegen die eventuelle Prätention, die ganze Truppenfrage vor das Schiedsgericht zu bringen, ist beschlossen wor- den. -- Einfach und jeder weitern Unterhandlung enthoben ist also für das Erste nur die Weige- rung, den engern Rath zu beschicken. Frankreich. Straßburg, 23. August. Ueber den Vorfall bei dem Ball in Besançon laufen noch immer verschiedene Erzählungen um, die jedoch alle in dem Punkt darauf hinausgehen, zu zeigen, daß das Benehmen eines Theils der Anwesenden kein Beweis von französischer Höflichkeit war. Jn ei- nem Privatschreiben wird der Hergang folgender- maßen geschildert: Gegen 10 Uhr ist Louis Bo- naparte in ungedeckter Kalesche ausgefahren, um sich in den Ball der Halle zu begeben. Dies war bekanntlich der Ball des Volks und des „ ge- meinen Haufens.“ Bei Anblick des Präsidenten der Republik rief die Menge, welche den Saal füllte, mit unbeschreiblicher Energie: „Es lebe die Republik!“ Zu gleicher Zeit drängte sie sich um den Zug; es fand alsdann eine augenblickliche Verwirrung Statt, so daß der Hr. General v. Ca- stellane -- sich ohne Zweifel aber mit Unrecht be-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 204. Würzburg, 26. August 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische204_1850/2>, abgerufen am 19.04.2024.