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Die Bayerische Presse. Nr. 233. Würzburg, 28. September 1850.

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[Spaltenumbruch] Vertheidigung stellte den Antrag auf 4 Monate
Gefängniß. Jndem der Gerichtshof der Ansicht
der letztern beistimmte und ein Diebstahlsvergehen
annahm, verurtheilte er die Angeschuldigte zu 7
Monaten Gefängniß.

   
Die Ereignisse in Kurhessen.

Greifswalde, 24. Sept. Das Appellations-
Gericht hieselbst hat in seiner heutigen öffentlichen
Sitzung, auf die Appellation des Kurfürstl. Hes-
sischen Minister=Präsidenten Hassenpflug dahin er-
kannt:

daß das Erkenntniß des kgl. Kreisgerichts hie-
selbst vom 19. Juni d. J. dahin abzuändern,
daß der Appellant von der unterm 9. Febr.
d. J. erhobenen Anklage der Fälschung freizu-
sprechen und die Kosten des Verfahrens außer
Ansatz zu lassen, die Akten jedoch zur weiteren
Erwägung, ob und gegen wen eine anderwei-
tige Anklage zu erheben sei, der kgl. Staats-
anwaltschaft hieselbst vorzulegen.

Die erkennenden Richter waren: der O.=App. -
Ger.=Rath Dr. v. Mühlenfels, als Vorsitzender,
die O.=App.=Ger.=Räthe Sonnenschmidt, v. Zerbst,
Dr. Planck, und der Oberger.=Assessor Consbruch.
Referent: Dr. Planck. Oeffentliches Ministerium:
Ober=Staatsanwalt Dr. Friedberg. Vertheidigung:
Rechtsanwalt Dr. Anderssen. Der Ober=Staats-
anwalt beantragte, gleich dem Vertheidiger, das
Nichtschuldig. Die zusätzliche Bestimmung des
Erkenntnisses wurde von dem Vorsitzenden dadurch
motivirt, daß bei Gelegenheit der Voruntersuchung
sowohl, wie des Hauptverfahrens, Umstände zur
Sprache gebracht seien, welche anscheinend weite-
rer Aufklärung bedürften. Besonders hervorgeho-
ben wurden dabei der "Zwang," welchen der
vormalige Kastellan Reich von Herrn Hassenpflug
erfahren haben will, und die Frage, ob etwa der
kgl. Bauinspektor vermittelst seiner Bau=Abnahme-
Atteste nicht sowohl eine Genehmigung der vor-
gekommenen Anschlagswidrigkeiten, als vielmehr
eine unrichtige Bescheinigung habe ertheilen wollen.

   

Kassel, 25. Sept. Oberfinanzrath Zuschlag,
Referent im Finanzministerium, hat den Befehl
erhalten, unverzüglich nach Wilhelmsbad zu kom-
men. -- Der Stadtrath von Melsungen hat eine
der Hanauer gleiche Adresse an den ständischen
Ausschuß gerichtet. Zugleich ist in der Adresse
der Antrag gestellt, Preußen, als Unionsvorstand
um Schutz gegen etwaige Angriffe von außen an-
zurufen.

Hanau, 25. Sept. Das Gerücht, daß der
Kurfurst einen Wechsel in den Personen des Mi-
nisteriums, aber nicht im Systeme, beabsichtige,
gewinnt dadurch an Bestätigung, daß der frühere
Staatsrath Scheffer seit vorigem Montag in Wil-
helmsbad verweilt. Der frühere Minister Lepel
ist heute dort angelangt.

   

Kassel, 26. Sept. Die Erklärung des blei-
benden landständischen Ausschusses in Betreff der
Verordnung vom 23. Septr. 1850 lantet, wie
folgt: Eine kurfürstliche Verordnung vom 23.
Sept. 1850 bringt, mit dem Vorbehalt weitere
Vollziehungsanordnungen, den Beschuß einer
Bundesversammlung vom 21. d. M. zur allge-
meinen Kenntniß, durch welchen die hessische Re-
gierung, aus Anlaß einer vermeintlich vorgekom-
menen Steuerverweigerung, aufgefordert wird,
alle, einer Bundesregierung zustehenden Mittel
anzuwenden, um die ernstlich bedrohte landes-
herrliche Autorität im Kurfürstenthum sicher zu
stellen. Wir aber können eine Bundesversamm-
lung nicht als bestehend anerkennen. Die Bun-
desversammlung, welche bestimmt war, die An-
gelegenheit des durch die deutsche Bundesakte
vom 8. Juni 1815 geschaffenen Bundes zu be-
sorgen, hat selbst in der als ihre letzte bezeich-
neten Sitzung vom 12. Juli 1848 ihre Thätig-
keit für beendigt erklärt. Es geschah solches in
einer Plenarsitzung, also in derjenigen Form,
welche zur Abfassung und Abanderung von Grund-
gesetzen des Bundes wie zu Beschlüssen, welche
die Bundesakte selbst betreffen, geeignet war.
[Spaltenumbruch] Ein von der deutschen Nationalversammlung an-
genommenes Gesetz hat statt dessen eine proviso-
rische Centralgewalt für Deutschland eingeführt.
Diese Nationalversammlung war in Folge eines
Beschlusses der Bundesversammlung zusammenbe-
rufen und von Kurhessen auf den Grund des
Gesetzes vom 10. April 1848 beschickt. Jenes
von ihr angenommene Gesetz ist durch das Ge-
sammtstaatsministerium am 19. Okt. 1848 im Gesetz-
bl. zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Durch den Land-
tagsabschied v. 31. Okt. 1848, also durch einen vom
Landesherrn wie von den Landständen unterzeich-
neten und untersiegelten, auch als Staatsgesetz
nach Maßgabe des §. 86 der Verfassungsurkunde
bekannt gemachten Vertrag ist vom Landesregen-
ten, in völliger Uebereinstimmung mit den Land-
ständen, die Begründung der provisorischen Cen-
tralgewalt für Deutschland anerkannt. Mit dem
Eintritt ihrer Wirksamkeit hört, nach Jnhalt des
dieselbe einführenden Gesetzes, das Bestehen des
Bundestags auf, demnach ist Bundestag und
Bundesversammlung erloschen. Die Vorstände
für die Ministerien der Justiz und des Jnnern,
wie des Aeußern haben im landständischen Confe-
renzprotokolle vom 7. März 1850 die Erklärung
abgegeben, daß ohne die Mitwirkung der Stände
verfassungsmäßig der Bundestag nicht hergestellt
werden könne. Es ist bislang wegen dessen Her-
stellung weder ein Gesetz, noch ein sonstiger Akt
durch das Gesetzblatt verkündigt worden. Die
jüngste Ständeversammlung hat vielmehr einstim-
mig vom 29. August 1850 gegen die Herstellung
des rechtsgiltig aufgehobenen Bundestags und alle
darauf gerichteten Bestrebungen feierlichst protestirt.
Wir, berufen das landständische Jnteresse wahrzu-
nehmen, müssen daher das kurhessische Land gegen
die Wirksamkeit des vom 21. Septbr. 1850 zu
Frankfurt gefaßten Beschlusses verwahren und er-
klären jede Einmischung der dort gebildeten Ver-
sammlung in die Angelegenheiten Kurhessens für
ein Attentat gegen die Sicherung und Unabhäng-
igkeit dieses souveränen Staates, dessen Regent
in seiner landesherrlichen Autorität nirgends im
Kurfürstenthum bedroht ist. Wie wir hiermit den
kurhessischen Staat dem Schutze des Völkerrechts
anvertrauen, so werden wir gegen Alle, welche
zur Vollziehung des in Frankfurt gefaßten Be-
schlusses mitwirken würden, innerhalb der Grenzen
unserer verfassungsmäßigen Befugnisse vorzuschrei-
ten wissen. Kassel, den 25. September 1850.
Der bleibende landständische Ausschuß. Schwar-
zenberg. Henkel. Bayrhoffer. Gräfe. Kellner.

Wilhelmsbad, 27. Sept. Die "Kasseler Ztg."
theilt das Urtheil des Greifswalder Appellations-
gerichts in dem Prozesse gegen den Minister Has-
senpflug in weiterer Fassung dahin mit: "daß der
Appellant von der unterm 9. Febr. erhobenen An-
klage der Fälschung frei zu sprechen, die Kosten
des Verfahrens außer Ansatz zu lassen, die Akten
jedoch zur weiteren Erwägung, ob und gegen wen
eine anderweite Anklage zu erheben sei, der kgl.
Staatsanwaltschaft vorzulegen seien."

^ Aus Baden, 26. Sept. Es bestätigt
sich, was wir schon neulich berichtet haben, daß
der fernere Ausmarsch der badischen Truppen
nach Preußen unterbleibt. Die betreffenden Er-
öffnungen sind bereits in geheimer Sitzung der
Kammer mitgetheilt worden.

** Nach dem schweizerischen Courier vom
24. d. hat wieder eine Gebietsverletzung stattge-
funden, und zwar bei Jnstetten. Ein badischer
Flüchtling der ehemalige Posthalter G. Holz-
scheiter, welcher mit seiner Ehfrau auf Schaff-
hauser Gebiet eine Zusammenkunft hatte, wurde
von 4 preußischen Soldaten vom Füsilierbattail-
lon des 20. Regiments, welche mit Stöcken be-
waffnet waren, überfallen, niedergeschlagen und
mit vom Leibe gerissenen Kleidern in seine Woh-
nung gebracht. Auch seine Gattin wurde miß-
handelt. Der Mißhandelte befindet sich in Un-
tersuchung, die Preußen dagegen auf freiem
Fuße.

Darmstadt, 25. Sept. Heute Mittag um 4
[Spaltenumbruch] Uhr sollte die Berathung über den Bericht des
Finanzausschusses, die Verlängerung des Finanz-
gesetzes für das letzte Quartal d. J. und den be-
kannten Lehne'schen Antrag in unserer zweiten Kam-
mer beginnen. Schon stundenlang vorher war die
öffentliche Gallerie mit Zuhörern dicht gefüllt.
Eben so füllte sich die reservirte Gallerie reichlich.
Am Ministertische erschienen die Chefs der ver-
schiedenen Ministerien: v. Dalwigk, v. Schenck,
v. Lindelof und der Ministerialrath Maurer. Un-
ter den Einläufen war der wichtigste eine Mit-
theilung des Staatsministeriums in der neulichst
erwähnten Müller=Melchiors'schen Denunziations-
sache gegen den Direktor des Ministeriums des
Jnnern v. Dalwigk. Dalwigk hatte die ihm von
der zweiten Kammer gewordene Mittheilung ans
Staatsministerium mit einem Begleitschreiben ab-
gegeben, welches nun, in Begleitung einer nach-
drücklichen Kritik des von Müller=Melchiors und
der zweiten Kammer in dieser Sache eingehalte-
nen ungehörigen Verfahrens, vom Staatsministe-
rium an die Kammer geschickt ward. Dalwigk
hatte in seinem Schreiben zugegeben, auf die An-
träge des Heinrich Müller ihm Auftrag ertheilt
zu haben, allenfalls ihm bekannt werdende vorha-
bende Angriffe auf die Sicherheit des Staats ihm
anzuzeigen, wozu er als Chef des Ministeriums
und einer wohlorganisirten sozialistisch=republikani-
schen Partei gegenüber berechtigt gewesen sei, aber
zu Auskundschaftungen bei Müller=Melchiors habe
er ihn niemals angewiesen. Uebrigens habe er
vor ungefähr 14 Tagen dem Heinrich Müller sa-
gen lassen, er solle ihn mit weiteren Mittheilun-
gen verschonen und ihm dabei 5 fl. zustellen las-
sen. Am Schluß seines Schreibens hatte Dal-
wigk der gewaltsamen Oeffnung des Heinrich
Müller'schen Pults erwähnt, welche Müller=Mel-
chiors zugab, aber seine Betheiligung dabei in
Abrede stellte. Diesem Verfahren der Pultöff-
nung secundirte Lehne kräftig, während Ministe-
rialrath Maurer mit der Bemerkung: wo Ver-
brechen begangen würden, da sei der Sumpf, und
vom Himmel erfahre man nicht, was in der Hölle
vorgehe, die Lehnesche Behauptungen bestritt. v.
Dalwigk wiederholte mündlich, daß es nie seine
Absicht gewesen sei, über Herrn Müller=Mel-
chiors Privatnachrichten zu erhalten. Präsident
Mohr nahm zuletzt die Sache zu den Akten
und war die Debatte hierüber somit abgethan.
Dalwigk, zuerst das Wort nehmend, bemerkte,
daß Art. 15 der alten Geschäftsordnung, wonach
sich die Ausschüsse mit den betreffenden Regie-
rungskommissären bei gestellten Anträgen in Be-
nehmen zu setzen und von diesen die erforderliche
Auskunft einzuziehen haben, in Bezug auf den
Lehneschen Antrag vom Finanzausschuß durchaus
nicht befolgt worden sei. Unter diesen Umstän-
den werde sich die Regierung bei der Discussion
nicht betheiligen, und hoffe er, daß die Kammer
diesen Antrag mit der Vorlage auf Verlängerung
des Finanzgesetzes nicht gleichgültig behandeln
werde. Müller=Melchiors, der Ausschußreferent,
sprach heftig hiergegen, warf, der Antiunionist,
dem Ministerium sein "Desertiren" vom preußi-
schen Bündniß vor; es sei ihm nie eine " hämi-
schere " Behauptung in diesem Saal vorgekommen;
verglich das Verfahren der Regierung in den letz-
ten drei Jahren in Finanzsachen ( bei drei von
den Ständen mitbeschlossenen Budgetverlängerun-
gen ) mit einem Satze der Pistole auf die Brust
unter dem Rufe: La vie ou la bourse! warnte
davor, einem Ministerium Dalwigk zu trauen,
und schloß mit der Bemerkung, daß die Folgen
dieses Mißtrauens, welche es auch sein möchten,
auf diejenigen zurückfallen würden, die es veran-
laßt hätten. Volhard stellt nun zwei Anträge:
den Antrag Lehne und den Verlängerungsvorschlag
wegen ungenügenden und unvollständigen Berichts
darüber an den Finanzausschuß zurückzuverweisen,
und begründet dieselben. Um diese Frage drehte
sich nun der Kampf. Wurden Volhards beide
Anträge bejaht, so war der Vortheil für die Re-
gierung dadurch größer; wurde es nur der zweite
dieser Anträge, wie Eigenbrodt eventuell wollte,
so kam die Finanzfrage, unbeirrt durch den Lehne'-

[Spaltenumbruch] Vertheidigung stellte den Antrag auf 4 Monate
Gefängniß. Jndem der Gerichtshof der Ansicht
der letztern beistimmte und ein Diebstahlsvergehen
annahm, verurtheilte er die Angeschuldigte zu 7
Monaten Gefängniß.

   
Die Ereignisse in Kurhessen.

Greifswalde, 24. Sept. Das Appellations-
Gericht hieselbst hat in seiner heutigen öffentlichen
Sitzung, auf die Appellation des Kurfürstl. Hes-
sischen Minister=Präsidenten Hassenpflug dahin er-
kannt:

daß das Erkenntniß des kgl. Kreisgerichts hie-
selbst vom 19. Juni d. J. dahin abzuändern,
daß der Appellant von der unterm 9. Febr.
d. J. erhobenen Anklage der Fälschung freizu-
sprechen und die Kosten des Verfahrens außer
Ansatz zu lassen, die Akten jedoch zur weiteren
Erwägung, ob und gegen wen eine anderwei-
tige Anklage zu erheben sei, der kgl. Staats-
anwaltschaft hieselbst vorzulegen.

Die erkennenden Richter waren: der O.=App. -
Ger.=Rath Dr. v. Mühlenfels, als Vorsitzender,
die O.=App.=Ger.=Räthe Sonnenschmidt, v. Zerbst,
Dr. Planck, und der Oberger.=Assessor Consbruch.
Referent: Dr. Planck. Oeffentliches Ministerium:
Ober=Staatsanwalt Dr. Friedberg. Vertheidigung:
Rechtsanwalt Dr. Anderssen. Der Ober=Staats-
anwalt beantragte, gleich dem Vertheidiger, das
Nichtschuldig. Die zusätzliche Bestimmung des
Erkenntnisses wurde von dem Vorsitzenden dadurch
motivirt, daß bei Gelegenheit der Voruntersuchung
sowohl, wie des Hauptverfahrens, Umstände zur
Sprache gebracht seien, welche anscheinend weite-
rer Aufklärung bedürften. Besonders hervorgeho-
ben wurden dabei der „Zwang,“ welchen der
vormalige Kastellan Reich von Herrn Hassenpflug
erfahren haben will, und die Frage, ob etwa der
kgl. Bauinspektor vermittelst seiner Bau=Abnahme-
Atteste nicht sowohl eine Genehmigung der vor-
gekommenen Anschlagswidrigkeiten, als vielmehr
eine unrichtige Bescheinigung habe ertheilen wollen.

   

Kassel, 25. Sept. Oberfinanzrath Zuschlag,
Referent im Finanzministerium, hat den Befehl
erhalten, unverzüglich nach Wilhelmsbad zu kom-
men. -- Der Stadtrath von Melsungen hat eine
der Hanauer gleiche Adresse an den ständischen
Ausschuß gerichtet. Zugleich ist in der Adresse
der Antrag gestellt, Preußen, als Unionsvorstand
um Schutz gegen etwaige Angriffe von außen an-
zurufen.

Hanau, 25. Sept. Das Gerücht, daß der
Kurfurst einen Wechsel in den Personen des Mi-
nisteriums, aber nicht im Systeme, beabsichtige,
gewinnt dadurch an Bestätigung, daß der frühere
Staatsrath Scheffer seit vorigem Montag in Wil-
helmsbad verweilt. Der frühere Minister Lepel
ist heute dort angelangt.

   

Kassel, 26. Sept. Die Erklärung des blei-
benden landständischen Ausschusses in Betreff der
Verordnung vom 23. Septr. 1850 lantet, wie
folgt: Eine kurfürstliche Verordnung vom 23.
Sept. 1850 bringt, mit dem Vorbehalt weitere
Vollziehungsanordnungen, den Beschuß einer
Bundesversammlung vom 21. d. M. zur allge-
meinen Kenntniß, durch welchen die hessische Re-
gierung, aus Anlaß einer vermeintlich vorgekom-
menen Steuerverweigerung, aufgefordert wird,
alle, einer Bundesregierung zustehenden Mittel
anzuwenden, um die ernstlich bedrohte landes-
herrliche Autorität im Kurfürstenthum sicher zu
stellen. Wir aber können eine Bundesversamm-
lung nicht als bestehend anerkennen. Die Bun-
desversammlung, welche bestimmt war, die An-
gelegenheit des durch die deutsche Bundesakte
vom 8. Juni 1815 geschaffenen Bundes zu be-
sorgen, hat selbst in der als ihre letzte bezeich-
neten Sitzung vom 12. Juli 1848 ihre Thätig-
keit für beendigt erklärt. Es geschah solches in
einer Plenarsitzung, also in derjenigen Form,
welche zur Abfassung und Abanderung von Grund-
gesetzen des Bundes wie zu Beschlüssen, welche
die Bundesakte selbst betreffen, geeignet war.
[Spaltenumbruch] Ein von der deutschen Nationalversammlung an-
genommenes Gesetz hat statt dessen eine proviso-
rische Centralgewalt für Deutschland eingeführt.
Diese Nationalversammlung war in Folge eines
Beschlusses der Bundesversammlung zusammenbe-
rufen und von Kurhessen auf den Grund des
Gesetzes vom 10. April 1848 beschickt. Jenes
von ihr angenommene Gesetz ist durch das Ge-
sammtstaatsministerium am 19. Okt. 1848 im Gesetz-
bl. zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Durch den Land-
tagsabschied v. 31. Okt. 1848, also durch einen vom
Landesherrn wie von den Landständen unterzeich-
neten und untersiegelten, auch als Staatsgesetz
nach Maßgabe des §. 86 der Verfassungsurkunde
bekannt gemachten Vertrag ist vom Landesregen-
ten, in völliger Uebereinstimmung mit den Land-
ständen, die Begründung der provisorischen Cen-
tralgewalt für Deutschland anerkannt. Mit dem
Eintritt ihrer Wirksamkeit hört, nach Jnhalt des
dieselbe einführenden Gesetzes, das Bestehen des
Bundestags auf, demnach ist Bundestag und
Bundesversammlung erloschen. Die Vorstände
für die Ministerien der Justiz und des Jnnern,
wie des Aeußern haben im landständischen Confe-
renzprotokolle vom 7. März 1850 die Erklärung
abgegeben, daß ohne die Mitwirkung der Stände
verfassungsmäßig der Bundestag nicht hergestellt
werden könne. Es ist bislang wegen dessen Her-
stellung weder ein Gesetz, noch ein sonstiger Akt
durch das Gesetzblatt verkündigt worden. Die
jüngste Ständeversammlung hat vielmehr einstim-
mig vom 29. August 1850 gegen die Herstellung
des rechtsgiltig aufgehobenen Bundestags und alle
darauf gerichteten Bestrebungen feierlichst protestirt.
Wir, berufen das landständische Jnteresse wahrzu-
nehmen, müssen daher das kurhessische Land gegen
die Wirksamkeit des vom 21. Septbr. 1850 zu
Frankfurt gefaßten Beschlusses verwahren und er-
klären jede Einmischung der dort gebildeten Ver-
sammlung in die Angelegenheiten Kurhessens für
ein Attentat gegen die Sicherung und Unabhäng-
igkeit dieses souveränen Staates, dessen Regent
in seiner landesherrlichen Autorität nirgends im
Kurfürstenthum bedroht ist. Wie wir hiermit den
kurhessischen Staat dem Schutze des Völkerrechts
anvertrauen, so werden wir gegen Alle, welche
zur Vollziehung des in Frankfurt gefaßten Be-
schlusses mitwirken würden, innerhalb der Grenzen
unserer verfassungsmäßigen Befugnisse vorzuschrei-
ten wissen. Kassel, den 25. September 1850.
Der bleibende landständische Ausschuß. Schwar-
zenberg. Henkel. Bayrhoffer. Gräfe. Kellner.

Wilhelmsbad, 27. Sept. Die „Kasseler Ztg.“
theilt das Urtheil des Greifswalder Appellations-
gerichts in dem Prozesse gegen den Minister Has-
senpflug in weiterer Fassung dahin mit: „daß der
Appellant von der unterm 9. Febr. erhobenen An-
klage der Fälschung frei zu sprechen, die Kosten
des Verfahrens außer Ansatz zu lassen, die Akten
jedoch zur weiteren Erwägung, ob und gegen wen
eine anderweite Anklage zu erheben sei, der kgl.
Staatsanwaltschaft vorzulegen seien.“

△ Aus Baden, 26. Sept. Es bestätigt
sich, was wir schon neulich berichtet haben, daß
der fernere Ausmarsch der badischen Truppen
nach Preußen unterbleibt. Die betreffenden Er-
öffnungen sind bereits in geheimer Sitzung der
Kammer mitgetheilt worden.

** Nach dem schweizerischen Courier vom
24. d. hat wieder eine Gebietsverletzung stattge-
funden, und zwar bei Jnstetten. Ein badischer
Flüchtling der ehemalige Posthalter G. Holz-
scheiter, welcher mit seiner Ehfrau auf Schaff-
hauser Gebiet eine Zusammenkunft hatte, wurde
von 4 preußischen Soldaten vom Füsilierbattail-
lon des 20. Regiments, welche mit Stöcken be-
waffnet waren, überfallen, niedergeschlagen und
mit vom Leibe gerissenen Kleidern in seine Woh-
nung gebracht. Auch seine Gattin wurde miß-
handelt. Der Mißhandelte befindet sich in Un-
tersuchung, die Preußen dagegen auf freiem
Fuße.

Darmstadt, 25. Sept. Heute Mittag um 4
[Spaltenumbruch] Uhr sollte die Berathung über den Bericht des
Finanzausschusses, die Verlängerung des Finanz-
gesetzes für das letzte Quartal d. J. und den be-
kannten Lehne'schen Antrag in unserer zweiten Kam-
mer beginnen. Schon stundenlang vorher war die
öffentliche Gallerie mit Zuhörern dicht gefüllt.
Eben so füllte sich die reservirte Gallerie reichlich.
Am Ministertische erschienen die Chefs der ver-
schiedenen Ministerien: v. Dalwigk, v. Schenck,
v. Lindelof und der Ministerialrath Maurer. Un-
ter den Einläufen war der wichtigste eine Mit-
theilung des Staatsministeriums in der neulichst
erwähnten Müller=Melchiors'schen Denunziations-
sache gegen den Direktor des Ministeriums des
Jnnern v. Dalwigk. Dalwigk hatte die ihm von
der zweiten Kammer gewordene Mittheilung ans
Staatsministerium mit einem Begleitschreiben ab-
gegeben, welches nun, in Begleitung einer nach-
drücklichen Kritik des von Müller=Melchiors und
der zweiten Kammer in dieser Sache eingehalte-
nen ungehörigen Verfahrens, vom Staatsministe-
rium an die Kammer geschickt ward. Dalwigk
hatte in seinem Schreiben zugegeben, auf die An-
träge des Heinrich Müller ihm Auftrag ertheilt
zu haben, allenfalls ihm bekannt werdende vorha-
bende Angriffe auf die Sicherheit des Staats ihm
anzuzeigen, wozu er als Chef des Ministeriums
und einer wohlorganisirten sozialistisch=republikani-
schen Partei gegenüber berechtigt gewesen sei, aber
zu Auskundschaftungen bei Müller=Melchiors habe
er ihn niemals angewiesen. Uebrigens habe er
vor ungefähr 14 Tagen dem Heinrich Müller sa-
gen lassen, er solle ihn mit weiteren Mittheilun-
gen verschonen und ihm dabei 5 fl. zustellen las-
sen. Am Schluß seines Schreibens hatte Dal-
wigk der gewaltsamen Oeffnung des Heinrich
Müller'schen Pults erwähnt, welche Müller=Mel-
chiors zugab, aber seine Betheiligung dabei in
Abrede stellte. Diesem Verfahren der Pultöff-
nung secundirte Lehne kräftig, während Ministe-
rialrath Maurer mit der Bemerkung: wo Ver-
brechen begangen würden, da sei der Sumpf, und
vom Himmel erfahre man nicht, was in der Hölle
vorgehe, die Lehnesche Behauptungen bestritt. v.
Dalwigk wiederholte mündlich, daß es nie seine
Absicht gewesen sei, über Herrn Müller=Mel-
chiors Privatnachrichten zu erhalten. Präsident
Mohr nahm zuletzt die Sache zu den Akten
und war die Debatte hierüber somit abgethan.
Dalwigk, zuerst das Wort nehmend, bemerkte,
daß Art. 15 der alten Geschäftsordnung, wonach
sich die Ausschüsse mit den betreffenden Regie-
rungskommissären bei gestellten Anträgen in Be-
nehmen zu setzen und von diesen die erforderliche
Auskunft einzuziehen haben, in Bezug auf den
Lehneschen Antrag vom Finanzausschuß durchaus
nicht befolgt worden sei. Unter diesen Umstän-
den werde sich die Regierung bei der Discussion
nicht betheiligen, und hoffe er, daß die Kammer
diesen Antrag mit der Vorlage auf Verlängerung
des Finanzgesetzes nicht gleichgültig behandeln
werde. Müller=Melchiors, der Ausschußreferent,
sprach heftig hiergegen, warf, der Antiunionist,
dem Ministerium sein „Desertiren“ vom preußi-
schen Bündniß vor; es sei ihm nie eine „ hämi-
schere “ Behauptung in diesem Saal vorgekommen;
verglich das Verfahren der Regierung in den letz-
ten drei Jahren in Finanzsachen ( bei drei von
den Ständen mitbeschlossenen Budgetverlängerun-
gen ) mit einem Satze der Pistole auf die Brust
unter dem Rufe: La vie ou la bourse! warnte
davor, einem Ministerium Dalwigk zu trauen,
und schloß mit der Bemerkung, daß die Folgen
dieses Mißtrauens, welche es auch sein möchten,
auf diejenigen zurückfallen würden, die es veran-
laßt hätten. Volhard stellt nun zwei Anträge:
den Antrag Lehne und den Verlängerungsvorschlag
wegen ungenügenden und unvollständigen Berichts
darüber an den Finanzausschuß zurückzuverweisen,
und begründet dieselben. Um diese Frage drehte
sich nun der Kampf. Wurden Volhards beide
Anträge bejaht, so war der Vortheil für die Re-
gierung dadurch größer; wurde es nur der zweite
dieser Anträge, wie Eigenbrodt eventuell wollte,
so kam die Finanzfrage, unbeirrt durch den Lehne'-

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[0002] Vertheidigung stellte den Antrag auf 4 Monate Gefängniß. Jndem der Gerichtshof der Ansicht der letztern beistimmte und ein Diebstahlsvergehen annahm, verurtheilte er die Angeschuldigte zu 7 Monaten Gefängniß. ( A. Abz. ) Die Ereignisse in Kurhessen. Greifswalde, 24. Sept. Das Appellations- Gericht hieselbst hat in seiner heutigen öffentlichen Sitzung, auf die Appellation des Kurfürstl. Hes- sischen Minister=Präsidenten Hassenpflug dahin er- kannt: daß das Erkenntniß des kgl. Kreisgerichts hie- selbst vom 19. Juni d. J. dahin abzuändern, daß der Appellant von der unterm 9. Febr. d. J. erhobenen Anklage der Fälschung freizu- sprechen und die Kosten des Verfahrens außer Ansatz zu lassen, die Akten jedoch zur weiteren Erwägung, ob und gegen wen eine anderwei- tige Anklage zu erheben sei, der kgl. Staats- anwaltschaft hieselbst vorzulegen. Die erkennenden Richter waren: der O.=App. - Ger.=Rath Dr. v. Mühlenfels, als Vorsitzender, die O.=App.=Ger.=Räthe Sonnenschmidt, v. Zerbst, Dr. Planck, und der Oberger.=Assessor Consbruch. Referent: Dr. Planck. Oeffentliches Ministerium: Ober=Staatsanwalt Dr. Friedberg. Vertheidigung: Rechtsanwalt Dr. Anderssen. Der Ober=Staats- anwalt beantragte, gleich dem Vertheidiger, das Nichtschuldig. Die zusätzliche Bestimmung des Erkenntnisses wurde von dem Vorsitzenden dadurch motivirt, daß bei Gelegenheit der Voruntersuchung sowohl, wie des Hauptverfahrens, Umstände zur Sprache gebracht seien, welche anscheinend weite- rer Aufklärung bedürften. Besonders hervorgeho- ben wurden dabei der „Zwang,“ welchen der vormalige Kastellan Reich von Herrn Hassenpflug erfahren haben will, und die Frage, ob etwa der kgl. Bauinspektor vermittelst seiner Bau=Abnahme- Atteste nicht sowohl eine Genehmigung der vor- gekommenen Anschlagswidrigkeiten, als vielmehr eine unrichtige Bescheinigung habe ertheilen wollen. ( N. Pr. Z. ) Kassel, 25. Sept. Oberfinanzrath Zuschlag, Referent im Finanzministerium, hat den Befehl erhalten, unverzüglich nach Wilhelmsbad zu kom- men. -- Der Stadtrath von Melsungen hat eine der Hanauer gleiche Adresse an den ständischen Ausschuß gerichtet. Zugleich ist in der Adresse der Antrag gestellt, Preußen, als Unionsvorstand um Schutz gegen etwaige Angriffe von außen an- zurufen. Hanau, 25. Sept. Das Gerücht, daß der Kurfurst einen Wechsel in den Personen des Mi- nisteriums, aber nicht im Systeme, beabsichtige, gewinnt dadurch an Bestätigung, daß der frühere Staatsrath Scheffer seit vorigem Montag in Wil- helmsbad verweilt. Der frühere Minister Lepel ist heute dort angelangt. ( N. H. Z. ) Kassel, 26. Sept. Die Erklärung des blei- benden landständischen Ausschusses in Betreff der Verordnung vom 23. Septr. 1850 lantet, wie folgt: Eine kurfürstliche Verordnung vom 23. Sept. 1850 bringt, mit dem Vorbehalt weitere Vollziehungsanordnungen, den Beschuß einer Bundesversammlung vom 21. d. M. zur allge- meinen Kenntniß, durch welchen die hessische Re- gierung, aus Anlaß einer vermeintlich vorgekom- menen Steuerverweigerung, aufgefordert wird, alle, einer Bundesregierung zustehenden Mittel anzuwenden, um die ernstlich bedrohte landes- herrliche Autorität im Kurfürstenthum sicher zu stellen. Wir aber können eine Bundesversamm- lung nicht als bestehend anerkennen. Die Bun- desversammlung, welche bestimmt war, die An- gelegenheit des durch die deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 geschaffenen Bundes zu be- sorgen, hat selbst in der als ihre letzte bezeich- neten Sitzung vom 12. Juli 1848 ihre Thätig- keit für beendigt erklärt. Es geschah solches in einer Plenarsitzung, also in derjenigen Form, welche zur Abfassung und Abanderung von Grund- gesetzen des Bundes wie zu Beschlüssen, welche die Bundesakte selbst betreffen, geeignet war. Ein von der deutschen Nationalversammlung an- genommenes Gesetz hat statt dessen eine proviso- rische Centralgewalt für Deutschland eingeführt. Diese Nationalversammlung war in Folge eines Beschlusses der Bundesversammlung zusammenbe- rufen und von Kurhessen auf den Grund des Gesetzes vom 10. April 1848 beschickt. Jenes von ihr angenommene Gesetz ist durch das Ge- sammtstaatsministerium am 19. Okt. 1848 im Gesetz- bl. zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Durch den Land- tagsabschied v. 31. Okt. 1848, also durch einen vom Landesherrn wie von den Landständen unterzeich- neten und untersiegelten, auch als Staatsgesetz nach Maßgabe des §. 86 der Verfassungsurkunde bekannt gemachten Vertrag ist vom Landesregen- ten, in völliger Uebereinstimmung mit den Land- ständen, die Begründung der provisorischen Cen- tralgewalt für Deutschland anerkannt. Mit dem Eintritt ihrer Wirksamkeit hört, nach Jnhalt des dieselbe einführenden Gesetzes, das Bestehen des Bundestags auf, demnach ist Bundestag und Bundesversammlung erloschen. Die Vorstände für die Ministerien der Justiz und des Jnnern, wie des Aeußern haben im landständischen Confe- renzprotokolle vom 7. März 1850 die Erklärung abgegeben, daß ohne die Mitwirkung der Stände verfassungsmäßig der Bundestag nicht hergestellt werden könne. Es ist bislang wegen dessen Her- stellung weder ein Gesetz, noch ein sonstiger Akt durch das Gesetzblatt verkündigt worden. Die jüngste Ständeversammlung hat vielmehr einstim- mig vom 29. August 1850 gegen die Herstellung des rechtsgiltig aufgehobenen Bundestags und alle darauf gerichteten Bestrebungen feierlichst protestirt. Wir, berufen das landständische Jnteresse wahrzu- nehmen, müssen daher das kurhessische Land gegen die Wirksamkeit des vom 21. Septbr. 1850 zu Frankfurt gefaßten Beschlusses verwahren und er- klären jede Einmischung der dort gebildeten Ver- sammlung in die Angelegenheiten Kurhessens für ein Attentat gegen die Sicherung und Unabhäng- igkeit dieses souveränen Staates, dessen Regent in seiner landesherrlichen Autorität nirgends im Kurfürstenthum bedroht ist. Wie wir hiermit den kurhessischen Staat dem Schutze des Völkerrechts anvertrauen, so werden wir gegen Alle, welche zur Vollziehung des in Frankfurt gefaßten Be- schlusses mitwirken würden, innerhalb der Grenzen unserer verfassungsmäßigen Befugnisse vorzuschrei- ten wissen. Kassel, den 25. September 1850. Der bleibende landständische Ausschuß. Schwar- zenberg. Henkel. Bayrhoffer. Gräfe. Kellner. Wilhelmsbad, 27. Sept. Die „Kasseler Ztg.“ theilt das Urtheil des Greifswalder Appellations- gerichts in dem Prozesse gegen den Minister Has- senpflug in weiterer Fassung dahin mit: „daß der Appellant von der unterm 9. Febr. erhobenen An- klage der Fälschung frei zu sprechen, die Kosten des Verfahrens außer Ansatz zu lassen, die Akten jedoch zur weiteren Erwägung, ob und gegen wen eine anderweite Anklage zu erheben sei, der kgl. Staatsanwaltschaft vorzulegen seien.“ △ Aus Baden, 26. Sept. Es bestätigt sich, was wir schon neulich berichtet haben, daß der fernere Ausmarsch der badischen Truppen nach Preußen unterbleibt. Die betreffenden Er- öffnungen sind bereits in geheimer Sitzung der Kammer mitgetheilt worden. ** Nach dem schweizerischen Courier vom 24. d. hat wieder eine Gebietsverletzung stattge- funden, und zwar bei Jnstetten. Ein badischer Flüchtling der ehemalige Posthalter G. Holz- scheiter, welcher mit seiner Ehfrau auf Schaff- hauser Gebiet eine Zusammenkunft hatte, wurde von 4 preußischen Soldaten vom Füsilierbattail- lon des 20. Regiments, welche mit Stöcken be- waffnet waren, überfallen, niedergeschlagen und mit vom Leibe gerissenen Kleidern in seine Woh- nung gebracht. Auch seine Gattin wurde miß- handelt. Der Mißhandelte befindet sich in Un- tersuchung, die Preußen dagegen auf freiem Fuße. Darmstadt, 25. Sept. Heute Mittag um 4 Uhr sollte die Berathung über den Bericht des Finanzausschusses, die Verlängerung des Finanz- gesetzes für das letzte Quartal d. J. und den be- kannten Lehne'schen Antrag in unserer zweiten Kam- mer beginnen. Schon stundenlang vorher war die öffentliche Gallerie mit Zuhörern dicht gefüllt. Eben so füllte sich die reservirte Gallerie reichlich. Am Ministertische erschienen die Chefs der ver- schiedenen Ministerien: v. Dalwigk, v. Schenck, v. Lindelof und der Ministerialrath Maurer. Un- ter den Einläufen war der wichtigste eine Mit- theilung des Staatsministeriums in der neulichst erwähnten Müller=Melchiors'schen Denunziations- sache gegen den Direktor des Ministeriums des Jnnern v. Dalwigk. Dalwigk hatte die ihm von der zweiten Kammer gewordene Mittheilung ans Staatsministerium mit einem Begleitschreiben ab- gegeben, welches nun, in Begleitung einer nach- drücklichen Kritik des von Müller=Melchiors und der zweiten Kammer in dieser Sache eingehalte- nen ungehörigen Verfahrens, vom Staatsministe- rium an die Kammer geschickt ward. Dalwigk hatte in seinem Schreiben zugegeben, auf die An- träge des Heinrich Müller ihm Auftrag ertheilt zu haben, allenfalls ihm bekannt werdende vorha- bende Angriffe auf die Sicherheit des Staats ihm anzuzeigen, wozu er als Chef des Ministeriums und einer wohlorganisirten sozialistisch=republikani- schen Partei gegenüber berechtigt gewesen sei, aber zu Auskundschaftungen bei Müller=Melchiors habe er ihn niemals angewiesen. Uebrigens habe er vor ungefähr 14 Tagen dem Heinrich Müller sa- gen lassen, er solle ihn mit weiteren Mittheilun- gen verschonen und ihm dabei 5 fl. zustellen las- sen. 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Dalwigk, zuerst das Wort nehmend, bemerkte, daß Art. 15 der alten Geschäftsordnung, wonach sich die Ausschüsse mit den betreffenden Regie- rungskommissären bei gestellten Anträgen in Be- nehmen zu setzen und von diesen die erforderliche Auskunft einzuziehen haben, in Bezug auf den Lehneschen Antrag vom Finanzausschuß durchaus nicht befolgt worden sei. Unter diesen Umstän- den werde sich die Regierung bei der Discussion nicht betheiligen, und hoffe er, daß die Kammer diesen Antrag mit der Vorlage auf Verlängerung des Finanzgesetzes nicht gleichgültig behandeln werde. Müller=Melchiors, der Ausschußreferent, sprach heftig hiergegen, warf, der Antiunionist, dem Ministerium sein „Desertiren“ vom preußi- schen Bündniß vor; es sei ihm nie eine „ hämi- schere “ Behauptung in diesem Saal vorgekommen; verglich das Verfahren der Regierung in den letz- ten drei Jahren in Finanzsachen ( bei drei von den Ständen mitbeschlossenen Budgetverlängerun- gen ) mit einem Satze der Pistole auf die Brust unter dem Rufe: La vie ou la bourse! warnte davor, einem Ministerium Dalwigk zu trauen, und schloß mit der Bemerkung, daß die Folgen dieses Mißtrauens, welche es auch sein möchten, auf diejenigen zurückfallen würden, die es veran- laßt hätten. Volhard stellt nun zwei Anträge: den Antrag Lehne und den Verlängerungsvorschlag wegen ungenügenden und unvollständigen Berichts darüber an den Finanzausschuß zurückzuverweisen, und begründet dieselben. Um diese Frage drehte sich nun der Kampf. Wurden Volhards beide Anträge bejaht, so war der Vortheil für die Re- gierung dadurch größer; wurde es nur der zweite dieser Anträge, wie Eigenbrodt eventuell wollte, so kam die Finanzfrage, unbeirrt durch den Lehne'-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 233. Würzburg, 28. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische233_1850/2>, abgerufen am 23.04.2024.