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Die Bayerische Presse. Nr. 233. Würzburg, 28. September 1850.

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[Spaltenumbruch] schen Antrag, zur fortgesetzten Berathung und eine
vielleicht für die Regierung günstigere Abstimmung,
während der Lehnesche Antrag an den Ausschuß
zurückwanderte. Denn wie der Bericht des Fi-
nanzausschusses überhaupt ein leidenschaftliches
Parteiwerk, so ist insbesondere der den Lehneschen
Antrag behandelnde Theil desselben unvollständig
und oberflächlich, was Reh, Ministerrath Mau-
rer, und Metz deutlich nachzeigten. Aber einerlei!
Bei der Abstimmung verwarf die Kammer mit
44 gegen 5 Stimmen den Volhard'schen und mit
27 gegen 22 Stimmen den Eigenbrodtschen An-
trag. Die Majorität hält sich also für genug
instruirt und sie ruft dem Ministerium unbedingt
ihr Va banque! Die Sitzung war um8 1 / 2
Uhr Abends zu Ende.

   

Koblenz, 25. Sept. Die von Preußen an-
gedeutete Maßregel zur Sicherung seiner Etap-
penstraßen durch Kurhessen, im Falle einer bevor-
stehenden militärischen Besetzung dieses Staates
durch Truppen eines nicht zur Union gehörigen
Staates, scheinen ins Werk gesetzt werden zu wol-
len. Die hier stehenden beiden Bataillone des 15.
Jnfanterieregiments begeben sich nemlich in Folge
heute erhaltenen Marschbefehls morgen nach Köln,
wo sie das dort stehende 18. Regiment ersetzen,
welches Befehl zur Ausrücken nach der Umgegend
von Paderborn empfangen hat, um von da aus
die durch Kurhessen führende Etappenstraße zu be-
setzen. Ebenso hat heute die hier stehende mobile
12pfündige Batterie, unter dem Befehl des Capi-
tän Wachter, Befehl erhalten, in den nächsten Ta-
gen zu gleichem Zwecke nach der Gegend von
Paderborn zu marschiren. Ob, wie man hört,
das in Wetzlar stehende zweite Bataillon des 15.
Regiments demselben nach Köln folgen und die
ebenfalls bei Wetzlar stehenden zwei Bataillone
des 13. Regiments hierher kommen werden, dar-
über weiß man noch nichts Gewisses. Die hier
stehenden 6 Landwehrcompagnien beziehen jetzt die
Kasernen.

Koburg, 26. Sept. Da in der jüngsten Zeit
in hiesiger Stadt die nächtliche Ruhe durch Fen-
stereinwerfen und Legen von Kanonenschlägen wie-
derholt gestört, auch der Polizeibehörde bei Aus-
übung ihrer Pflicht vom lärmenden Haufen Wi-
dersetzlichkeit gezeigt wurde, sah sich das Staats-
ministerium veranlaßt, aus dem von den Ständen
bereits beschlossenen, aber noch nicht publicirten
neuen Strafgesetzbuch die betreffenden Artikel über
Aufruhr, Tumult u. s. w. unterm 23. Sept. als
Verordnung bekannt zu machen. Nachdem meh-
rere, diese Verordnung enthaltende Maueranschläge
nächtlicher Weile abgerissen oder besudelt wurden,
hat das Staatsministerium eine Belohnung von
100 fl. auf die Entdeckung der Urheber solchen
Frevels gesetzt.

Schwerin, 23. Sept. So eben ( 4 Uhr Nach-
mittags ) wird der Präsident der Kammer, Mo-
ritz Wiggers aus Rostock, unter einem großen
Andrange von Menschen auf die Polizei geschleppt
um gemaßregelt zu werden. Das Militär ist
den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, und es
werden noch viele Vorsichtsmaßregeln getroffen
werden. Der Polizeimeister, Bürgermeister Strem-
pel, ist heute über eine Stunde beim Großher-
zoge gewesen, wie man hört, wird kein Minister
deshalb seine Dimission einreichen.

Schwerin, 23. Sept. Jn Folge der schon
erwähnten polizeilichen Maßregeln hat der Prä-
sident der Abgeordnetenversammlung, Adv. Moritz
Wiggers Folgendes bekannt gemacht: Da gegen
mich und viele der hier anwesenden Mitglieder
der zum 24. d. von mir eingeladenen Abgeord-
netenkammer polizeiliche Gewaltmaßregeln ausge-
führt worden sind, welche den gesetzlichen Zusam-
mentritt der Kammer unmöglich machen, so kün-
dige ich die auf morgen anberaumte Sitzung hier-
durch ab. Schwerin, den 23. Sept. 1850. --
Die beiden Staatsräthe außer Diensten, Meyer
und von Liebeherr, haben gestern eine Versamm-
lung, welche Mitglieder der Rechten der Kammer
der Abgeordneten abhielten, besucht und daselbst
die Erklärung abgegeben: "sie könnten die for-
male Gültigkeit des Staatsgrundgesetzes jetzt nicht
[Spaltenumbruch] mehr anerkennen." Beide Herrn haben zwar in
der Kammer der Abgeordneten das Gelöbniß auf
die Verfassuag nicht abgelegt, der Minister a. D.
v. Lützow hat derselben aber amtlich mitgetheilt,
sie hätten dieß Gelöbniß bei ihrem Amtsantritte
als Staatsräthe bereits abgeleistet.

Oldenburg, 22. Sept. Die "Niedersächsische
Zeitung" meldet: Tags nach der Rückkehr des
Großherzogs von Rehme, welche vorgestern Nachts
1 Uhr erfolgte, ist ein Cabinetscourier mit De-
peschen an den König Otto von Griechenland
nach Aschaffenburg abgegangen. Man erinnert
sich, daß im vorigen Jahre während der Anwe-
senheit der Königin Amalie vielfach die Rede
davon war, daß die Königin ihren jüngsten Bru-
der, den Herzog Elimar, zum Thronfolger in
Griechenland bestimmt zu sehen wünsche; es darf
daher nicht wundern, daß gerade jetzt, wo die
Zeitungen bereits von den Thronentsagungs=Ab-
sichten des Königs Otto sprechen, wiederum der-
artige Muthmaßungen auftauchen.

Berlin, 22. Sept. Gestern wurde uns in
Potsdam, in einem Kreise, in dem man stets
wohl unterrichtet zu sein pflegt, versichert, daß
allerdings viel davon die Rede ist, dem General-
lieutenant v. Radowitz schon in den nächsten Ta-
gen eine sehr ehrenvolle und wichtige Sendung
nach Frankfurt a. M. und vielleicht auch nach
Wien übertragen zu sehen. Sie steht, wie man
hinzusetzt, in naher Beziehung zu der noch kürzlich
von unserm Könige mündlich wiederholten Ver-
heißung einer baldigen Vereinbarung mit Oester-
reich in den deutschen Angelegenheiten. ( H. C. )

Jtalien.

Der "Gazette du Midi" wird unter dem 15.
Sept. aus Turin geschrieben: "Die Wegnahme
des Eigenthums der Kirche ist der beliebte Traum
der Demagogen, und ihre Lust ist neu angefacht.
Wie man in Turin das berühmte Kloster del
Monte in eine Festung umgewandelt, und die
Mönche daraus vertrieben hat, so hat man das
Capuzinerkloster in Sassari ( Jnsel Sardinien ) sehr
geeignet für eine Gendarmeniekaserne erklärt, und
zweifelsohne wird dieser vorläufigen Erklärung die
Confiscation des Klosters nachfolgen." -- Der
"Armonia" vom 18. d. zufolge darf man anneh-
men, daß ein Mitarbeiter des "Risorgimento"
binnen Kurzem ins Ministerium treten wird. "Wir
beklagen dies, fügt die "Armonia" hinzu, denn
es ist ein Beweis, daß unser Ministerium auf
den ungesetzlichen Wege immer mehr vorzuschrei-
ten gedenkt." -- Ueber die schon kurz erwähnte
Audienz des Hrn. Pinelli beim h. Vater theilen
wir nach dem "Univers" noch folgende Einzelhei-
ten mit, die der Correspondent für ganz genau
hält: Die Audienz fand im Beisein des Msgr.
Barnabo, Sekretärs der Propaganda, Statt. Pi-
nelli 's Sache war abscheulich, er schien jedoch ein
Mittel gefunden zu haben, das Sprichwort:
" Causa patrocinio non bono pejor erit "
wahrzumachen. Sei es natürliche Unbeholfenheit,
sei es, daß er durch die Anwesenheit des Stell-
vertreters Christi auf Erden eingeschüchtert wurde:
er sprach höchst verworren, und wie Jemand, der
von der Armseligkeit seiner Argumente überzeugt
ist. Er soll besonders den Punkt hervorgehoben
haben, daß die in den sardinischen Staaten vor-
genommenen politischen Veränderungen auch ana-
loge Veränderungen in der kirchlichen Disciplin,
woran der Staat einigermaßen betheiligt sei, zur
Folge haben müßten. Der h. Vater habe darauf
entgegnet: Man würde in Disciplinarangelegen-
heiten nie die Dispens verweigern, sobald man
nur die Nothwendigkeit nachgewiesen habe, um
aber Dispensen ertheilen zu können, müßten sie
doch zum Wenigsten verlangt werden. Ueber die
Frage des Concordates hätte der h. Vater gesagt:
Wie man doch an ein neues Concordat denken
könne, in demselben Augenblicke, wo man die be-
stehenden sogar mit Füßen trete. Piemont be-
weise durch die That, daß es sich durch Concor-
date nicht gebunden glaube, und so lange es an
dieser Prätension festhalte, würde ein neues Con-
cordat kein anderes Ergebniß liefern, als den hl.
[Spaltenumbruch] Stuhl ohne die Regierung von Turin zu binden
Um ernstlich contrahiren zu können, müssen beide
Parteien von der Ueberzeugung ausgehen, daß sie
die Verpflichtung haben, ihre gegebenen Verspre-
chen zu halten. Denn nach den von dem Turi-
ner Kabinete einmal adoptirten Grundsätzen könne
man an einem guten Morgen die am Vorabende
geschlossenen Verträge wieder vernichten. Der sar-
dinische Abgesandte antwortete hierauf mit einer
gewissen Lebhaftigkeit: Das ist dem öffentlichen
Rechte in Piemont angemessen! und der hl. Va-
ter: Piano, piano, Herr Commandeur, hüten
Sie sich, Jhr Vaterland zu verläumden, indem
Sie demselben Ansichten zutheilen, die wohl nur
die Meinungen einiger Privatpersonen sind. --
Dem "Journal des Debats" wird unter dem 14.
d. aus Rom geschrieben: Die piemontesische An-
gelegenheit geht weder vor= noch rückwärts. Es
ist eine Commission von drei Cardinälen ernannt,
die sich ausschließlich mit diesem Conflikte beschäf-
tigt, und gewissermaßen die Gegenpartei der Ge-
sandtschaft Pinelli's bildet. Beide werden sich
wahrscheinlich lange Zeit gegenüberstehen, ehe sie
sich nur über die Präliminarien einer ernsten Dis-
cussion geeinigt haben. -- Die freiwillige Ver-
werthung des Papiergeldes hat einen guten Fort-
gang, und wird mit Hülfe fremder Kapitalien,
auf deren Betheiligung man rechnet, vollständig
gelingen.

Vermischte Nachrichten.

Aus Schwerin. "Haben Sie es gesehen?"
fragte Jemand den alten Göthe, als sich eine dem
Dichter bekannte hohe Dame von einem jungen
Manne heimlich umarmen und herzhaft küssen ließ.
"Jch habe es gesehen, aber ich glaube es nicht,"
antwortete Göthe. -- Haben Sie es gesehen, daß
sich gestern der Stadtwachtmeister Behncke und der
blasse Moritz heimlich umarmt haben? Jch habe
es gesehen, aber ich glaube es nicht, spreche ich
dem seligen Göthe nach. Sagen Sie mir, ist es
denn glaublich, daß Hr. M. Wiggers, Liebling des
Volks, Expräsident der nun Gottlob entschlafenen
Kammer der Abgeordneten, von einem Polizei-
Offizianten am hellen lichten Tage auf die Poli-
zei geführt wird und ganz Land Mecklenburg eilt
nicht zu Hülfe? Wahrhaftig, es wäre unerklär-
lich, wenn man nicht gewiß wüßte, daß Herr E.
Haupt in Wismar ganz Mecklenburg hinter sich
und mit der Meckl. Zeitung zu viel zu thun hat,
um mit seinen Hintersassen in Schwerin den Deum
ex machina
zu spielen. -- Die Andern wurden
auch herausgeholt aus dem Hotel -- "spät kamen
sie, jedoch sie kamen" -- lauter spanische Dolch-
augen, Gestalten schwarz und Kinder=graulich, wie
der Pfarrer Merino, stolz und würdig, mit leisem
röthlichem Anflug von Vaterlands=Bekümmerniß.
Namen nennen sie nicht, nur Modem erkannte ich
wieder, das treue Bild eines Krammetsvogels, der
sich an einer rothen Beere verschluckt hat und
nun in der Schlinge erbärmlich flattert und zappelt.
Jch bin auf einem Ohre taub, aber ich versichere
Sie, dennoch hätte ich das Summen einer Mücke
hören können, als gestern die Herren Abgeordne-
ten auf die Polizei mußten, um sich über ihre
Absichten in Schwerin zu erklären. Jch sage
"mußten", obgleich die Herren es natürlich selbst
gewünscht, und, wegen des zu erregenden Auf-
sehens, sogar verlangt haben. Quod non. Gibt
es noch irgend etwas in der Welt, was einen
meckl. Demokraten überzeugen kann, daß seine
Rolle aus= -- gänzlich ausgespielt ist, so muß
es das sein, daß sich um seinetwillen auch kein
Straßenjunge mehr rührt. -- Gestern war Alles
ruhig, heute ist Alles ruhig, morgen wird Alles
ruhig sein. Daß aber der blasse Moritz und
der Stadtwachtmeister sich geküßt haben, ist nicht
wahr. Jch habe es nicht gesehen und ich glaube
es auch nicht; aber Eins ist unzweifelhaft, näm-
lich, daß sämmtliche dii minorum gentium sich
haben mit Freuden vor die Polizei führen lassen
und daß sie -- wie Curtius in Rom es wirk-
lich that -- beinahe in's Loch gesprungen wä-
ren, um rempublicam zu retten. Requiescant
in pace.

[Spaltenumbruch] schen Antrag, zur fortgesetzten Berathung und eine
vielleicht für die Regierung günstigere Abstimmung,
während der Lehnesche Antrag an den Ausschuß
zurückwanderte. Denn wie der Bericht des Fi-
nanzausschusses überhaupt ein leidenschaftliches
Parteiwerk, so ist insbesondere der den Lehneschen
Antrag behandelnde Theil desselben unvollständig
und oberflächlich, was Reh, Ministerrath Mau-
rer, und Metz deutlich nachzeigten. Aber einerlei!
Bei der Abstimmung verwarf die Kammer mit
44 gegen 5 Stimmen den Volhard'schen und mit
27 gegen 22 Stimmen den Eigenbrodtschen An-
trag. Die Majorität hält sich also für genug
instruirt und sie ruft dem Ministerium unbedingt
ihr Va banque! Die Sitzung war um8 1 / 2
Uhr Abends zu Ende.

   

Koblenz, 25. Sept. Die von Preußen an-
gedeutete Maßregel zur Sicherung seiner Etap-
penstraßen durch Kurhessen, im Falle einer bevor-
stehenden militärischen Besetzung dieses Staates
durch Truppen eines nicht zur Union gehörigen
Staates, scheinen ins Werk gesetzt werden zu wol-
len. Die hier stehenden beiden Bataillone des 15.
Jnfanterieregiments begeben sich nemlich in Folge
heute erhaltenen Marschbefehls morgen nach Köln,
wo sie das dort stehende 18. Regiment ersetzen,
welches Befehl zur Ausrücken nach der Umgegend
von Paderborn empfangen hat, um von da aus
die durch Kurhessen führende Etappenstraße zu be-
setzen. Ebenso hat heute die hier stehende mobile
12pfündige Batterie, unter dem Befehl des Capi-
tän Wachter, Befehl erhalten, in den nächsten Ta-
gen zu gleichem Zwecke nach der Gegend von
Paderborn zu marschiren. Ob, wie man hört,
das in Wetzlar stehende zweite Bataillon des 15.
Regiments demselben nach Köln folgen und die
ebenfalls bei Wetzlar stehenden zwei Bataillone
des 13. Regiments hierher kommen werden, dar-
über weiß man noch nichts Gewisses. Die hier
stehenden 6 Landwehrcompagnien beziehen jetzt die
Kasernen.

Koburg, 26. Sept. Da in der jüngsten Zeit
in hiesiger Stadt die nächtliche Ruhe durch Fen-
stereinwerfen und Legen von Kanonenschlägen wie-
derholt gestört, auch der Polizeibehörde bei Aus-
übung ihrer Pflicht vom lärmenden Haufen Wi-
dersetzlichkeit gezeigt wurde, sah sich das Staats-
ministerium veranlaßt, aus dem von den Ständen
bereits beschlossenen, aber noch nicht publicirten
neuen Strafgesetzbuch die betreffenden Artikel über
Aufruhr, Tumult u. s. w. unterm 23. Sept. als
Verordnung bekannt zu machen. Nachdem meh-
rere, diese Verordnung enthaltende Maueranschläge
nächtlicher Weile abgerissen oder besudelt wurden,
hat das Staatsministerium eine Belohnung von
100 fl. auf die Entdeckung der Urheber solchen
Frevels gesetzt.

Schwerin, 23. Sept. So eben ( 4 Uhr Nach-
mittags ) wird der Präsident der Kammer, Mo-
ritz Wiggers aus Rostock, unter einem großen
Andrange von Menschen auf die Polizei geschleppt
um gemaßregelt zu werden. Das Militär ist
den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, und es
werden noch viele Vorsichtsmaßregeln getroffen
werden. Der Polizeimeister, Bürgermeister Strem-
pel, ist heute über eine Stunde beim Großher-
zoge gewesen, wie man hört, wird kein Minister
deshalb seine Dimission einreichen.

Schwerin, 23. Sept. Jn Folge der schon
erwähnten polizeilichen Maßregeln hat der Prä-
sident der Abgeordnetenversammlung, Adv. Moritz
Wiggers Folgendes bekannt gemacht: Da gegen
mich und viele der hier anwesenden Mitglieder
der zum 24. d. von mir eingeladenen Abgeord-
netenkammer polizeiliche Gewaltmaßregeln ausge-
führt worden sind, welche den gesetzlichen Zusam-
mentritt der Kammer unmöglich machen, so kün-
dige ich die auf morgen anberaumte Sitzung hier-
durch ab. Schwerin, den 23. Sept. 1850. --
Die beiden Staatsräthe außer Diensten, Meyer
und von Liebeherr, haben gestern eine Versamm-
lung, welche Mitglieder der Rechten der Kammer
der Abgeordneten abhielten, besucht und daselbst
die Erklärung abgegeben: „sie könnten die for-
male Gültigkeit des Staatsgrundgesetzes jetzt nicht
[Spaltenumbruch] mehr anerkennen.“ Beide Herrn haben zwar in
der Kammer der Abgeordneten das Gelöbniß auf
die Verfassuag nicht abgelegt, der Minister a. D.
v. Lützow hat derselben aber amtlich mitgetheilt,
sie hätten dieß Gelöbniß bei ihrem Amtsantritte
als Staatsräthe bereits abgeleistet.

Oldenburg, 22. Sept. Die „Niedersächsische
Zeitung“ meldet: Tags nach der Rückkehr des
Großherzogs von Rehme, welche vorgestern Nachts
1 Uhr erfolgte, ist ein Cabinetscourier mit De-
peschen an den König Otto von Griechenland
nach Aschaffenburg abgegangen. Man erinnert
sich, daß im vorigen Jahre während der Anwe-
senheit der Königin Amalie vielfach die Rede
davon war, daß die Königin ihren jüngsten Bru-
der, den Herzog Elimar, zum Thronfolger in
Griechenland bestimmt zu sehen wünsche; es darf
daher nicht wundern, daß gerade jetzt, wo die
Zeitungen bereits von den Thronentsagungs=Ab-
sichten des Königs Otto sprechen, wiederum der-
artige Muthmaßungen auftauchen.

Berlin, 22. Sept. Gestern wurde uns in
Potsdam, in einem Kreise, in dem man stets
wohl unterrichtet zu sein pflegt, versichert, daß
allerdings viel davon die Rede ist, dem General-
lieutenant v. Radowitz schon in den nächsten Ta-
gen eine sehr ehrenvolle und wichtige Sendung
nach Frankfurt a. M. und vielleicht auch nach
Wien übertragen zu sehen. Sie steht, wie man
hinzusetzt, in naher Beziehung zu der noch kürzlich
von unserm Könige mündlich wiederholten Ver-
heißung einer baldigen Vereinbarung mit Oester-
reich in den deutschen Angelegenheiten. ( H. C. )

Jtalien.

Der „Gazette du Midi“ wird unter dem 15.
Sept. aus Turin geschrieben: „Die Wegnahme
des Eigenthums der Kirche ist der beliebte Traum
der Demagogen, und ihre Lust ist neu angefacht.
Wie man in Turin das berühmte Kloster del
Monte in eine Festung umgewandelt, und die
Mönche daraus vertrieben hat, so hat man das
Capuzinerkloster in Sassari ( Jnsel Sardinien ) sehr
geeignet für eine Gendarmeniekaserne erklärt, und
zweifelsohne wird dieser vorläufigen Erklärung die
Confiscation des Klosters nachfolgen.“ -- Der
„Armonia“ vom 18. d. zufolge darf man anneh-
men, daß ein Mitarbeiter des „Risorgimento“
binnen Kurzem ins Ministerium treten wird. „Wir
beklagen dies, fügt die „Armonia“ hinzu, denn
es ist ein Beweis, daß unser Ministerium auf
den ungesetzlichen Wege immer mehr vorzuschrei-
ten gedenkt.“ -- Ueber die schon kurz erwähnte
Audienz des Hrn. Pinelli beim h. Vater theilen
wir nach dem „Univers“ noch folgende Einzelhei-
ten mit, die der Correspondent für ganz genau
hält: Die Audienz fand im Beisein des Msgr.
Barnabo, Sekretärs der Propaganda, Statt. Pi-
nelli 's Sache war abscheulich, er schien jedoch ein
Mittel gefunden zu haben, das Sprichwort:
Causa patrocinio non bono pejor erit
wahrzumachen. Sei es natürliche Unbeholfenheit,
sei es, daß er durch die Anwesenheit des Stell-
vertreters Christi auf Erden eingeschüchtert wurde:
er sprach höchst verworren, und wie Jemand, der
von der Armseligkeit seiner Argumente überzeugt
ist. Er soll besonders den Punkt hervorgehoben
haben, daß die in den sardinischen Staaten vor-
genommenen politischen Veränderungen auch ana-
loge Veränderungen in der kirchlichen Disciplin,
woran der Staat einigermaßen betheiligt sei, zur
Folge haben müßten. Der h. Vater habe darauf
entgegnet: Man würde in Disciplinarangelegen-
heiten nie die Dispens verweigern, sobald man
nur die Nothwendigkeit nachgewiesen habe, um
aber Dispensen ertheilen zu können, müßten sie
doch zum Wenigsten verlangt werden. Ueber die
Frage des Concordates hätte der h. Vater gesagt:
Wie man doch an ein neues Concordat denken
könne, in demselben Augenblicke, wo man die be-
stehenden sogar mit Füßen trete. Piemont be-
weise durch die That, daß es sich durch Concor-
date nicht gebunden glaube, und so lange es an
dieser Prätension festhalte, würde ein neues Con-
cordat kein anderes Ergebniß liefern, als den hl.
[Spaltenumbruch] Stuhl ohne die Regierung von Turin zu binden
Um ernstlich contrahiren zu können, müssen beide
Parteien von der Ueberzeugung ausgehen, daß sie
die Verpflichtung haben, ihre gegebenen Verspre-
chen zu halten. Denn nach den von dem Turi-
ner Kabinete einmal adoptirten Grundsätzen könne
man an einem guten Morgen die am Vorabende
geschlossenen Verträge wieder vernichten. Der sar-
dinische Abgesandte antwortete hierauf mit einer
gewissen Lebhaftigkeit: Das ist dem öffentlichen
Rechte in Piemont angemessen! und der hl. Va-
ter: Piano, piano, Herr Commandeur, hüten
Sie sich, Jhr Vaterland zu verläumden, indem
Sie demselben Ansichten zutheilen, die wohl nur
die Meinungen einiger Privatpersonen sind. --
Dem „Journal des Debats“ wird unter dem 14.
d. aus Rom geschrieben: Die piemontesische An-
gelegenheit geht weder vor= noch rückwärts. Es
ist eine Commission von drei Cardinälen ernannt,
die sich ausschließlich mit diesem Conflikte beschäf-
tigt, und gewissermaßen die Gegenpartei der Ge-
sandtschaft Pinelli's bildet. Beide werden sich
wahrscheinlich lange Zeit gegenüberstehen, ehe sie
sich nur über die Präliminarien einer ernsten Dis-
cussion geeinigt haben. -- Die freiwillige Ver-
werthung des Papiergeldes hat einen guten Fort-
gang, und wird mit Hülfe fremder Kapitalien,
auf deren Betheiligung man rechnet, vollständig
gelingen.

Vermischte Nachrichten.

Aus Schwerin. „Haben Sie es gesehen?“
fragte Jemand den alten Göthe, als sich eine dem
Dichter bekannte hohe Dame von einem jungen
Manne heimlich umarmen und herzhaft küssen ließ.
„Jch habe es gesehen, aber ich glaube es nicht,“
antwortete Göthe. -- Haben Sie es gesehen, daß
sich gestern der Stadtwachtmeister Behncke und der
blasse Moritz heimlich umarmt haben? Jch habe
es gesehen, aber ich glaube es nicht, spreche ich
dem seligen Göthe nach. Sagen Sie mir, ist es
denn glaublich, daß Hr. M. Wiggers, Liebling des
Volks, Expräsident der nun Gottlob entschlafenen
Kammer der Abgeordneten, von einem Polizei-
Offizianten am hellen lichten Tage auf die Poli-
zei geführt wird und ganz Land Mecklenburg eilt
nicht zu Hülfe? Wahrhaftig, es wäre unerklär-
lich, wenn man nicht gewiß wüßte, daß Herr E.
Haupt in Wismar ganz Mecklenburg hinter sich
und mit der Meckl. Zeitung zu viel zu thun hat,
um mit seinen Hintersassen in Schwerin den Deum
ex machina
zu spielen. -- Die Andern wurden
auch herausgeholt aus dem Hotel -- „spät kamen
sie, jedoch sie kamen“ -- lauter spanische Dolch-
augen, Gestalten schwarz und Kinder=graulich, wie
der Pfarrer Merino, stolz und würdig, mit leisem
röthlichem Anflug von Vaterlands=Bekümmerniß.
Namen nennen sie nicht, nur Modem erkannte ich
wieder, das treue Bild eines Krammetsvogels, der
sich an einer rothen Beere verschluckt hat und
nun in der Schlinge erbärmlich flattert und zappelt.
Jch bin auf einem Ohre taub, aber ich versichere
Sie, dennoch hätte ich das Summen einer Mücke
hören können, als gestern die Herren Abgeordne-
ten auf die Polizei mußten, um sich über ihre
Absichten in Schwerin zu erklären. Jch sage
„mußten“, obgleich die Herren es natürlich selbst
gewünscht, und, wegen des zu erregenden Auf-
sehens, sogar verlangt haben. Quod non. Gibt
es noch irgend etwas in der Welt, was einen
meckl. Demokraten überzeugen kann, daß seine
Rolle aus= -- gänzlich ausgespielt ist, so muß
es das sein, daß sich um seinetwillen auch kein
Straßenjunge mehr rührt. -- Gestern war Alles
ruhig, heute ist Alles ruhig, morgen wird Alles
ruhig sein. Daß aber der blasse Moritz und
der Stadtwachtmeister sich geküßt haben, ist nicht
wahr. Jch habe es nicht gesehen und ich glaube
es auch nicht; aber Eins ist unzweifelhaft, näm-
lich, daß sämmtliche dii minorum gentium sich
haben mit Freuden vor die Polizei führen lassen
und daß sie -- wie Curtius in Rom es wirk-
lich that -- beinahe in's Loch gesprungen wä-
ren, um rempublicam zu retten. Requiescant
in pace.

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[0003] schen Antrag, zur fortgesetzten Berathung und eine vielleicht für die Regierung günstigere Abstimmung, während der Lehnesche Antrag an den Ausschuß zurückwanderte. Denn wie der Bericht des Fi- nanzausschusses überhaupt ein leidenschaftliches Parteiwerk, so ist insbesondere der den Lehneschen Antrag behandelnde Theil desselben unvollständig und oberflächlich, was Reh, Ministerrath Mau- rer, und Metz deutlich nachzeigten. Aber einerlei! Bei der Abstimmung verwarf die Kammer mit 44 gegen 5 Stimmen den Volhard'schen und mit 27 gegen 22 Stimmen den Eigenbrodtschen An- trag. Die Majorität hält sich also für genug instruirt und sie ruft dem Ministerium unbedingt ihr Va banque! Die Sitzung war um8 1 / 2 Uhr Abends zu Ende. ( D. Z. ) Koblenz, 25. Sept. Die von Preußen an- gedeutete Maßregel zur Sicherung seiner Etap- penstraßen durch Kurhessen, im Falle einer bevor- stehenden militärischen Besetzung dieses Staates durch Truppen eines nicht zur Union gehörigen Staates, scheinen ins Werk gesetzt werden zu wol- len. Die hier stehenden beiden Bataillone des 15. Jnfanterieregiments begeben sich nemlich in Folge heute erhaltenen Marschbefehls morgen nach Köln, wo sie das dort stehende 18. Regiment ersetzen, welches Befehl zur Ausrücken nach der Umgegend von Paderborn empfangen hat, um von da aus die durch Kurhessen führende Etappenstraße zu be- setzen. Ebenso hat heute die hier stehende mobile 12pfündige Batterie, unter dem Befehl des Capi- tän Wachter, Befehl erhalten, in den nächsten Ta- gen zu gleichem Zwecke nach der Gegend von Paderborn zu marschiren. Ob, wie man hört, das in Wetzlar stehende zweite Bataillon des 15. Regiments demselben nach Köln folgen und die ebenfalls bei Wetzlar stehenden zwei Bataillone des 13. Regiments hierher kommen werden, dar- über weiß man noch nichts Gewisses. Die hier stehenden 6 Landwehrcompagnien beziehen jetzt die Kasernen. Koburg, 26. Sept. Da in der jüngsten Zeit in hiesiger Stadt die nächtliche Ruhe durch Fen- stereinwerfen und Legen von Kanonenschlägen wie- derholt gestört, auch der Polizeibehörde bei Aus- übung ihrer Pflicht vom lärmenden Haufen Wi- dersetzlichkeit gezeigt wurde, sah sich das Staats- ministerium veranlaßt, aus dem von den Ständen bereits beschlossenen, aber noch nicht publicirten neuen Strafgesetzbuch die betreffenden Artikel über Aufruhr, Tumult u. s. w. unterm 23. Sept. als Verordnung bekannt zu machen. Nachdem meh- rere, diese Verordnung enthaltende Maueranschläge nächtlicher Weile abgerissen oder besudelt wurden, hat das Staatsministerium eine Belohnung von 100 fl. auf die Entdeckung der Urheber solchen Frevels gesetzt. Schwerin, 23. Sept. So eben ( 4 Uhr Nach- mittags ) wird der Präsident der Kammer, Mo- ritz Wiggers aus Rostock, unter einem großen Andrange von Menschen auf die Polizei geschleppt um gemaßregelt zu werden. Das Militär ist den ganzen Tag auf den Beinen gewesen, und es werden noch viele Vorsichtsmaßregeln getroffen werden. Der Polizeimeister, Bürgermeister Strem- pel, ist heute über eine Stunde beim Großher- zoge gewesen, wie man hört, wird kein Minister deshalb seine Dimission einreichen. ( N. f. P. ) Schwerin, 23. Sept. Jn Folge der schon erwähnten polizeilichen Maßregeln hat der Prä- sident der Abgeordnetenversammlung, Adv. Moritz Wiggers Folgendes bekannt gemacht: Da gegen mich und viele der hier anwesenden Mitglieder der zum 24. d. von mir eingeladenen Abgeord- netenkammer polizeiliche Gewaltmaßregeln ausge- führt worden sind, welche den gesetzlichen Zusam- mentritt der Kammer unmöglich machen, so kün- dige ich die auf morgen anberaumte Sitzung hier- durch ab. Schwerin, den 23. Sept. 1850. -- Die beiden Staatsräthe außer Diensten, Meyer und von Liebeherr, haben gestern eine Versamm- lung, welche Mitglieder der Rechten der Kammer der Abgeordneten abhielten, besucht und daselbst die Erklärung abgegeben: „sie könnten die for- male Gültigkeit des Staatsgrundgesetzes jetzt nicht mehr anerkennen.“ Beide Herrn haben zwar in der Kammer der Abgeordneten das Gelöbniß auf die Verfassuag nicht abgelegt, der Minister a. D. v. Lützow hat derselben aber amtlich mitgetheilt, sie hätten dieß Gelöbniß bei ihrem Amtsantritte als Staatsräthe bereits abgeleistet. ( N. fr. P. ) Oldenburg, 22. Sept. Die „Niedersächsische Zeitung“ meldet: Tags nach der Rückkehr des Großherzogs von Rehme, welche vorgestern Nachts 1 Uhr erfolgte, ist ein Cabinetscourier mit De- peschen an den König Otto von Griechenland nach Aschaffenburg abgegangen. Man erinnert sich, daß im vorigen Jahre während der Anwe- senheit der Königin Amalie vielfach die Rede davon war, daß die Königin ihren jüngsten Bru- der, den Herzog Elimar, zum Thronfolger in Griechenland bestimmt zu sehen wünsche; es darf daher nicht wundern, daß gerade jetzt, wo die Zeitungen bereits von den Thronentsagungs=Ab- sichten des Königs Otto sprechen, wiederum der- artige Muthmaßungen auftauchen. Berlin, 22. Sept. Gestern wurde uns in Potsdam, in einem Kreise, in dem man stets wohl unterrichtet zu sein pflegt, versichert, daß allerdings viel davon die Rede ist, dem General- lieutenant v. Radowitz schon in den nächsten Ta- gen eine sehr ehrenvolle und wichtige Sendung nach Frankfurt a. M. und vielleicht auch nach Wien übertragen zu sehen. Sie steht, wie man hinzusetzt, in naher Beziehung zu der noch kürzlich von unserm Könige mündlich wiederholten Ver- heißung einer baldigen Vereinbarung mit Oester- reich in den deutschen Angelegenheiten. ( H. C. ) Jtalien. Der „Gazette du Midi“ wird unter dem 15. Sept. aus Turin geschrieben: „Die Wegnahme des Eigenthums der Kirche ist der beliebte Traum der Demagogen, und ihre Lust ist neu angefacht. Wie man in Turin das berühmte Kloster del Monte in eine Festung umgewandelt, und die Mönche daraus vertrieben hat, so hat man das Capuzinerkloster in Sassari ( Jnsel Sardinien ) sehr geeignet für eine Gendarmeniekaserne erklärt, und zweifelsohne wird dieser vorläufigen Erklärung die Confiscation des Klosters nachfolgen.“ -- Der „Armonia“ vom 18. d. zufolge darf man anneh- men, daß ein Mitarbeiter des „Risorgimento“ binnen Kurzem ins Ministerium treten wird. „Wir beklagen dies, fügt die „Armonia“ hinzu, denn es ist ein Beweis, daß unser Ministerium auf den ungesetzlichen Wege immer mehr vorzuschrei- ten gedenkt.“ -- Ueber die schon kurz erwähnte Audienz des Hrn. Pinelli beim h. Vater theilen wir nach dem „Univers“ noch folgende Einzelhei- ten mit, die der Correspondent für ganz genau hält: Die Audienz fand im Beisein des Msgr. Barnabo, Sekretärs der Propaganda, Statt. Pi- nelli 's Sache war abscheulich, er schien jedoch ein Mittel gefunden zu haben, das Sprichwort: „ Causa patrocinio non bono pejor erit “ wahrzumachen. Sei es natürliche Unbeholfenheit, sei es, daß er durch die Anwesenheit des Stell- vertreters Christi auf Erden eingeschüchtert wurde: er sprach höchst verworren, und wie Jemand, der von der Armseligkeit seiner Argumente überzeugt ist. Er soll besonders den Punkt hervorgehoben haben, daß die in den sardinischen Staaten vor- genommenen politischen Veränderungen auch ana- loge Veränderungen in der kirchlichen Disciplin, woran der Staat einigermaßen betheiligt sei, zur Folge haben müßten. Der h. 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Der sar- dinische Abgesandte antwortete hierauf mit einer gewissen Lebhaftigkeit: Das ist dem öffentlichen Rechte in Piemont angemessen! und der hl. Va- ter: Piano, piano, Herr Commandeur, hüten Sie sich, Jhr Vaterland zu verläumden, indem Sie demselben Ansichten zutheilen, die wohl nur die Meinungen einiger Privatpersonen sind. -- Dem „Journal des Debats“ wird unter dem 14. d. aus Rom geschrieben: Die piemontesische An- gelegenheit geht weder vor= noch rückwärts. Es ist eine Commission von drei Cardinälen ernannt, die sich ausschließlich mit diesem Conflikte beschäf- tigt, und gewissermaßen die Gegenpartei der Ge- sandtschaft Pinelli's bildet. Beide werden sich wahrscheinlich lange Zeit gegenüberstehen, ehe sie sich nur über die Präliminarien einer ernsten Dis- cussion geeinigt haben. -- Die freiwillige Ver- werthung des Papiergeldes hat einen guten Fort- gang, und wird mit Hülfe fremder Kapitalien, auf deren Betheiligung man rechnet, vollständig gelingen. Vermischte Nachrichten. Aus Schwerin. „Haben Sie es gesehen?“ fragte Jemand den alten Göthe, als sich eine dem Dichter bekannte hohe Dame von einem jungen Manne heimlich umarmen und herzhaft küssen ließ. „Jch habe es gesehen, aber ich glaube es nicht,“ antwortete Göthe. -- Haben Sie es gesehen, daß sich gestern der Stadtwachtmeister Behncke und der blasse Moritz heimlich umarmt haben? Jch habe es gesehen, aber ich glaube es nicht, spreche ich dem seligen Göthe nach. Sagen Sie mir, ist es denn glaublich, daß Hr. M. Wiggers, Liebling des Volks, Expräsident der nun Gottlob entschlafenen Kammer der Abgeordneten, von einem Polizei- Offizianten am hellen lichten Tage auf die Poli- zei geführt wird und ganz Land Mecklenburg eilt nicht zu Hülfe? Wahrhaftig, es wäre unerklär- lich, wenn man nicht gewiß wüßte, daß Herr E. Haupt in Wismar ganz Mecklenburg hinter sich und mit der Meckl. 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Demokraten überzeugen kann, daß seine Rolle aus= -- gänzlich ausgespielt ist, so muß es das sein, daß sich um seinetwillen auch kein Straßenjunge mehr rührt. -- Gestern war Alles ruhig, heute ist Alles ruhig, morgen wird Alles ruhig sein. Daß aber der blasse Moritz und der Stadtwachtmeister sich geküßt haben, ist nicht wahr. Jch habe es nicht gesehen und ich glaube es auch nicht; aber Eins ist unzweifelhaft, näm- lich, daß sämmtliche dii minorum gentium sich haben mit Freuden vor die Polizei führen lassen und daß sie -- wie Curtius in Rom es wirk- lich that -- beinahe in's Loch gesprungen wä- ren, um rempublicam zu retten. Requiescant in pace.

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 233. Würzburg, 28. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische233_1850/3>, abgerufen am 23.04.2024.