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Die Bayerische Presse. Nr. 240. Würzburg, 7. Oktober 1850.

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[Spaltenumbruch] siech und unheilbar machen; man curire von Jn-
nen heraus und zwar kräftig. So allein ist Hei-
lung möglich. Leider steht's so aber nicht allein
bei uns in Bayern mit dem Beamtenstande, son-
dern überall in dem constitutionell gewordenen
Deutschland.

München, 5. Okt. JJ. MM. König Max
und König Otto sind diesen Nachmittag zum Ok-
toberfest hier eingetroffen, werden aber schon uber-
morgen nach Hohenschwangau zurückkehren, wo-
selbst Allerhöchstdieselben dem Besuche Se. Maj.
des Kaisers von Oesterreich entgegensehen. -- Ge-
stern Abends 8 Uhr ist Fürst v. Schwarzenberg,
k. k. Feldmarschall=Lieutenant und Minister=Prä-
sident, hier eingetroffen. Jhm zu Ehren findet
heute Nachmittags 4 Uhr ein diplomatisches Fest-
essen statt. Mit dem schon öfters besprochenen
Fürstenkongreß hat es seine Richtigkeit. Jm Laufe
nächster Woche werden der Kaiser von Oesterreich
sowie die Könige von Bayern, Würtemberg und
Sachsen in Hohenschwangau zusammentreffen. --
Jhre Majestät die Königin Marie hatte sich von
Oberammergau nach Hohenburg begeben, um dort
ihren Gemahl, den König Mar, bei seiner Rück-
reise von einem Ausflug an den Gardasee zu em-
pfangen.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 3. Okt. Aus dem vom Obergerichts-
anwalt Henkel, Mitglied des ständischen Aus-
schusses, an den Oberbefehlshaber, Generallieute-
nant v. Haynau, gerichteten offenen Schreiben
theilen wir die folgenden Stellen mit: Herr Ge-
neral! Sie haben die sogenannte Oberbefehlsha-
berstelle während des sogenannten Kriegszustandes
angenommen und in dieser Eigenschaft eine Pro-
klamation erlassen, worin Sie Schmähungen und
Verleumdungen auf die aufgelöste Ständeversamm-
lung und den bleibenden landständischen Ausschuß
schleudern. Jch war Mitglied jener Ständever-
sammlung und bin Mitglied dieses Ausschusses,
habe daher ein Recht, diesen Jnjurien gegenüber,
welche keinen Falls zu Jhrem, wenn auch nur
vermeintlichen, Amte gehören, ein Wort mit Jh-
nen zu reden, und ich finde dieses darum nicht
unter meiner Würde, weil ich höre, daß Sie einst
in den Freiheitskriegen ein tapferer Soldat und
allzeit ein redlicher Mann waren, welche Eigen-
schaften der Unterstellung Raum geben, daß Sie
bei Jhrem jetzigen Auftreten nicht aus böser Ab-
sicht, sondern als getäuschter, mißbrauchter Mann
handeln. Darum das Folgende zu Jhrer Ver-
ständigung. Sie haben, wie Sie selbst sagen,
bisher in der Stille der Zurückgezogenheit gelebt
und sich daher schwerlich von dem, was zwischen
den Ständen und deren Ausschusse und Hrn. Has-
senpflug vorgekommen ist, selbst eigene gründliche
Kenntniß verschafft. Nicht die Stände sind pflicht-
vergessen gewesen und haben die Steuern zu den
nöthigen Staatsausgaben verweigert, sondern Herr
Hassenpflug hat, um Conflikte herbeizuführen und
Vorwände zu Gewaltstreichen zu finden, die ver-
fassungsmäßig nöthige Bedingung jeder Steuerbe-
willigung, die Vorlage des Staatsgrundetats, zu
erfüllen unterlassen und so durch eigene Schuld
den Fall herbeigeführt, daß mit dem 30. Juni
die Zeit verstrichen war, bis wohin er die Steu-
ern vorschußweise für die neue Finanzperiode er-
heben durfte, ohne daß auf der andern Seite das
Budget festgestellt und die Steuerbewilligung für
den Rest der Finanzperiode erfolgt gewesen wäre.
Ganz unbefugter, verfassungswidriger Weise ver-
langte er über die Zeit hinaus, bis wohin spä-
testens das Budget festgestellt sein soll, weitere
Steuervorschüsse, ohne auch nur irgend eine be-
stimmte Aussicht zu eröffnen, ob und wann er
den Grundetat vorlegen werde. Und als die
Stände sich diesem verfassungswidrigen, die Ord-
nung des Staatshaushalts untergrabenden Ver-
langen, ganz ihrer Pflicht gemäß, nicht fügten,
sondern nur bereit waren, die Steuern vorläufig
erheben und bis das Finanzgesetz darüber verfügen
würde, aufbewahren zu lassen, löste er sie auf,
erhob ein Zetergeschrei über angebliche Steuerver-
[Spaltenumbruch] weigerung, schrieb die Steuern auf sein eigen
Haupt aus, erklarte das ganze Land im tiefsten
Frieden in Kriegszustand, verband damit die Auf-
hebung der wesentlichste Freiheitsrechte und unter-
warf Volk und Behörden der Willkür eines über
Gesetz und Recht erhabenen militärischen Dicta-
tors. Aber damit noch nicht genug, hat er nun
auch noch den Rechtsweg gegen seine Gewalttha-
ten verboten, die Selbstständigkeit und Unabhang-
igkeit der Gerichte vernichtet, ja ihre bereits er-
folgten Erkenntnisse aufgehoben und Civilvergehen
und Civilpersonen den Militärgerichten unterwor-
fen. Lassen Sie sich, Herr General, durch irgend
einen befreundeten Rechtskundigen alle die Para-
graphen der Verfassung und die Gesetze aufschla-
gen, welche durch diese Gewaltstreiche aufgehoben
oder verletzt werden, und Sie werden finden, es
ist ein ganzer Haufen, es bleibt wenig mehr von
der Verfassung übrig.... Werfen Sie daher ein
Amt ab, welches gegen göttliche und menschliche
Rechte angeht.

Kassel, 4. Okt. Der Oberbürgermeister hat
auf das Schreiben des Generals Haynau, die
Auflösung der Bürgergarde betreffend, Folgendes
erwidert: Auf Ew. Exc. soeben erhaltenes Schrei-
ben von heute, beehre ich mich zu erwidern, daß
ich in dem darin erwähnten Verhalten des Regi-
mentscommandeurs und der übrigen Offiziere der
Bürgergarde nichts zu erblicken vermag, was in
irgend einer Hinsicht irgend einem Gesetze zuwider
wäre. Jch muß vielmehr deren Handlungen bil-
ligen und finde keinen gesetzlichen Grund, der die
von Ew. Exc. angedrohte Auflösung der gesamm-
ten Bürgergarde rechtfertigen könnte. Die §§.
96 und 97 des Bürgergardegesetzes von 23. Juni
1832 bezeichnen die Fälle, in welchen die Sus-
pension oder Auflösung der Bürgergarde oder ein-
zelner Abtheilungen derselben statthaft ist, sowie
die Voraussetzung und Formen, unter welchen, und
die Behörden, von denen sie ausgeführt werden
sollen. Demnach kann ich, da die in Bezug ge-
nommenen Septemberverordnungen verfassungswi-
drig sind und dieses sogar von den Gerichten
schon ausgesprochen ist, Ew. Exc. die Befugniß,
die hiesige Bürgergarde aufzulösen, nicht einräu-
men. Eine solche Handlung Jhrerseits würde
verfassungs= und gesetzwidrig sein, und werde ich
keinerlei Anordnungen treffen, um die Auflösung
zu verwirklichen. Kassel, den 4. Okt. 1850. Der
Oberbürgermeister der Residenz: Hartwig." --
Gegen Abend wurde an die Straßenecken fol-
gende, die Auflösung der Bürgerwehr betreffende
Bekanntmachung, geklebt: "Nach der am 2. d. M.
stattgefundenen Suspension des Regimentscom-
mandeurs der hiesigen Bürgergarde wegen Wider-
setzlichkeit gegen meine Befehle hat derselbe die
Einstellung seiner Funktionen verweigert, der mit
Versehung derselben beauftragte Commandeur des
ersten Batail. der Bürgergarde aber die Ueber-
nahme dieser Funktionen, sowie die Anerkennung
der Suspension des Regimentscommandeurs ver-
sagt, und meine Ordre, mit dem ganzen Corps
der Offiziere bei mir zu erscheinen, nicht befolgt.
Auch der nun mit Versehung der Stelle eines
Regimentscommandeurs beauftragte Commandeur
des zweiten Bataillons hat mir ausdrücklich er-
klärt, daß er dem ihm gewordenen Auftrage nicht
Folge geben könne, und endlich haben die Batail-
lonscommandeure und sämmtliche Hauptleute der
Bürgergarde meine Ordre, heute Morgen um 9
Uhr sich bei mir einzufinden, mit Ausnahme eines
Einzigen, durch Krankheit verhinderten, nicht be-
folgt; im Gegentheil schriftlich erklärt, daß sie
sich gesetzlich nicht verpflichtet hielten, meiner Auf-
forderung Folge zu leisten. Die hiesige Bürger-
garde stellt sich demnach als ein bewaffnetes Corps
dar, welches der Einwirkung meiner Befehle gänz-
lich entzogen ist und die Erhaltung der Sicherheit
und öffentlichen Ordnung, sowie meiner Autorität
erfordert es unaufschieblich, daß die hiesige Bür-
gergarde aufgelöst werde und die Waffen abliefere.
Jn Gemäßheit des §. 6 der Verordnung vom 7.
Sept. l. J. spreche ich demnach die Auflösung
der hiesiger Bürgergarde hiermit aus und befehle
einem jeden Mitgliede dieses aufgelösten Corps,
[Spaltenumbruch] sofort sämmtliche ihm aus öffentlichen Mitteln
gelieferte Armaturstücke u. Lederwerk, sowie die von
ihm selbst oder aus sonstigen Privatmitteln ge-
stellten Feuerwaffen, die letzteren mit einem, den
Namen des Eigenthümers bezeichnenden angekleb-
Zettel, zum Zwecke der Aufbewahrung, bei Mei-
dung der im §. 2 der Verordnung vom 28. v. M.
angedrohten Bestrafung durch das Kriegsgericht,
an das Militär abzuliefern. Diese Ablieferung
der Armaturstücke und des Lederwerkes hat von
jetzt an bis heute Abend 6 Uhr an folgenden
Plätzen stattzufinden: 1 ) Seitens der in der
Oberneustadt wohnenden Mitglieder der aufge-
lösten Bürgergarde auf der Schloßhauptwache oder
auf der Casernenwache der Jnfanterie; 2 ) Sei-
tens der in der Altstadt wohnenden Mitglieder
der aufgelösten Bürgergarde im Zeughause; 3 )
Seitens der in der Unterneustadt wohnenden Mit-
glieder der aufgelösten Bürgergarde auf der Leip-
ziger=Thorwache. An allen diesen Plätzen werden
Offiziere zum Zwecke der Empfangnahme des
Armatur= und Lederwerks gegenwärtig sein. Kassel,
am 4. Okt. 1850. Der Oberbefehlshaber v. Hay-
nau, Generallieutenant."

Kassel, 4. Okt. Das Obersteuerkollegium hat
aus dem Finanzministerium die Weisung erhalten,
unfehlbar binnen 48 Stunden die Steuern auszu-
schreiben und zwar unter Androhung einer Geld-
strafe von 45 Rthlr. für den Direktor und von
30 Rthlr. für jedes andere Mitglied. -- Am
Nachmittag ward, wie schon gemeldet, die Be-
setzung mehrerer Zeitungspressen zur Ausführung
gebracht. Kurz nach 4 Uhr wurde der Redakteur
der "N. Hess. Ztg.", Oetker, von einem aus 8
Mann und einem Offizier bestehenden Detache-
ment Husaren in seiner Wohnung verhaftet und
in die Hauptwache am Author abgeführt. Oberge-
richtsanwalt Henkel sollte in seiner Wohnung verhaftet
werden, war aber gerade in dem Ständehause, wo-
selbst der Ausschuß Sitzung hielt. Die mit der
Verhaftung beauftragten Husaren verfügten sich
vor das Ständehaus, um Henkel beim Austritt
zu arretiren. Auf erfolgte Einsprache von Seiten
eines Ausschußmitgliedes wurde dem Vollzuge vor-
läufig Anstand gegeben. -- Gegen 6 Uhr wurde
die Auflösung der Bürgergarde in den Straßen
der Stadt unter Trommelschlag bekannt gemacht.
Von da an waren starke Kavallerie= und Jnfan-
teriepatrouillen in Bewegung. Die Bürgerwehr
ist dem Befehl zur Ablieferung der Waffen nicht
nachgekommen. Die Ruhe wurde nicht im min-
desten gestört. -- Gleichzeitig mit dem Oberst-
lieutenant Hillebrand ist eine Deputation des Ober-
appellationsgerichts, bestehend aus den Oberap-
pellationsgerichtsräthen Schotten, Schellenberg und
Elvers und dem Staatsprokurator nach Wilhelms-
bad abgegangen.

Hanau, 2. Okt. Das kurfürstliche Oberap-
pellationsgericht zu Kassel, hat dieser Tage eine
höchst wichtige und interessante Entscheidung gege-
ben über die Frage der Giltigkeit oder Ungiltig-
keit der von der Frankfurter Nationalversammlung
und beziehungsweise dem Reichsverweser erlassenen
Reichsgesetze. Unter den Motiven, daß diesen
Reichsgesetzen gesetzliche Kraft nicht zugestanden
werden kann, heben wir besonders hervor: weil
die Bekanntmachung derselben sich überall nicht
als einen Act der in Kurhessen dem Landesherrn
unter Beistimmung der Landstände zustehenden ge-
setzgebenden Gewalt darstelle, vermöge dessen ei-
ner Verordnung in Kurhessen Kraft verliehen werde;
ferner, daß der Giltigkeit eines Reichsgesetzes aber
schon der Umstand entgegenstehe, daß es für das
deutsche Reich gegeben worden sei, und die hier-
bei zum Grunde liegende Unterstellung, daß die
Bildung eines deutschen Reiches zu Stande kom-
men werde, nicht in Erfüllung gegangen sei, mit-
hin es an dem Gebiete fehle, innerhalb desseo sich
Reichsgesetze zu erweisen gehabt hätten.

Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Vor Rendsburg, 1. Okt., Abends. Die heute
vom westlichen Kriegsschauplatze einlaufenden Be-

[Spaltenumbruch] siech und unheilbar machen; man curire von Jn-
nen heraus und zwar kräftig. So allein ist Hei-
lung möglich. Leider steht's so aber nicht allein
bei uns in Bayern mit dem Beamtenstande, son-
dern überall in dem constitutionell gewordenen
Deutschland.

München, 5. Okt. JJ. MM. König Max
und König Otto sind diesen Nachmittag zum Ok-
toberfest hier eingetroffen, werden aber schon uber-
morgen nach Hohenschwangau zurückkehren, wo-
selbst Allerhöchstdieselben dem Besuche Se. Maj.
des Kaisers von Oesterreich entgegensehen. -- Ge-
stern Abends 8 Uhr ist Fürst v. Schwarzenberg,
k. k. Feldmarschall=Lieutenant und Minister=Prä-
sident, hier eingetroffen. Jhm zu Ehren findet
heute Nachmittags 4 Uhr ein diplomatisches Fest-
essen statt. Mit dem schon öfters besprochenen
Fürstenkongreß hat es seine Richtigkeit. Jm Laufe
nächster Woche werden der Kaiser von Oesterreich
sowie die Könige von Bayern, Würtemberg und
Sachsen in Hohenschwangau zusammentreffen. --
Jhre Majestät die Königin Marie hatte sich von
Oberammergau nach Hohenburg begeben, um dort
ihren Gemahl, den König Mar, bei seiner Rück-
reise von einem Ausflug an den Gardasee zu em-
pfangen.

Die Ereignisse in Kurhessen.

Kassel, 3. Okt. Aus dem vom Obergerichts-
anwalt Henkel, Mitglied des ständischen Aus-
schusses, an den Oberbefehlshaber, Generallieute-
nant v. Haynau, gerichteten offenen Schreiben
theilen wir die folgenden Stellen mit: Herr Ge-
neral! Sie haben die sogenannte Oberbefehlsha-
berstelle während des sogenannten Kriegszustandes
angenommen und in dieser Eigenschaft eine Pro-
klamation erlassen, worin Sie Schmähungen und
Verleumdungen auf die aufgelöste Ständeversamm-
lung und den bleibenden landständischen Ausschuß
schleudern. Jch war Mitglied jener Ständever-
sammlung und bin Mitglied dieses Ausschusses,
habe daher ein Recht, diesen Jnjurien gegenüber,
welche keinen Falls zu Jhrem, wenn auch nur
vermeintlichen, Amte gehören, ein Wort mit Jh-
nen zu reden, und ich finde dieses darum nicht
unter meiner Würde, weil ich höre, daß Sie einst
in den Freiheitskriegen ein tapferer Soldat und
allzeit ein redlicher Mann waren, welche Eigen-
schaften der Unterstellung Raum geben, daß Sie
bei Jhrem jetzigen Auftreten nicht aus böser Ab-
sicht, sondern als getäuschter, mißbrauchter Mann
handeln. Darum das Folgende zu Jhrer Ver-
ständigung. Sie haben, wie Sie selbst sagen,
bisher in der Stille der Zurückgezogenheit gelebt
und sich daher schwerlich von dem, was zwischen
den Ständen und deren Ausschusse und Hrn. Has-
senpflug vorgekommen ist, selbst eigene gründliche
Kenntniß verschafft. Nicht die Stände sind pflicht-
vergessen gewesen und haben die Steuern zu den
nöthigen Staatsausgaben verweigert, sondern Herr
Hassenpflug hat, um Conflikte herbeizuführen und
Vorwände zu Gewaltstreichen zu finden, die ver-
fassungsmäßig nöthige Bedingung jeder Steuerbe-
willigung, die Vorlage des Staatsgrundetats, zu
erfüllen unterlassen und so durch eigene Schuld
den Fall herbeigeführt, daß mit dem 30. Juni
die Zeit verstrichen war, bis wohin er die Steu-
ern vorschußweise für die neue Finanzperiode er-
heben durfte, ohne daß auf der andern Seite das
Budget festgestellt und die Steuerbewilligung für
den Rest der Finanzperiode erfolgt gewesen wäre.
Ganz unbefugter, verfassungswidriger Weise ver-
langte er über die Zeit hinaus, bis wohin spä-
testens das Budget festgestellt sein soll, weitere
Steuervorschüsse, ohne auch nur irgend eine be-
stimmte Aussicht zu eröffnen, ob und wann er
den Grundetat vorlegen werde. Und als die
Stände sich diesem verfassungswidrigen, die Ord-
nung des Staatshaushalts untergrabenden Ver-
langen, ganz ihrer Pflicht gemäß, nicht fügten,
sondern nur bereit waren, die Steuern vorläufig
erheben und bis das Finanzgesetz darüber verfügen
würde, aufbewahren zu lassen, löste er sie auf,
erhob ein Zetergeschrei über angebliche Steuerver-
[Spaltenumbruch] weigerung, schrieb die Steuern auf sein eigen
Haupt aus, erklarte das ganze Land im tiefsten
Frieden in Kriegszustand, verband damit die Auf-
hebung der wesentlichste Freiheitsrechte und unter-
warf Volk und Behörden der Willkür eines über
Gesetz und Recht erhabenen militärischen Dicta-
tors. Aber damit noch nicht genug, hat er nun
auch noch den Rechtsweg gegen seine Gewalttha-
ten verboten, die Selbstständigkeit und Unabhang-
igkeit der Gerichte vernichtet, ja ihre bereits er-
folgten Erkenntnisse aufgehoben und Civilvergehen
und Civilpersonen den Militärgerichten unterwor-
fen. Lassen Sie sich, Herr General, durch irgend
einen befreundeten Rechtskundigen alle die Para-
graphen der Verfassung und die Gesetze aufschla-
gen, welche durch diese Gewaltstreiche aufgehoben
oder verletzt werden, und Sie werden finden, es
ist ein ganzer Haufen, es bleibt wenig mehr von
der Verfassung übrig.... Werfen Sie daher ein
Amt ab, welches gegen göttliche und menschliche
Rechte angeht.

Kassel, 4. Okt. Der Oberbürgermeister hat
auf das Schreiben des Generals Haynau, die
Auflösung der Bürgergarde betreffend, Folgendes
erwidert: Auf Ew. Exc. soeben erhaltenes Schrei-
ben von heute, beehre ich mich zu erwidern, daß
ich in dem darin erwähnten Verhalten des Regi-
mentscommandeurs und der übrigen Offiziere der
Bürgergarde nichts zu erblicken vermag, was in
irgend einer Hinsicht irgend einem Gesetze zuwider
wäre. Jch muß vielmehr deren Handlungen bil-
ligen und finde keinen gesetzlichen Grund, der die
von Ew. Exc. angedrohte Auflösung der gesamm-
ten Bürgergarde rechtfertigen könnte. Die §§.
96 und 97 des Bürgergardegesetzes von 23. Juni
1832 bezeichnen die Fälle, in welchen die Sus-
pension oder Auflösung der Bürgergarde oder ein-
zelner Abtheilungen derselben statthaft ist, sowie
die Voraussetzung und Formen, unter welchen, und
die Behörden, von denen sie ausgeführt werden
sollen. Demnach kann ich, da die in Bezug ge-
nommenen Septemberverordnungen verfassungswi-
drig sind und dieses sogar von den Gerichten
schon ausgesprochen ist, Ew. Exc. die Befugniß,
die hiesige Bürgergarde aufzulösen, nicht einräu-
men. Eine solche Handlung Jhrerseits würde
verfassungs= und gesetzwidrig sein, und werde ich
keinerlei Anordnungen treffen, um die Auflösung
zu verwirklichen. Kassel, den 4. Okt. 1850. Der
Oberbürgermeister der Residenz: Hartwig.“ --
Gegen Abend wurde an die Straßenecken fol-
gende, die Auflösung der Bürgerwehr betreffende
Bekanntmachung, geklebt: „Nach der am 2. d. M.
stattgefundenen Suspension des Regimentscom-
mandeurs der hiesigen Bürgergarde wegen Wider-
setzlichkeit gegen meine Befehle hat derselbe die
Einstellung seiner Funktionen verweigert, der mit
Versehung derselben beauftragte Commandeur des
ersten Batail. der Bürgergarde aber die Ueber-
nahme dieser Funktionen, sowie die Anerkennung
der Suspension des Regimentscommandeurs ver-
sagt, und meine Ordre, mit dem ganzen Corps
der Offiziere bei mir zu erscheinen, nicht befolgt.
Auch der nun mit Versehung der Stelle eines
Regimentscommandeurs beauftragte Commandeur
des zweiten Bataillons hat mir ausdrücklich er-
klärt, daß er dem ihm gewordenen Auftrage nicht
Folge geben könne, und endlich haben die Batail-
lonscommandeure und sämmtliche Hauptleute der
Bürgergarde meine Ordre, heute Morgen um 9
Uhr sich bei mir einzufinden, mit Ausnahme eines
Einzigen, durch Krankheit verhinderten, nicht be-
folgt; im Gegentheil schriftlich erklärt, daß sie
sich gesetzlich nicht verpflichtet hielten, meiner Auf-
forderung Folge zu leisten. Die hiesige Bürger-
garde stellt sich demnach als ein bewaffnetes Corps
dar, welches der Einwirkung meiner Befehle gänz-
lich entzogen ist und die Erhaltung der Sicherheit
und öffentlichen Ordnung, sowie meiner Autorität
erfordert es unaufschieblich, daß die hiesige Bür-
gergarde aufgelöst werde und die Waffen abliefere.
Jn Gemäßheit des §. 6 der Verordnung vom 7.
Sept. l. J. spreche ich demnach die Auflösung
der hiesiger Bürgergarde hiermit aus und befehle
einem jeden Mitgliede dieses aufgelösten Corps,
[Spaltenumbruch] sofort sämmtliche ihm aus öffentlichen Mitteln
gelieferte Armaturstücke u. Lederwerk, sowie die von
ihm selbst oder aus sonstigen Privatmitteln ge-
stellten Feuerwaffen, die letzteren mit einem, den
Namen des Eigenthümers bezeichnenden angekleb-
Zettel, zum Zwecke der Aufbewahrung, bei Mei-
dung der im §. 2 der Verordnung vom 28. v. M.
angedrohten Bestrafung durch das Kriegsgericht,
an das Militär abzuliefern. Diese Ablieferung
der Armaturstücke und des Lederwerkes hat von
jetzt an bis heute Abend 6 Uhr an folgenden
Plätzen stattzufinden: 1 ) Seitens der in der
Oberneustadt wohnenden Mitglieder der aufge-
lösten Bürgergarde auf der Schloßhauptwache oder
auf der Casernenwache der Jnfanterie; 2 ) Sei-
tens der in der Altstadt wohnenden Mitglieder
der aufgelösten Bürgergarde im Zeughause; 3 )
Seitens der in der Unterneustadt wohnenden Mit-
glieder der aufgelösten Bürgergarde auf der Leip-
ziger=Thorwache. An allen diesen Plätzen werden
Offiziere zum Zwecke der Empfangnahme des
Armatur= und Lederwerks gegenwärtig sein. Kassel,
am 4. Okt. 1850. Der Oberbefehlshaber v. Hay-
nau, Generallieutenant.“

Kassel, 4. Okt. Das Obersteuerkollegium hat
aus dem Finanzministerium die Weisung erhalten,
unfehlbar binnen 48 Stunden die Steuern auszu-
schreiben und zwar unter Androhung einer Geld-
strafe von 45 Rthlr. für den Direktor und von
30 Rthlr. für jedes andere Mitglied. -- Am
Nachmittag ward, wie schon gemeldet, die Be-
setzung mehrerer Zeitungspressen zur Ausführung
gebracht. Kurz nach 4 Uhr wurde der Redakteur
der „N. Hess. Ztg.“, Oetker, von einem aus 8
Mann und einem Offizier bestehenden Detache-
ment Husaren in seiner Wohnung verhaftet und
in die Hauptwache am Author abgeführt. Oberge-
richtsanwalt Henkel sollte in seiner Wohnung verhaftet
werden, war aber gerade in dem Ständehause, wo-
selbst der Ausschuß Sitzung hielt. Die mit der
Verhaftung beauftragten Husaren verfügten sich
vor das Ständehaus, um Henkel beim Austritt
zu arretiren. Auf erfolgte Einsprache von Seiten
eines Ausschußmitgliedes wurde dem Vollzuge vor-
läufig Anstand gegeben. -- Gegen 6 Uhr wurde
die Auflösung der Bürgergarde in den Straßen
der Stadt unter Trommelschlag bekannt gemacht.
Von da an waren starke Kavallerie= und Jnfan-
teriepatrouillen in Bewegung. Die Bürgerwehr
ist dem Befehl zur Ablieferung der Waffen nicht
nachgekommen. Die Ruhe wurde nicht im min-
desten gestört. -- Gleichzeitig mit dem Oberst-
lieutenant Hillebrand ist eine Deputation des Ober-
appellationsgerichts, bestehend aus den Oberap-
pellationsgerichtsräthen Schotten, Schellenberg und
Elvers und dem Staatsprokurator nach Wilhelms-
bad abgegangen.

Hanau, 2. Okt. Das kurfürstliche Oberap-
pellationsgericht zu Kassel, hat dieser Tage eine
höchst wichtige und interessante Entscheidung gege-
ben über die Frage der Giltigkeit oder Ungiltig-
keit der von der Frankfurter Nationalversammlung
und beziehungsweise dem Reichsverweser erlassenen
Reichsgesetze. Unter den Motiven, daß diesen
Reichsgesetzen gesetzliche Kraft nicht zugestanden
werden kann, heben wir besonders hervor: weil
die Bekanntmachung derselben sich überall nicht
als einen Act der in Kurhessen dem Landesherrn
unter Beistimmung der Landstände zustehenden ge-
setzgebenden Gewalt darstelle, vermöge dessen ei-
ner Verordnung in Kurhessen Kraft verliehen werde;
ferner, daß der Giltigkeit eines Reichsgesetzes aber
schon der Umstand entgegenstehe, daß es für das
deutsche Reich gegeben worden sei, und die hier-
bei zum Grunde liegende Unterstellung, daß die
Bildung eines deutschen Reiches zu Stande kom-
men werde, nicht in Erfüllung gegangen sei, mit-
hin es an dem Gebiete fehle, innerhalb desseo sich
Reichsgesetze zu erweisen gehabt hätten.

Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Vor Rendsburg, 1. Okt., Abends. Die heute
vom westlichen Kriegsschauplatze einlaufenden Be-

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[0002] siech und unheilbar machen; man curire von Jn- nen heraus und zwar kräftig. So allein ist Hei- lung möglich. Leider steht's so aber nicht allein bei uns in Bayern mit dem Beamtenstande, son- dern überall in dem constitutionell gewordenen Deutschland. München, 5. Okt. JJ. MM. König Max und König Otto sind diesen Nachmittag zum Ok- toberfest hier eingetroffen, werden aber schon uber- morgen nach Hohenschwangau zurückkehren, wo- selbst Allerhöchstdieselben dem Besuche Se. Maj. des Kaisers von Oesterreich entgegensehen. -- Ge- stern Abends 8 Uhr ist Fürst v. Schwarzenberg, k. k. Feldmarschall=Lieutenant und Minister=Prä- sident, hier eingetroffen. Jhm zu Ehren findet heute Nachmittags 4 Uhr ein diplomatisches Fest- essen statt. Mit dem schon öfters besprochenen Fürstenkongreß hat es seine Richtigkeit. Jm Laufe nächster Woche werden der Kaiser von Oesterreich sowie die Könige von Bayern, Würtemberg und Sachsen in Hohenschwangau zusammentreffen. -- Jhre Majestät die Königin Marie hatte sich von Oberammergau nach Hohenburg begeben, um dort ihren Gemahl, den König Mar, bei seiner Rück- reise von einem Ausflug an den Gardasee zu em- pfangen. Die Ereignisse in Kurhessen. Kassel, 3. Okt. Aus dem vom Obergerichts- anwalt Henkel, Mitglied des ständischen Aus- schusses, an den Oberbefehlshaber, Generallieute- nant v. Haynau, gerichteten offenen Schreiben theilen wir die folgenden Stellen mit: Herr Ge- neral! Sie haben die sogenannte Oberbefehlsha- berstelle während des sogenannten Kriegszustandes angenommen und in dieser Eigenschaft eine Pro- klamation erlassen, worin Sie Schmähungen und Verleumdungen auf die aufgelöste Ständeversamm- lung und den bleibenden landständischen Ausschuß schleudern. Jch war Mitglied jener Ständever- sammlung und bin Mitglied dieses Ausschusses, habe daher ein Recht, diesen Jnjurien gegenüber, welche keinen Falls zu Jhrem, wenn auch nur vermeintlichen, Amte gehören, ein Wort mit Jh- nen zu reden, und ich finde dieses darum nicht unter meiner Würde, weil ich höre, daß Sie einst in den Freiheitskriegen ein tapferer Soldat und allzeit ein redlicher Mann waren, welche Eigen- schaften der Unterstellung Raum geben, daß Sie bei Jhrem jetzigen Auftreten nicht aus böser Ab- sicht, sondern als getäuschter, mißbrauchter Mann handeln. Darum das Folgende zu Jhrer Ver- ständigung. Sie haben, wie Sie selbst sagen, bisher in der Stille der Zurückgezogenheit gelebt und sich daher schwerlich von dem, was zwischen den Ständen und deren Ausschusse und Hrn. Has- senpflug vorgekommen ist, selbst eigene gründliche Kenntniß verschafft. Nicht die Stände sind pflicht- vergessen gewesen und haben die Steuern zu den nöthigen Staatsausgaben verweigert, sondern Herr Hassenpflug hat, um Conflikte herbeizuführen und Vorwände zu Gewaltstreichen zu finden, die ver- fassungsmäßig nöthige Bedingung jeder Steuerbe- willigung, die Vorlage des Staatsgrundetats, zu erfüllen unterlassen und so durch eigene Schuld den Fall herbeigeführt, daß mit dem 30. Juni die Zeit verstrichen war, bis wohin er die Steu- ern vorschußweise für die neue Finanzperiode er- heben durfte, ohne daß auf der andern Seite das Budget festgestellt und die Steuerbewilligung für den Rest der Finanzperiode erfolgt gewesen wäre. Ganz unbefugter, verfassungswidriger Weise ver- langte er über die Zeit hinaus, bis wohin spä- testens das Budget festgestellt sein soll, weitere Steuervorschüsse, ohne auch nur irgend eine be- stimmte Aussicht zu eröffnen, ob und wann er den Grundetat vorlegen werde. Und als die Stände sich diesem verfassungswidrigen, die Ord- nung des Staatshaushalts untergrabenden Ver- langen, ganz ihrer Pflicht gemäß, nicht fügten, sondern nur bereit waren, die Steuern vorläufig erheben und bis das Finanzgesetz darüber verfügen würde, aufbewahren zu lassen, löste er sie auf, erhob ein Zetergeschrei über angebliche Steuerver- weigerung, schrieb die Steuern auf sein eigen Haupt aus, erklarte das ganze Land im tiefsten Frieden in Kriegszustand, verband damit die Auf- hebung der wesentlichste Freiheitsrechte und unter- warf Volk und Behörden der Willkür eines über Gesetz und Recht erhabenen militärischen Dicta- tors. Aber damit noch nicht genug, hat er nun auch noch den Rechtsweg gegen seine Gewalttha- ten verboten, die Selbstständigkeit und Unabhang- igkeit der Gerichte vernichtet, ja ihre bereits er- folgten Erkenntnisse aufgehoben und Civilvergehen und Civilpersonen den Militärgerichten unterwor- fen. Lassen Sie sich, Herr General, durch irgend einen befreundeten Rechtskundigen alle die Para- graphen der Verfassung und die Gesetze aufschla- gen, welche durch diese Gewaltstreiche aufgehoben oder verletzt werden, und Sie werden finden, es ist ein ganzer Haufen, es bleibt wenig mehr von der Verfassung übrig.... Werfen Sie daher ein Amt ab, welches gegen göttliche und menschliche Rechte angeht. Kassel, 4. Okt. Der Oberbürgermeister hat auf das Schreiben des Generals Haynau, die Auflösung der Bürgergarde betreffend, Folgendes erwidert: Auf Ew. Exc. soeben erhaltenes Schrei- ben von heute, beehre ich mich zu erwidern, daß ich in dem darin erwähnten Verhalten des Regi- mentscommandeurs und der übrigen Offiziere der Bürgergarde nichts zu erblicken vermag, was in irgend einer Hinsicht irgend einem Gesetze zuwider wäre. Jch muß vielmehr deren Handlungen bil- ligen und finde keinen gesetzlichen Grund, der die von Ew. Exc. angedrohte Auflösung der gesamm- ten Bürgergarde rechtfertigen könnte. Die §§. 96 und 97 des Bürgergardegesetzes von 23. Juni 1832 bezeichnen die Fälle, in welchen die Sus- pension oder Auflösung der Bürgergarde oder ein- zelner Abtheilungen derselben statthaft ist, sowie die Voraussetzung und Formen, unter welchen, und die Behörden, von denen sie ausgeführt werden sollen. Demnach kann ich, da die in Bezug ge- nommenen Septemberverordnungen verfassungswi- drig sind und dieses sogar von den Gerichten schon ausgesprochen ist, Ew. Exc. die Befugniß, die hiesige Bürgergarde aufzulösen, nicht einräu- men. Eine solche Handlung Jhrerseits würde verfassungs= und gesetzwidrig sein, und werde ich keinerlei Anordnungen treffen, um die Auflösung zu verwirklichen. Kassel, den 4. Okt. 1850. Der Oberbürgermeister der Residenz: Hartwig.“ -- Gegen Abend wurde an die Straßenecken fol- gende, die Auflösung der Bürgerwehr betreffende Bekanntmachung, geklebt: „Nach der am 2. d. M. stattgefundenen Suspension des Regimentscom- mandeurs der hiesigen Bürgergarde wegen Wider- setzlichkeit gegen meine Befehle hat derselbe die Einstellung seiner Funktionen verweigert, der mit Versehung derselben beauftragte Commandeur des ersten Batail. der Bürgergarde aber die Ueber- nahme dieser Funktionen, sowie die Anerkennung der Suspension des Regimentscommandeurs ver- sagt, und meine Ordre, mit dem ganzen Corps der Offiziere bei mir zu erscheinen, nicht befolgt. Auch der nun mit Versehung der Stelle eines Regimentscommandeurs beauftragte Commandeur des zweiten Bataillons hat mir ausdrücklich er- klärt, daß er dem ihm gewordenen Auftrage nicht Folge geben könne, und endlich haben die Batail- lonscommandeure und sämmtliche Hauptleute der Bürgergarde meine Ordre, heute Morgen um 9 Uhr sich bei mir einzufinden, mit Ausnahme eines Einzigen, durch Krankheit verhinderten, nicht be- folgt; im Gegentheil schriftlich erklärt, daß sie sich gesetzlich nicht verpflichtet hielten, meiner Auf- forderung Folge zu leisten. Die hiesige Bürger- garde stellt sich demnach als ein bewaffnetes Corps dar, welches der Einwirkung meiner Befehle gänz- lich entzogen ist und die Erhaltung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung, sowie meiner Autorität erfordert es unaufschieblich, daß die hiesige Bür- gergarde aufgelöst werde und die Waffen abliefere. Jn Gemäßheit des §. 6 der Verordnung vom 7. Sept. l. J. spreche ich demnach die Auflösung der hiesiger Bürgergarde hiermit aus und befehle einem jeden Mitgliede dieses aufgelösten Corps, sofort sämmtliche ihm aus öffentlichen Mitteln gelieferte Armaturstücke u. Lederwerk, sowie die von ihm selbst oder aus sonstigen Privatmitteln ge- stellten Feuerwaffen, die letzteren mit einem, den Namen des Eigenthümers bezeichnenden angekleb- Zettel, zum Zwecke der Aufbewahrung, bei Mei- dung der im §. 2 der Verordnung vom 28. v. M. angedrohten Bestrafung durch das Kriegsgericht, an das Militär abzuliefern. Diese Ablieferung der Armaturstücke und des Lederwerkes hat von jetzt an bis heute Abend 6 Uhr an folgenden Plätzen stattzufinden: 1 ) Seitens der in der Oberneustadt wohnenden Mitglieder der aufge- lösten Bürgergarde auf der Schloßhauptwache oder auf der Casernenwache der Jnfanterie; 2 ) Sei- tens der in der Altstadt wohnenden Mitglieder der aufgelösten Bürgergarde im Zeughause; 3 ) Seitens der in der Unterneustadt wohnenden Mit- glieder der aufgelösten Bürgergarde auf der Leip- ziger=Thorwache. An allen diesen Plätzen werden Offiziere zum Zwecke der Empfangnahme des Armatur= und Lederwerks gegenwärtig sein. Kassel, am 4. Okt. 1850. Der Oberbefehlshaber v. Hay- nau, Generallieutenant.“ Kassel, 4. Okt. Das Obersteuerkollegium hat aus dem Finanzministerium die Weisung erhalten, unfehlbar binnen 48 Stunden die Steuern auszu- schreiben und zwar unter Androhung einer Geld- strafe von 45 Rthlr. für den Direktor und von 30 Rthlr. für jedes andere Mitglied. -- Am Nachmittag ward, wie schon gemeldet, die Be- setzung mehrerer Zeitungspressen zur Ausführung gebracht. Kurz nach 4 Uhr wurde der Redakteur der „N. Hess. Ztg.“, Oetker, von einem aus 8 Mann und einem Offizier bestehenden Detache- ment Husaren in seiner Wohnung verhaftet und in die Hauptwache am Author abgeführt. Oberge- richtsanwalt Henkel sollte in seiner Wohnung verhaftet werden, war aber gerade in dem Ständehause, wo- selbst der Ausschuß Sitzung hielt. Die mit der Verhaftung beauftragten Husaren verfügten sich vor das Ständehaus, um Henkel beim Austritt zu arretiren. Auf erfolgte Einsprache von Seiten eines Ausschußmitgliedes wurde dem Vollzuge vor- läufig Anstand gegeben. -- Gegen 6 Uhr wurde die Auflösung der Bürgergarde in den Straßen der Stadt unter Trommelschlag bekannt gemacht. Von da an waren starke Kavallerie= und Jnfan- teriepatrouillen in Bewegung. Die Bürgerwehr ist dem Befehl zur Ablieferung der Waffen nicht nachgekommen. Die Ruhe wurde nicht im min- desten gestört. -- Gleichzeitig mit dem Oberst- lieutenant Hillebrand ist eine Deputation des Ober- appellationsgerichts, bestehend aus den Oberap- pellationsgerichtsräthen Schotten, Schellenberg und Elvers und dem Staatsprokurator nach Wilhelms- bad abgegangen. Hanau, 2. Okt. Das kurfürstliche Oberap- pellationsgericht zu Kassel, hat dieser Tage eine höchst wichtige und interessante Entscheidung gege- ben über die Frage der Giltigkeit oder Ungiltig- keit der von der Frankfurter Nationalversammlung und beziehungsweise dem Reichsverweser erlassenen Reichsgesetze. Unter den Motiven, daß diesen Reichsgesetzen gesetzliche Kraft nicht zugestanden werden kann, heben wir besonders hervor: weil die Bekanntmachung derselben sich überall nicht als einen Act der in Kurhessen dem Landesherrn unter Beistimmung der Landstände zustehenden ge- setzgebenden Gewalt darstelle, vermöge dessen ei- ner Verordnung in Kurhessen Kraft verliehen werde; ferner, daß der Giltigkeit eines Reichsgesetzes aber schon der Umstand entgegenstehe, daß es für das deutsche Reich gegeben worden sei, und die hier- bei zum Grunde liegende Unterstellung, daß die Bildung eines deutschen Reiches zu Stande kom- men werde, nicht in Erfüllung gegangen sei, mit- hin es an dem Gebiete fehle, innerhalb desseo sich Reichsgesetze zu erweisen gehabt hätten. ( Darmst. Z. ) Schleswig=holsteinische Ange- legenheiten . Vor Rendsburg, 1. Okt., Abends. Die heute vom westlichen Kriegsschauplatze einlaufenden Be-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 240. Würzburg, 7. Oktober 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische240_1850/2>, abgerufen am 29.03.2024.