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Mährisches Tagblatt. Nr. 204, Olmütz, 05.09.1888.

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"Mährische Tagblatt"
mit der illustr. Wochenbeilage
"Illustrirt. Sonntagsblatt"
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pest, Berlin, Frankfurt a. M.
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in Wien, München u.
Berlin, M. Dukes, Wien I.
Schulerstraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner's Annoncen
bureau in Hamburg, sowie
sämmtl. conc. Insertions Bu-
reaus des In- u. Aus landes




Manuscripte werden nicht
zurückgestellt.




Nr. 204. Olmütz, Mittwoch den 5. September 1888. 9. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Angefährliche Drohungen.


Die Freunde und Anhänger des Prinzen
Liechtenstein mögen hinsichtlich der Schule doch
nicht so sicher sein, als sie sich den Anschein geben,
denn sonst würden sie nicht gleich ängstlichen und
gereizten Leuten, die ununterbrochen den Gegen-
stand ihrer Herzenswünsche im Munde führen,
immer wieder auf das voraussichtliche Schicksal
ihres Antrages zu sprechen kommen, würden nicht
fortwährend den günstigen Stand ihrer Sache
betheuern, würden sich auch nicht zu Drohungen
wider die Regierung und die Bundesgenossen auf
der Rechten versteigen. Wer sich sicher fühlt, der
führt eine andere Sprache und bewahrt eine bes-
sere Haltung, der greift vor Allem nicht zu Mit-
teln, die am Allerwenigsten von den Angehörigen
einer Partei in Anwendung gebracht werden sol-
len, die behauptet, sich die Rettung der Sittlich-
keit zur Aufgabe gestellt zu haben. So war bei-
spielsweise kürzlich in einem Berichte über eine
Pfarrgruppen-Versammlung des Katholischen
Schulvereines zu lesen, die in Graz versammelt
gewesenen fortschrittlichen Schulmänner hätten
ihren Freisinn vor Allem dadurch bethätigt, daß sie
einen vielgenannten Lehrer nicht zum Worte kom-
men ließen, während dieser vielgenannte Lehrer
gar nicht in Graz gewesen ist. In [W]irklichkeit
scheint den Herren wegen des Schicksals ihres
Lieblingsantrages recht bange zu sein, weniger
vielleicht in Bezug auf die erste Lesung, als be-
züglich dessen, was später kommen könnte. That-
sächlich hegt mit Ausnahme der Clericalen keine
[Spaltenumbruch] Partei den Wunsch nach einer so radicalen Aen-
derung im Schulwesen, wie Prinz Liechtenstein
und sein Anhang dieselbe verlangen. Den maß-
vollen Gegnern der achtjährigen Schulpflicht genügt
so ziemlich die Erleichterung, welche schon jetzt
eingetreten ist, und nur in dieser Richtung stre-
ben sie neue Zugeständnisse an. Die Polen, welche
man schlauer Weise durch eine Ausnahmsstellung
ködern wollte, erheben trotzdem gegen den Liech-
tenstein'schen Antrag schwere Bedenken, die
ihrem besonderen Verhältnisse zu den Ru-
thenen entspringen. Die Alttschechen, sonst
nicht abgeneigt, aus parteitactischen Gründen den
clericalen Freunden zu Hilfe zu kommen, sehen
sich durch den wachsenden Einfluß der Jung-
tschechen auch auf diesem Gebiete in nicht geringe
Verlegenheit versetzt. So viel muß auch dem
Zweifler klar werden, daß das tschechische Volk
in seinem Kerne die Auslieferung der Schule an
die Geistlichkeit nicht wünscht und da die alt-
tschechischen Abgeordneten ohnehin genug zu thun
haben, um sich ihrer radicalen Mitbewerber zu
erwehren, so ist nicht anzunehmen, daß Diejeni-
gen von ihnen, welche gefährdete Bezirke vertre-
ten, sich allzu eilig zur Heeresfolge für den Prin-
zen Liechtenstein herandrängen werden. Es ist
möglich, daß man in der entscheidenden Stunde
Manchen vermißt, auf welchen vordem sicher ge-
rechnet wurde. Auch die übrigen nationalen Par-
teien und Fähnlein werden sich kaum beeilen,
ihre Ueberzeugung der clericalen Herrschsucht zu
opfern; sie haben Rücksicht zu nehmen auf den
intelligenten Theil ihres Volkes und dürfen vor
Allem nicht vergessen, daß der bessere Theil der
[Spaltenumbruch] Lehrer aller Nationalitäten dem Antrage des
Prinzen Liechtenstein ablehnend gegenüber steht.

Manches bedrückte clericale Gemüth mag
schon heute im Stillen flehen: Regierung, hilf!
Es wäre ja für die unversöhnlichen Gegner der
neuen Schule recht erfreulich, wenn die Regie-
rung die Vermittlung in ihre Hand nehmen und
die Gegner der Lex Liechtenstein auf der Rech-
ten durch nationale und wirthschaftliche Zuge-
ständnisse, die natürlich wieder die Deutschen be-
zahlen müßten gefügig machen wollte. Die Ver-
treter deutscher Landbezirke in den Alpenländern
würden dagegen schwerlich eine Einwendung er-
heben. Aber bis jetzt hat es noch nicht den An-
schein, daß die Regierung zu einer solchen Dienst-
leistung sehr bereitwillig wäre; verschiedene An-
zeichen lassen im Gegentheile auf eine Verstim-
mung der clericalen Partei schließen, die durch
die unangenehme Gleichgiltigkeit hervorgerufen
wurde, welche in Wien hinsichtlich des rückschritt-
lichen Schulantrages herrscht. Eines dieser An-
zeichen erblicken wir in der Haltung eines her-
vorragenden Tiroler Abgeordneten clericaler Farbe.
Derselbe rief bekanntlich in einer Wählerversamm-
lung aus, seine Partei sei fest entschlossen, die
confessionelle Schule zu erringen, sie fürchte sich
auch nicht vor dem etwaigen Widerstande der Re-
gierung, sie sei vielmehr entschlossen, wenn nö-
thig, auch gegen diese in Opposition zu treten.
Das klingt gerade nicht hoffnungsfreudig; wer so
spricht, der verräth dem Zuhörer, daß gewaltige
Hindernisse sich der Erfüllung des Lieblingswun-
sches der Partei entgegenstellen. Ob die Regie-
rung sich durch diese und ähnliche Drohungen,




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Der schwarze Heiland.
Eine Geschichte von Massauah.

Nachdruck verboten

Die Einladung des jungen Bildhauers
Siegfried Walter an einige Bekannte, seine neueste
Sculptur besichtigen zu kommen, hatte in seiner
Arbeitsstätte eine Anzahl Deutscher der Colonie
von Kairo versammelt. In der fernsten Atelier-
Ecke, welche hinter einer abschließenden Draperie
die Ausstattung eines gothischen Schloßerkers
aufwies, saßen die Gäste, Herr Schuldirector
a. D. Berger mit Mrs. Berger, Herr Tendorf,
der Straußenzüchter sammt Gemahlin, Consul
Rolland und die Herren Reim, Kufen und Nuß-
berg in bunter Unordnung auf den hohlehnigen,
geschnitzten Stühlen und schweren Schemeln und
suchten unter dem schwarzen Tuche, welches einen
Theil der Rückwand deckte, das neue Bildwerk
zu errathen. Der junge Künstler war eben auf
das angekündigte Schellen des Flurtelegraphen
einem neuen Gaste entgegengegangen und betrat
nun neuerdings den Erker in Begleitung des
Doctor Heidenreich, dessen hageres Gesicht noch
von den aufreibenden Mühseligkeiten seiner letzten
Forschungsreise nach den Tropen zeigte, während
die großen, dunklen Augen in jenem Feuer glüh-
ten, welches als dichterischer Hochflug so oft in
seinen Schriften aufflammte. Er ward aufs
wärmste begrüßt und sofort von den beiden Da-
men in Anspruch genommen; der junge Bild-
hauer, der nur auf sein Erscheinen gewartet zu
[Spaltenumbruch] haben schien, trat an die Wand und ließ mit
einem leichten Zug an der Leine die Hülle fallen.
Ein weißer Christus auf schwarzem Kreuze ge-
bannt leuchtete von dem lichtbraunen Wandge-
täfel auf. Die Gäste stießen ein Ahehrfurchts-
voller Bewunderung aus.

Es war ein Kunstwerk von edler Einfach-
heit und Schöne, dieses Christusbild in ziem-
licher Größe, gefertigt aus mattgetontem weiß-
gelbem Elfenbein, das sich in allen seinen reinen
Linien plastisch von dem tiefdunklen Ebenholz-
kreuze abhob. Der Künstler nahm mit ruhigem
Lächeln all' die naive Gefühlskritik seiner Gäste
entgegen und gab auf Befragen bereitwillig die
Auskunft, daß das Kreuz für Lord W ... be-
stimmt sei, der sich auf seinen Jagden im Innern
einmal einem Elefanten gegenüber in Lebensge-
fahr befunden hatte und aus Dankbarkeit für
seine Errettung aus dem gleichen mächtigen
Stoßzahn, der ihn bedroht, das Bild schnitzen
ließ, um seine Schloßcapelle damit zu zieren.
Dann sprach man über die verschiedenen Dar-
stellungen des Gekreuzigten über die künst-
lerische Auffassung des Gottessohnes und über
die Stoffe, die von den verschiedenen Künstlern
zur Ausgestaltung des Bildes verwendet worden
waren, -- Frau Tendorf, die in der heißen
Morgensonne zur Stadt gefahren war und an
Durst litt, erbat sich im Laufe des Gesprächs
ein Glas Wasser, was den jungen Künstler ver-
anlaßte, in die Hände zu klatschen und dem zwi-
schen den Portieren erscheinenden schwarzen Diener
die Weisung zu ertheilen, Erfrischungen zu rei-
chen. Der Diener, ein stämmiger Neger in blü-
[Spaltenumbruch] thenweißem Faltenkleide, betrat nach kurzem
Fernsein wieder den Erker und bot Confect und
Sorbett herum.

Nachdem er die Runde gemacht, stellte er
das Tablett auf den Tisch, schritt nach dem
Christusbilde und schlug das rechte Knie beu-
gend, andachtsvoll ein Kreuz. Die Gäste hatten
den religiösen Gruß des Schwarzen bemerkt und
als er den Erker verlassen, fragte Consul Rol-
land den Künstler: "Ist er Christ?"

"Ja," erwiderte Walter, "Jonas ist ein
Zögling der Mission im Chartum."

"Mit welcher Ehrerbietung er vor dem blei-
chen Gekreuzigten kniete!" sagte Mrs. Berger.
"Ich möchte wissen, ob er einen Jesus aus Eben-
holz, der seine eigenen Rassenmerkmale trägt, die
gleiche Ehrsurcht bezeugen würde?"

"Diese Frage, gnädige Frau," bemerkte Consul
Rolland, "läßt sich nur durch Vermuthungen be-
antworten. Ich meine, daß man Negern, deren
Bekehrer und Belehrer Europäer sind, wo also diese
als Träger des neuen Glaubens vor ihnen stehen,
einen arischen Gottessohn als höheres Wesen vor
Augen halten muß, hat uns Weißen doch der
beschränkte Intellect dieser Kindmenschen eine Voll-
kommenheit angedichtet, die wir freilich weniger
unsern Tugenden, als vielmehr unserer, im
Kampfe der Menschen untereinander entwickelten
Intelligenz verdanken. Sollte aber ein schwarzer
Missionär im Innern des schwarzen Continents
-- wohin noch keines Weißen Fuß gedrungen ist
-- seine Stammesgenossen bekehren wollen, so
wird er wohl, um der Lehre vom Gottgeworde-
nen Menschen bei ihnen Halt zu verschaffen,


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Das
„Mähriſche Tagblatt“
mit der illuſtr. Wochenbeilage
„Illuſtrirt. Sonntagsblatt“
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Sonn- und Feiertage täglich
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Mähriſches
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Vogler
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peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
Hamburg, Baſel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien, Rud.
Mosse
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Berlin, M. Dukes, Wien I.
Schulerſtraße 8. G. L. Daube
u. Co.
Frankfurt a. M.
Adolf Steiner’s Annoncen
bureau in Hamburg, ſowie
ſämmtl. conc. Inſertions Bu-
reaus des In- u. Aus landes




Manuſcripte werden nicht
zurückgeſtellt.




Nr. 204. Olmütz, Mittwoch den 5. September 1888. 9. Jahrgang.



[Spaltenumbruch]
Angefährliche Drohungen.


Die Freunde und Anhänger des Prinzen
Liechtenſtein mögen hinſichtlich der Schule doch
nicht ſo ſicher ſein, als ſie ſich den Anſchein geben,
denn ſonſt würden ſie nicht gleich ängſtlichen und
gereizten Leuten, die ununterbrochen den Gegen-
ſtand ihrer Herzenswünſche im Munde führen,
immer wieder auf das vorausſichtliche Schickſal
ihres Antrages zu ſprechen kommen, würden nicht
fortwährend den günſtigen Stand ihrer Sache
betheuern, würden ſich auch nicht zu Drohungen
wider die Regierung und die Bundesgenoſſen auf
der Rechten verſteigen. Wer ſich ſicher fühlt, der
führt eine andere Sprache und bewahrt eine beſ-
ſere Haltung, der greift vor Allem nicht zu Mit-
teln, die am Allerwenigſten von den Angehörigen
einer Partei in Anwendung gebracht werden ſol-
len, die behauptet, ſich die Rettung der Sittlich-
keit zur Aufgabe geſtellt zu haben. So war bei-
ſpielsweiſe kürzlich in einem Berichte über eine
Pfarrgruppen-Verſammlung des Katholiſchen
Schulvereines zu leſen, die in Graz verſammelt
geweſenen fortſchrittlichen Schulmänner hätten
ihren Freiſinn vor Allem dadurch bethätigt, daß ſie
einen vielgenannten Lehrer nicht zum Worte kom-
men ließen, während dieſer vielgenannte Lehrer
gar nicht in Graz geweſen iſt. In [W]irklichkeit
ſcheint den Herren wegen des Schickſals ihres
Lieblingsantrages recht bange zu ſein, weniger
vielleicht in Bezug auf die erſte Leſung, als be-
züglich deſſen, was ſpäter kommen könnte. That-
ſächlich hegt mit Ausnahme der Clericalen keine
[Spaltenumbruch] Partei den Wunſch nach einer ſo radicalen Aen-
derung im Schulweſen, wie Prinz Liechtenſtein
und ſein Anhang dieſelbe verlangen. Den maß-
vollen Gegnern der achtjährigen Schulpflicht genügt
ſo ziemlich die Erleichterung, welche ſchon jetzt
eingetreten iſt, und nur in dieſer Richtung ſtre-
ben ſie neue Zugeſtändniſſe an. Die Polen, welche
man ſchlauer Weiſe durch eine Ausnahmsſtellung
ködern wollte, erheben trotzdem gegen den Liech-
tenſtein’ſchen Antrag ſchwere Bedenken, die
ihrem beſonderen Verhältniſſe zu den Ru-
thenen entſpringen. Die Alttſchechen, ſonſt
nicht abgeneigt, aus parteitactiſchen Gründen den
clericalen Freunden zu Hilfe zu kommen, ſehen
ſich durch den wachſenden Einfluß der Jung-
tſchechen auch auf dieſem Gebiete in nicht geringe
Verlegenheit verſetzt. So viel muß auch dem
Zweifler klar werden, daß das tſchechiſche Volk
in ſeinem Kerne die Auslieferung der Schule an
die Geiſtlichkeit nicht wünſcht und da die alt-
tſchechiſchen Abgeordneten ohnehin genug zu thun
haben, um ſich ihrer radicalen Mitbewerber zu
erwehren, ſo iſt nicht anzunehmen, daß Diejeni-
gen von ihnen, welche gefährdete Bezirke vertre-
ten, ſich allzu eilig zur Heeresfolge für den Prin-
zen Liechtenſtein herandrängen werden. Es iſt
möglich, daß man in der entſcheidenden Stunde
Manchen vermißt, auf welchen vordem ſicher ge-
rechnet wurde. Auch die übrigen nationalen Par-
teien und Fähnlein werden ſich kaum beeilen,
ihre Ueberzeugung der clericalen Herrſchſucht zu
opfern; ſie haben Rückſicht zu nehmen auf den
intelligenten Theil ihres Volkes und dürfen vor
Allem nicht vergeſſen, daß der beſſere Theil der
[Spaltenumbruch] Lehrer aller Nationalitäten dem Antrage des
Prinzen Liechtenſtein ablehnend gegenüber ſteht.

Manches bedrückte clericale Gemüth mag
ſchon heute im Stillen flehen: Regierung, hilf!
Es wäre ja für die unverſöhnlichen Gegner der
neuen Schule recht erfreulich, wenn die Regie-
rung die Vermittlung in ihre Hand nehmen und
die Gegner der Lex Liechtenſtein auf der Rech-
ten durch nationale und wirthſchaftliche Zuge-
ſtändniſſe, die natürlich wieder die Deutſchen be-
zahlen müßten gefügig machen wollte. Die Ver-
treter deutſcher Landbezirke in den Alpenländern
würden dagegen ſchwerlich eine Einwendung er-
heben. Aber bis jetzt hat es noch nicht den An-
ſchein, daß die Regierung zu einer ſolchen Dienſt-
leiſtung ſehr bereitwillig wäre; verſchiedene An-
zeichen laſſen im Gegentheile auf eine Verſtim-
mung der clericalen Partei ſchließen, die durch
die unangenehme Gleichgiltigkeit hervorgerufen
wurde, welche in Wien hinſichtlich des rückſchritt-
lichen Schulantrages herrſcht. Eines dieſer An-
zeichen erblicken wir in der Haltung eines her-
vorragenden Tiroler Abgeordneten clericaler Farbe.
Derſelbe rief bekanntlich in einer Wählerverſamm-
lung aus, ſeine Partei ſei feſt entſchloſſen, die
confeſſionelle Schule zu erringen, ſie fürchte ſich
auch nicht vor dem etwaigen Widerſtande der Re-
gierung, ſie ſei vielmehr entſchloſſen, wenn nö-
thig, auch gegen dieſe in Oppoſition zu treten.
Das klingt gerade nicht hoffnungsfreudig; wer ſo
ſpricht, der verräth dem Zuhörer, daß gewaltige
Hinderniſſe ſich der Erfüllung des Lieblingswun-
ſches der Partei entgegenſtellen. Ob die Regie-
rung ſich durch dieſe und ähnliche Drohungen,




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Der ſchwarze Heiland.
Eine Geſchichte von Maſſauah.

Nachdruck verboten

Die Einladung des jungen Bildhauers
Siegfried Walter an einige Bekannte, ſeine neueſte
Sculptur beſichtigen zu kommen, hatte in ſeiner
Arbeitsſtätte eine Anzahl Deutſcher der Colonie
von Kairo verſammelt. In der fernſten Atelier-
Ecke, welche hinter einer abſchließenden Draperie
die Ausſtattung eines gothiſchen Schloßerkers
aufwies, ſaßen die Gäſte, Herr Schuldirector
a. D. Berger mit Mrs. Berger, Herr Tendorf,
der Straußenzüchter ſammt Gemahlin, Conſul
Rolland und die Herren Reim, Kufen und Nuß-
berg in bunter Unordnung auf den hohlehnigen,
geſchnitzten Stühlen und ſchweren Schemeln und
ſuchten unter dem ſchwarzen Tuche, welches einen
Theil der Rückwand deckte, das neue Bildwerk
zu errathen. Der junge Künſtler war eben auf
das angekündigte Schellen des Flurtelegraphen
einem neuen Gaſte entgegengegangen und betrat
nun neuerdings den Erker in Begleitung des
Doctor Heidenreich, deſſen hageres Geſicht noch
von den aufreibenden Mühſeligkeiten ſeiner letzten
Forſchungsreiſe nach den Tropen zeigte, während
die großen, dunklen Augen in jenem Feuer glüh-
ten, welches als dichteriſcher Hochflug ſo oft in
ſeinen Schriften aufflammte. Er ward aufs
wärmſte begrüßt und ſofort von den beiden Da-
men in Anſpruch genommen; der junge Bild-
hauer, der nur auf ſein Erſcheinen gewartet zu
[Spaltenumbruch] haben ſchien, trat an die Wand und ließ mit
einem leichten Zug an der Leine die Hülle fallen.
Ein weißer Chriſtus auf ſchwarzem Kreuze ge-
bannt leuchtete von dem lichtbraunen Wandge-
täfel auf. Die Gäſte ſtießen ein Ahehrfurchts-
voller Bewunderung aus.

Es war ein Kunſtwerk von edler Einfach-
heit und Schöne, dieſes Chriſtusbild in ziem-
licher Größe, gefertigt aus mattgetontem weiß-
gelbem Elfenbein, das ſich in allen ſeinen reinen
Linien plaſtiſch von dem tiefdunklen Ebenholz-
kreuze abhob. Der Künſtler nahm mit ruhigem
Lächeln all’ die naive Gefühlskritik ſeiner Gäſte
entgegen und gab auf Befragen bereitwillig die
Auskunft, daß das Kreuz für Lord W ... be-
ſtimmt ſei, der ſich auf ſeinen Jagden im Innern
einmal einem Elefanten gegenüber in Lebensge-
fahr befunden hatte und aus Dankbarkeit für
ſeine Errettung aus dem gleichen mächtigen
Stoßzahn, der ihn bedroht, das Bild ſchnitzen
ließ, um ſeine Schloßcapelle damit zu zieren.
Dann ſprach man über die verſchiedenen Dar-
ſtellungen des Gekreuzigten über die künſt-
leriſche Auffaſſung des Gottesſohnes und über
die Stoffe, die von den verſchiedenen Künſtlern
zur Ausgeſtaltung des Bildes verwendet worden
waren, — Frau Tendorf, die in der heißen
Morgenſonne zur Stadt gefahren war und an
Durſt litt, erbat ſich im Laufe des Geſprächs
ein Glas Waſſer, was den jungen Künſtler ver-
anlaßte, in die Hände zu klatſchen und dem zwi-
ſchen den Portieren erſcheinenden ſchwarzen Diener
die Weiſung zu ertheilen, Erfriſchungen zu rei-
chen. Der Diener, ein ſtämmiger Neger in blü-
[Spaltenumbruch] thenweißem Faltenkleide, betrat nach kurzem
Fernſein wieder den Erker und bot Confect und
Sorbett herum.

Nachdem er die Runde gemacht, ſtellte er
das Tablett auf den Tiſch, ſchritt nach dem
Chriſtusbilde und ſchlug das rechte Knie beu-
gend, andachtsvoll ein Kreuz. Die Gäſte hatten
den religiöſen Gruß des Schwarzen bemerkt und
als er den Erker verlaſſen, fragte Conſul Rol-
land den Künſtler: „Iſt er Chriſt?“

„Ja,“ erwiderte Walter, „Jonas iſt ein
Zögling der Miſſion im Chartum.“

„Mit welcher Ehrerbietung er vor dem blei-
chen Gekreuzigten kniete!“ ſagte Mrs. Berger.
„Ich möchte wiſſen, ob er einen Jeſus aus Eben-
holz, der ſeine eigenen Raſſenmerkmale trägt, die
gleiche Ehrſurcht bezeugen würde?“

„Dieſe Frage, gnädige Frau,“ bemerkte Conſul
Rolland, „läßt ſich nur durch Vermuthungen be-
antworten. Ich meine, daß man Negern, deren
Bekehrer und Belehrer Europäer ſind, wo alſo dieſe
als Träger des neuen Glaubens vor ihnen ſtehen,
einen ariſchen Gottesſohn als höheres Weſen vor
Augen halten muß, hat uns Weißen doch der
beſchränkte Intellect dieſer Kindmenſchen eine Voll-
kommenheit angedichtet, die wir freilich weniger
unſern Tugenden, als vielmehr unſerer, im
Kampfe der Menſchen untereinander entwickelten
Intelligenz verdanken. Sollte aber ein ſchwarzer
Miſſionär im Innern des ſchwarzen Continents
— wohin noch keines Weißen Fuß gedrungen iſt
— ſeine Stammesgenoſſen bekehren wollen, ſo
wird er wohl, um der Lehre vom Gottgeworde-
nen Menſchen bei ihnen Halt zu verſchaffen,


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ mit der illuſtr. Wochenbeilage „Illuſtrirt. Sonntagsblatt“ erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Locale Niederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken. Abonnement für Olmütz: Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig fl. 5. Vierteljährig fl. 2 50 Monatlich fl. —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 Kreuzer. Auswärts durch die Poſt: Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummer 5 Kreuzer. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren Die 4mal geſpaltene Petitzeil oder deren Raum 6 Kreuzer. Außerhalb Olmütz überneh- men Inſe ons-Aufträge: Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped. in Wien, I. Woll- zeile Nr. 11, Haasenstein & Vogler in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig Alois Opellik, in Wien, Rud. Mosse in Wien, München u. Berlin, M. Dukes, Wien I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube u. Co. Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertions Bu- reaus des In- u. Aus landes Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt. Nr. 204. Olmütz, Mittwoch den 5. September 1888. 9. Jahrgang. Angefährliche Drohungen. Olmütz, 5. September. Die Freunde und Anhänger des Prinzen Liechtenſtein mögen hinſichtlich der Schule doch nicht ſo ſicher ſein, als ſie ſich den Anſchein geben, denn ſonſt würden ſie nicht gleich ängſtlichen und gereizten Leuten, die ununterbrochen den Gegen- ſtand ihrer Herzenswünſche im Munde führen, immer wieder auf das vorausſichtliche Schickſal ihres Antrages zu ſprechen kommen, würden nicht fortwährend den günſtigen Stand ihrer Sache betheuern, würden ſich auch nicht zu Drohungen wider die Regierung und die Bundesgenoſſen auf der Rechten verſteigen. 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That- ſächlich hegt mit Ausnahme der Clericalen keine Partei den Wunſch nach einer ſo radicalen Aen- derung im Schulweſen, wie Prinz Liechtenſtein und ſein Anhang dieſelbe verlangen. Den maß- vollen Gegnern der achtjährigen Schulpflicht genügt ſo ziemlich die Erleichterung, welche ſchon jetzt eingetreten iſt, und nur in dieſer Richtung ſtre- ben ſie neue Zugeſtändniſſe an. Die Polen, welche man ſchlauer Weiſe durch eine Ausnahmsſtellung ködern wollte, erheben trotzdem gegen den Liech- tenſtein’ſchen Antrag ſchwere Bedenken, die ihrem beſonderen Verhältniſſe zu den Ru- thenen entſpringen. Die Alttſchechen, ſonſt nicht abgeneigt, aus parteitactiſchen Gründen den clericalen Freunden zu Hilfe zu kommen, ſehen ſich durch den wachſenden Einfluß der Jung- tſchechen auch auf dieſem Gebiete in nicht geringe Verlegenheit verſetzt. 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Manches bedrückte clericale Gemüth mag ſchon heute im Stillen flehen: Regierung, hilf! Es wäre ja für die unverſöhnlichen Gegner der neuen Schule recht erfreulich, wenn die Regie- rung die Vermittlung in ihre Hand nehmen und die Gegner der Lex Liechtenſtein auf der Rech- ten durch nationale und wirthſchaftliche Zuge- ſtändniſſe, die natürlich wieder die Deutſchen be- zahlen müßten gefügig machen wollte. Die Ver- treter deutſcher Landbezirke in den Alpenländern würden dagegen ſchwerlich eine Einwendung er- heben. Aber bis jetzt hat es noch nicht den An- ſchein, daß die Regierung zu einer ſolchen Dienſt- leiſtung ſehr bereitwillig wäre; verſchiedene An- zeichen laſſen im Gegentheile auf eine Verſtim- mung der clericalen Partei ſchließen, die durch die unangenehme Gleichgiltigkeit hervorgerufen wurde, welche in Wien hinſichtlich des rückſchritt- lichen Schulantrages herrſcht. 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In der fernſten Atelier- Ecke, welche hinter einer abſchließenden Draperie die Ausſtattung eines gothiſchen Schloßerkers aufwies, ſaßen die Gäſte, Herr Schuldirector a. D. Berger mit Mrs. Berger, Herr Tendorf, der Straußenzüchter ſammt Gemahlin, Conſul Rolland und die Herren Reim, Kufen und Nuß- berg in bunter Unordnung auf den hohlehnigen, geſchnitzten Stühlen und ſchweren Schemeln und ſuchten unter dem ſchwarzen Tuche, welches einen Theil der Rückwand deckte, das neue Bildwerk zu errathen. Der junge Künſtler war eben auf das angekündigte Schellen des Flurtelegraphen einem neuen Gaſte entgegengegangen und betrat nun neuerdings den Erker in Begleitung des Doctor Heidenreich, deſſen hageres Geſicht noch von den aufreibenden Mühſeligkeiten ſeiner letzten Forſchungsreiſe nach den Tropen zeigte, während die großen, dunklen Augen in jenem Feuer glüh- ten, welches als dichteriſcher Hochflug ſo oft in ſeinen Schriften aufflammte. Er ward aufs wärmſte begrüßt und ſofort von den beiden Da- men in Anſpruch genommen; der junge Bild- hauer, der nur auf ſein Erſcheinen gewartet zu haben ſchien, trat an die Wand und ließ mit einem leichten Zug an der Leine die Hülle fallen. Ein weißer Chriſtus auf ſchwarzem Kreuze ge- bannt leuchtete von dem lichtbraunen Wandge- täfel auf. Die Gäſte ſtießen ein Ahehrfurchts- voller Bewunderung aus. Es war ein Kunſtwerk von edler Einfach- heit und Schöne, dieſes Chriſtusbild in ziem- licher Größe, gefertigt aus mattgetontem weiß- gelbem Elfenbein, das ſich in allen ſeinen reinen Linien plaſtiſch von dem tiefdunklen Ebenholz- kreuze abhob. Der Künſtler nahm mit ruhigem Lächeln all’ die naive Gefühlskritik ſeiner Gäſte entgegen und gab auf Befragen bereitwillig die Auskunft, daß das Kreuz für Lord W ... be- ſtimmt ſei, der ſich auf ſeinen Jagden im Innern einmal einem Elefanten gegenüber in Lebensge- fahr befunden hatte und aus Dankbarkeit für ſeine Errettung aus dem gleichen mächtigen Stoßzahn, der ihn bedroht, das Bild ſchnitzen ließ, um ſeine Schloßcapelle damit zu zieren. Dann ſprach man über die verſchiedenen Dar- ſtellungen des Gekreuzigten über die künſt- leriſche Auffaſſung des Gottesſohnes und über die Stoffe, die von den verſchiedenen Künſtlern zur Ausgeſtaltung des Bildes verwendet worden waren, — Frau Tendorf, die in der heißen Morgenſonne zur Stadt gefahren war und an Durſt litt, erbat ſich im Laufe des Geſprächs ein Glas Waſſer, was den jungen Künſtler ver- anlaßte, in die Hände zu klatſchen und dem zwi- ſchen den Portieren erſcheinenden ſchwarzen Diener die Weiſung zu ertheilen, Erfriſchungen zu rei- chen. Der Diener, ein ſtämmiger Neger in blü- thenweißem Faltenkleide, betrat nach kurzem Fernſein wieder den Erker und bot Confect und Sorbett herum. Nachdem er die Runde gemacht, ſtellte er das Tablett auf den Tiſch, ſchritt nach dem Chriſtusbilde und ſchlug das rechte Knie beu- gend, andachtsvoll ein Kreuz. Die Gäſte hatten den religiöſen Gruß des Schwarzen bemerkt und als er den Erker verlaſſen, fragte Conſul Rol- land den Künſtler: „Iſt er Chriſt?“ „Ja,“ erwiderte Walter, „Jonas iſt ein Zögling der Miſſion im Chartum.“ „Mit welcher Ehrerbietung er vor dem blei- chen Gekreuzigten kniete!“ ſagte Mrs. Berger. „Ich möchte wiſſen, ob er einen Jeſus aus Eben- holz, der ſeine eigenen Raſſenmerkmale trägt, die gleiche Ehrſurcht bezeugen würde?“ „Dieſe Frage, gnädige Frau,“ bemerkte Conſul Rolland, „läßt ſich nur durch Vermuthungen be- antworten. Ich meine, daß man Negern, deren Bekehrer und Belehrer Europäer ſind, wo alſo dieſe als Träger des neuen Glaubens vor ihnen ſtehen, einen ariſchen Gottesſohn als höheres Weſen vor Augen halten muß, hat uns Weißen doch der beſchränkte Intellect dieſer Kindmenſchen eine Voll- kommenheit angedichtet, die wir freilich weniger unſern Tugenden, als vielmehr unſerer, im Kampfe der Menſchen untereinander entwickelten Intelligenz verdanken. Sollte aber ein ſchwarzer Miſſionär im Innern des ſchwarzen Continents — wohin noch keines Weißen Fuß gedrungen iſt — ſeine Stammesgenoſſen bekehren wollen, ſo wird er wohl, um der Lehre vom Gottgeworde- nen Menſchen bei ihnen Halt zu verſchaffen,

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 204, Olmütz, 05.09.1888, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches204_1888/1>, abgerufen am 29.03.2024.