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Mainzer Journal. Nr. 39. Mainz, 24. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] klärt jedoch zugleich auf das Entschiedenste, sich auf keine Weise
irgend etwas abdringen zu lassen, was seiner Ueberzeugung nach mit
der Freiheit und dem Wohle der Gesammtheit unverträglich
wäre, während er zugleich als heilige Pflicht es anerkennt, die
Stimmung der öffentlichen Meinung immer in genaue Erwä-
gung zu ziehen. Das Ministerium erkennt vollkommen die
Nothwendigkeit, die Segnungen der constitutionellen Freiheit in
allen Provinzen gleichzeitig zur Geltung zu bringen, und es wird
daher eine seiner ersten Handlungen seyn, alle dazu nothwendigen
Maßregeln auf das Kräftigste einzuleiten. Eben so ist das Mini-
sterium vollkommen von der Ueberzeugnng durchdrungen, daß
Oesterreich, als Grenzwacht der europäischen Gesittung im Osten,
groß, stark und einig bleiben müsse. Um aber die Jdee der Größe
und Einigkeit Oesterreichs, mit den vollsten Garantien staats-
bürgerlicher und nationaler Freiheit verbunden, zur Wahrheit
werden zu lassen, muß das Ministerium nicht allein ein Mi-
nisterium der politischen, sondern auch der durchgreifendsten admi-
nistrativen Reform seyn. Jn dem lebhaftesten Gefühle, daß, um
jede Schranke des Mißtrauens zwischen Volk und Regierung weg-
zuräumen, fortan die redlichste Offenheit herrschen müsse, wird
die Regierung veranlassen, daß in allen nationalen Angelegenhei-
ten der Provinzen vollkommene unparteiische Oeffentlichkeit statt-
finde. Das Ministerium glaubt, daß das große Ziel, welches
das gesammte Vaterland seit seiner Erhebung anstrebt, sowie die
innige Verbindung Oesterreichs mit Deutschland, nur durch die
Anerkennung der vollen Gleichberechtigung aller Nationalitäten
im Staate erreicht und gewährleistet werde. Nach diesen Grund-
sätzen handelnd, hofft das Ministerium auf die Billigung der
Reichsversammlung rechnen zu dürfen.

§ Köln 19. Juli. Seitdem in Frankfurt die provisorische
Centralgewalt eingerichtet, befestiget sich dahier die öffentliche
Ordnung immer mehr. Ein energischer Schritt, und die ultra-
radicalen Wühlereien sind abgethan, zumal die Rädelsführer
dem Proletariat nur mit Worten unter die Arme greifen. Ent-
schiedener noch würden unsere Verhältnisse sich bessern, wenn zu
Berlin tüchtiger Ernst gemacht und die verschiedenen albernen
Gerüchte über die Mißstimmung der Regierung hinsichtlich der
neuen Reichsgewalt officiell Lügen gestraft würden. Man ist sogar
so weit gegangen, den übelklingenden Namen Bunsen von
Neuem in die Geschicke Deutschlands zu verflechten und die Ver-
muthung auszusprechen, daß er vorzugsweise, um seinen
Posten in London zu retten, als Beförderer separa-
tistischer Tendenzen anzusehen sey.
Wir glauben nicht,
daß der Mann, welcher das deutsche Wörterbuch um ein trauriges
Wort bereicherte, jetzt noch solchen Einfluß üben könne, obgleich
wir auch andererseits nicht begreifen, warum sein Schicksal nicht
an jenes von Eichhorn geknüpft worden, der lange nicht in
solchem Grade die öffentliche Meinung gegen sich herausgefor-
dert hat. -- Zu unserem bevorstehenden Dombaufest wird der
Erzherzog=Reichsverweser und die Frankfurter Nationalversamm-
lung officiell eingeladen werden. Schade, daß Pius IX. nicht
erscheinen kann!

== Aus der bayerischen Pfalz 21. Juli. Drei der Un-
terzeichner des Aufrufes an die Pfälzer Jugend von welchem
ich Jhnen bereits zweimal berichtet habe, sind nunmehr in Kaisers-
lautern gefänglich eingezogen worden. Eine Demonstration zu Gun-
sten der Verhafteten, welche, wie man sagt, befreit werden sollten,
wurde durch die Bürgerwehr und das Militär im Zaumen gehalten.
Der Abgeordnete dessen Schreiber einer der Unterzeich-
ner jenes Aufrufes ist Schmitt
von Kaiserslautern hat die-
ser Sache sogar in die Paulskirche gebracht, weil in seinem Hause
auch eine Haussuchung vorgenommen wurde. Sein Antrag ist am
Besten durch den Erfolg gewürdigt worden, den er fand. Wenn
aber der Abgeordnete Schmitt bei dieser Gelegenheit behauptet,
die Pfalz sey durch die gerichtliche und administrative Einschrei-
tung gegen jenen Aufruf in große Aufregung versetzt, so ist er
zum Wenigsten schlimm berichtet. Entrüstung herrscht überall
gegen Jene, welche mit dem öffentlichen Frieden und mit der ge-
heiligten Ordnung der Gesellschaft ein so frevelhaftes Spiel trei-
ben. Steigt diese gerechte Entrüstung, die durch Stadt und
Dorf geht, bis zur Aufregung, so ist allerdings eine solche vor-
handen.

* * Fulda 20. Juli. Unsere Stadt war gestern in freudiger
Bewegung; die Uebernahme des Reichsverweseramtes ward ge-
feiert, und weil die Freude eine allgemeine, so war es auch die
Theilnahme, so daß bei dem veranstalteten Festessen in bunter
Mischung Bürger und Militär, Turner und Geistliche sich bei-
sammenfanden. Für den kommenden Sonntag soll auch dieß
frohe Ereigniß kirchlich gefeiert werden, wie dasselbe bereits auf
Wunsch des Großherzogs von Weimar in dem dortigen Groß-
herzogthume der Fall gewesen ist. Jm Fuldaer Land ist übrigens
jetzt Alles ruhig; man vertraut der Nationalversammlung und
[Spaltenumbruch] dem Reichsverweser; für Republik finden sich gar keine Sym-
pathieen

Wiesbaden 22. Juli. Unsere Kammer hat an dem Prä-
sidenten des Dillenburger Hofgerichtes, Herrn Raht, welcher an
die Stelle des in der Nationalversammlung eingetretenen Abgeord-
neten Schenk zum Volksabgeordneten gewählt worden ist, ein
neues, sehr rühriges Mitglied erhalten. Herr Raht war von
Mitte März bis Mitte April provisorischer Chef unseres Staats-
ministeriums und ist von jeher als ein strenger, untrüglicher
Bureauchef bekannt. Als indeß in jüngster Zeit die Wahlbewer-
bungen an der Tagesordnung waren, sah man den Herrn Präsi-
denten gar häufig an Orten, wo er früher zu erscheinen mit seiner
hohen Stellung für unvereinbarlich gehalten hat; er wurde " volks-
freundlich." Genug, nachdem Raht das Ministerportefeuille
nicht definitiv erhalten konnte, auch bei der Wahl ins Parlament
nicht reüssirte, so gelang es ihm doch einen Sitz in der nassauischen
Ständeversammlung zu erringen. Jn der vorigen Sitzung am
20. Juli eingetreten, fing er gleich damit an, die von unserer Re-
gierung wegen der hiesigen Emeute getroffenen Maßregeln bitter
zu tadeln und kündigte in dieser Beziehung eine besondere Motion
auf heute an. Bemerkt muß werden, daß, wie ich schon in meinem
letzten Bericht angegeben habe, die ganze Kammer mit 34 gegen
3 Stimmen förmlich beschlossen hat, der Regierung ihre Zustim-
mung, ja sogar ihren Dank für die Ergreifung jener Maßregeln
auszusprechen. Heute hat also Herr Raht seinen Antrag in
einer weitläufigen Schrift, die er vorlas, gerechtfertigt, und zwar
ging die Motion dahin: 1 ) daß binnen 24 Stunden die "fremden
Truppen" wieder von Wiesbaden abziehen; 2 ) daß die hiesige
Bürgerwehr sofort ihre Waffen wieder erhalte; 3 ) daß eine Un-
tersuchung gegen die Regierung von Seiten der Kammer eingelei-
tet werde, um zu erörtern, ob dieselbe bei Ergreifung der außer-
ordentlichen Maßregeln ihre Befugnisse nicht überschritten hat.
Ministerpräsident Hergenhahn zeigte zuvörderst an, daß die
Reichstruppen zur Hälfte morgen und der ganze Rest der selben
am 25. d. M. von hier wieder abziehen werden, so wie, daß die
Reorganisation und Bewaffnung der hiesigen Bürgerwehr bereits
stattfinde; darauf widerlegte er in glänzender Rede die Sophis-
men des Abgeordneten Raht und wies nochmals die Nothwendig-
keit seiner Anordnung nach. Der Abg. v. Schütz drückte sein
Bedauern darüber aus, daß das "verehrliche jüngste Mitglied"
so viel Zeit und Arbeit an eine Jungfernrede verwendet habe, de-
ren Gegenstand eine genugsam erörterte und vollständig erledigte
Sache ist; höchlich habe es ihm aber gewundert, daß Raht sich
vermüssigt gesehen habe, an einem förmlichen Kammerbeschlusse
noch zu mäkeln; er gab diesem zu bedenken, daß die Kammer
schon damals gewußt, was ihre Schuldigkeit war, als sie noch
nicht das Vergnügen hatte, den Herrn Raht in ihrer Mitte zu se-
hen. Großmann beleuchtete den Antrag von der rechten Seite,
indem er nachwies, daß der Antragsteller nichts mehr und nichts
weniger wolle, als den jetzigen Ministerpräsidenten in Anklage-
stand versetzen; wolle er dies, so solle er es offen sagen, dann
aber auch bestimmte Anklagepunkte angeben. Rahts Antrag fiel
mit 11 Stimmen gegen 26 durch; die Linke stimmte mit ihm, so-
wie aus verwandschaftlichen Rücksichten die Abgeordneten Lotti-
chius
und Jung.

# Vom Rhein 22. Juli. Der Reichsverweser schlägt die
Civilliste aus? Wie Jammerschade! Der böse Mann! Wie viel
Reden werden da nicht gehalten über diesen Reichsgegenstand,
welcher sonst in den Kammern so vielen Stoff giebt, um Gesinn-
ungstüchtigkeit und Freimuth an den Tag zu legen. Wir wetten
fast, es waren bereits einige Reden über diese reichsverweserliche
Civilliste vollständig ausgearbeitet, und die Ruhepunkte darin
bezeichnet, in welcher die Gallerie der Paulskirche thätig sein
sollte. Und nun ist all der schöne Wörterkram unnütz; all die
unsägliche Mühe an die Erfindung neuer Schlagwörter umsonst
vergeudet! Johann von Tyrol schlägt die Civilliste aus. Beim
Lichte betrachtet finden wir, daß bis jetzt der Erzherzog=Reichs-
verweser der größte Republikaner ist, welcher deutsche Luft
athmet, denn um Republikaner zu sein, genügt es offenbar
nicht, lediglich von und für Republik unaufhörlich zu sprechen
und zu schreiben. Man muß auch republikanisch handeln. Da
scheint uns denn die unbezahlbare That des edeln Erzherzogs
republikanischer zu sein, als manche mit guten Diäten honorirten
republikanische Floskeln in dem Munde freiheitsglühender Abge-
ordneten zu Frankfurt. Republik heißt bekanntlich zu deutsch
Gemeinwesen. Ein Gemeinwesen ist aber eine jämmerliche
Lüge ohne Gemeinsinn. Den aber hat der Erzherzog im
großartigsten Style bewiesen, und wir wünschen unserem Vater-
lande Glück zu solchen Reichsverweser.

Jtalien.

Rom 11. Juli. Was Sie schon aus der im letzten Con-
sistorium ( am 3. d. ) erfolgten Ernennung von Bischöfen in Ruß-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] klärt jedoch zugleich auf das Entschiedenste, sich auf keine Weise
irgend etwas abdringen zu lassen, was seiner Ueberzeugung nach mit
der Freiheit und dem Wohle der Gesammtheit unverträglich
wäre, während er zugleich als heilige Pflicht es anerkennt, die
Stimmung der öffentlichen Meinung immer in genaue Erwä-
gung zu ziehen. Das Ministerium erkennt vollkommen die
Nothwendigkeit, die Segnungen der constitutionellen Freiheit in
allen Provinzen gleichzeitig zur Geltung zu bringen, und es wird
daher eine seiner ersten Handlungen seyn, alle dazu nothwendigen
Maßregeln auf das Kräftigste einzuleiten. Eben so ist das Mini-
sterium vollkommen von der Ueberzeugnng durchdrungen, daß
Oesterreich, als Grenzwacht der europäischen Gesittung im Osten,
groß, stark und einig bleiben müsse. Um aber die Jdee der Größe
und Einigkeit Oesterreichs, mit den vollsten Garantien staats-
bürgerlicher und nationaler Freiheit verbunden, zur Wahrheit
werden zu lassen, muß das Ministerium nicht allein ein Mi-
nisterium der politischen, sondern auch der durchgreifendsten admi-
nistrativen Reform seyn. Jn dem lebhaftesten Gefühle, daß, um
jede Schranke des Mißtrauens zwischen Volk und Regierung weg-
zuräumen, fortan die redlichste Offenheit herrschen müsse, wird
die Regierung veranlassen, daß in allen nationalen Angelegenhei-
ten der Provinzen vollkommene unparteiische Oeffentlichkeit statt-
finde. Das Ministerium glaubt, daß das große Ziel, welches
das gesammte Vaterland seit seiner Erhebung anstrebt, sowie die
innige Verbindung Oesterreichs mit Deutschland, nur durch die
Anerkennung der vollen Gleichberechtigung aller Nationalitäten
im Staate erreicht und gewährleistet werde. Nach diesen Grund-
sätzen handelnd, hofft das Ministerium auf die Billigung der
Reichsversammlung rechnen zu dürfen.

§ Köln 19. Juli. Seitdem in Frankfurt die provisorische
Centralgewalt eingerichtet, befestiget sich dahier die öffentliche
Ordnung immer mehr. Ein energischer Schritt, und die ultra-
radicalen Wühlereien sind abgethan, zumal die Rädelsführer
dem Proletariat nur mit Worten unter die Arme greifen. Ent-
schiedener noch würden unsere Verhältnisse sich bessern, wenn zu
Berlin tüchtiger Ernst gemacht und die verschiedenen albernen
Gerüchte über die Mißstimmung der Regierung hinsichtlich der
neuen Reichsgewalt officiell Lügen gestraft würden. Man ist sogar
so weit gegangen, den übelklingenden Namen Bunsen von
Neuem in die Geschicke Deutschlands zu verflechten und die Ver-
muthung auszusprechen, daß er vorzugsweise, um seinen
Posten in London zu retten, als Beförderer separa-
tistischer Tendenzen anzusehen sey.
Wir glauben nicht,
daß der Mann, welcher das deutsche Wörterbuch um ein trauriges
Wort bereicherte, jetzt noch solchen Einfluß üben könne, obgleich
wir auch andererseits nicht begreifen, warum sein Schicksal nicht
an jenes von Eichhorn geknüpft worden, der lange nicht in
solchem Grade die öffentliche Meinung gegen sich herausgefor-
dert hat. — Zu unserem bevorstehenden Dombaufest wird der
Erzherzog=Reichsverweser und die Frankfurter Nationalversamm-
lung officiell eingeladen werden. Schade, daß Pius IX. nicht
erscheinen kann!

== Aus der bayerischen Pfalz 21. Juli. Drei der Un-
terzeichner des Aufrufes an die Pfälzer Jugend von welchem
ich Jhnen bereits zweimal berichtet habe, sind nunmehr in Kaisers-
lautern gefänglich eingezogen worden. Eine Demonstration zu Gun-
sten der Verhafteten, welche, wie man sagt, befreit werden sollten,
wurde durch die Bürgerwehr und das Militär im Zaumen gehalten.
Der Abgeordnete dessen Schreiber einer der Unterzeich-
ner jenes Aufrufes ist Schmitt
von Kaiserslautern hat die-
ser Sache sogar in die Paulskirche gebracht, weil in seinem Hause
auch eine Haussuchung vorgenommen wurde. Sein Antrag ist am
Besten durch den Erfolg gewürdigt worden, den er fand. Wenn
aber der Abgeordnete Schmitt bei dieser Gelegenheit behauptet,
die Pfalz sey durch die gerichtliche und administrative Einschrei-
tung gegen jenen Aufruf in große Aufregung versetzt, so ist er
zum Wenigsten schlimm berichtet. Entrüstung herrscht überall
gegen Jene, welche mit dem öffentlichen Frieden und mit der ge-
heiligten Ordnung der Gesellschaft ein so frevelhaftes Spiel trei-
ben. Steigt diese gerechte Entrüstung, die durch Stadt und
Dorf geht, bis zur Aufregung, so ist allerdings eine solche vor-
handen.

* * Fulda 20. Juli. Unsere Stadt war gestern in freudiger
Bewegung; die Uebernahme des Reichsverweseramtes ward ge-
feiert, und weil die Freude eine allgemeine, so war es auch die
Theilnahme, so daß bei dem veranstalteten Festessen in bunter
Mischung Bürger und Militär, Turner und Geistliche sich bei-
sammenfanden. Für den kommenden Sonntag soll auch dieß
frohe Ereigniß kirchlich gefeiert werden, wie dasselbe bereits auf
Wunsch des Großherzogs von Weimar in dem dortigen Groß-
herzogthume der Fall gewesen ist. Jm Fuldaer Land ist übrigens
jetzt Alles ruhig; man vertraut der Nationalversammlung und
[Spaltenumbruch] dem Reichsverweser; für Republik finden sich gar keine Sym-
pathieen

Wiesbaden 22. Juli. Unsere Kammer hat an dem Prä-
sidenten des Dillenburger Hofgerichtes, Herrn Raht, welcher an
die Stelle des in der Nationalversammlung eingetretenen Abgeord-
neten Schenk zum Volksabgeordneten gewählt worden ist, ein
neues, sehr rühriges Mitglied erhalten. Herr Raht war von
Mitte März bis Mitte April provisorischer Chef unseres Staats-
ministeriums und ist von jeher als ein strenger, untrüglicher
Bureauchef bekannt. Als indeß in jüngster Zeit die Wahlbewer-
bungen an der Tagesordnung waren, sah man den Herrn Präsi-
denten gar häufig an Orten, wo er früher zu erscheinen mit seiner
hohen Stellung für unvereinbarlich gehalten hat; er wurde „ volks-
freundlich.“ Genug, nachdem Raht das Ministerportefeuille
nicht definitiv erhalten konnte, auch bei der Wahl ins Parlament
nicht reüssirte, so gelang es ihm doch einen Sitz in der nassauischen
Ständeversammlung zu erringen. Jn der vorigen Sitzung am
20. Juli eingetreten, fing er gleich damit an, die von unserer Re-
gierung wegen der hiesigen Emeute getroffenen Maßregeln bitter
zu tadeln und kündigte in dieser Beziehung eine besondere Motion
auf heute an. Bemerkt muß werden, daß, wie ich schon in meinem
letzten Bericht angegeben habe, die ganze Kammer mit 34 gegen
3 Stimmen förmlich beschlossen hat, der Regierung ihre Zustim-
mung, ja sogar ihren Dank für die Ergreifung jener Maßregeln
auszusprechen. Heute hat also Herr Raht seinen Antrag in
einer weitläufigen Schrift, die er vorlas, gerechtfertigt, und zwar
ging die Motion dahin: 1 ) daß binnen 24 Stunden die „fremden
Truppen“ wieder von Wiesbaden abziehen; 2 ) daß die hiesige
Bürgerwehr sofort ihre Waffen wieder erhalte; 3 ) daß eine Un-
tersuchung gegen die Regierung von Seiten der Kammer eingelei-
tet werde, um zu erörtern, ob dieselbe bei Ergreifung der außer-
ordentlichen Maßregeln ihre Befugnisse nicht überschritten hat.
Ministerpräsident Hergenhahn zeigte zuvörderst an, daß die
Reichstruppen zur Hälfte morgen und der ganze Rest der selben
am 25. d. M. von hier wieder abziehen werden, so wie, daß die
Reorganisation und Bewaffnung der hiesigen Bürgerwehr bereits
stattfinde; darauf widerlegte er in glänzender Rede die Sophis-
men des Abgeordneten Raht und wies nochmals die Nothwendig-
keit seiner Anordnung nach. Der Abg. v. Schütz drückte sein
Bedauern darüber aus, daß das „verehrliche jüngste Mitglied“
so viel Zeit und Arbeit an eine Jungfernrede verwendet habe, de-
ren Gegenstand eine genugsam erörterte und vollständig erledigte
Sache ist; höchlich habe es ihm aber gewundert, daß Raht sich
vermüssigt gesehen habe, an einem förmlichen Kammerbeschlusse
noch zu mäkeln; er gab diesem zu bedenken, daß die Kammer
schon damals gewußt, was ihre Schuldigkeit war, als sie noch
nicht das Vergnügen hatte, den Herrn Raht in ihrer Mitte zu se-
hen. Großmann beleuchtete den Antrag von der rechten Seite,
indem er nachwies, daß der Antragsteller nichts mehr und nichts
weniger wolle, als den jetzigen Ministerpräsidenten in Anklage-
stand versetzen; wolle er dies, so solle er es offen sagen, dann
aber auch bestimmte Anklagepunkte angeben. Rahts Antrag fiel
mit 11 Stimmen gegen 26 durch; die Linke stimmte mit ihm, so-
wie aus verwandschaftlichen Rücksichten die Abgeordneten Lotti-
chius
und Jung.

# Vom Rhein 22. Juli. Der Reichsverweser schlägt die
Civilliste aus? Wie Jammerschade! Der böse Mann! Wie viel
Reden werden da nicht gehalten über diesen Reichsgegenstand,
welcher sonst in den Kammern so vielen Stoff giebt, um Gesinn-
ungstüchtigkeit und Freimuth an den Tag zu legen. Wir wetten
fast, es waren bereits einige Reden über diese reichsverweserliche
Civilliste vollständig ausgearbeitet, und die Ruhepunkte darin
bezeichnet, in welcher die Gallerie der Paulskirche thätig sein
sollte. Und nun ist all der schöne Wörterkram unnütz; all die
unsägliche Mühe an die Erfindung neuer Schlagwörter umsonst
vergeudet! Johann von Tyrol schlägt die Civilliste aus. Beim
Lichte betrachtet finden wir, daß bis jetzt der Erzherzog=Reichs-
verweser der größte Republikaner ist, welcher deutsche Luft
athmet, denn um Republikaner zu sein, genügt es offenbar
nicht, lediglich von und für Republik unaufhörlich zu sprechen
und zu schreiben. Man muß auch republikanisch handeln. Da
scheint uns denn die unbezahlbare That des edeln Erzherzogs
republikanischer zu sein, als manche mit guten Diäten honorirten
republikanische Floskeln in dem Munde freiheitsglühender Abge-
ordneten zu Frankfurt. Republik heißt bekanntlich zu deutsch
Gemeinwesen. Ein Gemeinwesen ist aber eine jämmerliche
Lüge ohne Gemeinsinn. Den aber hat der Erzherzog im
großartigsten Style bewiesen, und wir wünschen unserem Vater-
lande Glück zu solchen Reichsverweser.

Jtalien.

Rom 11. Juli. Was Sie schon aus der im letzten Con-
sistorium ( am 3. d. ) erfolgten Ernennung von Bischöfen in Ruß-
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[0003] klärt jedoch zugleich auf das Entschiedenste, sich auf keine Weise irgend etwas abdringen zu lassen, was seiner Ueberzeugung nach mit der Freiheit und dem Wohle der Gesammtheit unverträglich wäre, während er zugleich als heilige Pflicht es anerkennt, die Stimmung der öffentlichen Meinung immer in genaue Erwä- gung zu ziehen. Das Ministerium erkennt vollkommen die Nothwendigkeit, die Segnungen der constitutionellen Freiheit in allen Provinzen gleichzeitig zur Geltung zu bringen, und es wird daher eine seiner ersten Handlungen seyn, alle dazu nothwendigen Maßregeln auf das Kräftigste einzuleiten. Eben so ist das Mini- sterium vollkommen von der Ueberzeugnng durchdrungen, daß Oesterreich, als Grenzwacht der europäischen Gesittung im Osten, groß, stark und einig bleiben müsse. Um aber die Jdee der Größe und Einigkeit Oesterreichs, mit den vollsten Garantien staats- bürgerlicher und nationaler Freiheit verbunden, zur Wahrheit werden zu lassen, muß das Ministerium nicht allein ein Mi- nisterium der politischen, sondern auch der durchgreifendsten admi- nistrativen Reform seyn. Jn dem lebhaftesten Gefühle, daß, um jede Schranke des Mißtrauens zwischen Volk und Regierung weg- zuräumen, fortan die redlichste Offenheit herrschen müsse, wird die Regierung veranlassen, daß in allen nationalen Angelegenhei- ten der Provinzen vollkommene unparteiische Oeffentlichkeit statt- finde. Das Ministerium glaubt, daß das große Ziel, welches das gesammte Vaterland seit seiner Erhebung anstrebt, sowie die innige Verbindung Oesterreichs mit Deutschland, nur durch die Anerkennung der vollen Gleichberechtigung aller Nationalitäten im Staate erreicht und gewährleistet werde. Nach diesen Grund- sätzen handelnd, hofft das Ministerium auf die Billigung der Reichsversammlung rechnen zu dürfen. § Köln 19. Juli. Seitdem in Frankfurt die provisorische Centralgewalt eingerichtet, befestiget sich dahier die öffentliche Ordnung immer mehr. Ein energischer Schritt, und die ultra- radicalen Wühlereien sind abgethan, zumal die Rädelsführer dem Proletariat nur mit Worten unter die Arme greifen. Ent- schiedener noch würden unsere Verhältnisse sich bessern, wenn zu Berlin tüchtiger Ernst gemacht und die verschiedenen albernen Gerüchte über die Mißstimmung der Regierung hinsichtlich der neuen Reichsgewalt officiell Lügen gestraft würden. Man ist sogar so weit gegangen, den übelklingenden Namen Bunsen von Neuem in die Geschicke Deutschlands zu verflechten und die Ver- muthung auszusprechen, daß er vorzugsweise, um seinen Posten in London zu retten, als Beförderer separa- tistischer Tendenzen anzusehen sey. Wir glauben nicht, daß der Mann, welcher das deutsche Wörterbuch um ein trauriges Wort bereicherte, jetzt noch solchen Einfluß üben könne, obgleich wir auch andererseits nicht begreifen, warum sein Schicksal nicht an jenes von Eichhorn geknüpft worden, der lange nicht in solchem Grade die öffentliche Meinung gegen sich herausgefor- dert hat. — Zu unserem bevorstehenden Dombaufest wird der Erzherzog=Reichsverweser und die Frankfurter Nationalversamm- lung officiell eingeladen werden. Schade, daß Pius IX. nicht erscheinen kann! == Aus der bayerischen Pfalz 21. Juli. Drei der Un- terzeichner des Aufrufes an die Pfälzer Jugend von welchem ich Jhnen bereits zweimal berichtet habe, sind nunmehr in Kaisers- lautern gefänglich eingezogen worden. Eine Demonstration zu Gun- sten der Verhafteten, welche, wie man sagt, befreit werden sollten, wurde durch die Bürgerwehr und das Militär im Zaumen gehalten. Der Abgeordnete dessen Schreiber einer der Unterzeich- ner jenes Aufrufes ist Schmitt von Kaiserslautern hat die- ser Sache sogar in die Paulskirche gebracht, weil in seinem Hause auch eine Haussuchung vorgenommen wurde. Sein Antrag ist am Besten durch den Erfolg gewürdigt worden, den er fand. Wenn aber der Abgeordnete Schmitt bei dieser Gelegenheit behauptet, die Pfalz sey durch die gerichtliche und administrative Einschrei- tung gegen jenen Aufruf in große Aufregung versetzt, so ist er zum Wenigsten schlimm berichtet. Entrüstung herrscht überall gegen Jene, welche mit dem öffentlichen Frieden und mit der ge- heiligten Ordnung der Gesellschaft ein so frevelhaftes Spiel trei- ben. Steigt diese gerechte Entrüstung, die durch Stadt und Dorf geht, bis zur Aufregung, so ist allerdings eine solche vor- handen. * * Fulda 20. Juli. Unsere Stadt war gestern in freudiger Bewegung; die Uebernahme des Reichsverweseramtes ward ge- feiert, und weil die Freude eine allgemeine, so war es auch die Theilnahme, so daß bei dem veranstalteten Festessen in bunter Mischung Bürger und Militär, Turner und Geistliche sich bei- sammenfanden. Für den kommenden Sonntag soll auch dieß frohe Ereigniß kirchlich gefeiert werden, wie dasselbe bereits auf Wunsch des Großherzogs von Weimar in dem dortigen Groß- herzogthume der Fall gewesen ist. Jm Fuldaer Land ist übrigens jetzt Alles ruhig; man vertraut der Nationalversammlung und dem Reichsverweser; für Republik finden sich gar keine Sym- pathieen Wiesbaden 22. Juli. Unsere Kammer hat an dem Prä- sidenten des Dillenburger Hofgerichtes, Herrn Raht, welcher an die Stelle des in der Nationalversammlung eingetretenen Abgeord- neten Schenk zum Volksabgeordneten gewählt worden ist, ein neues, sehr rühriges Mitglied erhalten. Herr Raht war von Mitte März bis Mitte April provisorischer Chef unseres Staats- ministeriums und ist von jeher als ein strenger, untrüglicher Bureauchef bekannt. Als indeß in jüngster Zeit die Wahlbewer- bungen an der Tagesordnung waren, sah man den Herrn Präsi- denten gar häufig an Orten, wo er früher zu erscheinen mit seiner hohen Stellung für unvereinbarlich gehalten hat; er wurde „ volks- freundlich.“ Genug, nachdem Raht das Ministerportefeuille nicht definitiv erhalten konnte, auch bei der Wahl ins Parlament nicht reüssirte, so gelang es ihm doch einen Sitz in der nassauischen Ständeversammlung zu erringen. Jn der vorigen Sitzung am 20. Juli eingetreten, fing er gleich damit an, die von unserer Re- gierung wegen der hiesigen Emeute getroffenen Maßregeln bitter zu tadeln und kündigte in dieser Beziehung eine besondere Motion auf heute an. Bemerkt muß werden, daß, wie ich schon in meinem letzten Bericht angegeben habe, die ganze Kammer mit 34 gegen 3 Stimmen förmlich beschlossen hat, der Regierung ihre Zustim- mung, ja sogar ihren Dank für die Ergreifung jener Maßregeln auszusprechen. Heute hat also Herr Raht seinen Antrag in einer weitläufigen Schrift, die er vorlas, gerechtfertigt, und zwar ging die Motion dahin: 1 ) daß binnen 24 Stunden die „fremden Truppen“ wieder von Wiesbaden abziehen; 2 ) daß die hiesige Bürgerwehr sofort ihre Waffen wieder erhalte; 3 ) daß eine Un- tersuchung gegen die Regierung von Seiten der Kammer eingelei- tet werde, um zu erörtern, ob dieselbe bei Ergreifung der außer- ordentlichen Maßregeln ihre Befugnisse nicht überschritten hat. Ministerpräsident Hergenhahn zeigte zuvörderst an, daß die Reichstruppen zur Hälfte morgen und der ganze Rest der selben am 25. d. M. von hier wieder abziehen werden, so wie, daß die Reorganisation und Bewaffnung der hiesigen Bürgerwehr bereits stattfinde; darauf widerlegte er in glänzender Rede die Sophis- men des Abgeordneten Raht und wies nochmals die Nothwendig- keit seiner Anordnung nach. Der Abg. v. Schütz drückte sein Bedauern darüber aus, daß das „verehrliche jüngste Mitglied“ so viel Zeit und Arbeit an eine Jungfernrede verwendet habe, de- ren Gegenstand eine genugsam erörterte und vollständig erledigte Sache ist; höchlich habe es ihm aber gewundert, daß Raht sich vermüssigt gesehen habe, an einem förmlichen Kammerbeschlusse noch zu mäkeln; er gab diesem zu bedenken, daß die Kammer schon damals gewußt, was ihre Schuldigkeit war, als sie noch nicht das Vergnügen hatte, den Herrn Raht in ihrer Mitte zu se- hen. Großmann beleuchtete den Antrag von der rechten Seite, indem er nachwies, daß der Antragsteller nichts mehr und nichts weniger wolle, als den jetzigen Ministerpräsidenten in Anklage- stand versetzen; wolle er dies, so solle er es offen sagen, dann aber auch bestimmte Anklagepunkte angeben. Rahts Antrag fiel mit 11 Stimmen gegen 26 durch; die Linke stimmte mit ihm, so- wie aus verwandschaftlichen Rücksichten die Abgeordneten Lotti- chius und Jung. # Vom Rhein 22. Juli. Der Reichsverweser schlägt die Civilliste aus? Wie Jammerschade! Der böse Mann! Wie viel Reden werden da nicht gehalten über diesen Reichsgegenstand, welcher sonst in den Kammern so vielen Stoff giebt, um Gesinn- ungstüchtigkeit und Freimuth an den Tag zu legen. Wir wetten fast, es waren bereits einige Reden über diese reichsverweserliche Civilliste vollständig ausgearbeitet, und die Ruhepunkte darin bezeichnet, in welcher die Gallerie der Paulskirche thätig sein sollte. Und nun ist all der schöne Wörterkram unnütz; all die unsägliche Mühe an die Erfindung neuer Schlagwörter umsonst vergeudet! Johann von Tyrol schlägt die Civilliste aus. Beim Lichte betrachtet finden wir, daß bis jetzt der Erzherzog=Reichs- verweser der größte Republikaner ist, welcher deutsche Luft athmet, denn um Republikaner zu sein, genügt es offenbar nicht, lediglich von und für Republik unaufhörlich zu sprechen und zu schreiben. Man muß auch republikanisch handeln. Da scheint uns denn die unbezahlbare That des edeln Erzherzogs republikanischer zu sein, als manche mit guten Diäten honorirten republikanische Floskeln in dem Munde freiheitsglühender Abge- ordneten zu Frankfurt. Republik heißt bekanntlich zu deutsch Gemeinwesen. Ein Gemeinwesen ist aber eine jämmerliche Lüge ohne Gemeinsinn. Den aber hat der Erzherzog im großartigsten Style bewiesen, und wir wünschen unserem Vater- lande Glück zu solchen Reichsverweser. Jtalien. Rom 11. Juli. Was Sie schon aus der im letzten Con- sistorium ( am 3. d. ) erfolgten Ernennung von Bischöfen in Ruß-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 39. Mainz, 24. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal039_1848/3>, abgerufen am 29.03.2024.