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Mainzer Journal. Nr. 115. Mainz, 18. Oktober 1848.

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[Beginn Spaltensatz] wärtig seine ganze Autorität zu behaupten gewußt. Es fielen aber
in der Pfalz Excesse von der gröbsten Beeinträchtigung gegen per-
sönliche Freiheit und Sicherheit vor, und sie blieben sogar auf An-
zeige ununtersucht. Jch kann dieses an meiner eigenen Person
beweisen. Um nun für die Zukunft einige Garantie für Ordnung
und Gesetzlichkeit in Alzei zu gewähren, thaten sich eine Anzahl
junger Männer von entschieden ehrenhafter Gesinnung zusammen,
um ein Scharfschützencorps zu bilden. Da sie nun aber nicht ge-
rade Jeden aufnehmen, der nicht dieselbe Garantie einer eben so
ehrenhaften Gesinnung gewähren kann, wie die Anfangs Zusam-
mengetretenen, so läßt sich leicht denken, daß die Partei der Wüh-
ler scheele Augen dazu macht. Gestern nun, Sonntag 15. Octo-
ber hielt das Scharfschützencorps in der Fahrpost eine Versamm-
lung, wo kategorische Erklärungen abgegeben worden seyn sollen.
Und siehe da, gestern Abend zwischen 8 und 9 Uhr stand die Post-
behausung in lichterlohen Flammen. Jch will nicht muthmaßen,
sondern mich vielmehr freuen, wenn entdeckt wird, daß das Feuer
durch Zufall ausgebrochen ist. Uebrigens hat ebenfalls gestern
schon Herr Regierungsrath Pfannebecker das Einrücken von
Reichstruppen in Alzei angekündigt.

Oesterreichische Monarchie.

Agram 10. October. Seit einigen Tagen strömt das bewaff-
nete Landvolk schaarenweise gegen die Drave. Vor einigen Tagen
ist die sämmtliche Garde des Kreuzer Comitats bei 3000 Mann
stark durchmarschirt. Am 5. sind jene des Agramer Comitats St.
Jvaner Districts, am 7. jene des Districts dießseits der Kulpa,
im Ganzen über 3000 Mann stark, und am 8. d. M. jene des
Agramer Bezirks über 1000 Mann stark gegen die Drave abge-
rückt. Vor ein paar Tagen sind abermals drei Abgesandte des
Vladika von Czernagora hier eingetroffen, um in das Hauptquar-
tier unserer Armee zu reisen und Sr. Exc. unserem Ban ihre Ver-
ehrung zu bezeigen und ihm ein Hülfscorps anzubieten. ( Agra-
mer Zeitung. )

Jn Herrmannstadt haben die Sachsen eine neue Protesta-
tion gegen die Union mit Ungarn erlassen. Sie schließen sich also
dem Widerstreben der Slaven, sich dem Magyarismus zu unter-
werfen, an.

Aus dem Feldlager von Karlowitz wird berichtet, daß das
serbische Lager zu Szent Thomas am 21. September einen An-
griff der Magyaren -- seit zwei Monaten den dritten -- siegreich
zurückgeschlagen habe. Die Stadt Werschetz hat am 22. Septem-
ber capitulirt und ihren Beitritt zur serbischen Sache erklärt.
Dies Beispiel dürfte auf die deutschen Ortschaften im Banat
wirken und sie bewegen, sich der serbischen Sache anzuschließen,
welche in diesem Falle auch die ihrige ist, denn auch die Deutschen
wollte der Magyar unterdrücken und magyarisiren.

Schweiz.

Die "Berner Ztg." meldet: Die eidg. Repräsentanten in
Tessin übersenden an den eidg. Vorort ein Schreiben des öster-
reichischen Generals Wohlgemuth, datirt vom 11. Oct., worin
angezeigt wird, daß der Feldmarschall Radetzky die Sperre gegen
den Kanton Tessin aufgehoben habe. Der Hr. Feldmarschall,
sagt das Schreiben, sey nun ganz beruhigt über die Maßnahmen,
welche im Kanton Tessin ergriffen worden seyen, und er wünsche
auch das freundschaftliche Verhältniß, in welchem die Schweiz
und Oesterreich von jeher zu einander gestanden, fernerhin zu be-
wahren. Der Feldmarschall ladet die Repräsentanten ein, ihm
einen Besuch in seinem Hauptquartier zu Mailand zu machen.
Wir fügen noch bei, daß der General Wohlgemuth, welcher die
zunächst an der Schweizergrenze stehende Division der österreichi-
schen Armee commandirt, bereits vor einigen Tagen eine Unter-
redung mit den Repräsentanten hielt, wozu er sie hatte einladen
lassen.

Jtalien.

Aus Oberitalien 8. October. ( Karlsr. Z. ) Seit einigen
Tagen ist hier ein Actenstück im Umlauf, welches die Grundlagen
enthält, nach denen künftig die Verwaltung des lombardisch=vene-
tianischen Königreichs geordnet werden soll. Jm Eingang dessel-
ben ist ausdrücklich bemerkt, daß die darin aufgestellten Bedingun-
gen die Zustimmung der vermittelnden Mächte erhalten haben.
Demgemäß würde das lombardisch=venetianische Königreich seine
vollkommene Unabhängigkeit und Selbstständigkeit erhalten. Kai-
ser Ferdinand wäre König, sein Stellvertreter ein österreichischer
Erzherzog nach Wahl der Lombarden. Seine Verfassung würde
sich das Volk selbst geben. Als besonders zu gewährleistende
Rechte sind aufgeführt: 1 ) Freiheit der Presse, 2 ) Nationalgarde,
3 ) Uebertragung aller Aemter an Eingeborene, 4 ) Aufstellung
eines nationalen Heeres, in allen seinen Theilen nur aus Jtalie-
nern bestehend, 5 ) Einräumung aller festen Plätze an dasselbe.
Dagegen hätten sämmtliche österreichische Truppen das Land zu
[Spaltenumbruch] räumen. Die Abgaben an Oesterreich mit Einschluß der Civilliste
wären jährlich auf 25 Million Lire ( Zwanziger ) festgesetzt; dage-
gen hätte der König die Verpflichtung, sich alle Jahre eine Zeit
lang in seinen italienischen Staaten aufzuhalten. Wenn sich Oe-
sterreich im Kriege befindet, so stellt das lombardisch=venetianische
Königreich ein der Bevölkerung entsprechendes Contingent; wird
das letzte angegriffen, so stellt Oesterreich zu dessen Vertheidigung
ein Heer. Die Verwaltung, die Finanzen, und die Rechtspflege
sind ganz italienisch und vollkommen unabhängig. Die Echtheit
dieses Actenstücks scheint außer allem Zweifel zu seyn. Auch geht
sie schon daraus zu Genüge hervor, daß die lombardische Con-
sulta, eine Fortsetzung der Mailänder Regierung, die nach Erober-
ung Mailands ihren Sitz in Turin aufgeschlagen hat, gegen die
darin aufgestellten Bedingungen Protest einlegt. Karl Albert hat
sich ebenfalls dagegen verwahrt, und die exaltirte Partei antwor-
tet darauf mit einem neuen Kriegsgeschrei. Unterdeß dauern die
Verhandlungen unter den Mächten fort, und es scheint deshalb,
daß man die obigen Grundlagen wieder verworfen hat, um neue,
für Oesterreich minder günstige aufzustellen. Dieser Tage ging so-
gar das Gerücht, die Unterhandlungen seyen ganz abgebrochen.

Nach Berichten aus Florenz hat auch dort am 4. d. M ein
republikanischer Putsch stattgefunden, der zwar durch das Ein-
schreiten des Militärs unterdrückt wurde, aber doch ein sprechen-
des Zeugniß von dem Geiste ablegt, der die Bevölkerung des
Großherzogthums mehr und mehr mit sich fortreißt. Mit den Li-
vornesen ist die Regierung in Unterhandlung getreten. Die Be-
dingungen, die sie gestellt haben, sind alle gewährt worden. Nur
in die Ernennung des Demagogen Guerazzi zum Gouverneur
von Livorno will das Ministerium nicht willigen. Der Friede ist
deshalb auch noch nicht hergestellt. Der Kirchenstaat, in welchem
Unordnung und Zuchtlosigkeit den höchsten Grad erreicht haben,
ist jetzt von einer neuen Landplage heimgesucht. Die Straßen sind
nämlich von starken Räuberbanden umlagert, welche die Postwä-
gen ausplündern und die Reisenden ermorden. Die sauberen Ge-
sellen gehören zumeist jenen patriotischen "Kreuzfahrern" an, von
denen die italienischen Blätter seiner Zeit so viel Aufhebens ge-
macht haben.

Frankreich.

* * * Paris 16. October. Die neuen Minister werden bereits
von den Altrepublikanern wüthend angegriffen, die es Cavaignac
nicht verzeihen können, daß er sein Ministerium aus ehemaligen
"königlichen Dienern" rekrutirt habe. Dagegen erwiedern nun
die Neurepublikaner, und wie es uns scheint mit Recht, Cavaig-
nac habe ein Ministerium bilden müssen, wie die Majorität der
Nationalversammlung es gewollt und es sey nicht die Schuld des
Generals, wenn sich in den Reihen der Linken oder Rothen keine
Männer befänden, die durch Geschäftsgewandtheit und Charakter
dem Lande Vertrauen einflößten. Auf die Börse hat die Er-
neuerung des Ministeriums keinen besonderen Eindruck gemacht,
man will erst abwarten, wie das Land sich darüber aussprechen
wird. Auch die Wiener Ereignisse wurden im ersten Augenblicke
etwas leichtfertig aufgenommen und die Börsenspeculanten dach-
ten an weiter nichts, als daß Oesterreich sich jetzt um so billiger
in den italiänischen Angelegenheiten werde finden lassen. Jn die-
ser Beziehung sah man sogar die letzte Wiener Revolution nicht
ungern. Jn dem Maaße aber, als die Bedeutung der dortigen
Ereignisse hervortritt, wächst auch der Schrecken und es ist nur
eine Stimme darüber, daß Oesterreichs Credit, Jndustrie und
Handel auf lange Jahre ruinirt sind. Die österreichischen Fonds
sind gestern um 9% gefallen.

Die Offiziere der Fremdenlegion in Algier haben den Antrag
gestellt in Frankreich naturalisirt zu werden und das Comite für
das Kriegswesen ist eben mit der Berathung dieser Frage be-
schäftigt.

Die französisch=italienische Legion, welche sich unter dem Com-
mando eines Obersten Bonnefond in Paris gebildet, hat dem sar-
dinischen Ministerium ihre guten Dienste angeboten, das Ministe-
rium hat dieselben aber auf gute Manier abgelehnt.

Von allen Seiten strömen -- ein Zeichen des herrschenden
Elends -- Auswanderer herbei, welche nach Algier gebracht wer-
den wollen. Ein dritter Transport wird den 19. October dahin
abgehen.

Daß Undank der Welt Lohn ist erfährt eben Niemand bitte-
rer, als der General Cavaignac, dem namentlich die "Presse" auf
die gemeinste Weise mitspielt, ohne daß wir bis jetzt in den öffent-
lichen Blättern eine Stimme der Jndignation über ein solches
Verfahren gefunden hätten. Und doch hat der General im Juni
Paris und Frankreich gerettet, und dabei mehr als einmal mit der
größten Kaltblütigkeit sein Leben gewagt! Die Franzosen schei-
nen indessen auch an einem kurzen Gedächtnisse zu leiden.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] wärtig seine ganze Autorität zu behaupten gewußt. Es fielen aber
in der Pfalz Excesse von der gröbsten Beeinträchtigung gegen per-
sönliche Freiheit und Sicherheit vor, und sie blieben sogar auf An-
zeige ununtersucht. Jch kann dieses an meiner eigenen Person
beweisen. Um nun für die Zukunft einige Garantie für Ordnung
und Gesetzlichkeit in Alzei zu gewähren, thaten sich eine Anzahl
junger Männer von entschieden ehrenhafter Gesinnung zusammen,
um ein Scharfschützencorps zu bilden. Da sie nun aber nicht ge-
rade Jeden aufnehmen, der nicht dieselbe Garantie einer eben so
ehrenhaften Gesinnung gewähren kann, wie die Anfangs Zusam-
mengetretenen, so läßt sich leicht denken, daß die Partei der Wüh-
ler scheele Augen dazu macht. Gestern nun, Sonntag 15. Octo-
ber hielt das Scharfschützencorps in der Fahrpost eine Versamm-
lung, wo kategorische Erklärungen abgegeben worden seyn sollen.
Und siehe da, gestern Abend zwischen 8 und 9 Uhr stand die Post-
behausung in lichterlohen Flammen. Jch will nicht muthmaßen,
sondern mich vielmehr freuen, wenn entdeckt wird, daß das Feuer
durch Zufall ausgebrochen ist. Uebrigens hat ebenfalls gestern
schon Herr Regierungsrath Pfannebecker das Einrücken von
Reichstruppen in Alzei angekündigt.

Oesterreichische Monarchie.

Agram 10. October. Seit einigen Tagen strömt das bewaff-
nete Landvolk schaarenweise gegen die Drave. Vor einigen Tagen
ist die sämmtliche Garde des Kreuzer Comitats bei 3000 Mann
stark durchmarschirt. Am 5. sind jene des Agramer Comitats St.
Jvaner Districts, am 7. jene des Districts dießseits der Kulpa,
im Ganzen über 3000 Mann stark, und am 8. d. M. jene des
Agramer Bezirks über 1000 Mann stark gegen die Drave abge-
rückt. Vor ein paar Tagen sind abermals drei Abgesandte des
Vladika von Czernagora hier eingetroffen, um in das Hauptquar-
tier unserer Armee zu reisen und Sr. Exc. unserem Ban ihre Ver-
ehrung zu bezeigen und ihm ein Hülfscorps anzubieten. ( Agra-
mer Zeitung. )

Jn Herrmannstadt haben die Sachsen eine neue Protesta-
tion gegen die Union mit Ungarn erlassen. Sie schließen sich also
dem Widerstreben der Slaven, sich dem Magyarismus zu unter-
werfen, an.

Aus dem Feldlager von Karlowitz wird berichtet, daß das
serbische Lager zu Szent Thomas am 21. September einen An-
griff der Magyaren — seit zwei Monaten den dritten — siegreich
zurückgeschlagen habe. Die Stadt Werschetz hat am 22. Septem-
ber capitulirt und ihren Beitritt zur serbischen Sache erklärt.
Dies Beispiel dürfte auf die deutschen Ortschaften im Banat
wirken und sie bewegen, sich der serbischen Sache anzuschließen,
welche in diesem Falle auch die ihrige ist, denn auch die Deutschen
wollte der Magyar unterdrücken und magyarisiren.

Schweiz.

Die „Berner Ztg.“ meldet: Die eidg. Repräsentanten in
Tessin übersenden an den eidg. Vorort ein Schreiben des öster-
reichischen Generals Wohlgemuth, datirt vom 11. Oct., worin
angezeigt wird, daß der Feldmarschall Radetzky die Sperre gegen
den Kanton Tessin aufgehoben habe. Der Hr. Feldmarschall,
sagt das Schreiben, sey nun ganz beruhigt über die Maßnahmen,
welche im Kanton Tessin ergriffen worden seyen, und er wünsche
auch das freundschaftliche Verhältniß, in welchem die Schweiz
und Oesterreich von jeher zu einander gestanden, fernerhin zu be-
wahren. Der Feldmarschall ladet die Repräsentanten ein, ihm
einen Besuch in seinem Hauptquartier zu Mailand zu machen.
Wir fügen noch bei, daß der General Wohlgemuth, welcher die
zunächst an der Schweizergrenze stehende Division der österreichi-
schen Armee commandirt, bereits vor einigen Tagen eine Unter-
redung mit den Repräsentanten hielt, wozu er sie hatte einladen
lassen.

Jtalien.

Aus Oberitalien 8. October. ( Karlsr. Z. ) Seit einigen
Tagen ist hier ein Actenstück im Umlauf, welches die Grundlagen
enthält, nach denen künftig die Verwaltung des lombardisch=vene-
tianischen Königreichs geordnet werden soll. Jm Eingang dessel-
ben ist ausdrücklich bemerkt, daß die darin aufgestellten Bedingun-
gen die Zustimmung der vermittelnden Mächte erhalten haben.
Demgemäß würde das lombardisch=venetianische Königreich seine
vollkommene Unabhängigkeit und Selbstständigkeit erhalten. Kai-
ser Ferdinand wäre König, sein Stellvertreter ein österreichischer
Erzherzog nach Wahl der Lombarden. Seine Verfassung würde
sich das Volk selbst geben. Als besonders zu gewährleistende
Rechte sind aufgeführt: 1 ) Freiheit der Presse, 2 ) Nationalgarde,
3 ) Uebertragung aller Aemter an Eingeborene, 4 ) Aufstellung
eines nationalen Heeres, in allen seinen Theilen nur aus Jtalie-
nern bestehend, 5 ) Einräumung aller festen Plätze an dasselbe.
Dagegen hätten sämmtliche österreichische Truppen das Land zu
[Spaltenumbruch] räumen. Die Abgaben an Oesterreich mit Einschluß der Civilliste
wären jährlich auf 25 Million Lire ( Zwanziger ) festgesetzt; dage-
gen hätte der König die Verpflichtung, sich alle Jahre eine Zeit
lang in seinen italienischen Staaten aufzuhalten. Wenn sich Oe-
sterreich im Kriege befindet, so stellt das lombardisch=venetianische
Königreich ein der Bevölkerung entsprechendes Contingent; wird
das letzte angegriffen, so stellt Oesterreich zu dessen Vertheidigung
ein Heer. Die Verwaltung, die Finanzen, und die Rechtspflege
sind ganz italienisch und vollkommen unabhängig. Die Echtheit
dieses Actenstücks scheint außer allem Zweifel zu seyn. Auch geht
sie schon daraus zu Genüge hervor, daß die lombardische Con-
sulta, eine Fortsetzung der Mailänder Regierung, die nach Erober-
ung Mailands ihren Sitz in Turin aufgeschlagen hat, gegen die
darin aufgestellten Bedingungen Protest einlegt. Karl Albert hat
sich ebenfalls dagegen verwahrt, und die exaltirte Partei antwor-
tet darauf mit einem neuen Kriegsgeschrei. Unterdeß dauern die
Verhandlungen unter den Mächten fort, und es scheint deshalb,
daß man die obigen Grundlagen wieder verworfen hat, um neue,
für Oesterreich minder günstige aufzustellen. Dieser Tage ging so-
gar das Gerücht, die Unterhandlungen seyen ganz abgebrochen.

Nach Berichten aus Florenz hat auch dort am 4. d. M ein
republikanischer Putsch stattgefunden, der zwar durch das Ein-
schreiten des Militärs unterdrückt wurde, aber doch ein sprechen-
des Zeugniß von dem Geiste ablegt, der die Bevölkerung des
Großherzogthums mehr und mehr mit sich fortreißt. Mit den Li-
vornesen ist die Regierung in Unterhandlung getreten. Die Be-
dingungen, die sie gestellt haben, sind alle gewährt worden. Nur
in die Ernennung des Demagogen Guerazzi zum Gouverneur
von Livorno will das Ministerium nicht willigen. Der Friede ist
deshalb auch noch nicht hergestellt. Der Kirchenstaat, in welchem
Unordnung und Zuchtlosigkeit den höchsten Grad erreicht haben,
ist jetzt von einer neuen Landplage heimgesucht. Die Straßen sind
nämlich von starken Räuberbanden umlagert, welche die Postwä-
gen ausplündern und die Reisenden ermorden. Die sauberen Ge-
sellen gehören zumeist jenen patriotischen „Kreuzfahrern“ an, von
denen die italienischen Blätter seiner Zeit so viel Aufhebens ge-
macht haben.

Frankreich.

* * * Paris 16. October. Die neuen Minister werden bereits
von den Altrepublikanern wüthend angegriffen, die es Cavaignac
nicht verzeihen können, daß er sein Ministerium aus ehemaligen
„königlichen Dienern“ rekrutirt habe. Dagegen erwiedern nun
die Neurepublikaner, und wie es uns scheint mit Recht, Cavaig-
nac habe ein Ministerium bilden müssen, wie die Majorität der
Nationalversammlung es gewollt und es sey nicht die Schuld des
Generals, wenn sich in den Reihen der Linken oder Rothen keine
Männer befänden, die durch Geschäftsgewandtheit und Charakter
dem Lande Vertrauen einflößten. Auf die Börse hat die Er-
neuerung des Ministeriums keinen besonderen Eindruck gemacht,
man will erst abwarten, wie das Land sich darüber aussprechen
wird. Auch die Wiener Ereignisse wurden im ersten Augenblicke
etwas leichtfertig aufgenommen und die Börsenspeculanten dach-
ten an weiter nichts, als daß Oesterreich sich jetzt um so billiger
in den italiänischen Angelegenheiten werde finden lassen. Jn die-
ser Beziehung sah man sogar die letzte Wiener Revolution nicht
ungern. Jn dem Maaße aber, als die Bedeutung der dortigen
Ereignisse hervortritt, wächst auch der Schrecken und es ist nur
eine Stimme darüber, daß Oesterreichs Credit, Jndustrie und
Handel auf lange Jahre ruinirt sind. Die österreichischen Fonds
sind gestern um 9% gefallen.

Die Offiziere der Fremdenlegion in Algier haben den Antrag
gestellt in Frankreich naturalisirt zu werden und das Comite für
das Kriegswesen ist eben mit der Berathung dieser Frage be-
schäftigt.

Die französisch=italienische Legion, welche sich unter dem Com-
mando eines Obersten Bonnefond in Paris gebildet, hat dem sar-
dinischen Ministerium ihre guten Dienste angeboten, das Ministe-
rium hat dieselben aber auf gute Manier abgelehnt.

Von allen Seiten strömen — ein Zeichen des herrschenden
Elends — Auswanderer herbei, welche nach Algier gebracht wer-
den wollen. Ein dritter Transport wird den 19. October dahin
abgehen.

Daß Undank der Welt Lohn ist erfährt eben Niemand bitte-
rer, als der General Cavaignac, dem namentlich die „Presse“ auf
die gemeinste Weise mitspielt, ohne daß wir bis jetzt in den öffent-
lichen Blättern eine Stimme der Jndignation über ein solches
Verfahren gefunden hätten. Und doch hat der General im Juni
Paris und Frankreich gerettet, und dabei mehr als einmal mit der
größten Kaltblütigkeit sein Leben gewagt! Die Franzosen schei-
nen indessen auch an einem kurzen Gedächtnisse zu leiden.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] wärtig seine ganze Autorität zu behaupten gewußt. Es fielen aber in der Pfalz Excesse von der gröbsten Beeinträchtigung gegen per- sönliche Freiheit und Sicherheit vor, und sie blieben sogar auf An- zeige ununtersucht. Jch kann dieses an meiner eigenen Person beweisen. Um nun für die Zukunft einige Garantie für Ordnung und Gesetzlichkeit in Alzei zu gewähren, thaten sich eine Anzahl junger Männer von entschieden ehrenhafter Gesinnung zusammen, um ein Scharfschützencorps zu bilden. Da sie nun aber nicht ge- rade Jeden aufnehmen, der nicht dieselbe Garantie einer eben so ehrenhaften Gesinnung gewähren kann, wie die Anfangs Zusam- mengetretenen, so läßt sich leicht denken, daß die Partei der Wüh- ler scheele Augen dazu macht. Gestern nun, Sonntag 15. Octo- ber hielt das Scharfschützencorps in der Fahrpost eine Versamm- lung, wo kategorische Erklärungen abgegeben worden seyn sollen. Und siehe da, gestern Abend zwischen 8 und 9 Uhr stand die Post- behausung in lichterlohen Flammen. Jch will nicht muthmaßen, sondern mich vielmehr freuen, wenn entdeckt wird, daß das Feuer durch Zufall ausgebrochen ist. Uebrigens hat ebenfalls gestern schon Herr Regierungsrath Pfannebecker das Einrücken von Reichstruppen in Alzei angekündigt. Oesterreichische Monarchie. Agram 10. October. Seit einigen Tagen strömt das bewaff- nete Landvolk schaarenweise gegen die Drave. Vor einigen Tagen ist die sämmtliche Garde des Kreuzer Comitats bei 3000 Mann stark durchmarschirt. Am 5. sind jene des Agramer Comitats St. Jvaner Districts, am 7. jene des Districts dießseits der Kulpa, im Ganzen über 3000 Mann stark, und am 8. d. M. jene des Agramer Bezirks über 1000 Mann stark gegen die Drave abge- rückt. Vor ein paar Tagen sind abermals drei Abgesandte des Vladika von Czernagora hier eingetroffen, um in das Hauptquar- tier unserer Armee zu reisen und Sr. Exc. unserem Ban ihre Ver- ehrung zu bezeigen und ihm ein Hülfscorps anzubieten. ( Agra- mer Zeitung. ) Jn Herrmannstadt haben die Sachsen eine neue Protesta- tion gegen die Union mit Ungarn erlassen. Sie schließen sich also dem Widerstreben der Slaven, sich dem Magyarismus zu unter- werfen, an. Aus dem Feldlager von Karlowitz wird berichtet, daß das serbische Lager zu Szent Thomas am 21. September einen An- griff der Magyaren — seit zwei Monaten den dritten — siegreich zurückgeschlagen habe. Die Stadt Werschetz hat am 22. Septem- ber capitulirt und ihren Beitritt zur serbischen Sache erklärt. Dies Beispiel dürfte auf die deutschen Ortschaften im Banat wirken und sie bewegen, sich der serbischen Sache anzuschließen, welche in diesem Falle auch die ihrige ist, denn auch die Deutschen wollte der Magyar unterdrücken und magyarisiren. Schweiz. Die „Berner Ztg.“ meldet: Die eidg. Repräsentanten in Tessin übersenden an den eidg. Vorort ein Schreiben des öster- reichischen Generals Wohlgemuth, datirt vom 11. Oct., worin angezeigt wird, daß der Feldmarschall Radetzky die Sperre gegen den Kanton Tessin aufgehoben habe. Der Hr. Feldmarschall, sagt das Schreiben, sey nun ganz beruhigt über die Maßnahmen, welche im Kanton Tessin ergriffen worden seyen, und er wünsche auch das freundschaftliche Verhältniß, in welchem die Schweiz und Oesterreich von jeher zu einander gestanden, fernerhin zu be- wahren. Der Feldmarschall ladet die Repräsentanten ein, ihm einen Besuch in seinem Hauptquartier zu Mailand zu machen. Wir fügen noch bei, daß der General Wohlgemuth, welcher die zunächst an der Schweizergrenze stehende Division der österreichi- schen Armee commandirt, bereits vor einigen Tagen eine Unter- redung mit den Repräsentanten hielt, wozu er sie hatte einladen lassen. Jtalien. Aus Oberitalien 8. October. ( Karlsr. Z. ) Seit einigen Tagen ist hier ein Actenstück im Umlauf, welches die Grundlagen enthält, nach denen künftig die Verwaltung des lombardisch=vene- tianischen Königreichs geordnet werden soll. Jm Eingang dessel- ben ist ausdrücklich bemerkt, daß die darin aufgestellten Bedingun- gen die Zustimmung der vermittelnden Mächte erhalten haben. Demgemäß würde das lombardisch=venetianische Königreich seine vollkommene Unabhängigkeit und Selbstständigkeit erhalten. Kai- ser Ferdinand wäre König, sein Stellvertreter ein österreichischer Erzherzog nach Wahl der Lombarden. Seine Verfassung würde sich das Volk selbst geben. Als besonders zu gewährleistende Rechte sind aufgeführt: 1 ) Freiheit der Presse, 2 ) Nationalgarde, 3 ) Uebertragung aller Aemter an Eingeborene, 4 ) Aufstellung eines nationalen Heeres, in allen seinen Theilen nur aus Jtalie- nern bestehend, 5 ) Einräumung aller festen Plätze an dasselbe. Dagegen hätten sämmtliche österreichische Truppen das Land zu räumen. Die Abgaben an Oesterreich mit Einschluß der Civilliste wären jährlich auf 25 Million Lire ( Zwanziger ) festgesetzt; dage- gen hätte der König die Verpflichtung, sich alle Jahre eine Zeit lang in seinen italienischen Staaten aufzuhalten. Wenn sich Oe- sterreich im Kriege befindet, so stellt das lombardisch=venetianische Königreich ein der Bevölkerung entsprechendes Contingent; wird das letzte angegriffen, so stellt Oesterreich zu dessen Vertheidigung ein Heer. Die Verwaltung, die Finanzen, und die Rechtspflege sind ganz italienisch und vollkommen unabhängig. Die Echtheit dieses Actenstücks scheint außer allem Zweifel zu seyn. Auch geht sie schon daraus zu Genüge hervor, daß die lombardische Con- sulta, eine Fortsetzung der Mailänder Regierung, die nach Erober- ung Mailands ihren Sitz in Turin aufgeschlagen hat, gegen die darin aufgestellten Bedingungen Protest einlegt. Karl Albert hat sich ebenfalls dagegen verwahrt, und die exaltirte Partei antwor- tet darauf mit einem neuen Kriegsgeschrei. Unterdeß dauern die Verhandlungen unter den Mächten fort, und es scheint deshalb, daß man die obigen Grundlagen wieder verworfen hat, um neue, für Oesterreich minder günstige aufzustellen. Dieser Tage ging so- gar das Gerücht, die Unterhandlungen seyen ganz abgebrochen. Nach Berichten aus Florenz hat auch dort am 4. d. M ein republikanischer Putsch stattgefunden, der zwar durch das Ein- schreiten des Militärs unterdrückt wurde, aber doch ein sprechen- des Zeugniß von dem Geiste ablegt, der die Bevölkerung des Großherzogthums mehr und mehr mit sich fortreißt. Mit den Li- vornesen ist die Regierung in Unterhandlung getreten. Die Be- dingungen, die sie gestellt haben, sind alle gewährt worden. Nur in die Ernennung des Demagogen Guerazzi zum Gouverneur von Livorno will das Ministerium nicht willigen. Der Friede ist deshalb auch noch nicht hergestellt. Der Kirchenstaat, in welchem Unordnung und Zuchtlosigkeit den höchsten Grad erreicht haben, ist jetzt von einer neuen Landplage heimgesucht. Die Straßen sind nämlich von starken Räuberbanden umlagert, welche die Postwä- gen ausplündern und die Reisenden ermorden. Die sauberen Ge- sellen gehören zumeist jenen patriotischen „Kreuzfahrern“ an, von denen die italienischen Blätter seiner Zeit so viel Aufhebens ge- macht haben. Frankreich. * * * Paris 16. October. Die neuen Minister werden bereits von den Altrepublikanern wüthend angegriffen, die es Cavaignac nicht verzeihen können, daß er sein Ministerium aus ehemaligen „königlichen Dienern“ rekrutirt habe. Dagegen erwiedern nun die Neurepublikaner, und wie es uns scheint mit Recht, Cavaig- nac habe ein Ministerium bilden müssen, wie die Majorität der Nationalversammlung es gewollt und es sey nicht die Schuld des Generals, wenn sich in den Reihen der Linken oder Rothen keine Männer befänden, die durch Geschäftsgewandtheit und Charakter dem Lande Vertrauen einflößten. Auf die Börse hat die Er- neuerung des Ministeriums keinen besonderen Eindruck gemacht, man will erst abwarten, wie das Land sich darüber aussprechen wird. Auch die Wiener Ereignisse wurden im ersten Augenblicke etwas leichtfertig aufgenommen und die Börsenspeculanten dach- ten an weiter nichts, als daß Oesterreich sich jetzt um so billiger in den italiänischen Angelegenheiten werde finden lassen. Jn die- ser Beziehung sah man sogar die letzte Wiener Revolution nicht ungern. Jn dem Maaße aber, als die Bedeutung der dortigen Ereignisse hervortritt, wächst auch der Schrecken und es ist nur eine Stimme darüber, daß Oesterreichs Credit, Jndustrie und Handel auf lange Jahre ruinirt sind. Die österreichischen Fonds sind gestern um 9% gefallen. Die Offiziere der Fremdenlegion in Algier haben den Antrag gestellt in Frankreich naturalisirt zu werden und das Comite für das Kriegswesen ist eben mit der Berathung dieser Frage be- schäftigt. Die französisch=italienische Legion, welche sich unter dem Com- mando eines Obersten Bonnefond in Paris gebildet, hat dem sar- dinischen Ministerium ihre guten Dienste angeboten, das Ministe- rium hat dieselben aber auf gute Manier abgelehnt. Von allen Seiten strömen — ein Zeichen des herrschenden Elends — Auswanderer herbei, welche nach Algier gebracht wer- den wollen. Ein dritter Transport wird den 19. October dahin abgehen. Daß Undank der Welt Lohn ist erfährt eben Niemand bitte- rer, als der General Cavaignac, dem namentlich die „Presse“ auf die gemeinste Weise mitspielt, ohne daß wir bis jetzt in den öffent- lichen Blättern eine Stimme der Jndignation über ein solches Verfahren gefunden hätten. Und doch hat der General im Juni Paris und Frankreich gerettet, und dabei mehr als einmal mit der größten Kaltblütigkeit sein Leben gewagt! Die Franzosen schei- nen indessen auch an einem kurzen Gedächtnisse zu leiden. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 115. Mainz, 18. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal115_1848/4>, abgerufen am 29.03.2024.