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Mainzer Journal. Nr. 135. Mainz, 10. November 1848.

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[Beginn Spaltensatz] dienenden deutschen Officiers. Pulszky scheint entwischt. Die
gefangenen Chefs der National= und Mobilgarde und der akade-
mischen Legion hat sich der Fürst ( böhmischen Blättern zufolge )
im landständischen Gebäude der Herrengasse vorführen lassen. Sie
hatten sich in andere Kleider gesteckt, die Bärte rasiren lassen, das
Haar gestutzt, mußten aber zu jener peinlichen Vorstellung ihre
Uniformen wieder anziehen. Es wird nicht bestimmt gemeldet, ob
Messenhauser und Fenner darunter gewesen, welche beide
einst als Lieutenants aus dem Militär entlassen worden waren,
seitdem von der Feder gelebt hatten und jetzt glaubten -- von Ei-
telkeit verführt, von den Massen gedrängt -- an die Spitze treten
zu können gegen die von einem bewährten Führer befehligte Ar-
mee. Wichtig wäre, wenn sich die Angabe einiger Wiener Briefe
bestätigte, daß Robert Blum und Julius Fröbel in der
Nacht vom 3. auf den 4. aus ihrem Hotel zur Stadt London ab-
geholt und ins Hauptquartier nach Schönbrunn gebracht worden
seyen. Sie hatten, wie man uns berichtete, das sogenannte Eliten-
corps befehligt und an den Barricaden mitgefochten. Jst dies so,
so konnte Windischgrätz sie gewiß verhaften lassen, und Briefe von
Officieren versichern auch, man würde ihnen den Proceß machen.
Oesterreichische Blätter, die sonst den Aufstand mild ansehen, fällen
über jene Sendlinge der Linken das strengste Urtheil. Diese Linke
häuft jetzt Vorwurf auf Vorwurf gegen Welcker und Mosle.
Wir wollen auf keine Weise vertheidigen, daß diese, ohne Wien ge-
sehen zu haben, sich in Olmütz vergruben; sie hofften dort bei dem
alten Wessenberg wohl mehr wirken zu können, als bei Windisch-
grätz, der sie soldatisch schroff empfangen [ was nicht wahr ist ] ,
oder bei dem Wiener Reichstage, der sie verspottet hat, während
die radicale Presse Wiens in Prosa und Versen davon sprach,
Schmerling und Gagern, der "Frechheitspräsidem"1), und alle
ihre Genossen verdienten kaum etwas besseres, als Latour. Aber
was soll man dazu sagen, daß in der deutschen Nationalversamm-
lung zu Frankfurt 130 Unterschriften sich fanden, die dem Auf-
stande, den jener Mord befleckte, ihr Glückauf zuriefen, und die
eine eigene Deputation schickten, welche in der Aula den Wiener
Reichstag als Verräther denuncirte, das Aufstecken der rothen
Fahne forderte, und unter ihr mit an die Barricaden sich stellte!
Hat irgend etwas die Mission der Reichscommissarien gebrochen
und gelähmt, so war es jene Adresse und jene Deputation, von
welcher die Nationalversammlung allsogleich offen sich hätte los-
sagen sollen, wenn sie nicht ihre wahren Abgesandten aufs un-
unklugste blosstellen wollte. Wenn daher jetzt[unleserliches Material] die Linke in Frank-
furt lärmend ihre Anklagen erhebt, so fallen diese Anklagen zer-
schmetternd auf sie selbst zurück. Man hat in Oesterreichs schmerz-
lichstem Todesringen das Loos über seine Zukunft werfen wollen:
man sehe zu, was man gethan. Das Constitutionelle Blatt
aus Böhmen,
das im allgemeinen sehr scharfe Opposition ge-
gen Olmütz macht, bemerkt über jene Frankfurter Mission: "Was
soll man gar zu jenen feinen Herren aus der Paulskirche sagen,
welche die Stunde günstig wähnten, in Wien das rothe Panier
aufzupflanzen? Auch ein Abgeordneter aus Böhmen war darun-
ter, und aus Curiosität sollte man doch die dortigen 50,000 Wahl-
männer befragen, ob dieser Vertrauensmann wirklich in ihrem
Geiste und Sinne, in ihrem Wohle und Jnteresse agirte? Robert
Blümlein hielt Ovationen in der Aula, ließ sich inscribiren in die
Legion und trieb noch andere Possen zum Gaudio der Demokra-
ten. Auch daraus konnte der Einsichtige erkennen, wohin das
Streben all dieser Leute ging. Nicht aber die Herbeiführung der
deutschen Republik mochte bei all diesem Zeuge irritiren, sondern
die Vernichtung, das Zerreißen Oesterreichs und die schrecklichen
Folgen durch Jahrzehnte, was durch Lug und Trug, durch Toll-
sinn und Böswilligkeit bewerkstelligt werden sollte. Nichts war
den Agitatoren zu schlecht, um ihr Ziel zu erreichen. Und an all
diesen Ränken und Gestänken nahmen Reichstagsabgeordnete un-
mittelbaren und mittelbaren Antheil."

Die Wiener Post vom 5. November bringt nur Briefe von
älterm Datum, die nichts enthalten, was unsere Leser nicht bereits
wüßten. Die Wiener Zeitung, die einzige, welche erscheint,
aber ohne anderen Jnhalt als amtliche Bekanntmachungen, zeigt
in einer derselben an, daß Pulszky, Bem, Messenhauser, Fenner
v. Fenneberg und Schütte noch nicht aufgefunden waren. Die
betreffende Kundmachung lautet:

" Auf hohen Befehl bringt der Gemeinderath der Stadt Wien fol-
gende von der Centralcommission der k. k. Stadtcommandantur ange-
ordnete Maßregel zur allgemeinen Kenntniß: Unter den Bedingungen,
welche der Herr Armee=Obercommandant, Se. Durchlaucht der Fürst
zu Windischgrätz, in seiner Proclamation vom 23. October d. J. für
die Uebergabe der Hauptstadt Wien festgesetzt hat, erscheint im §. 3.
die anbefohlene Auslieferung der durch nachträgliche Zuschriften bezeich-
neten Jndividuen als: des gewesenen königl. ungarischen Unterstaats-
[Spaltenumbruch] secretärs Pulszky, des polnischen Emissärs Bem, des Nationalgarde-
Obercommandanten Messenhauser, des bei diesem Commando ver-
wendeten Fenneberg, und endlich des als Aufwiegler bezeichneten
Schütte. Wegen der besondern Gefährlichkeit dieser fünf Jndividuen,
und weil sie als die Hauptursachen der letzten Empörung, die auf den
Umsturz der Monarchie hingearbeitet hat, angesehen werden, wird von
Sr. Durchlaucht dem Herrn Feldmarschal Fürsten zu Windischgrätz mit
unnachfichtlicher Strenge auf ihre Habhaftwerdung gedrungen, und hier-
von die Möglichkeit abhängig gemacht, den freien Verkehr zwischen der
Stadt und ihren Vorstädten herzustellen, und überhaupt die möglichsten
Erleichterungen in dem Belagerungszustande eintreten zu lassen. Zu
diesem Ende werden jene Wohnparteien, bei denen sich etwa ein oder
das andere dieser Jndividuen aufhalten sollte, dringendst aufgefordert,
binnen 6 Stunden davon die Anzeige zu machen, weil sonst gegen den
Dawiderhandelnden das standrechtliche Verfahren eintreten würde. Wien,
am 4. November 1848. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien."

Ueber die Zusammensetzung des neuen Ministeriums erfährt
man nichts bestimmtes. Jn einigen neueren Angaben wird Fürst
Windischgrätz als Kriegsminister aufgeführt, während Baron
Kübeck wieder die Finanzen übernehmen soll. Ein Brief aus
Olmütz in Prager Blättern nennt aber noch immer die Namen,
die wir neulich schon aufgeführt: Wessenberg, Helfert, Bruck,
Maier, Breda, Schwarzenberg und Schönhammer. Die Mit-
glieder des Reichstages, zuletzt nur noch 60, sollen in einer letzten
Sitzung, zu der man weder Zuhörer noch Journalisten mehr ge-
lassen, sich das Wort gegeben haben, am 15. wieder in Wien
zusammenzutreffen. Dagegen glaubten Viele in Wien, es werde
vorläufig doch bei der Uebersiedelung nach Kremsier sein Bewen-
den haben. Jn diesem Augenblicke erhalten wir noch einige Briefe
vom 5. Die Strenge an den Thoren, die Haussuchungen und
alle die Quälereien eines aufs schroffste gehandhabten Belage-
rungsstandes dauerten fort; die Verhaftung von Blum
und Fröbel bestätigt sich.
Auffallenderweise sind viele
Provincialblätter ( z. B. in Linz, Salzburg ) über Wien so
schweigsam, daß aus ihnen nicht das mindeste zu lernen ist. Da-
gegen halten sich die böhmischen, selbst die tirolischen Blätter in
würdiger Selbstständigkeit.

Berlin 6. November. ( B. H. ) Es ist schwer, diesmal auch
nur eine Vermuthung über den möglichen Gang der Dinge aus-
zusprechen, da bis jetzt noch nicht einmal das erreicht ist, daß der
Graf Brandenburg seinen Auftrag zurückgegeben hat. Er soll
fortwährend damit beschäftigt seyn, ein Ministerium zu bilden,
ohne daß man irgend einen Namen nennen konnte, der in dasselbe
eintreten würde; nur von Hrn. v. Manteuffel aus dem Mi-
nisterium des Jnnern und durch entschieden reactionäre Gesinnun-
gen bekannt, ist die Rede. Wie dem aber auch sey, der National-
versammlung gegenüber ist ein Ministerium Brandenburg eine
Unmöglichkeit, weshalb heute oder morgen auch sein Auftrag
enden muß. Für diesen Fall denkt man nun daran, da auch eine
Combination unter Hrn. Milde wohl nicht zu Stande kommen
kann, das Programm des Hrn. v. Beckerath anzunehmen, mit
dem er noch vor Kurzem scheiterte, aber jetzt wohl durchdringen
dürfte; die Hrn. Rodbertus Jnneres, v. Kirchmann
Justiz, v. Fischer Krieg, Arntz und, selbst bis nach der Linken
hinüber, Hr. Schönborn würden unter Hrn. v. Beckerath
ein Ministerium bilden, das den Ansprüchen der Nationalver-
sammlung und des Landes wohl gewachsen wäre. Eine vorzüg-
liche Aufmerksamkeit wird man wegen der drohenden Verwickel-
ungen der europäischen Verhältnisse nach der möglichen Er-
hebung Louis Buonaparte's
den auswärtigen Ange-
legenheiten zuwenden müssen, damit Preußen alle diejenigen
Stützpunkte bei seinem Nachbar finde, deren, es zu seiner und
Deutschlands Erhaltung bedarf. Man denkt deshalb daran, einen
Unterstaatssecretär eigens für die polnischen Angelegenheiten zu
ernennen, je eifriger Rußland an seinem Bündnisse
mit Frankreich arbeitet,
und man würde einen Polen zu
dieser Stelle berufen. Leider sind bis jetzt aller unsere auswär-
tigen Beziehungen über die inneren Verlegenheiten fast gänzlich
außer Acht gelassen.

Ratibor 6. November. ( B. H. ) Die Kunde von dem Falle
Wiens hat in unserm nahe gelegenen, sonst so geduldigen öster-
reichischen Schlesien eine Bauern=Emeute zur Folge gehabt. Als
nämlich am 1. der Graf Arco in Gotschdorf die officielle Nach-
richt vom Falle Wiens den Bauern vorlas, bediente er sich Aus-
drücke, welche die Bauern glauben machten, daß alle vom Kaiser
sanctionirten Rechte gefährdet seyen. Jn großer Anzahl zogen sie
sofort gegen das Schloß des Grafen, um sich seiner Person zu
bemächtigen. Von seiner Seite erfolgte ein Schuß, der den Na-
tionalgarde=Tambour zu Boden streckte, während ein Schuß, auf
ihn gerichtet, ihn schwer verwundete. Jetzt befindet er sich in der
Gewalt der Menge. Außer zerschlagenen Thüren und Fenstern
seines Schlosses kamen keine Eigenthumsverletzungen weiter vor.
-- Der soeben ( 10 Uhr ) anlangende Wiener Zug bringt die
[Ende Spaltensatz]

1) Ausdruck des "Radicalen," des Hauptorgans der äußersten Par-
tei in Wiens, von Becher, Jellinek, Tassenau herausgegeben.

[Beginn Spaltensatz] dienenden deutschen Officiers. Pulszky scheint entwischt. Die
gefangenen Chefs der National= und Mobilgarde und der akade-
mischen Legion hat sich der Fürst ( böhmischen Blättern zufolge )
im landständischen Gebäude der Herrengasse vorführen lassen. Sie
hatten sich in andere Kleider gesteckt, die Bärte rasiren lassen, das
Haar gestutzt, mußten aber zu jener peinlichen Vorstellung ihre
Uniformen wieder anziehen. Es wird nicht bestimmt gemeldet, ob
Messenhauser und Fenner darunter gewesen, welche beide
einst als Lieutenants aus dem Militär entlassen worden waren,
seitdem von der Feder gelebt hatten und jetzt glaubten — von Ei-
telkeit verführt, von den Massen gedrängt — an die Spitze treten
zu können gegen die von einem bewährten Führer befehligte Ar-
mee. Wichtig wäre, wenn sich die Angabe einiger Wiener Briefe
bestätigte, daß Robert Blum und Julius Fröbel in der
Nacht vom 3. auf den 4. aus ihrem Hotel zur Stadt London ab-
geholt und ins Hauptquartier nach Schönbrunn gebracht worden
seyen. Sie hatten, wie man uns berichtete, das sogenannte Eliten-
corps befehligt und an den Barricaden mitgefochten. Jst dies so,
so konnte Windischgrätz sie gewiß verhaften lassen, und Briefe von
Officieren versichern auch, man würde ihnen den Proceß machen.
Oesterreichische Blätter, die sonst den Aufstand mild ansehen, fällen
über jene Sendlinge der Linken das strengste Urtheil. Diese Linke
häuft jetzt Vorwurf auf Vorwurf gegen Welcker und Mosle.
Wir wollen auf keine Weise vertheidigen, daß diese, ohne Wien ge-
sehen zu haben, sich in Olmütz vergruben; sie hofften dort bei dem
alten Wessenberg wohl mehr wirken zu können, als bei Windisch-
grätz, der sie soldatisch schroff empfangen [ was nicht wahr ist ] ,
oder bei dem Wiener Reichstage, der sie verspottet hat, während
die radicale Presse Wiens in Prosa und Versen davon sprach,
Schmerling und Gagern, der „Frechheitspräsidem“1), und alle
ihre Genossen verdienten kaum etwas besseres, als Latour. Aber
was soll man dazu sagen, daß in der deutschen Nationalversamm-
lung zu Frankfurt 130 Unterschriften sich fanden, die dem Auf-
stande, den jener Mord befleckte, ihr Glückauf zuriefen, und die
eine eigene Deputation schickten, welche in der Aula den Wiener
Reichstag als Verräther denuncirte, das Aufstecken der rothen
Fahne forderte, und unter ihr mit an die Barricaden sich stellte!
Hat irgend etwas die Mission der Reichscommissarien gebrochen
und gelähmt, so war es jene Adresse und jene Deputation, von
welcher die Nationalversammlung allsogleich offen sich hätte los-
sagen sollen, wenn sie nicht ihre wahren Abgesandten aufs un-
unklugste blosstellen wollte. Wenn daher jetzt[unleserliches Material] die Linke in Frank-
furt lärmend ihre Anklagen erhebt, so fallen diese Anklagen zer-
schmetternd auf sie selbst zurück. Man hat in Oesterreichs schmerz-
lichstem Todesringen das Loos über seine Zukunft werfen wollen:
man sehe zu, was man gethan. Das Constitutionelle Blatt
aus Böhmen,
das im allgemeinen sehr scharfe Opposition ge-
gen Olmütz macht, bemerkt über jene Frankfurter Mission: „Was
soll man gar zu jenen feinen Herren aus der Paulskirche sagen,
welche die Stunde günstig wähnten, in Wien das rothe Panier
aufzupflanzen? Auch ein Abgeordneter aus Böhmen war darun-
ter, und aus Curiosität sollte man doch die dortigen 50,000 Wahl-
männer befragen, ob dieser Vertrauensmann wirklich in ihrem
Geiste und Sinne, in ihrem Wohle und Jnteresse agirte? Robert
Blümlein hielt Ovationen in der Aula, ließ sich inscribiren in die
Legion und trieb noch andere Possen zum Gaudio der Demokra-
ten. Auch daraus konnte der Einsichtige erkennen, wohin das
Streben all dieser Leute ging. Nicht aber die Herbeiführung der
deutschen Republik mochte bei all diesem Zeuge irritiren, sondern
die Vernichtung, das Zerreißen Oesterreichs und die schrecklichen
Folgen durch Jahrzehnte, was durch Lug und Trug, durch Toll-
sinn und Böswilligkeit bewerkstelligt werden sollte. Nichts war
den Agitatoren zu schlecht, um ihr Ziel zu erreichen. Und an all
diesen Ränken und Gestänken nahmen Reichstagsabgeordnete un-
mittelbaren und mittelbaren Antheil.“

Die Wiener Post vom 5. November bringt nur Briefe von
älterm Datum, die nichts enthalten, was unsere Leser nicht bereits
wüßten. Die Wiener Zeitung, die einzige, welche erscheint,
aber ohne anderen Jnhalt als amtliche Bekanntmachungen, zeigt
in einer derselben an, daß Pulszky, Bem, Messenhauser, Fenner
v. Fenneberg und Schütte noch nicht aufgefunden waren. Die
betreffende Kundmachung lautet:

„ Auf hohen Befehl bringt der Gemeinderath der Stadt Wien fol-
gende von der Centralcommission der k. k. Stadtcommandantur ange-
ordnete Maßregel zur allgemeinen Kenntniß: Unter den Bedingungen,
welche der Herr Armee=Obercommandant, Se. Durchlaucht der Fürst
zu Windischgrätz, in seiner Proclamation vom 23. October d. J. für
die Uebergabe der Hauptstadt Wien festgesetzt hat, erscheint im §. 3.
die anbefohlene Auslieferung der durch nachträgliche Zuschriften bezeich-
neten Jndividuen als: des gewesenen königl. ungarischen Unterstaats-
[Spaltenumbruch] secretärs Pulszky, des polnischen Emissärs Bem, des Nationalgarde-
Obercommandanten Messenhauser, des bei diesem Commando ver-
wendeten Fenneberg, und endlich des als Aufwiegler bezeichneten
Schütte. Wegen der besondern Gefährlichkeit dieser fünf Jndividuen,
und weil sie als die Hauptursachen der letzten Empörung, die auf den
Umsturz der Monarchie hingearbeitet hat, angesehen werden, wird von
Sr. Durchlaucht dem Herrn Feldmarschal Fürsten zu Windischgrätz mit
unnachfichtlicher Strenge auf ihre Habhaftwerdung gedrungen, und hier-
von die Möglichkeit abhängig gemacht, den freien Verkehr zwischen der
Stadt und ihren Vorstädten herzustellen, und überhaupt die möglichsten
Erleichterungen in dem Belagerungszustande eintreten zu lassen. Zu
diesem Ende werden jene Wohnparteien, bei denen sich etwa ein oder
das andere dieser Jndividuen aufhalten sollte, dringendst aufgefordert,
binnen 6 Stunden davon die Anzeige zu machen, weil sonst gegen den
Dawiderhandelnden das standrechtliche Verfahren eintreten würde. Wien,
am 4. November 1848. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.“

Ueber die Zusammensetzung des neuen Ministeriums erfährt
man nichts bestimmtes. Jn einigen neueren Angaben wird Fürst
Windischgrätz als Kriegsminister aufgeführt, während Baron
Kübeck wieder die Finanzen übernehmen soll. Ein Brief aus
Olmütz in Prager Blättern nennt aber noch immer die Namen,
die wir neulich schon aufgeführt: Wessenberg, Helfert, Bruck,
Maier, Breda, Schwarzenberg und Schönhammer. Die Mit-
glieder des Reichstages, zuletzt nur noch 60, sollen in einer letzten
Sitzung, zu der man weder Zuhörer noch Journalisten mehr ge-
lassen, sich das Wort gegeben haben, am 15. wieder in Wien
zusammenzutreffen. Dagegen glaubten Viele in Wien, es werde
vorläufig doch bei der Uebersiedelung nach Kremsier sein Bewen-
den haben. Jn diesem Augenblicke erhalten wir noch einige Briefe
vom 5. Die Strenge an den Thoren, die Haussuchungen und
alle die Quälereien eines aufs schroffste gehandhabten Belage-
rungsstandes dauerten fort; die Verhaftung von Blum
und Fröbel bestätigt sich.
Auffallenderweise sind viele
Provincialblätter ( z. B. in Linz, Salzburg ) über Wien so
schweigsam, daß aus ihnen nicht das mindeste zu lernen ist. Da-
gegen halten sich die böhmischen, selbst die tirolischen Blätter in
würdiger Selbstständigkeit.

Berlin 6. November. ( B. H. ) Es ist schwer, diesmal auch
nur eine Vermuthung über den möglichen Gang der Dinge aus-
zusprechen, da bis jetzt noch nicht einmal das erreicht ist, daß der
Graf Brandenburg seinen Auftrag zurückgegeben hat. Er soll
fortwährend damit beschäftigt seyn, ein Ministerium zu bilden,
ohne daß man irgend einen Namen nennen konnte, der in dasselbe
eintreten würde; nur von Hrn. v. Manteuffel aus dem Mi-
nisterium des Jnnern und durch entschieden reactionäre Gesinnun-
gen bekannt, ist die Rede. Wie dem aber auch sey, der National-
versammlung gegenüber ist ein Ministerium Brandenburg eine
Unmöglichkeit, weshalb heute oder morgen auch sein Auftrag
enden muß. Für diesen Fall denkt man nun daran, da auch eine
Combination unter Hrn. Milde wohl nicht zu Stande kommen
kann, das Programm des Hrn. v. Beckerath anzunehmen, mit
dem er noch vor Kurzem scheiterte, aber jetzt wohl durchdringen
dürfte; die Hrn. Rodbertus Jnneres, v. Kirchmann
Justiz, v. Fischer Krieg, Arntz und, selbst bis nach der Linken
hinüber, Hr. Schönborn würden unter Hrn. v. Beckerath
ein Ministerium bilden, das den Ansprüchen der Nationalver-
sammlung und des Landes wohl gewachsen wäre. Eine vorzüg-
liche Aufmerksamkeit wird man wegen der drohenden Verwickel-
ungen der europäischen Verhältnisse nach der möglichen Er-
hebung Louis Buonaparte's
den auswärtigen Ange-
legenheiten zuwenden müssen, damit Preußen alle diejenigen
Stützpunkte bei seinem Nachbar finde, deren, es zu seiner und
Deutschlands Erhaltung bedarf. Man denkt deshalb daran, einen
Unterstaatssecretär eigens für die polnischen Angelegenheiten zu
ernennen, je eifriger Rußland an seinem Bündnisse
mit Frankreich arbeitet,
und man würde einen Polen zu
dieser Stelle berufen. Leider sind bis jetzt aller unsere auswär-
tigen Beziehungen über die inneren Verlegenheiten fast gänzlich
außer Acht gelassen.

Ratibor 6. November. ( B. H. ) Die Kunde von dem Falle
Wiens hat in unserm nahe gelegenen, sonst so geduldigen öster-
reichischen Schlesien eine Bauern=Emeute zur Folge gehabt. Als
nämlich am 1. der Graf Arco in Gotschdorf die officielle Nach-
richt vom Falle Wiens den Bauern vorlas, bediente er sich Aus-
drücke, welche die Bauern glauben machten, daß alle vom Kaiser
sanctionirten Rechte gefährdet seyen. Jn großer Anzahl zogen sie
sofort gegen das Schloß des Grafen, um sich seiner Person zu
bemächtigen. Von seiner Seite erfolgte ein Schuß, der den Na-
tionalgarde=Tambour zu Boden streckte, während ein Schuß, auf
ihn gerichtet, ihn schwer verwundete. Jetzt befindet er sich in der
Gewalt der Menge. Außer zerschlagenen Thüren und Fenstern
seines Schlosses kamen keine Eigenthumsverletzungen weiter vor.
— Der soeben ( 10 Uhr ) anlangende Wiener Zug bringt die
[Ende Spaltensatz]

1) Ausdruck des „Radicalen,“ des Hauptorgans der äußersten Par-
tei in Wiens, von Becher, Jellinek, Tassenau herausgegeben.
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[0002] dienenden deutschen Officiers. Pulszky scheint entwischt. Die gefangenen Chefs der National= und Mobilgarde und der akade- mischen Legion hat sich der Fürst ( böhmischen Blättern zufolge ) im landständischen Gebäude der Herrengasse vorführen lassen. Sie hatten sich in andere Kleider gesteckt, die Bärte rasiren lassen, das Haar gestutzt, mußten aber zu jener peinlichen Vorstellung ihre Uniformen wieder anziehen. Es wird nicht bestimmt gemeldet, ob Messenhauser und Fenner darunter gewesen, welche beide einst als Lieutenants aus dem Militär entlassen worden waren, seitdem von der Feder gelebt hatten und jetzt glaubten — von Ei- telkeit verführt, von den Massen gedrängt — an die Spitze treten zu können gegen die von einem bewährten Führer befehligte Ar- mee. Wichtig wäre, wenn sich die Angabe einiger Wiener Briefe bestätigte, daß Robert Blum und Julius Fröbel in der Nacht vom 3. auf den 4. aus ihrem Hotel zur Stadt London ab- geholt und ins Hauptquartier nach Schönbrunn gebracht worden seyen. Sie hatten, wie man uns berichtete, das sogenannte Eliten- corps befehligt und an den Barricaden mitgefochten. Jst dies so, so konnte Windischgrätz sie gewiß verhaften lassen, und Briefe von Officieren versichern auch, man würde ihnen den Proceß machen. Oesterreichische Blätter, die sonst den Aufstand mild ansehen, fällen über jene Sendlinge der Linken das strengste Urtheil. Diese Linke häuft jetzt Vorwurf auf Vorwurf gegen Welcker und Mosle. Wir wollen auf keine Weise vertheidigen, daß diese, ohne Wien ge- sehen zu haben, sich in Olmütz vergruben; sie hofften dort bei dem alten Wessenberg wohl mehr wirken zu können, als bei Windisch- grätz, der sie soldatisch schroff empfangen [ was nicht wahr ist ] , oder bei dem Wiener Reichstage, der sie verspottet hat, während die radicale Presse Wiens in Prosa und Versen davon sprach, Schmerling und Gagern, der „Frechheitspräsidem“ 1), und alle ihre Genossen verdienten kaum etwas besseres, als Latour. Aber was soll man dazu sagen, daß in der deutschen Nationalversamm- lung zu Frankfurt 130 Unterschriften sich fanden, die dem Auf- stande, den jener Mord befleckte, ihr Glückauf zuriefen, und die eine eigene Deputation schickten, welche in der Aula den Wiener Reichstag als Verräther denuncirte, das Aufstecken der rothen Fahne forderte, und unter ihr mit an die Barricaden sich stellte! Hat irgend etwas die Mission der Reichscommissarien gebrochen und gelähmt, so war es jene Adresse und jene Deputation, von welcher die Nationalversammlung allsogleich offen sich hätte los- sagen sollen, wenn sie nicht ihre wahren Abgesandten aufs un- unklugste blosstellen wollte. Wenn daher jetzt_ die Linke in Frank- furt lärmend ihre Anklagen erhebt, so fallen diese Anklagen zer- schmetternd auf sie selbst zurück. Man hat in Oesterreichs schmerz- lichstem Todesringen das Loos über seine Zukunft werfen wollen: man sehe zu, was man gethan. Das Constitutionelle Blatt aus Böhmen, das im allgemeinen sehr scharfe Opposition ge- gen Olmütz macht, bemerkt über jene Frankfurter Mission: „Was soll man gar zu jenen feinen Herren aus der Paulskirche sagen, welche die Stunde günstig wähnten, in Wien das rothe Panier aufzupflanzen? Auch ein Abgeordneter aus Böhmen war darun- ter, und aus Curiosität sollte man doch die dortigen 50,000 Wahl- männer befragen, ob dieser Vertrauensmann wirklich in ihrem Geiste und Sinne, in ihrem Wohle und Jnteresse agirte? Robert Blümlein hielt Ovationen in der Aula, ließ sich inscribiren in die Legion und trieb noch andere Possen zum Gaudio der Demokra- ten. Auch daraus konnte der Einsichtige erkennen, wohin das Streben all dieser Leute ging. Nicht aber die Herbeiführung der deutschen Republik mochte bei all diesem Zeuge irritiren, sondern die Vernichtung, das Zerreißen Oesterreichs und die schrecklichen Folgen durch Jahrzehnte, was durch Lug und Trug, durch Toll- sinn und Böswilligkeit bewerkstelligt werden sollte. Nichts war den Agitatoren zu schlecht, um ihr Ziel zu erreichen. Und an all diesen Ränken und Gestänken nahmen Reichstagsabgeordnete un- mittelbaren und mittelbaren Antheil.“ Die Wiener Post vom 5. November bringt nur Briefe von älterm Datum, die nichts enthalten, was unsere Leser nicht bereits wüßten. Die Wiener Zeitung, die einzige, welche erscheint, aber ohne anderen Jnhalt als amtliche Bekanntmachungen, zeigt in einer derselben an, daß Pulszky, Bem, Messenhauser, Fenner v. Fenneberg und Schütte noch nicht aufgefunden waren. Die betreffende Kundmachung lautet: „ Auf hohen Befehl bringt der Gemeinderath der Stadt Wien fol- gende von der Centralcommission der k. k. Stadtcommandantur ange- ordnete Maßregel zur allgemeinen Kenntniß: Unter den Bedingungen, welche der Herr Armee=Obercommandant, Se. Durchlaucht der Fürst zu Windischgrätz, in seiner Proclamation vom 23. October d. J. für die Uebergabe der Hauptstadt Wien festgesetzt hat, erscheint im §. 3. die anbefohlene Auslieferung der durch nachträgliche Zuschriften bezeich- neten Jndividuen als: des gewesenen königl. ungarischen Unterstaats- secretärs Pulszky, des polnischen Emissärs Bem, des Nationalgarde- Obercommandanten Messenhauser, des bei diesem Commando ver- wendeten Fenneberg, und endlich des als Aufwiegler bezeichneten Schütte. Wegen der besondern Gefährlichkeit dieser fünf Jndividuen, und weil sie als die Hauptursachen der letzten Empörung, die auf den Umsturz der Monarchie hingearbeitet hat, angesehen werden, wird von Sr. Durchlaucht dem Herrn Feldmarschal Fürsten zu Windischgrätz mit unnachfichtlicher Strenge auf ihre Habhaftwerdung gedrungen, und hier- von die Möglichkeit abhängig gemacht, den freien Verkehr zwischen der Stadt und ihren Vorstädten herzustellen, und überhaupt die möglichsten Erleichterungen in dem Belagerungszustande eintreten zu lassen. Zu diesem Ende werden jene Wohnparteien, bei denen sich etwa ein oder das andere dieser Jndividuen aufhalten sollte, dringendst aufgefordert, binnen 6 Stunden davon die Anzeige zu machen, weil sonst gegen den Dawiderhandelnden das standrechtliche Verfahren eintreten würde. Wien, am 4. November 1848. Vom Gemeinderathe der Stadt Wien.“ Ueber die Zusammensetzung des neuen Ministeriums erfährt man nichts bestimmtes. Jn einigen neueren Angaben wird Fürst Windischgrätz als Kriegsminister aufgeführt, während Baron Kübeck wieder die Finanzen übernehmen soll. Ein Brief aus Olmütz in Prager Blättern nennt aber noch immer die Namen, die wir neulich schon aufgeführt: Wessenberg, Helfert, Bruck, Maier, Breda, Schwarzenberg und Schönhammer. Die Mit- glieder des Reichstages, zuletzt nur noch 60, sollen in einer letzten Sitzung, zu der man weder Zuhörer noch Journalisten mehr ge- lassen, sich das Wort gegeben haben, am 15. wieder in Wien zusammenzutreffen. Dagegen glaubten Viele in Wien, es werde vorläufig doch bei der Uebersiedelung nach Kremsier sein Bewen- den haben. Jn diesem Augenblicke erhalten wir noch einige Briefe vom 5. Die Strenge an den Thoren, die Haussuchungen und alle die Quälereien eines aufs schroffste gehandhabten Belage- rungsstandes dauerten fort; die Verhaftung von Blum und Fröbel bestätigt sich. Auffallenderweise sind viele Provincialblätter ( z. B. in Linz, Salzburg ) über Wien so schweigsam, daß aus ihnen nicht das mindeste zu lernen ist. Da- gegen halten sich die böhmischen, selbst die tirolischen Blätter in würdiger Selbstständigkeit. Berlin 6. November. ( B. H. ) Es ist schwer, diesmal auch nur eine Vermuthung über den möglichen Gang der Dinge aus- zusprechen, da bis jetzt noch nicht einmal das erreicht ist, daß der Graf Brandenburg seinen Auftrag zurückgegeben hat. Er soll fortwährend damit beschäftigt seyn, ein Ministerium zu bilden, ohne daß man irgend einen Namen nennen konnte, der in dasselbe eintreten würde; nur von Hrn. v. Manteuffel aus dem Mi- nisterium des Jnnern und durch entschieden reactionäre Gesinnun- gen bekannt, ist die Rede. Wie dem aber auch sey, der National- versammlung gegenüber ist ein Ministerium Brandenburg eine Unmöglichkeit, weshalb heute oder morgen auch sein Auftrag enden muß. Für diesen Fall denkt man nun daran, da auch eine Combination unter Hrn. Milde wohl nicht zu Stande kommen kann, das Programm des Hrn. v. Beckerath anzunehmen, mit dem er noch vor Kurzem scheiterte, aber jetzt wohl durchdringen dürfte; die Hrn. Rodbertus Jnneres, v. Kirchmann Justiz, v. Fischer Krieg, Arntz und, selbst bis nach der Linken hinüber, Hr. Schönborn würden unter Hrn. v. Beckerath ein Ministerium bilden, das den Ansprüchen der Nationalver- sammlung und des Landes wohl gewachsen wäre. Eine vorzüg- liche Aufmerksamkeit wird man wegen der drohenden Verwickel- ungen der europäischen Verhältnisse nach der möglichen Er- hebung Louis Buonaparte's den auswärtigen Ange- legenheiten zuwenden müssen, damit Preußen alle diejenigen Stützpunkte bei seinem Nachbar finde, deren, es zu seiner und Deutschlands Erhaltung bedarf. Man denkt deshalb daran, einen Unterstaatssecretär eigens für die polnischen Angelegenheiten zu ernennen, je eifriger Rußland an seinem Bündnisse mit Frankreich arbeitet, und man würde einen Polen zu dieser Stelle berufen. Leider sind bis jetzt aller unsere auswär- tigen Beziehungen über die inneren Verlegenheiten fast gänzlich außer Acht gelassen. Ratibor 6. November. ( B. H. ) Die Kunde von dem Falle Wiens hat in unserm nahe gelegenen, sonst so geduldigen öster- reichischen Schlesien eine Bauern=Emeute zur Folge gehabt. Als nämlich am 1. der Graf Arco in Gotschdorf die officielle Nach- richt vom Falle Wiens den Bauern vorlas, bediente er sich Aus- drücke, welche die Bauern glauben machten, daß alle vom Kaiser sanctionirten Rechte gefährdet seyen. Jn großer Anzahl zogen sie sofort gegen das Schloß des Grafen, um sich seiner Person zu bemächtigen. Von seiner Seite erfolgte ein Schuß, der den Na- tionalgarde=Tambour zu Boden streckte, während ein Schuß, auf ihn gerichtet, ihn schwer verwundete. Jetzt befindet er sich in der Gewalt der Menge. Außer zerschlagenen Thüren und Fenstern seines Schlosses kamen keine Eigenthumsverletzungen weiter vor. — Der soeben ( 10 Uhr ) anlangende Wiener Zug bringt die 1) Ausdruck des „Radicalen,“ des Hauptorgans der äußersten Par- tei in Wiens, von Becher, Jellinek, Tassenau herausgegeben.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 135. Mainz, 10. November 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal135_1848/2>, abgerufen am 25.04.2024.