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[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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weiter ausgeführt worden. Man wollte Chausseen bemerken, auf denen Caravanen
der Mondbewohner sich grüßend begegnen. Man glaubte 3-4 Meilen große 6-sei-
tige Sternentempel zu erblicken, für den Kultus einer Art von Sabäismus. Man
meinte Palmenwälder und baumartige Farrenkräuter zu unterscheiden; ja, es wur-
de die Frage ventilirt: ob das Klima des Mondes wohl den Anbau der Brunnen-
kresse gestatte?

Diese Phantasieverirrungen führen sehr natürlich auf die Untersuchung: wie groß
denn aber ein Gegenstand seyn müsse, um ihn auf dem Mond unterscheiden zu
können? Diese Frage läßt sich mit so großer mathematischer Genauigkeit beantworten,
als irgend eine. Messen kann man im Monde nicht mehr als 1/2 Sekunde Angulardistanz,
das heißt 1800': man kann aber noch manches unterscheiden, ohne zu messen - doch sind
800-1000' wohl die Gränze des unterscheidbaren beim telescopischen Sehen. Bei
Perpendicularhöhen kann man jedoch 4-500' mit Sicherheit bestimmen. Es giebt 3
Mittel zu diesen Messungen. 1, indem man die Gränze eines erleuchteten, und eines
dunkeln Theiles vergleicht. Die einzelnen leuchtenden Punkte im Dunkeln, sind die Berge,
deren Spitzen noch von der Sonne beschienen werden. Je höher sie sind, je länger bleiben
sie sichtbar: da aber die Schattengränze nie ganz scharf ist, so ist auf diese Weise keine Ge-
nauigkeit möglich. 2tens oder man mißt die Erhöhung der Berge durch Projection auf
dem Mondrande selbst, bei Sonnenfinsternissen. 3tens und dies ist die beste Art: durch
die Bestimmung der Länge des Mondschattens. Auf diese Weise erhält man eine Genauig-
keit, daß man Höhen von 3-400' (ungefähr wie die Müggelsberge) mit Sicherheit zu messen ver-
mag, und man kann annehmen, daß wir die Berghöhen des Mondes genauer kennen, als
selbst die auf der Erde. Ja wenn wir voraussetzen dürfen, daß man auf dem Monde

dieselben

weiter ausgeführt worden. Man wollte Chausseen bemerken, auf denen Caravanen
der Mondbewohner sich grüßend begegnen. Man glaubte 3–4 Meilen große 6-sei-
tige Sternentempel zu erblicken, für den Kultus einer Art von Sabäismus. Man
meinte Palmenwälder und baumartige Farrenkräuter zu unterscheiden; ja, es wur-
de die Frage ventilirt: ob das Klima des Mondes wohl den Anbau der Brunnen-
kresse gestatte?

Diese Phantasieverirrungen führen sehr natürlich auf die Untersuchung: wie groß
denn aber ein Gegenstand seyn müsse, um ihn auf dem Mond unterscheiden zu
können? Diese Frage läßt sich mit so großer mathematischer Genauigkeit beantworten,
als irgend eine. Messen kann man im Monde nicht mehr als ½ Sekunde Angulardistanz,
das heißt 1800′: man kann aber noch manches unterscheiden, ohne zu messen – doch sind
800–1000′ wohl die Gränze des unterscheidbaren beim telescopischen Sehen. Bei
Perpendicularhöhen kann man jedoch 4–500′ mit Sicherheit bestimmen. Es giebt 3
Mittel zu diesen Messungen. 1, indem man die Gränze eines erleuchteten, und eines
dunkeln Theiles vergleicht. Die einzelnen leuchtenden Punkte im Dunkeln, sind die Berge,
deren Spitzen noch von der Sonne beschienen werden. Je höher sie sind, je länger bleiben
sie sichtbar: da aber die Schattengränze nie ganz scharf ist, so ist auf diese Weise keine Ge-
nauigkeit möglich. 2tens oder man mißt die Erhöhung der Berge durch Projection auf
dem Mondrande selbst, bei Sonnenfinsternissen. 3tens und dies ist die beste Art: durch
die Bestimmung der Länge des Mondschattens. Auf diese Weise erhält man eine Genauig-
keit, daß man Höhen von 3–400′ (ungefähr wie die Müggelsberge) mit Sicherheit zu messen ver-
mag, und man kann annehmen, daß wir die Berghöhen des Mondes genauer kennen, als
selbst die auf der Erde. Ja wenn wir voraussetzen dürfen, daß man auf dem Monde

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weiter ausgeführt worden.<note resp="#CT" type="editorial">Vgl. dazu <bibl><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118972375 http://d-nb.info/gnd/118972375">Gruithuisen, Franz von Paula</persName>: Entdeckung vieler deutlichen Spuren der Mondbewohner: besonders eines colossalen Kunstgebäudes derselben. [Nürnberg], 1824.</bibl> Online verfügbar: <ref target="http://www.deutschestextarchiv.de/gruithuisen_mondbewohner_1824">Deutsches Textarchiv, abgerufen am 03.02.2015.</ref></note> Man wollte <hi rendition="#aq">Chausseen</hi> bemerken, auf denen Caravanen<lb/>
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[76v/0156] weiter ausgeführt worden. Man wollte Chausseen bemerken, auf denen Caravanen der Mondbewohner sich grüßend begegnen. Man glaubte 3–4 Meilen große 6 sei- tige Sternentempel zu erblicken, für den Kultus einer Art von Sabäismus. Man meinte Palmenwälder u. baumartige Farrenkräuter zu unterscheiden; ja, es wur- de die Frage ventilirt: ob das Klima des Mondes wohl den Anbau der Brunnen- kresse gestatte? Diese Phantasieverirrungen führen sehr natürlich auf die Untersuchung: wie groß denn aber ein Gegenstand seyn müsse, um ihn auf dem Mond unterscheiden zu können? Diese Frage läßt sich mit so großer mathematischer Genauigkeit beantworten, als irgend eine. Messen kann man im Monde nicht mehr als ½ Sek. Angulardistanz, d. h. 1800′: man kann aber noch manches unterscheiden, ohne zu messen – doch sind 800–1000′ wohl die Gränze des unterscheidbaren beim telescopischen Sehen. Bei Perpendicularhöhen kann man jedoch 4–500′ mit Sicherheit bestimmen. Es giebt 3 Mittel zu diesen Messungen. 1, indem man die Gränze eines erleuchteten, und eines dunkeln Theiles vergleicht. Die einzelnen leuchtenden Punkte im Dunkeln, sind die Berge, deren Spitzen noch von der Sonne beschienen werden. Je höher sie sind, je länger bleiben sie sichtbar: da aber die Schattengränze nie ganz scharf ist, so ist auf diese Weise keine Ge- nauigkeit möglich. 2t oder man mißt die Erhöhung der Berge durch Projection auf dem Mondrande selbst, bei Sonnenfinsternissen. 3t und dies ist die beste Art: durch die Bestimmung der Länge des Mondschattens. Auf diese Weise erhält man eine Genauig- keit, daß man Höhen von 3–400′ (ungefähr wie die Müggelsberge) mit Sicherheit zu messen ver- mag, u. man kann annehmen, daß wir die Berghöhen des Mondes genauer kennen, als selbst die auf der Erde. Ja wenn wir voraussetzen dürfen, daß man auf dem Monde dieselben

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



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Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 76v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/156>, abgerufen am 28.03.2024.