Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

französischen Naturforschern untersucht worden sind. Bei heiterm Himmel zeigte sich am
26ten April ein Gewölk, aus dem unter anhaltendem Donnern, und einem Gekrach
wie beim Abfeuern von Geschütz ein fürchterlicher Steinregen herabstürzte, der bis auf
15 französische Meilen im Halbmesser die Spuren seiner Wirkung verbreitete. Von den
gefallenen Steinen fand man 2000; der kleinste wog 2 Quentchen, der größte 17 Lb.

Bei der versuchten Erklärung dieses Phänomens haben einige die Behauptung auf-
gestellt, daß die herabgeschleuderten Massen Producte der Mondvulkane wären,
vielleicht in Verbindung mit jenen erwähnten Eruptionen im Aristarch. La Place
und Olbers haben die Frage aufgeworfen: welche Wurfkraft erforderlich seyn würde,
um einen dergleichen Auswurf bis in die Attractionssphäre unserer Erde zu bringen?
Mathematische Rechnungen ergeben, daß eine schwere Masse, die aus dem Monde
mit einer anfänglichen Geschwindigkeit von 7500' in 1 Sekunde (ungefähr die 4fache Geschwin-
digkeit einer Kanonenkugel) geschleudert würde, nach 21/2 Tagen auf unserer Erde
anlangen könnte. Die auf dem Monde, seiner Kleinheit wegen, geringere Schwer-
kraft, und die mangelnde Atmosphäre, würden die Möglichkeit dieses Hinwegschleu-
derns allerdings vermehren. - Uebrigens ist diese Meinung nicht neu, und schon
Paulo Maria Gonzago in Tortosa hat die Vermuthung geäußert, daß die Steinregen aus
dem Monde herabkommen möchten. - Wenn aber auch die Möglichkeit die Er-
scheinung auf diese Weise zu erklären, nicht geläugnet werden kann, so sind doch
andere Gründe vorhanden, welche diese Annahme nicht wahrscheinlich machen. Der
Haupteinwurf beruht auf der Geschwindigkeit mit welcher diese Massen bei uns
ankommen, und welche sie in ihrer Bewegung den planetarischen Körpern so ähn-
lich macht. Man hat die reißende Geschwindigkeit gemessen mit der Feuerkugeln

über

französischen Naturforschern untersucht worden sind. Bei heiterm Himmel zeigte sich am
26ten April ein Gewölk, aus dem unter anhaltendem Donnern, und einem Gekrach
wie beim Abfeuern von Geschütz ein fürchterlicher Steinregen herabstürzte, der bis auf
15 französische Meilen im Halbmesser die Spuren seiner Wirkung verbreitete. Von den
gefallenen Steinen fand man 2000; der kleinste wog 2 Quentchen, der größte 17 ℔.

Bei der versuchten Erklärung dieses Phänomens haben einige die Behauptung auf-
gestellt, daß die herabgeschleuderten Massen Producte der Mondvulkane wären,
vielleicht in Verbindung mit jenen erwähnten Eruptionen im Aristarch. La Place
und Olbers haben die Frage aufgeworfen: welche Wurfkraft erforderlich seyn würde,
um einen dergleichen Auswurf bis in die Attractionssphäre unserer Erde zu bringen?
Mathematische Rechnungen ergeben, daß eine schwere Masse, die aus dem Monde
mit einer anfänglichen Geschwindigkeit von 7500′ in 1 Sekunde (ungefähr die 4fache Geschwin-
digkeit einer Kanonenkugel) geschleudert würde, nach 2½ Tagen auf unserer Erde
anlangen könnte. Die auf dem Monde, seiner Kleinheit wegen, geringere Schwer-
kraft, und die mangelnde Atmosphäre, würden die Möglichkeit dieses Hinwegschleu-
derns allerdings vermehren. – Uebrigens ist diese Meinung nicht neu, und schon
Paulo Maria Gonzago in Tortosa hat die Vermuthung geäußert, daß die Steinregen aus
dem Monde herabkommen möchten. – Wenn aber auch die Möglichkeit die Er-
scheinung auf diese Weise zu erklären, nicht geläugnet werden kann, so sind doch
andere Gründe vorhanden, welche diese Annahme nicht wahrscheinlich machen. Der
Haupteinwurf beruht auf der Geschwindigkeit mit welcher diese Massen bei uns
ankommen, und welche sie in ihrer Bewegung den planetarischen Körpern so ähn-
lich macht. Man hat die reißende Geschwindigkeit gemessen mit der Feuerkugeln

über
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="16">
        <p><pb facs="#f0158" n="77v"/><choice><abbr>franz.</abbr><expan resp="#CT">französischen</expan></choice> Naturforschern untersucht worden sind. Bei heiterm Himmel zeigte sich am<lb/>
26<choice><abbr><hi rendition="#sup #u">t&#xFFFC;</hi></abbr><expan resp="#CT"><hi rendition="#sup #u">ten</hi></expan></choice> April ein Gewölk, aus dem unter anhaltendem Donnern, <choice><abbr>u.</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> einem Gekrach<lb/>
wie beim Abfeuern von Geschütz ein fürchterlicher Steinregen herabstürzte, der bis auf<lb/>
15 <choice><abbr>franz.</abbr><expan resp="#CT">französische</expan></choice> Meilen im Halbmesser die Spuren seiner Wirkung verbreitete. Von den<lb/>
gefallenen Steinen fand man 2000; der kleinste wog 2 <hi rendition="#aq"><choice><abbr>Qutch.</abbr><expan resp="#CT">Quentchen</expan></choice></hi>, der größte 17 &#x2114;<choice><sic/><corr resp="#CT">.</corr></choice><lb/></p><lb/>
        <p>Bei der versuchten Erklärung dieses Phänomens haben einige die Behauptung auf-<lb/>
gestellt, daß die herabgeschleuderten Massen Producte<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 205: "Produkte".</note> der Mondvulkane wären,<lb/>
vielleicht in Verbindung mit jenen erwähnten Eruptionen im <hi rendition="#aq">Aristarch</hi>. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118726536 http://d-nb.info/gnd/118726536">La Place</persName></hi><lb/>
und <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-11858975X http://d-nb.info/gnd/11858975X">Olbers</persName></hi> haben die Frage aufgeworfen: welche Wurfkraft erforderlich seyn würde,<lb/>
um einen dergleichen Auswurf bis in die Attractionssphäre unserer Erde zu bringen?<lb/>
Mathematische Rechnungen ergeben, daß eine schwere Masse, die aus dem Monde<lb/>
mit einer anfänglichen Geschwindigkeit von 7500&#x2032; in 1 <choice><abbr>Sek.</abbr><expan resp="#BF">Sekunde</expan></choice> (ungefähr die <choice><orig>4 fache</orig><reg resp="#CT">4fache</reg></choice> Geschwin-<lb/>
digkeit einer Kanonenkugel) geschleudert würde, nach 2½ Tagen auf unserer Erde<lb/>
anlangen könnte. Die auf dem Monde, seiner Kleinheit wegen, geringere Schwer-<lb/>
kraft, und die mangelnde Atmosphäre, würden die Möglichkeit dieses Hinwegschleu-<lb/>
derns allerdings vermehren. &#x2013; Uebrigens ist diese Meinung nicht neu,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 205: Komma fehlt.</note> <choice><abbr>u.</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> schon<lb/><hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117616214 http://d-nb.info/gnd/117616214">Paulo Maria Gonzago</persName></hi> in <hi rendition="#aq">Tortosa</hi> hat die Vermuthung geäußert, daß die Steinregen aus<lb/>
dem Monde herabkommen möchten.<note resp="#BF" type="editorial">Vgl. <bibl>Terzago, Paolo Maria: Musaeum Septalianum Manfredi Septalae: Patritii Mediolanensis Industrioso Labore constructum. Tortona 1664, insbesondere Kapitel XVIII (S. 43&#x2013;48).</bibl> Online verfügbar: <ref target="http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10051296_00075.html">MDZ München, abgerufen am 29.02.2016</ref>.</note> &#x2013; Wenn aber auch die Möglichkeit die Er-<lb/>
scheinung auf diese Weise zu erklären, nicht geläugnet werden kann, so sind doch<lb/>
andere Gründe vorhanden, welche diese Annahme nicht wahrscheinlich machen. Der<lb/>
Haupteinwurf beruht auf der Geschwindigkeit mit welcher diese Massen bei uns<lb/>
ankommen, und welche sie in ihrer Bewegung den planetarischen Körpern so ähn-<lb/>
lich macht. Man hat die reißende Geschwindigkeit gemessen<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 206: "gemessen,".</note> mit der Feuerkugeln<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">über</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77v/0158] franz. Naturforschern untersucht worden sind. Bei heiterm Himmel zeigte sich am 26t April ein Gewölk, aus dem unter anhaltendem Donnern, u. einem Gekrach wie beim Abfeuern von Geschütz ein fürchterlicher Steinregen herabstürzte, der bis auf 15 franz. Meilen im Halbmesser die Spuren seiner Wirkung verbreitete. Von den gefallenen Steinen fand man 2000; der kleinste wog 2 Qutch., der größte 17 ℔. Bei der versuchten Erklärung dieses Phänomens haben einige die Behauptung auf- gestellt, daß die herabgeschleuderten Massen Producte der Mondvulkane wären, vielleicht in Verbindung mit jenen erwähnten Eruptionen im Aristarch. La Place und Olbers haben die Frage aufgeworfen: welche Wurfkraft erforderlich seyn würde, um einen dergleichen Auswurf bis in die Attractionssphäre unserer Erde zu bringen? Mathematische Rechnungen ergeben, daß eine schwere Masse, die aus dem Monde mit einer anfänglichen Geschwindigkeit von 7500′ in 1 Sek. (ungefähr die 4 fache Geschwin- digkeit einer Kanonenkugel) geschleudert würde, nach 2½ Tagen auf unserer Erde anlangen könnte. Die auf dem Monde, seiner Kleinheit wegen, geringere Schwer- kraft, und die mangelnde Atmosphäre, würden die Möglichkeit dieses Hinwegschleu- derns allerdings vermehren. – Uebrigens ist diese Meinung nicht neu, u. schon Paulo Maria Gonzago in Tortosa hat die Vermuthung geäußert, daß die Steinregen aus dem Monde herabkommen möchten. – Wenn aber auch die Möglichkeit die Er- scheinung auf diese Weise zu erklären, nicht geläugnet werden kann, so sind doch andere Gründe vorhanden, welche diese Annahme nicht wahrscheinlich machen. Der Haupteinwurf beruht auf der Geschwindigkeit mit welcher diese Massen bei uns ankommen, und welche sie in ihrer Bewegung den planetarischen Körpern so ähn- lich macht. Man hat die reißende Geschwindigkeit gemessen mit der Feuerkugeln über

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/158
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 77v. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/158>, abgerufen am 19.04.2024.