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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 22. Köln, 22. Juni 1848.

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Gegensatz zu dem Gesammtstaate. Damit nicht das Werk in die Hände der re ublique une et indivisible falle, stimmt der Redner für den Antrag. (Bewegung in verschiedenem Sinne. Pfeifen von der Gallerie.) Der Präsident: Es ist eine große Ungezogenheit begangen worden; Pfeifen ist ein Bubenstreich; wenn ich wüßte, von wem es geschehen, würde ich ihn hinausführen lassen. - Mammen erklärt sich gegen ein Triumvirat, weil dasselbe Zwietracht selbst unter den einzelnen Stämmen und Staaten erzeugen würde. Er glaubt unbedingt, daß die Nationalversammlung die Centralgewalt wählen müsse, weil sie sonst die Souveränität, die durch Annahme des Raveaux'schen (Werner'schen) Antrags offen erklärt worden, wieder aufgeben müßte. Er ist für den Antrag von Blum und Trützschler , und glaubt nicht, daß sämmtliche Regierungen bereits mit dem altem System gebrochen haben. Wesendonck: Die Versammlung sei nicht hier, um eine Verfassung für einzelne Staaten zu berathen, sondern die Verfassung von ganz Deutschland als Bundesstaat. Sie habe sich daher auch nicht darum zu kümmern, ob die Mehrheit der einzelnen Staaten die Republik, oder die konstitutionelle Monarchie wolle. Man stehe hier nicht auf dem Boden der konstitutionellen Monarchie, sondern man habe etwas ganz Neues zu schaffen. Er glaube nicht, daß es dem Gesammtwillen des Volks entsprechen würde, wenn man über die 34 konstitutionellen Fürstenhäuser noch ein konstitutionelles Kaiserthum stellen wollte. Darum solle man an dem festhalten, was der Natur der Dinge nach das Einfachste, Zweckmäßigste und Wohlfeilste sei. Die Einzelstaaten wären durch eine solche republikanische Spitze gar nicht gefährdet. Nur Wenige hier seien für eine republique une et indivisible. Etwas Anderes aber sei es, ob nicht die Verfassung des Ganzen republikanisch sein und in den Einzelstaaten je nach dem Willen der Mehrheit des Volks Republik oder konstitutionelle Monarchie bestehen solle. Es sei also nicht die Aufgabe, wie der Redner vor ihm geäußert, die provisorische Centralgewalt der definitiven möglichst nahe zu bringen, vielmehr müsse sie so unpräjudiziell wie möglich eingerichtet werden, wo es sich hauptsächlich davon handle, Deutschland nach Außen Kraft zu verleihen. Sie durch die Regierungen ernennen zu lassen und als unverantwortlich hinzustellen, wäre bereits ein bedeutendes Präjudiz für das konstitutionelle Kaiserthum. Die Centralgewalt könne nur von der Nationalversammlung und aus ihrer Mitte ernannt werden und ihr verantwortlich sein; nur dadurch werde das Prinzip der Volkssouveränität gerettet. Den Ausschußantrag findet der Redner unklar, ohne bestimmtes Prinzip. Die Bezeichnung "Bundesdirektorium" beweise, daß man den Bundestag neben der Centralgewalt beibehalten wolle. Der Ausschuß habe den Bundestag mit Glace-Handschuhen angegriffen; er hätte sagen sollen: der Bundestag ist aufgehoben. Wozu zwei Centralbehörden neben einander? Wozu einen solchen Staatsrath? In Frankreich habe Guizot ihn hergestellt, um die Reaktion zu begünstigen und abgedankte Minister zu placiren; wir aber könnten solche abgenutzte Männer nicht brauchen. Man wolle ein Direktorium aus Mitgliedern der regierenden Häuser; dies beweise die dem Direktorium beigelegte Unverantwortlichkeit. Damit würden wir aber das Vertrauen des Volks nicht rechtfertigen. Außer einigen kleineren Regierungen besitze fast keine einzige das Vertrauen des Volkes. Der Redner macht dann auf die Schwierigkeiten der vorgeschlagenen Wahl aufmerksam. Die National-Versammlung solle die ihr bezeichneten Männer blindlings annehmen, wenn sie sie aber zurückweise, würde ein Bruch zwischen den Regierungen und der National-Versammlung daraus entstehen. Es sei in dem Ausschußantrage nicht gesagt, daß die Centralgewalt die Beschlüsse der Nationalversammlung zu vollziehen habe, also wäre sie nur ein Organ der Regierungen. In dem Beschlusse über die Marine habe die Versammlung ausdrücklich erklärt, daß die künftige Centralgewalt ihr verantwortlich sein solle. Die Linke habe nur unter dieser Voraussetzung dem Beschlusse beigestimmt, und von diesem Prinzip dürfe man nicht mehr abgehen. Bassermann: Welchen Antrag man auch immer annehme, in jedem Fall würden die Mitglieder der Centralgewalt der Mehrheit dieses Hauses entsprechen müssen. Nach dem Antrag von Blum und Trützschler aber würde die Nationalversammlung regieren, und der Vollziehungsausschuß nur ein Complex von Beamten sein, die ihren Willen zu vollziehen hätten. Der Redner will an einem Beispiele beweisen, wie unpraktisch dies wäre. Wenn die Nachricht einträfe, daß Triest von einem Bombardement bedroht sei, sollte da die Sache erst in einer Versammlung von 600 Mitgliedern berathen, an die Abtheilungen verwiesen, ein Ausschuß ernannt, vielleicht namentliche Abstimmung vorgenommen werden? Unterdessen könnte Triest in Asche liegen. "Wir müssen eine Regierung haben, die regiert, während wir die Verfassung berathen, mit Ministern, die zwar in Ihrem Geiste und Sinne handeln, die aber nicht erst zu fragen haben, wenn sie eine dringende Maßregel ergreifen müssen, die aber verantwortlich bleiben, die wie einst Canning vor das Parlament treten, und erklären: Dies und jenes Regiment habe ich auf meine Verantwortlichkeit marschiren, diese und jene Linienschiffe auslaufen lassen. Solche Minister müssen wir in solchen Zeiten haben." Der Redner findet es gleichgültig, ob der Bundestag die verantwortlichen Minister ernennt, ob die Centralgewalt aus 2 oder 3 Mitglieder besteht. Den Engländern sei es gleichgültig, ob Victoria oder Wilhelm regiere; Peel oder Russel seien es, die den Staat repräsentirten. Er fragt, ob das Mißtrauen gegen den jetzigen Bundestag gerechtfertigt sei, in welchem 17 Männer seit 3 Monaten das Gegentheil von dem thäten, was 17 andere 30 Jahre gethan, in welchem ein Jordan sitze; ob jene Darmstädter Regierung noch dieselbe sei, an deren Spitze vor Kurzem ein Mann gestellt worden, den der Volkswille dorthin gebracht, und den diese Versammlung fast einstimmig zu ihrem Vorsitzenden gewählt habe. Man möge sich nicht an Namen hängen. Er werde seine individuelle Ansicht über Eenzelnes gern der Majorität unterwerfen; aber die Crntralgewalt müsse stark sein, und das Recht über Krieg und Frieden haben. Man spreche von Volkssouveränetät; allein die Begriffe davon seien sehr verschieden. Man möge auf Belgien blicken, das bei seiner konstitutionellen Monarchie sich wohl befinde, und unter den jetzigen Stürmen allein unerschüttert geblieben sey. In England spreche man nicht so viel von Volkssouveränetät, aber der Engländer, der sich an den fernsten Küsten geschützt sehe, fühle, daß die Majestät des Volks über ihm wache. Frankreich, wo der fleißige Arbeiter jetzt Millionen für Nationalwerkstätten opfern müsse, könne fast sagen, es habe 80,000 Souveräne; die Regierung müsse vor einem jungen Manne zittern, der sich schon zweimal vor Europa blamirt habe. Ein Haus, in welchem Deutschland Kraft und Einheit finde, sei besser, als aller Prinzipienstreit. Man habe hier nicht tabula rasa, sondern gegebene Verhältnisse; es gelte zu reformiren, nicht zu revolutioniren. Die Regierungen repräsentirten jetzt überall den souverainen Willen des Volkes; überall ständen an der Spitze die Antipoden Derer, die gestürzt worden. Wenn auch Leidenschaft jetzt die Besten verdächtige, werde die Zukunft anders richten, und es uns danken, daß wir ihnen die Theilnahme an dem großen Werke gegönnt. Ein Vollziehungsausschuß, wie Blum und Trützschler vorgeschlagen, würde weder einen Soldaten noch einen Kreuzer besitzen; er müßte, wenn die Regierungen seinen Beschlüssen Gehorsam verweigerten, an den Umsturz appelliren, die Regierungen stürzen, Freischaaren bilden. Wenn die Freiheit über das Maaß hinausgehe, dann bilde sich in den Gemüthern eine stille Reaktion. Diese sei die Ursache, daß in Frankreich auf die Republik der Despotismus eines Napoleon gefolgt, daß unsern deutschen Spießbürgern so lange Zeit die Freiheit mit der Guillotine gleichbedeutend gewesen, daß das Hambacherfest die Reaktion von 1833 - 44 im Gefolge gehabt habe. Diejenigen, die vor einem solchen Ueberschlagen der Wellen warnten, thäten mehr für die wahre Freiheit, als Diejenigen, die stäts die Volkssouverainetät im Munde führten. Durch eine kräftige Centralgewalt schließe sich der Abgrund, erstehe wieder ein Anfang von Wohlstand, Einheit und Kraft. Man möge mehr auf die Sache sehen, als auf Worte, und nicht um Prinzipien streiten, wo es gelte, das Vaterland zu retten. Bothmer ist für den Ausschußantrag. Leue hält bei dem jetzigen Bildungsstand und der geringen Erfahrung, die wir in der Freiheit gemacht, Kronen und Fürsten noch für ein nothwendiges Uebel. Er will die Exekutivgewalt möglichst stark, darum nur aus Einem (als Präsident) bestehend, aber, besonders wegen eines möglichen Krieges, von der Nationalversammlung gewählt und ihr verantwortlich. Wäre eine Regierung kühn genug, die Beschlüsse der Versammlung nicht vollziehen zu wollen, so wäre das Schlimmste, was daraus entstehen könnte, der Bürgerkrieg. (Bewegung.) Dieses Aeußerste werde aber nicht eintreten. Wenn die Nationalversammlung für ihre Beschlüsse die öffentliche Meinung habe, welche Regierung, welcher König werde es da wohl wagen, auf ein paar Soldaten gestützt, sich ihr widersetzen zu wollen? Duncker findet es unpolitisch, die Träger des überwundenen Systems ganz zu Boden zu stürzen; man möge sie vielmehr in die Bewegung hineinziehen, und dadurch die Reaktion abschneiden. Weil man das Volk despotisirte, sollen wir wieder despotisiren? Das hieße bei vielen Stämmen energischen Widerstand hervorrufen und eine Reaktion des Partikularismus herbeiführen. Wenn die Nationalversammlung die von den Regierungen bezeichneten Männer genehmige, so sei das so gut, als wenn sie sie selbst ernenne und die neue Gewalt schaffe; eine Diskussion über die Männer sei nicht nöthig. In diesem Augenblick seien Drei eine bessere Einheit als Einer, weil durch sie die Interessen der 3 Großtheile Deutschlands gewahrt werden könnten. Eine republikanische Spitze mit Monarchie unter ihr scheint ihm eine Contradictio in adjecto. "Gehen wir - so schließt er - nicht auf die Wege des Konvents ein; bauen wir unter Mitwirkung der Regierungen unserm Volke ein festes Haus der Einheit und Freiheit."

Bericht

des Ausschusses der konstituirenden Nationalversammlung wegen

Errichtung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland.

Berichterstatter: Dahlmann.

(Schluß.)

Von der anderen Seite werden aber auch die Bundesregierungen vor jedem gefährlichen Uebergriffe der Bundesdirektoren sicher gestellt, und zwar zunächst durch die beschränkte Dauer ihrer Gewalt; denn diese nimmt mit der Vollendung der Reichsverfassung und ihrem Eintritt in das Leben durch die vollbrachte Einsetzung der künftigen deutschen Reichsregierung, augenblicklich ein Ende. Aber auch in anderer Beziehung kann diese Einrichtung den bestehenden deutschen Regierungen keine Sorge einflößen, da sie, weit entfernt, in die besondern Kreise derselben störend einzugreifen, vielmehr ihre Erfolge sicher stellt durch Bekämpfung jeder anarchischen Gewalt, welche in den einzelnen Bundesgebieten dem Ziele wahrer Freiheit störend entgegen treten möchte. Endlich drittens stammt ja der Gedanke dieser ganzen Einrichtung aus einem von den deutschen Regierungen eben so tief als vom deutschen Volke empfundenen Bedürfnisse größerer Einheitskraft her; die zu ernennenden drei Männer sind die Männer ihres eigenen Vertrauens, sie gehören durch Pflicht und Treue und durch mannigfache Bande der Zuneigung Jeder seinem Staate, und vielleicht sogar (denn jeder Weg der Bezeichnung bleibt offen) den regierenden Häusern als Mitglied an. Alle diese Erwägungen lassen den Gedanken an einen Mißbrauch der provisorisch übertragenen Gewalt zum Nachtheile der bestehenden Regierungen an sich nicht aufkommen. Ueberdies aber wird diese hohe Versammlung darauf wachen, daß den jungen Boden deutscher Freiheit die gesetzliche Ordnung fest umhege, indem sie die Verantwortlichkeit der Minister in vollstem Maße zur Anwendung bringt.

Der wahre Zweck aber jeder weisen Staatseinrichtung ist das Wohl des Volks, und wer auch die Rechte der Erbregierung noch so hoch hält, weil er in ihnen die Sicherstellung des Volkswohles erblickt, darf dieselben doch so weit nicht ausdehnen wollen, daß er den erblichen Regierungen auch das Recht beilegte, ihre Befugnisse beliebig anders wohin zu übertragen. Eine solche Uebertragung von Regierungsrechten gibt es aber hier, wenn ein Bundesdirektorium eingesetzt wird, immerhin nur auf vielleicht wenige Monate gleichwohl unvermeidlich durch einen Akt der Regierungs-Uebertragung. Darum konnte Ihr Ausschuß nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, daß diese Uebertragung unter Zustimmung der Nationalversammlung geschehen müsse. Lediglich die dabei zu beobachtende Form konnte Bedenken erregen. Wo es auf Personen ankommt, denen eine so hohe Stellung zugedacht ist und die darum der Nationalversammlung gegenüber als unverantwortlich dastehen müssen, thut eine jede Diskussion über ihren Charakter und das Maß ihrer Verdienste in öffentlicher Versammlung dem Zwecke der Unantastbarkeit ihrer Stellung unvermeidlichen Eintrag. Der Ausschuß glaubte eine Weile der hohen Versammlung vorschlagen zu dürfen, sie möge ihr Recht für diesen Fall in die Hände eines Ausschusses von dreißig Personen niederlegen, der zu dem Ende aus Ihrer Mitte gewählt würde. Diese Dreißig würden über die von den Regierungen bezeichneten Personen diskutiren, aber nicht öffentlich, insoweit ein Geheimniß unter solcher Zahl zu bewahren steht. Unser Ausschuß entschied sich am Ende dahin, das Recht der ganzen Nationalversammlung ungeschmälert aufrecht zu erhalten, jedoch die hohe Versammlung zugleich zu ersuchen, ihr Recht der Genehmigung oder Nichtgenehmigung in diesem Ausnahmsfalle auf dem Wege der einfachen Abstimmung ohne vorhergehende Diskussion üben zu wollen.

Gelingt auf solchem Wege die Vereinbarung, wozu bei einem Entgegenkommen der Regierungen alle Hoffnung ist, so wird die Nationalversammlung fortan sich mit verdoppeltem Vertrauen ihrem hohen Werke der Konstituirung Deutschlands widmen können; denn durch die Thätigkeit des Bundesdirektoriums über die allgemeinen Verhältnisse des Vaterlandes beruhigt, wird sie minder Störung in ihrer Hauptaufgabe erfahren. An dem Verfassungswerke nimmt das Bundesdirektorium keinen Antheil und die Stellung der Nationalversammlung den Bundesregierungen gegenüber bleibt in diesem Betracht unverändert. Sollte es sich aber von den wichtigsten Staatsinteressen, von Verträgen mit auswärtigen Mächten oder vollends von Krieg und Frieden handeln, so liegt dem Bundesdirektorium ob, sich, bevor es beschließt durch seine Minister des Einverständnisses der Nat.-Versammlung zu versichern.

Es ist diesem System, welchem die Mehrheit Ihres Ausschusses sich anschließt, manchmal seine Verzweigtheit zum Vorwurfe gemacht, weil es nämlich schon jetzt Minister und Gesandte fordert, die sich, meint man, allein für schon schließlich festgestellte, nicht für blos provisorische Verhältnisse passen sollen. Allein die großen Verhältnisse der Geschichte richten sich nach keinem deutschen Provisorium, und um nur Eines hervorzuheben, schwerlich hätte in der neuerlichen Diskussion über Schleswig-Holstein und den dänischen Krieg eine getheilte Meinung in Bezug auf die Ratifikation des Friedens von Seiten der Nationalversammlung auftauchen können, hätte Deutschland schon jetzt seine auswärtigen Gesandten. Auch ist es wohl kein Vorwurf gegen das erwählte System, wenn man ihm nachsagen muß, daß es in die bevorstehende, nothwendige einheitlichere Ordnung der deutschen Dinge bereits sich hineinlebe. Denn ächte Staatsweisheit gebietet, alle jähen Sprünge in den staatlichen Dingen möglichst zu vermeiden. Mit um so mehr Vertrauen empfiehlt Ihnen der Ausschuß dieses System, weil es den Forderungen der Gegenwart entspricht, und zugleich die Einleitung bildet in eine hoffentlich gehobenere Zukunft unsres Vaterlandes.

Ihr Ausschuß empfiehlt Ihnen, die Annahme folgender 8 Punkte zu beschließen, über welche die Majorität, bestehend aus den Mitgliedern Claussen, Dahlmann, Duncker, v. Gagern, v. Mayern, v. Raumer, v. Saucken, Wippermann, v. Würth, v. Zenetti, übereingekommen ist.

Die Nationalversammlung beschließt:

1) Bis zur definitiven Begründung einer Regierungsgewalt für Deutschland soll ein Bundesdirektorium zur Ausübung dieser obersten Gewalt in allen gemeinsamen Angelegenheiten der deutschen Nation bestellt werden.
2) Dasselbe soll aus 3 Männern bestehen, welche von den deutschen Regierungen bezeichnet und nachdem die Nationalversammlung ihre zustimmende Erklärung durch eine einfache Abstimmung ohne Diskussion abgegeben haben wird, von denselben ernannt werden.
3) Das Bundesdirektorium hat provisorisch
a. die vollziehende Gewalt zu üben in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaats betreffen;
b. die Oberleitung des gesammten Heerwesens zu übernehmen und namentlich den Oberfeldherrn der Bundestruppen zu ernennen;
c. die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands auszuüben und zu diesem Ende Gesandte und Konsuln zu ernennen.
4) Ueber Krieg und Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt das Bundesdirektorium im Einverständniß mit der Nationalversammlung.
5) Die Errichtung des Verfassungswerkes bleibt von der Wirksamkeit des Bundesdirektoriums ausgeschlossen.
6) Das Bundesdirektorium übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus. Alle Anordnungen derselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers.
7) Die Minister haben das Recht, den Berathungen der Nationalversammlung beizuwohnen und von derselben jederzeit gehört zu werden; sie haben jedoch das Stimmrecht in der Nationalversammlung nur dann, wenn sie als Mitglieder derselben gewählt sind. Dagegen ist die Stellung eines Mitgliedes des Bundesdirektoriums mit der eines Abgeordneten zur Nationalversammlung unvereinbar.
8) Sobald das Verfassungswerk für Deutschland vollendet und in Ausführung gebracht ist, hört die Thätigkeit des Direktoriums und seiner Minister auf.

Der Plan, wie er Ihnen hiermit vorliegt, macht keinen Anspruch auf Idealität, es bilden sich vielmehr in ihm die konkreten Verhältnisse Deutschlands getreulich ab. Die Aufstellung eines einzigen Bundesdirektors, oder Reichsverwesers, würde den Ansprüchen der Theorie mehr genügt, schwerlich aber den Anforderungen der Gegenwart entsprochen haben. Wie es bis dahin steht, theilen nun einmal die streitenden Interessen unser Deutschland in drei große politische Massen, die wir als Oestreich, Preußen und die minder mächtigen Staaten bezeichnen. Die Aufstellung eines einzigen Individuums würde in solcher Lage der Dinge große, gefährlich verzögernde Schwierigkeiten finden, und der vielleicht aufgefundene Mann eines zusammenstimmenden dreifachen Vertrauens würde gleichsam in seiner Wirksamkeit unvermeidlich mit allen den Mißdeutungen zu kämpfen haben, welche aus der bisherigen Lage unseres Vaterlandes stammen. Man würde in kurzer Frist von seinen Hinneigungen zu irgend einem dieser drei Theile reden. Möge ein baldiges Hineinleben in eine noch einheitlichere Ordnung solche Verdächtigungen für immer auf dem vaterländischen Boden beseitigen; aber einen solchen Zustand vorwegnehmen zu wollen, schien nicht rathsam.

Auch in anderer Weise beachtet der Ihnen vorliegende Plan die bestehenden Verhältnisse, ohne sich ihnen dienstbar zu machen. Ohne Zweifel wird durch ihn die deutsche Bundesversammlung in ihrem bisherigen bedeutsamsten Verhältniß, vielleicht sogar in ihrem Namen bedroht, und es gehörte nicht nothwendig in unsern Plan, den Platz für ihre künftige Wirksamkeit zu ermitteln. Nichts desto weniger ist es unverkennbar, daß das Bundesdirektorium einer steten lebendigen Mittheilung mit den einzelnen Bundesstaaten bedarf, und vermuthlich wird dasselbe in den Abgeordneten der einzelnen Staaten einen für die fortlaufende Kenntniß der inneren Angelegenheiten unseres deutschen Bundesstaates unentbehrlichen Staatsrath erblicken, dessen Gutachten einzuziehen, mit Ausnahme besonders eiliger Fälle, ihm von Wichtigkeit sein muß.

Es ist ein großes und schwieriges Werk, welches die hohe Versammlung unternimmt, indem sie den Grund zu einer deutschen Centralgewalt legt; wenn aber innere Klarheit und Besonnenheit Ihre Schritte zum rechten staatgemäßen Ziele lenken, wird der Dank des von langem Zwist der Interessen genesenen Vaterlandes Ihr Bemühen lohnen.

Nachschrift.
*Köln, 26. Juni.

Man theilt uns aus dem Briefe eines Abgeordneten von Berlin mit, daß dem Herrn Esser I. das Justizministerium angetragen, von ihm jedoch ausgeschlagen worden sei. Dies Ministerium sei darauf dem Herrn Polizeidirektor Müller angeboten worden. Man sieht, wir kommen immer tiefer in die unbekannten Größen, in deren Bereich wir mit Herrn Schleinitz so eben eingetreten sind.

(Siehe den Verfolg in der Beilage.)
Dieser Antrag, auf welchen im Laufe der Debatte noch mehrfach hingewiesen werden wird, lautet: Die konstitutionelle Nationalversammlung beschließe: 1) Sie wählt mit absoluter Stimmenmehrheit eines ihrer Mitglieder zum Vorsitzenden eines Vollziehungsausschusses. 2) Dieser Vorsitzende gesellt sich nach freier Wahl vier Genossen zu, die gemeinschaftlich mit ihm den Vollziehungsausschuß bilden. 3) Dieser Vollziehungsausschuß hat die Beschlüsse der Nationalversammlung auszuführen und die Vertretung Deutschlands nach Außen zu übernehmen. 4) Derselbe ist der Nationalversammlung verantwortlich, und muß sich zurückziehen, wenn die Mehrheit der Versammlung gegen ihn ist. 5) Die Nationalversammlung wählt in diesem Falle einen andern Vorsitzenden, welcher einen neuen Vollziehungsausschuß, wie oben angegeben, zusammensetzt. 6) Der Vollziehungsausschuß vertheilt die verschiedenen Geschäftszweige unter seinen Mitgliedern nach eigener Wahl. 7) Dieser Vollziehungsausschuß besteht so lange, bis die deutsche Bundesgewalt durch die Nationalversammlung bestimmt und eingesetzt ist.

Gegensatz zu dem Gesammtstaate. Damit nicht das Werk in die Hände der ré ublique une et indivisible falle, stimmt der Redner für den Antrag. (Bewegung in verschiedenem Sinne. Pfeifen von der Gallerie.) Der Präsident: Es ist eine große Ungezogenheit begangen worden; Pfeifen ist ein Bubenstreich; wenn ich wüßte, von wem es geschehen, würde ich ihn hinausführen lassen. ‒ Mammen erklärt sich gegen ein Triumvirat, weil dasselbe Zwietracht selbst unter den einzelnen Stämmen und Staaten erzeugen würde. Er glaubt unbedingt, daß die Nationalversammlung die Centralgewalt wählen müsse, weil sie sonst die Souveränität, die durch Annahme des Raveaux'schen (Werner'schen) Antrags offen erklärt worden, wieder aufgeben müßte. Er ist für den Antrag von Blum und Trützschler , und glaubt nicht, daß sämmtliche Regierungen bereits mit dem altem System gebrochen haben. Wesendonck: Die Versammlung sei nicht hier, um eine Verfassung für einzelne Staaten zu berathen, sondern die Verfassung von ganz Deutschland als Bundesstaat. Sie habe sich daher auch nicht darum zu kümmern, ob die Mehrheit der einzelnen Staaten die Republik, oder die konstitutionelle Monarchie wolle. Man stehe hier nicht auf dem Boden der konstitutionellen Monarchie, sondern man habe etwas ganz Neues zu schaffen. Er glaube nicht, daß es dem Gesammtwillen des Volks entsprechen würde, wenn man über die 34 konstitutionellen Fürstenhäuser noch ein konstitutionelles Kaiserthum stellen wollte. Darum solle man an dem festhalten, was der Natur der Dinge nach das Einfachste, Zweckmäßigste und Wohlfeilste sei. Die Einzelstaaten wären durch eine solche republikanische Spitze gar nicht gefährdet. Nur Wenige hier seien für eine république une et indivisible. Etwas Anderes aber sei es, ob nicht die Verfassung des Ganzen republikanisch sein und in den Einzelstaaten je nach dem Willen der Mehrheit des Volks Republik oder konstitutionelle Monarchie bestehen solle. Es sei also nicht die Aufgabe, wie der Redner vor ihm geäußert, die provisorische Centralgewalt der definitiven möglichst nahe zu bringen, vielmehr müsse sie so unpräjudiziell wie möglich eingerichtet werden, wo es sich hauptsächlich davon handle, Deutschland nach Außen Kraft zu verleihen. Sie durch die Regierungen ernennen zu lassen und als unverantwortlich hinzustellen, wäre bereits ein bedeutendes Präjudiz für das konstitutionelle Kaiserthum. Die Centralgewalt könne nur von der Nationalversammlung und aus ihrer Mitte ernannt werden und ihr verantwortlich sein; nur dadurch werde das Prinzip der Volkssouveränität gerettet. Den Ausschußantrag findet der Redner unklar, ohne bestimmtes Prinzip. Die Bezeichnung „Bundesdirektorium“ beweise, daß man den Bundestag neben der Centralgewalt beibehalten wolle. Der Ausschuß habe den Bundestag mit Glacé-Handschuhen angegriffen; er hätte sagen sollen: der Bundestag ist aufgehoben. Wozu zwei Centralbehörden neben einander? Wozu einen solchen Staatsrath? In Frankreich habe Guizot ihn hergestellt, um die Reaktion zu begünstigen und abgedankte Minister zu placiren; wir aber könnten solche abgenutzte Männer nicht brauchen. Man wolle ein Direktorium aus Mitgliedern der regierenden Häuser; dies beweise die dem Direktorium beigelegte Unverantwortlichkeit. Damit würden wir aber das Vertrauen des Volks nicht rechtfertigen. Außer einigen kleineren Regierungen besitze fast keine einzige das Vertrauen des Volkes. Der Redner macht dann auf die Schwierigkeiten der vorgeschlagenen Wahl aufmerksam. Die National-Versammlung solle die ihr bezeichneten Männer blindlings annehmen, wenn sie sie aber zurückweise, würde ein Bruch zwischen den Regierungen und der National-Versammlung daraus entstehen. Es sei in dem Ausschußantrage nicht gesagt, daß die Centralgewalt die Beschlüsse der Nationalversammlung zu vollziehen habe, also wäre sie nur ein Organ der Regierungen. In dem Beschlusse über die Marine habe die Versammlung ausdrücklich erklärt, daß die künftige Centralgewalt ihr verantwortlich sein solle. Die Linke habe nur unter dieser Voraussetzung dem Beschlusse beigestimmt, und von diesem Prinzip dürfe man nicht mehr abgehen. Bassermann: Welchen Antrag man auch immer annehme, in jedem Fall würden die Mitglieder der Centralgewalt der Mehrheit dieses Hauses entsprechen müssen. Nach dem Antrag von Blum und Trützschler aber würde die Nationalversammlung regieren, und der Vollziehungsausschuß nur ein Complex von Beamten sein, die ihren Willen zu vollziehen hätten. Der Redner will an einem Beispiele beweisen, wie unpraktisch dies wäre. Wenn die Nachricht einträfe, daß Triest von einem Bombardement bedroht sei, sollte da die Sache erst in einer Versammlung von 600 Mitgliedern berathen, an die Abtheilungen verwiesen, ein Ausschuß ernannt, vielleicht namentliche Abstimmung vorgenommen werden? Unterdessen könnte Triest in Asche liegen. „Wir müssen eine Regierung haben, die regiert, während wir die Verfassung berathen, mit Ministern, die zwar in Ihrem Geiste und Sinne handeln, die aber nicht erst zu fragen haben, wenn sie eine dringende Maßregel ergreifen müssen, die aber verantwortlich bleiben, die wie einst Canning vor das Parlament treten, und erklären: Dies und jenes Regiment habe ich auf meine Verantwortlichkeit marschiren, diese und jene Linienschiffe auslaufen lassen. Solche Minister müssen wir in solchen Zeiten haben.“ Der Redner findet es gleichgültig, ob der Bundestag die verantwortlichen Minister ernennt, ob die Centralgewalt aus 2 oder 3 Mitglieder besteht. Den Engländern sei es gleichgültig, ob Victoria oder Wilhelm regiere; Peel oder Russel seien es, die den Staat repräsentirten. Er fragt, ob das Mißtrauen gegen den jetzigen Bundestag gerechtfertigt sei, in welchem 17 Männer seit 3 Monaten das Gegentheil von dem thäten, was 17 andere 30 Jahre gethan, in welchem ein Jordan sitze; ob jene Darmstädter Regierung noch dieselbe sei, an deren Spitze vor Kurzem ein Mann gestellt worden, den der Volkswille dorthin gebracht, und den diese Versammlung fast einstimmig zu ihrem Vorsitzenden gewählt habe. Man möge sich nicht an Namen hängen. Er werde seine individuelle Ansicht über Eenzelnes gern der Majorität unterwerfen; aber die Crntralgewalt müsse stark sein, und das Recht über Krieg und Frieden haben. Man spreche von Volkssouveränetät; allein die Begriffe davon seien sehr verschieden. Man möge auf Belgien blicken, das bei seiner konstitutionellen Monarchie sich wohl befinde, und unter den jetzigen Stürmen allein unerschüttert geblieben sey. In England spreche man nicht so viel von Volkssouveränetät, aber der Engländer, der sich an den fernsten Küsten geschützt sehe, fühle, daß die Majestät des Volks über ihm wache. Frankreich, wo der fleißige Arbeiter jetzt Millionen für Nationalwerkstätten opfern müsse, könne fast sagen, es habe 80,000 Souveräne; die Regierung müsse vor einem jungen Manne zittern, der sich schon zweimal vor Europa blamirt habe. Ein Haus, in welchem Deutschland Kraft und Einheit finde, sei besser, als aller Prinzipienstreit. Man habe hier nicht tabula rása, sondern gegebene Verhältnisse; es gelte zu reformiren, nicht zu revolutioniren. Die Regierungen repräsentirten jetzt überall den souverainen Willen des Volkes; überall ständen an der Spitze die Antipoden Derer, die gestürzt worden. Wenn auch Leidenschaft jetzt die Besten verdächtige, werde die Zukunft anders richten, und es uns danken, daß wir ihnen die Theilnahme an dem großen Werke gegönnt. Ein Vollziehungsausschuß, wie Blum und Trützschler vorgeschlagen, würde weder einen Soldaten noch einen Kreuzer besitzen; er müßte, wenn die Regierungen seinen Beschlüssen Gehorsam verweigerten, an den Umsturz appelliren, die Regierungen stürzen, Freischaaren bilden. Wenn die Freiheit über das Maaß hinausgehe, dann bilde sich in den Gemüthern eine stille Reaktion. Diese sei die Ursache, daß in Frankreich auf die Republik der Despotismus eines Napoleon gefolgt, daß unsern deutschen Spießbürgern so lange Zeit die Freiheit mit der Guillotine gleichbedeutend gewesen, daß das Hambacherfest die Reaktion von 1833 ‒ 44 im Gefolge gehabt habe. Diejenigen, die vor einem solchen Ueberschlagen der Wellen warnten, thäten mehr für die wahre Freiheit, als Diejenigen, die stäts die Volkssouverainetät im Munde führten. Durch eine kräftige Centralgewalt schließe sich der Abgrund, erstehe wieder ein Anfang von Wohlstand, Einheit und Kraft. Man möge mehr auf die Sache sehen, als auf Worte, und nicht um Prinzipien streiten, wo es gelte, das Vaterland zu retten. Bothmer ist für den Ausschußantrag. Leue hält bei dem jetzigen Bildungsstand und der geringen Erfahrung, die wir in der Freiheit gemacht, Kronen und Fürsten noch für ein nothwendiges Uebel. Er will die Exekutivgewalt möglichst stark, darum nur aus Einem (als Präsident) bestehend, aber, besonders wegen eines möglichen Krieges, von der Nationalversammlung gewählt und ihr verantwortlich. Wäre eine Regierung kühn genug, die Beschlüsse der Versammlung nicht vollziehen zu wollen, so wäre das Schlimmste, was daraus entstehen könnte, der Bürgerkrieg. (Bewegung.) Dieses Aeußerste werde aber nicht eintreten. Wenn die Nationalversammlung für ihre Beschlüsse die öffentliche Meinung habe, welche Regierung, welcher König werde es da wohl wagen, auf ein paar Soldaten gestützt, sich ihr widersetzen zu wollen? Duncker findet es unpolitisch, die Träger des überwundenen Systems ganz zu Boden zu stürzen; man möge sie vielmehr in die Bewegung hineinziehen, und dadurch die Reaktion abschneiden. Weil man das Volk despotisirte, sollen wir wieder despotisiren? Das hieße bei vielen Stämmen energischen Widerstand hervorrufen und eine Reaktion des Partikularismus herbeiführen. Wenn die Nationalversammlung die von den Regierungen bezeichneten Männer genehmige, so sei das so gut, als wenn sie sie selbst ernenne und die neue Gewalt schaffe; eine Diskussion über die Männer sei nicht nöthig. In diesem Augenblick seien Drei eine bessere Einheit als Einer, weil durch sie die Interessen der 3 Großtheile Deutschlands gewahrt werden könnten. Eine republikanische Spitze mit Monarchie unter ihr scheint ihm eine Contradictio in adjecto. „Gehen wir ‒ so schließt er ‒ nicht auf die Wege des Konvents ein; bauen wir unter Mitwirkung der Regierungen unserm Volke ein festes Haus der Einheit und Freiheit.“

Bericht

des Ausschusses der konstituirenden Nationalversammlung wegen

Errichtung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland.

Berichterstatter: Dahlmann.

(Schluß.)

Von der anderen Seite werden aber auch die Bundesregierungen vor jedem gefährlichen Uebergriffe der Bundesdirektoren sicher gestellt, und zwar zunächst durch die beschränkte Dauer ihrer Gewalt; denn diese nimmt mit der Vollendung der Reichsverfassung und ihrem Eintritt in das Leben durch die vollbrachte Einsetzung der künftigen deutschen Reichsregierung, augenblicklich ein Ende. Aber auch in anderer Beziehung kann diese Einrichtung den bestehenden deutschen Regierungen keine Sorge einflößen, da sie, weit entfernt, in die besondern Kreise derselben störend einzugreifen, vielmehr ihre Erfolge sicher stellt durch Bekämpfung jeder anarchischen Gewalt, welche in den einzelnen Bundesgebieten dem Ziele wahrer Freiheit störend entgegen treten möchte. Endlich drittens stammt ja der Gedanke dieser ganzen Einrichtung aus einem von den deutschen Regierungen eben so tief als vom deutschen Volke empfundenen Bedürfnisse größerer Einheitskraft her; die zu ernennenden drei Männer sind die Männer ihres eigenen Vertrauens, sie gehören durch Pflicht und Treue und durch mannigfache Bande der Zuneigung Jeder seinem Staate, und vielleicht sogar (denn jeder Weg der Bezeichnung bleibt offen) den regierenden Häusern als Mitglied an. Alle diese Erwägungen lassen den Gedanken an einen Mißbrauch der provisorisch übertragenen Gewalt zum Nachtheile der bestehenden Regierungen an sich nicht aufkommen. Ueberdies aber wird diese hohe Versammlung darauf wachen, daß den jungen Boden deutscher Freiheit die gesetzliche Ordnung fest umhege, indem sie die Verantwortlichkeit der Minister in vollstem Maße zur Anwendung bringt.

Der wahre Zweck aber jeder weisen Staatseinrichtung ist das Wohl des Volks, und wer auch die Rechte der Erbregierung noch so hoch hält, weil er in ihnen die Sicherstellung des Volkswohles erblickt, darf dieselben doch so weit nicht ausdehnen wollen, daß er den erblichen Regierungen auch das Recht beilegte, ihre Befugnisse beliebig anders wohin zu übertragen. Eine solche Uebertragung von Regierungsrechten gibt es aber hier, wenn ein Bundesdirektorium eingesetzt wird, immerhin nur auf vielleicht wenige Monate gleichwohl unvermeidlich durch einen Akt der Regierungs-Uebertragung. Darum konnte Ihr Ausschuß nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, daß diese Uebertragung unter Zustimmung der Nationalversammlung geschehen müsse. Lediglich die dabei zu beobachtende Form konnte Bedenken erregen. Wo es auf Personen ankommt, denen eine so hohe Stellung zugedacht ist und die darum der Nationalversammlung gegenüber als unverantwortlich dastehen müssen, thut eine jede Diskussion über ihren Charakter und das Maß ihrer Verdienste in öffentlicher Versammlung dem Zwecke der Unantastbarkeit ihrer Stellung unvermeidlichen Eintrag. Der Ausschuß glaubte eine Weile der hohen Versammlung vorschlagen zu dürfen, sie möge ihr Recht für diesen Fall in die Hände eines Ausschusses von dreißig Personen niederlegen, der zu dem Ende aus Ihrer Mitte gewählt würde. Diese Dreißig würden über die von den Regierungen bezeichneten Personen diskutiren, aber nicht öffentlich, insoweit ein Geheimniß unter solcher Zahl zu bewahren steht. Unser Ausschuß entschied sich am Ende dahin, das Recht der ganzen Nationalversammlung ungeschmälert aufrecht zu erhalten, jedoch die hohe Versammlung zugleich zu ersuchen, ihr Recht der Genehmigung oder Nichtgenehmigung in diesem Ausnahmsfalle auf dem Wege der einfachen Abstimmung ohne vorhergehende Diskussion üben zu wollen.

Gelingt auf solchem Wege die Vereinbarung, wozu bei einem Entgegenkommen der Regierungen alle Hoffnung ist, so wird die Nationalversammlung fortan sich mit verdoppeltem Vertrauen ihrem hohen Werke der Konstituirung Deutschlands widmen können; denn durch die Thätigkeit des Bundesdirektoriums über die allgemeinen Verhältnisse des Vaterlandes beruhigt, wird sie minder Störung in ihrer Hauptaufgabe erfahren. An dem Verfassungswerke nimmt das Bundesdirektorium keinen Antheil und die Stellung der Nationalversammlung den Bundesregierungen gegenüber bleibt in diesem Betracht unverändert. Sollte es sich aber von den wichtigsten Staatsinteressen, von Verträgen mit auswärtigen Mächten oder vollends von Krieg und Frieden handeln, so liegt dem Bundesdirektorium ob, sich, bevor es beschließt durch seine Minister des Einverständnisses der Nat.-Versammlung zu versichern.

Es ist diesem System, welchem die Mehrheit Ihres Ausschusses sich anschließt, manchmal seine Verzweigtheit zum Vorwurfe gemacht, weil es nämlich schon jetzt Minister und Gesandte fordert, die sich, meint man, allein für schon schließlich festgestellte, nicht für blos provisorische Verhältnisse passen sollen. Allein die großen Verhältnisse der Geschichte richten sich nach keinem deutschen Provisorium, und um nur Eines hervorzuheben, schwerlich hätte in der neuerlichen Diskussion über Schleswig-Holstein und den dänischen Krieg eine getheilte Meinung in Bezug auf die Ratifikation des Friedens von Seiten der Nationalversammlung auftauchen können, hätte Deutschland schon jetzt seine auswärtigen Gesandten. Auch ist es wohl kein Vorwurf gegen das erwählte System, wenn man ihm nachsagen muß, daß es in die bevorstehende, nothwendige einheitlichere Ordnung der deutschen Dinge bereits sich hineinlebe. Denn ächte Staatsweisheit gebietet, alle jähen Sprünge in den staatlichen Dingen möglichst zu vermeiden. Mit um so mehr Vertrauen empfiehlt Ihnen der Ausschuß dieses System, weil es den Forderungen der Gegenwart entspricht, und zugleich die Einleitung bildet in eine hoffentlich gehobenere Zukunft unsres Vaterlandes.

Ihr Ausschuß empfiehlt Ihnen, die Annahme folgender 8 Punkte zu beschließen, über welche die Majorität, bestehend aus den Mitgliedern Claussen, Dahlmann, Duncker, v. Gagern, v. Mayern, v. Raumer, v. Saucken, Wippermann, v. Würth, v. Zenetti, übereingekommen ist.

Die Nationalversammlung beschließt:

1) Bis zur definitiven Begründung einer Regierungsgewalt für Deutschland soll ein Bundesdirektorium zur Ausübung dieser obersten Gewalt in allen gemeinsamen Angelegenheiten der deutschen Nation bestellt werden.
2) Dasselbe soll aus 3 Männern bestehen, welche von den deutschen Regierungen bezeichnet und nachdem die Nationalversammlung ihre zustimmende Erklärung durch eine einfache Abstimmung ohne Diskussion abgegeben haben wird, von denselben ernannt werden.
3) Das Bundesdirektorium hat provisorisch
a. die vollziehende Gewalt zu üben in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaats betreffen;
b. die Oberleitung des gesammten Heerwesens zu übernehmen und namentlich den Oberfeldherrn der Bundestruppen zu ernennen;
c. die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands auszuüben und zu diesem Ende Gesandte und Konsuln zu ernennen.
4) Ueber Krieg und Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt das Bundesdirektorium im Einverständniß mit der Nationalversammlung.
5) Die Errichtung des Verfassungswerkes bleibt von der Wirksamkeit des Bundesdirektoriums ausgeschlossen.
6) Das Bundesdirektorium übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus. Alle Anordnungen derselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers.
7) Die Minister haben das Recht, den Berathungen der Nationalversammlung beizuwohnen und von derselben jederzeit gehört zu werden; sie haben jedoch das Stimmrecht in der Nationalversammlung nur dann, wenn sie als Mitglieder derselben gewählt sind. Dagegen ist die Stellung eines Mitgliedes des Bundesdirektoriums mit der eines Abgeordneten zur Nationalversammlung unvereinbar.
8) Sobald das Verfassungswerk für Deutschland vollendet und in Ausführung gebracht ist, hört die Thätigkeit des Direktoriums und seiner Minister auf.

Der Plan, wie er Ihnen hiermit vorliegt, macht keinen Anspruch auf Idealität, es bilden sich vielmehr in ihm die konkreten Verhältnisse Deutschlands getreulich ab. Die Aufstellung eines einzigen Bundesdirektors, oder Reichsverwesers, würde den Ansprüchen der Theorie mehr genügt, schwerlich aber den Anforderungen der Gegenwart entsprochen haben. Wie es bis dahin steht, theilen nun einmal die streitenden Interessen unser Deutschland in drei große politische Massen, die wir als Oestreich, Preußen und die minder mächtigen Staaten bezeichnen. Die Aufstellung eines einzigen Individuums würde in solcher Lage der Dinge große, gefährlich verzögernde Schwierigkeiten finden, und der vielleicht aufgefundene Mann eines zusammenstimmenden dreifachen Vertrauens würde gleichsam in seiner Wirksamkeit unvermeidlich mit allen den Mißdeutungen zu kämpfen haben, welche aus der bisherigen Lage unseres Vaterlandes stammen. Man würde in kurzer Frist von seinen Hinneigungen zu irgend einem dieser drei Theile reden. Möge ein baldiges Hineinleben in eine noch einheitlichere Ordnung solche Verdächtigungen für immer auf dem vaterländischen Boden beseitigen; aber einen solchen Zustand vorwegnehmen zu wollen, schien nicht rathsam.

Auch in anderer Weise beachtet der Ihnen vorliegende Plan die bestehenden Verhältnisse, ohne sich ihnen dienstbar zu machen. Ohne Zweifel wird durch ihn die deutsche Bundesversammlung in ihrem bisherigen bedeutsamsten Verhältniß, vielleicht sogar in ihrem Namen bedroht, und es gehörte nicht nothwendig in unsern Plan, den Platz für ihre künftige Wirksamkeit zu ermitteln. Nichts desto weniger ist es unverkennbar, daß das Bundesdirektorium einer steten lebendigen Mittheilung mit den einzelnen Bundesstaaten bedarf, und vermuthlich wird dasselbe in den Abgeordneten der einzelnen Staaten einen für die fortlaufende Kenntniß der inneren Angelegenheiten unseres deutschen Bundesstaates unentbehrlichen Staatsrath erblicken, dessen Gutachten einzuziehen, mit Ausnahme besonders eiliger Fälle, ihm von Wichtigkeit sein muß.

Es ist ein großes und schwieriges Werk, welches die hohe Versammlung unternimmt, indem sie den Grund zu einer deutschen Centralgewalt legt; wenn aber innere Klarheit und Besonnenheit Ihre Schritte zum rechten staatgemäßen Ziele lenken, wird der Dank des von langem Zwist der Interessen genesenen Vaterlandes Ihr Bemühen lohnen.

Nachschrift.
*Köln, 26. Juni.

Man theilt uns aus dem Briefe eines Abgeordneten von Berlin mit, daß dem Herrn Esser I. das Justizministerium angetragen, von ihm jedoch ausgeschlagen worden sei. Dies Ministerium sei darauf dem Herrn Polizeidirektor Müller angeboten worden. Man sieht, wir kommen immer tiefer in die unbekannten Größen, in deren Bereich wir mit Herrn Schleinitz so eben eingetreten sind.

(Siehe den Verfolg in der Beilage.)
Dieser Antrag, auf welchen im Laufe der Debatte noch mehrfach hingewiesen werden wird, lautet: Die konstitutionelle Nationalversammlung beschließe: 1) Sie wählt mit absoluter Stimmenmehrheit eines ihrer Mitglieder zum Vorsitzenden eines Vollziehungsausschusses. 2) Dieser Vorsitzende gesellt sich nach freier Wahl vier Genossen zu, die gemeinschaftlich mit ihm den Vollziehungsausschuß bilden. 3) Dieser Vollziehungsausschuß hat die Beschlüsse der Nationalversammlung auszuführen und die Vertretung Deutschlands nach Außen zu übernehmen. 4) Derselbe ist der Nationalversammlung verantwortlich, und muß sich zurückziehen, wenn die Mehrheit der Versammlung gegen ihn ist. 5) Die Nationalversammlung wählt in diesem Falle einen andern Vorsitzenden, welcher einen neuen Vollziehungsausschuß, wie oben angegeben, zusammensetzt. 6) Der Vollziehungsausschuß vertheilt die verschiedenen Geschäftszweige unter seinen Mitgliedern nach eigener Wahl. 7) Dieser Vollziehungsausschuß besteht so lange, bis die deutsche Bundesgewalt durch die Nationalversammlung bestimmt und eingesetzt ist.
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Gegensatz zu dem                         Gesammtstaate. Damit nicht das Werk in die Hände der ré ublique une et                         indivisible falle, stimmt der Redner für den Antrag. (Bewegung in                         verschiedenem Sinne. Pfeifen von der Gallerie.) Der <hi rendition="#g">Präsident:</hi> Es ist eine große Ungezogenheit begangen worden;                         Pfeifen ist ein Bubenstreich; wenn ich wüßte, von wem es geschehen, würde                         ich ihn hinausführen lassen. &#x2012; Mammen erklärt sich gegen ein Triumvirat,                         weil dasselbe Zwietracht selbst unter den einzelnen Stämmen und Staaten                         erzeugen würde. Er glaubt unbedingt, daß die Nationalversammlung die                         Centralgewalt wählen müsse, weil sie sonst die Souveränität, die durch                         Annahme des Raveaux'schen (Werner'schen) Antrags offen erklärt worden,                         wieder aufgeben müßte. Er ist für den Antrag von Blum und Trützschler <note place="foot">Dieser Antrag, auf welchen im Laufe der Debatte noch                             mehrfach hingewiesen werden wird, lautet: Die konstitutionelle                             Nationalversammlung beschließe: 1) Sie wählt mit absoluter                             Stimmenmehrheit eines ihrer Mitglieder zum Vorsitzenden eines                             Vollziehungsausschusses. 2) Dieser Vorsitzende gesellt sich nach freier                             Wahl vier Genossen zu, die gemeinschaftlich mit ihm den                             Vollziehungsausschuß bilden. 3) Dieser Vollziehungsausschuß hat die                             Beschlüsse der Nationalversammlung auszuführen und die Vertretung                             Deutschlands nach Außen zu übernehmen. 4) Derselbe ist der                             Nationalversammlung verantwortlich, und muß sich zurückziehen, wenn die                             Mehrheit der Versammlung gegen ihn ist. 5) Die Nationalversammlung wählt                             in diesem Falle einen andern Vorsitzenden, welcher einen neuen                             Vollziehungsausschuß, wie oben angegeben, zusammensetzt. 6) Der                             Vollziehungsausschuß vertheilt die verschiedenen Geschäftszweige unter                             seinen Mitgliedern nach eigener Wahl. 7) Dieser Vollziehungsausschuß                             besteht so lange, bis die deutsche Bundesgewalt durch die                             Nationalversammlung bestimmt und eingesetzt ist.</note>, und glaubt                         nicht, daß sämmtliche Regierungen bereits mit dem altem System gebrochen                         haben. <hi rendition="#g">Wesendonck:</hi> Die Versammlung sei nicht hier,                         um eine Verfassung für einzelne Staaten zu berathen, sondern die Verfassung                         von ganz Deutschland als Bundesstaat. Sie habe sich daher auch nicht darum                         zu kümmern, ob die Mehrheit der einzelnen Staaten die Republik, oder die                         konstitutionelle Monarchie wolle. Man stehe hier nicht auf dem Boden der                         konstitutionellen Monarchie, sondern man habe etwas ganz Neues zu schaffen.                         Er glaube nicht, daß es dem Gesammtwillen des Volks entsprechen würde, wenn                         man über die 34 konstitutionellen Fürstenhäuser noch ein konstitutionelles                         Kaiserthum stellen wollte. Darum solle man an dem festhalten, was der Natur                         der Dinge nach das Einfachste, Zweckmäßigste und Wohlfeilste sei. Die                         Einzelstaaten wären durch eine solche republikanische Spitze gar nicht                         gefährdet. Nur Wenige hier seien für eine république une et indivisible.                         Etwas Anderes aber sei es, ob nicht die Verfassung des Ganzen republikanisch                         sein und in den Einzelstaaten je nach dem Willen der Mehrheit des Volks                         Republik oder konstitutionelle Monarchie bestehen solle. Es sei also nicht                         die Aufgabe, wie der Redner vor ihm geäußert, die provisorische                         Centralgewalt der definitiven möglichst nahe zu bringen, vielmehr müsse sie                         so unpräjudiziell wie möglich eingerichtet werden, wo es sich hauptsächlich                         davon handle, Deutschland nach Außen Kraft zu verleihen. Sie durch die                         Regierungen ernennen zu lassen und als unverantwortlich hinzustellen, wäre                         bereits ein bedeutendes Präjudiz für das konstitutionelle Kaiserthum. Die                         Centralgewalt könne nur von der Nationalversammlung und aus ihrer Mitte                         ernannt werden und ihr verantwortlich sein; nur dadurch werde das Prinzip                         der Volkssouveränität gerettet. Den Ausschußantrag findet der Redner unklar,                         ohne bestimmtes Prinzip. Die Bezeichnung &#x201E;Bundesdirektorium&#x201C; beweise, daß                         man den Bundestag neben der Centralgewalt beibehalten wolle. Der Ausschuß                         habe den Bundestag mit Glacé-Handschuhen angegriffen; er hätte sagen sollen:                         der Bundestag ist aufgehoben. Wozu zwei Centralbehörden neben einander? Wozu                         einen solchen Staatsrath? In Frankreich habe Guizot ihn hergestellt, um die                         Reaktion zu begünstigen und abgedankte Minister zu placiren; wir aber                         könnten solche abgenutzte Männer nicht brauchen. Man wolle ein Direktorium                         aus Mitgliedern der regierenden Häuser; dies beweise die dem Direktorium                         beigelegte Unverantwortlichkeit. Damit würden wir aber das Vertrauen des                         Volks nicht rechtfertigen. Außer einigen kleineren Regierungen besitze fast                         keine einzige das Vertrauen des Volkes. Der Redner macht dann auf die                         Schwierigkeiten der vorgeschlagenen Wahl aufmerksam. Die                         National-Versammlung solle die ihr bezeichneten Männer blindlings annehmen,                         wenn sie sie aber zurückweise, würde ein Bruch zwischen den Regierungen und                         der National-Versammlung daraus entstehen. Es sei in dem Ausschußantrage                         nicht gesagt, daß die Centralgewalt die Beschlüsse der Nationalversammlung                         zu vollziehen habe, also wäre sie nur ein Organ der Regierungen. In dem                         Beschlusse über die Marine habe die Versammlung ausdrücklich erklärt, daß                         die künftige Centralgewalt ihr verantwortlich sein solle. Die Linke habe nur                         unter dieser Voraussetzung dem Beschlusse beigestimmt, und von diesem                         Prinzip dürfe man nicht mehr abgehen. <hi rendition="#g">Bassermann:</hi> Welchen Antrag man auch immer annehme, in jedem Fall würden die Mitglieder                         der Centralgewalt der Mehrheit dieses Hauses entsprechen müssen. Nach dem                         Antrag von Blum und Trützschler aber würde die Nationalversammlung regieren,                         und der Vollziehungsausschuß nur ein Complex von Beamten sein, die ihren                         Willen zu vollziehen hätten. Der Redner will an einem Beispiele beweisen,                         wie unpraktisch dies wäre. Wenn die Nachricht einträfe, daß Triest von einem                         Bombardement bedroht sei, sollte da die Sache erst in einer Versammlung von                         600 Mitgliedern berathen, an die Abtheilungen verwiesen, ein Ausschuß                         ernannt, vielleicht namentliche Abstimmung vorgenommen werden? Unterdessen                         könnte Triest in Asche liegen. &#x201E;Wir müssen eine Regierung haben, die                         regiert, während wir die Verfassung berathen, mit Ministern, die zwar in                         Ihrem Geiste und Sinne handeln, die aber nicht erst zu fragen haben, wenn                         sie eine dringende Maßregel ergreifen müssen, die aber verantwortlich                         bleiben, die wie einst Canning vor das Parlament treten, und erklären: Dies                         und jenes Regiment habe ich auf meine Verantwortlichkeit marschiren, diese                         und jene Linienschiffe auslaufen lassen. Solche Minister müssen wir in                         solchen Zeiten haben.&#x201C; Der Redner findet es gleichgültig, ob der Bundestag                         die verantwortlichen Minister ernennt, ob die Centralgewalt aus 2 oder 3                         Mitglieder besteht. Den Engländern sei es gleichgültig, ob Victoria oder                         Wilhelm regiere; Peel oder Russel seien es, die den Staat repräsentirten. Er                         fragt, ob das Mißtrauen gegen den jetzigen Bundestag gerechtfertigt sei, in                         welchem 17 Männer seit 3 Monaten das Gegentheil von dem thäten, was 17                         andere 30 Jahre gethan, in welchem ein Jordan sitze; ob jene Darmstädter                         Regierung noch dieselbe sei, an deren Spitze vor Kurzem ein Mann gestellt                         worden, den der Volkswille dorthin gebracht, und den diese Versammlung fast                         einstimmig zu ihrem Vorsitzenden gewählt habe. Man möge sich nicht an Namen                         hängen. Er werde seine individuelle Ansicht über Eenzelnes gern der                         Majorität unterwerfen; aber die Crntralgewalt müsse stark sein, und das                         Recht über Krieg und Frieden haben. Man spreche von Volkssouveränetät;                         allein die Begriffe davon seien sehr verschieden. Man möge auf Belgien                         blicken, das bei seiner konstitutionellen Monarchie sich wohl befinde, und                         unter den jetzigen Stürmen allein unerschüttert geblieben sey. In England                         spreche man nicht so viel von Volkssouveränetät, aber der Engländer, der                         sich an den fernsten Küsten geschützt sehe, fühle, daß die Majestät des                         Volks über ihm wache. Frankreich, wo der fleißige Arbeiter jetzt Millionen                         für Nationalwerkstätten opfern müsse, könne fast sagen, es habe 80,000                         Souveräne; die Regierung müsse vor einem jungen Manne zittern, der sich                         schon zweimal vor Europa blamirt habe. Ein Haus, in welchem Deutschland                         Kraft und Einheit finde, sei besser, als aller Prinzipienstreit. Man habe                         hier nicht tabula rása, sondern gegebene Verhältnisse; es gelte zu                         reformiren, nicht zu revolutioniren. Die Regierungen repräsentirten jetzt                         überall den souverainen Willen des Volkes; überall ständen an der Spitze die                         Antipoden Derer, die gestürzt worden. Wenn auch Leidenschaft jetzt die                         Besten verdächtige, werde die Zukunft anders richten, und es uns danken, daß                         wir ihnen die Theilnahme an dem großen Werke gegönnt. Ein                         Vollziehungsausschuß, wie Blum und Trützschler vorgeschlagen, würde weder                         einen Soldaten noch einen Kreuzer besitzen; er müßte, wenn die Regierungen                         seinen Beschlüssen Gehorsam verweigerten, an den Umsturz appelliren, die                         Regierungen stürzen, Freischaaren bilden. Wenn die Freiheit über das Maaß                         hinausgehe, dann bilde sich in den Gemüthern eine stille Reaktion. Diese sei                         die Ursache, daß in Frankreich auf die Republik der Despotismus eines                         Napoleon gefolgt, daß unsern deutschen Spießbürgern so lange Zeit die                         Freiheit mit der Guillotine gleichbedeutend gewesen, daß das Hambacherfest                         die Reaktion von 1833 &#x2012; 44 im Gefolge gehabt habe. Diejenigen, die vor einem                         solchen Ueberschlagen der Wellen warnten, thäten mehr für die wahre                         Freiheit, als Diejenigen, die stäts die Volkssouverainetät im Munde führten.                         Durch eine kräftige Centralgewalt schließe sich der Abgrund, erstehe wieder                         ein Anfang von Wohlstand, Einheit und Kraft. Man möge mehr auf die Sache                         sehen, als auf Worte, und nicht um Prinzipien streiten, wo es gelte, das                         Vaterland zu retten. <hi rendition="#g">Bothmer</hi> ist für den                         Ausschußantrag. <hi rendition="#g">Leue</hi> hält bei dem jetzigen                         Bildungsstand und der geringen Erfahrung, die wir in der Freiheit gemacht,                         Kronen und Fürsten noch für ein nothwendiges Uebel. Er will die                         Exekutivgewalt möglichst stark, darum nur aus Einem (als Präsident)                         bestehend, aber, besonders wegen eines möglichen Krieges, von der                         Nationalversammlung gewählt und ihr verantwortlich. Wäre eine Regierung kühn                         genug, die Beschlüsse der Versammlung nicht vollziehen zu wollen, so wäre                         das Schlimmste, was daraus entstehen könnte, der Bürgerkrieg. (Bewegung.)                         Dieses Aeußerste werde aber nicht eintreten. Wenn die Nationalversammlung                         für ihre Beschlüsse die öffentliche Meinung habe, welche Regierung, welcher                         König werde es da wohl wagen, auf ein paar Soldaten gestützt, sich ihr                         widersetzen zu wollen? <hi rendition="#g">Duncker</hi> findet es                         unpolitisch, die Träger des überwundenen Systems ganz zu Boden zu stürzen;                         man möge sie vielmehr in die Bewegung hineinziehen, und dadurch die Reaktion                         abschneiden. Weil man das Volk despotisirte, sollen wir wieder despotisiren?                         Das hieße bei vielen Stämmen energischen Widerstand hervorrufen und eine                         Reaktion des Partikularismus herbeiführen. Wenn die Nationalversammlung die                         von den Regierungen bezeichneten Männer genehmige, so sei das so gut, als                         wenn sie sie selbst ernenne und die neue Gewalt schaffe; eine Diskussion                         über die Männer sei nicht nöthig. In diesem Augenblick seien Drei eine                         bessere Einheit als Einer, weil durch sie die Interessen der 3 Großtheile                         Deutschlands gewahrt werden könnten. Eine republikanische Spitze mit                         Monarchie unter ihr scheint ihm eine Contradictio in adjecto. &#x201E;Gehen wir &#x2012;                         so schließt er &#x2012; nicht auf die Wege des Konvents ein; bauen wir unter                         Mitwirkung der Regierungen unserm Volke ein festes Haus der Einheit und                         Freiheit.&#x201C;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar022_012" type="jArticle">
          <head>Bericht</head>
          <p>des Ausschusses der konstituirenden Nationalversammlung wegen</p>
          <p>Errichtung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland.</p>
          <p>Berichterstatter: <hi rendition="#g">Dahlmann.</hi></p>
          <p>
            <ref type="link">(Schluß.)</ref>
          </p>
          <p>Von der anderen Seite werden aber auch die Bundesregierungen vor jedem                         gefährlichen Uebergriffe der Bundesdirektoren sicher gestellt, und zwar                         zunächst durch die beschränkte Dauer ihrer Gewalt; denn diese nimmt mit der                         Vollendung der Reichsverfassung und ihrem Eintritt in das Leben durch die                         vollbrachte Einsetzung der künftigen deutschen Reichsregierung,                         augenblicklich ein Ende. Aber auch in anderer Beziehung kann diese                         Einrichtung den bestehenden deutschen Regierungen keine Sorge einflößen, da                         sie, weit entfernt, in die besondern Kreise derselben störend einzugreifen,                         vielmehr ihre Erfolge sicher stellt durch Bekämpfung jeder anarchischen                         Gewalt, welche in den einzelnen Bundesgebieten dem Ziele wahrer Freiheit                         störend entgegen treten möchte. Endlich drittens stammt ja der Gedanke                         dieser ganzen Einrichtung aus einem von den deutschen Regierungen eben so                         tief als vom deutschen Volke empfundenen Bedürfnisse größerer Einheitskraft                         her; die zu ernennenden drei Männer sind die Männer ihres eigenen                         Vertrauens, sie gehören durch Pflicht und Treue und durch mannigfache Bande                         der Zuneigung Jeder seinem Staate, und vielleicht sogar (denn jeder Weg der                         Bezeichnung bleibt offen) den regierenden Häusern als Mitglied an. Alle                         diese Erwägungen lassen den Gedanken an einen Mißbrauch der provisorisch                         übertragenen Gewalt zum Nachtheile der bestehenden Regierungen an sich nicht                         aufkommen. Ueberdies aber wird diese hohe Versammlung darauf wachen, daß den                         jungen Boden deutscher Freiheit die gesetzliche Ordnung fest umhege, indem                         sie die Verantwortlichkeit der Minister in vollstem Maße zur Anwendung                         bringt.</p>
          <p>Der wahre Zweck aber jeder weisen Staatseinrichtung ist das Wohl des Volks,                         und wer auch die Rechte der Erbregierung noch so hoch hält, weil er in ihnen                         die Sicherstellung des Volkswohles erblickt, darf dieselben doch so weit                         nicht ausdehnen wollen, daß er den erblichen Regierungen auch das Recht                         beilegte, ihre Befugnisse beliebig anders wohin zu übertragen. Eine solche                         Uebertragung von Regierungsrechten gibt es aber hier, wenn ein                         Bundesdirektorium eingesetzt wird, immerhin nur auf vielleicht wenige Monate                         gleichwohl unvermeidlich durch einen Akt der Regierungs-Uebertragung. Darum                         konnte Ihr Ausschuß nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, daß diese                         Uebertragung unter Zustimmung der Nationalversammlung geschehen müsse.                         Lediglich die dabei zu beobachtende Form konnte Bedenken erregen. Wo es auf                         Personen ankommt, denen eine so hohe Stellung zugedacht ist und die darum                         der Nationalversammlung gegenüber als unverantwortlich dastehen müssen, thut                         eine jede Diskussion über ihren Charakter und das Maß ihrer Verdienste in                         öffentlicher Versammlung dem Zwecke der Unantastbarkeit ihrer Stellung                         unvermeidlichen Eintrag. Der Ausschuß glaubte eine Weile der hohen                         Versammlung vorschlagen zu dürfen, sie möge ihr Recht für diesen Fall in die                         Hände eines Ausschusses von dreißig Personen niederlegen, der zu dem Ende                         aus Ihrer Mitte gewählt würde. Diese Dreißig würden über die von den                         Regierungen bezeichneten Personen diskutiren, aber nicht öffentlich,                         insoweit ein Geheimniß unter solcher Zahl zu bewahren steht. Unser Ausschuß                         entschied sich am Ende dahin, das Recht der ganzen Nationalversammlung                         ungeschmälert aufrecht zu erhalten, jedoch die hohe Versammlung zugleich zu                         ersuchen, ihr Recht der Genehmigung oder Nichtgenehmigung in diesem                         Ausnahmsfalle auf dem Wege der einfachen Abstimmung ohne vorhergehende                         Diskussion üben zu wollen.</p>
          <p>Gelingt auf solchem Wege die Vereinbarung, wozu bei einem Entgegenkommen der                         Regierungen alle Hoffnung ist, so wird die Nationalversammlung fortan sich                         mit verdoppeltem Vertrauen ihrem hohen Werke der Konstituirung Deutschlands                         widmen können; denn durch die Thätigkeit des Bundesdirektoriums über die                         allgemeinen Verhältnisse des Vaterlandes beruhigt, wird sie minder Störung                         in ihrer Hauptaufgabe erfahren. An dem Verfassungswerke nimmt das                         Bundesdirektorium keinen Antheil und die Stellung der Nationalversammlung                         den Bundesregierungen gegenüber bleibt in diesem Betracht unverändert.                         Sollte es sich aber von den wichtigsten Staatsinteressen, von Verträgen mit                         auswärtigen Mächten oder vollends von Krieg und Frieden handeln, so liegt                         dem Bundesdirektorium ob, sich, bevor es beschließt durch seine Minister des                         Einverständnisses der Nat.-Versammlung zu versichern.</p>
          <p>Es ist diesem System, welchem die Mehrheit Ihres Ausschusses sich anschließt,                         manchmal seine Verzweigtheit zum Vorwurfe gemacht, weil es nämlich schon                         jetzt Minister und Gesandte fordert, die sich, meint man, allein für schon                         schließlich festgestellte, nicht für blos provisorische Verhältnisse passen                         sollen. Allein die großen Verhältnisse der Geschichte richten sich nach                         keinem deutschen Provisorium, und um nur Eines hervorzuheben, schwerlich                         hätte in der neuerlichen Diskussion über Schleswig-Holstein und den                         dänischen Krieg eine getheilte Meinung in Bezug auf die Ratifikation des                         Friedens von Seiten der Nationalversammlung auftauchen können, hätte                         Deutschland schon jetzt seine auswärtigen Gesandten. Auch ist es wohl kein                         Vorwurf gegen das erwählte System, wenn man ihm nachsagen muß, daß es in die                         bevorstehende, nothwendige einheitlichere Ordnung der deutschen Dinge                         bereits sich hineinlebe. Denn ächte Staatsweisheit gebietet, alle jähen                         Sprünge in den staatlichen Dingen möglichst zu vermeiden. Mit um so mehr                         Vertrauen empfiehlt Ihnen der Ausschuß dieses System, weil es den                         Forderungen der Gegenwart entspricht, und zugleich die Einleitung bildet in                         eine hoffentlich gehobenere Zukunft unsres Vaterlandes.</p>
          <p>Ihr Ausschuß empfiehlt Ihnen, die Annahme folgender 8 Punkte zu beschließen,                         über welche die Majorität, bestehend aus den Mitgliedern <hi rendition="#g">Claussen, Dahlmann, Duncker, v. Gagern, v. Mayern, v. Raumer, v.                             Saucken, Wippermann, v. Würth, v. Zenetti,</hi> übereingekommen ist.</p>
          <p>Die Nationalversammlung beschließt:</p>
          <p rendition="#et">1) Bis zur definitiven Begründung einer Regierungsgewalt für                         Deutschland soll ein Bundesdirektorium zur Ausübung dieser obersten Gewalt                         in allen gemeinsamen Angelegenheiten der deutschen Nation bestellt                         werden.<lb/>
2) Dasselbe soll aus 3 Männern bestehen, welche von den                         deutschen Regierungen bezeichnet und nachdem die Nationalversammlung ihre                         zustimmende Erklärung durch eine einfache Abstimmung ohne Diskussion                         abgegeben haben wird, von denselben ernannt werden.<lb/>
3) Das                         Bundesdirektorium hat provisorisch<lb/>
a. die vollziehende Gewalt zu üben                         in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des                         deutschen Bundesstaats betreffen;<lb/>
b. die Oberleitung des gesammten                         Heerwesens zu übernehmen und namentlich den Oberfeldherrn der Bundestruppen                         zu ernennen;<lb/>
c. die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands auszuüben                         und zu diesem Ende Gesandte und Konsuln zu ernennen.<lb/>
4) Ueber Krieg und                         Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt das                         Bundesdirektorium im Einverständniß mit der Nationalversammlung.<lb/>
5) Die                         Errichtung des Verfassungswerkes bleibt von der Wirksamkeit des                         Bundesdirektoriums ausgeschlossen.<lb/>
6) Das Bundesdirektorium übt seine                         Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche                         Minister aus. Alle Anordnungen derselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der                         Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers.<lb/>
7) Die                         Minister haben das Recht, den Berathungen der Nationalversammlung                         beizuwohnen und von derselben jederzeit gehört zu werden; sie haben jedoch                         das Stimmrecht in der Nationalversammlung nur dann, wenn sie als Mitglieder                         derselben gewählt sind. Dagegen ist die Stellung eines Mitgliedes des                         Bundesdirektoriums mit der eines Abgeordneten zur Nationalversammlung                         unvereinbar.<lb/>
8) Sobald das Verfassungswerk für Deutschland vollendet                         und in Ausführung gebracht ist, hört die Thätigkeit des Direktoriums und                         seiner Minister auf.</p>
          <p>Der Plan, wie er Ihnen hiermit vorliegt, macht keinen Anspruch auf Idealität,                         es bilden sich vielmehr in ihm die konkreten Verhältnisse Deutschlands                         getreulich ab. Die Aufstellung eines einzigen Bundesdirektors, oder                         Reichsverwesers, würde den Ansprüchen der Theorie mehr genügt, schwerlich                         aber den Anforderungen der Gegenwart entsprochen haben. Wie es bis dahin                         steht, theilen nun einmal die streitenden Interessen unser Deutschland in                         drei große politische Massen, die wir als Oestreich, Preußen und die minder                         mächtigen Staaten bezeichnen. Die Aufstellung eines einzigen Individuums                         würde in solcher Lage der Dinge große, gefährlich verzögernde                         Schwierigkeiten finden, und der vielleicht aufgefundene Mann eines                         zusammenstimmenden dreifachen Vertrauens würde gleichsam in seiner                         Wirksamkeit unvermeidlich mit allen den Mißdeutungen zu kämpfen haben,                         welche aus der bisherigen Lage unseres Vaterlandes stammen. Man würde in                         kurzer Frist von seinen Hinneigungen zu irgend einem dieser drei Theile                         reden. Möge ein baldiges Hineinleben in eine noch einheitlichere Ordnung                         solche Verdächtigungen für immer auf dem vaterländischen Boden beseitigen;                         aber einen solchen Zustand vorwegnehmen zu wollen, schien nicht rathsam.</p>
          <p>Auch in anderer Weise beachtet der Ihnen vorliegende Plan die bestehenden                         Verhältnisse, ohne sich ihnen dienstbar zu machen. Ohne Zweifel wird durch                         ihn die deutsche Bundesversammlung in ihrem bisherigen bedeutsamsten                         Verhältniß, vielleicht sogar in ihrem Namen bedroht, und es gehörte nicht                         nothwendig in unsern Plan, den Platz für ihre künftige Wirksamkeit zu                         ermitteln. Nichts desto weniger ist es unverkennbar, daß das                         Bundesdirektorium einer steten lebendigen Mittheilung mit den einzelnen                         Bundesstaaten bedarf, und vermuthlich wird dasselbe in den Abgeordneten der                         einzelnen Staaten einen für die fortlaufende Kenntniß der inneren                         Angelegenheiten unseres deutschen Bundesstaates unentbehrlichen Staatsrath                         erblicken, dessen Gutachten einzuziehen, mit Ausnahme besonders eiliger                         Fälle, ihm von Wichtigkeit sein muß.</p>
          <p>Es ist ein großes und schwieriges Werk, welches die hohe Versammlung                         unternimmt, indem sie den Grund zu einer deutschen Centralgewalt legt; wenn                         aber innere Klarheit und Besonnenheit Ihre Schritte zum rechten staatgemäßen                         Ziele lenken, wird der Dank des von langem Zwist der Interessen genesenen                         Vaterlandes Ihr Bemühen lohnen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Nachschrift.</head>
        <div xml:id="ar022_013" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl>Köln, 26. Juni.</head>
          <p>Man theilt uns aus dem Briefe eines Abgeordneten von Berlin mit, daß dem                         Herrn Esser I. das Justizministerium angetragen, von ihm jedoch                         ausgeschlagen worden sei. Dies Ministerium sei darauf dem Herrn                         Polizeidirektor Müller angeboten worden. Man sieht, wir kommen immer tiefer                         in die unbekannten Größen, in deren Bereich wir mit Herrn <hi rendition="#g">Schleinitz</hi> so eben eingetreten sind.</p>
          <bibl>(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</bibl>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0097/0003] Gegensatz zu dem Gesammtstaate. Damit nicht das Werk in die Hände der ré ublique une et indivisible falle, stimmt der Redner für den Antrag. (Bewegung in verschiedenem Sinne. Pfeifen von der Gallerie.) Der Präsident: Es ist eine große Ungezogenheit begangen worden; Pfeifen ist ein Bubenstreich; wenn ich wüßte, von wem es geschehen, würde ich ihn hinausführen lassen. ‒ Mammen erklärt sich gegen ein Triumvirat, weil dasselbe Zwietracht selbst unter den einzelnen Stämmen und Staaten erzeugen würde. Er glaubt unbedingt, daß die Nationalversammlung die Centralgewalt wählen müsse, weil sie sonst die Souveränität, die durch Annahme des Raveaux'schen (Werner'schen) Antrags offen erklärt worden, wieder aufgeben müßte. Er ist für den Antrag von Blum und Trützschler , und glaubt nicht, daß sämmtliche Regierungen bereits mit dem altem System gebrochen haben. Wesendonck: Die Versammlung sei nicht hier, um eine Verfassung für einzelne Staaten zu berathen, sondern die Verfassung von ganz Deutschland als Bundesstaat. Sie habe sich daher auch nicht darum zu kümmern, ob die Mehrheit der einzelnen Staaten die Republik, oder die konstitutionelle Monarchie wolle. Man stehe hier nicht auf dem Boden der konstitutionellen Monarchie, sondern man habe etwas ganz Neues zu schaffen. Er glaube nicht, daß es dem Gesammtwillen des Volks entsprechen würde, wenn man über die 34 konstitutionellen Fürstenhäuser noch ein konstitutionelles Kaiserthum stellen wollte. Darum solle man an dem festhalten, was der Natur der Dinge nach das Einfachste, Zweckmäßigste und Wohlfeilste sei. Die Einzelstaaten wären durch eine solche republikanische Spitze gar nicht gefährdet. Nur Wenige hier seien für eine république une et indivisible. Etwas Anderes aber sei es, ob nicht die Verfassung des Ganzen republikanisch sein und in den Einzelstaaten je nach dem Willen der Mehrheit des Volks Republik oder konstitutionelle Monarchie bestehen solle. Es sei also nicht die Aufgabe, wie der Redner vor ihm geäußert, die provisorische Centralgewalt der definitiven möglichst nahe zu bringen, vielmehr müsse sie so unpräjudiziell wie möglich eingerichtet werden, wo es sich hauptsächlich davon handle, Deutschland nach Außen Kraft zu verleihen. Sie durch die Regierungen ernennen zu lassen und als unverantwortlich hinzustellen, wäre bereits ein bedeutendes Präjudiz für das konstitutionelle Kaiserthum. Die Centralgewalt könne nur von der Nationalversammlung und aus ihrer Mitte ernannt werden und ihr verantwortlich sein; nur dadurch werde das Prinzip der Volkssouveränität gerettet. Den Ausschußantrag findet der Redner unklar, ohne bestimmtes Prinzip. Die Bezeichnung „Bundesdirektorium“ beweise, daß man den Bundestag neben der Centralgewalt beibehalten wolle. Der Ausschuß habe den Bundestag mit Glacé-Handschuhen angegriffen; er hätte sagen sollen: der Bundestag ist aufgehoben. Wozu zwei Centralbehörden neben einander? Wozu einen solchen Staatsrath? In Frankreich habe Guizot ihn hergestellt, um die Reaktion zu begünstigen und abgedankte Minister zu placiren; wir aber könnten solche abgenutzte Männer nicht brauchen. Man wolle ein Direktorium aus Mitgliedern der regierenden Häuser; dies beweise die dem Direktorium beigelegte Unverantwortlichkeit. Damit würden wir aber das Vertrauen des Volks nicht rechtfertigen. Außer einigen kleineren Regierungen besitze fast keine einzige das Vertrauen des Volkes. Der Redner macht dann auf die Schwierigkeiten der vorgeschlagenen Wahl aufmerksam. Die National-Versammlung solle die ihr bezeichneten Männer blindlings annehmen, wenn sie sie aber zurückweise, würde ein Bruch zwischen den Regierungen und der National-Versammlung daraus entstehen. Es sei in dem Ausschußantrage nicht gesagt, daß die Centralgewalt die Beschlüsse der Nationalversammlung zu vollziehen habe, also wäre sie nur ein Organ der Regierungen. In dem Beschlusse über die Marine habe die Versammlung ausdrücklich erklärt, daß die künftige Centralgewalt ihr verantwortlich sein solle. Die Linke habe nur unter dieser Voraussetzung dem Beschlusse beigestimmt, und von diesem Prinzip dürfe man nicht mehr abgehen. Bassermann: Welchen Antrag man auch immer annehme, in jedem Fall würden die Mitglieder der Centralgewalt der Mehrheit dieses Hauses entsprechen müssen. Nach dem Antrag von Blum und Trützschler aber würde die Nationalversammlung regieren, und der Vollziehungsausschuß nur ein Complex von Beamten sein, die ihren Willen zu vollziehen hätten. Der Redner will an einem Beispiele beweisen, wie unpraktisch dies wäre. Wenn die Nachricht einträfe, daß Triest von einem Bombardement bedroht sei, sollte da die Sache erst in einer Versammlung von 600 Mitgliedern berathen, an die Abtheilungen verwiesen, ein Ausschuß ernannt, vielleicht namentliche Abstimmung vorgenommen werden? Unterdessen könnte Triest in Asche liegen. „Wir müssen eine Regierung haben, die regiert, während wir die Verfassung berathen, mit Ministern, die zwar in Ihrem Geiste und Sinne handeln, die aber nicht erst zu fragen haben, wenn sie eine dringende Maßregel ergreifen müssen, die aber verantwortlich bleiben, die wie einst Canning vor das Parlament treten, und erklären: Dies und jenes Regiment habe ich auf meine Verantwortlichkeit marschiren, diese und jene Linienschiffe auslaufen lassen. Solche Minister müssen wir in solchen Zeiten haben.“ Der Redner findet es gleichgültig, ob der Bundestag die verantwortlichen Minister ernennt, ob die Centralgewalt aus 2 oder 3 Mitglieder besteht. Den Engländern sei es gleichgültig, ob Victoria oder Wilhelm regiere; Peel oder Russel seien es, die den Staat repräsentirten. Er fragt, ob das Mißtrauen gegen den jetzigen Bundestag gerechtfertigt sei, in welchem 17 Männer seit 3 Monaten das Gegentheil von dem thäten, was 17 andere 30 Jahre gethan, in welchem ein Jordan sitze; ob jene Darmstädter Regierung noch dieselbe sei, an deren Spitze vor Kurzem ein Mann gestellt worden, den der Volkswille dorthin gebracht, und den diese Versammlung fast einstimmig zu ihrem Vorsitzenden gewählt habe. Man möge sich nicht an Namen hängen. Er werde seine individuelle Ansicht über Eenzelnes gern der Majorität unterwerfen; aber die Crntralgewalt müsse stark sein, und das Recht über Krieg und Frieden haben. Man spreche von Volkssouveränetät; allein die Begriffe davon seien sehr verschieden. Man möge auf Belgien blicken, das bei seiner konstitutionellen Monarchie sich wohl befinde, und unter den jetzigen Stürmen allein unerschüttert geblieben sey. In England spreche man nicht so viel von Volkssouveränetät, aber der Engländer, der sich an den fernsten Küsten geschützt sehe, fühle, daß die Majestät des Volks über ihm wache. Frankreich, wo der fleißige Arbeiter jetzt Millionen für Nationalwerkstätten opfern müsse, könne fast sagen, es habe 80,000 Souveräne; die Regierung müsse vor einem jungen Manne zittern, der sich schon zweimal vor Europa blamirt habe. Ein Haus, in welchem Deutschland Kraft und Einheit finde, sei besser, als aller Prinzipienstreit. Man habe hier nicht tabula rása, sondern gegebene Verhältnisse; es gelte zu reformiren, nicht zu revolutioniren. Die Regierungen repräsentirten jetzt überall den souverainen Willen des Volkes; überall ständen an der Spitze die Antipoden Derer, die gestürzt worden. Wenn auch Leidenschaft jetzt die Besten verdächtige, werde die Zukunft anders richten, und es uns danken, daß wir ihnen die Theilnahme an dem großen Werke gegönnt. Ein Vollziehungsausschuß, wie Blum und Trützschler vorgeschlagen, würde weder einen Soldaten noch einen Kreuzer besitzen; er müßte, wenn die Regierungen seinen Beschlüssen Gehorsam verweigerten, an den Umsturz appelliren, die Regierungen stürzen, Freischaaren bilden. Wenn die Freiheit über das Maaß hinausgehe, dann bilde sich in den Gemüthern eine stille Reaktion. Diese sei die Ursache, daß in Frankreich auf die Republik der Despotismus eines Napoleon gefolgt, daß unsern deutschen Spießbürgern so lange Zeit die Freiheit mit der Guillotine gleichbedeutend gewesen, daß das Hambacherfest die Reaktion von 1833 ‒ 44 im Gefolge gehabt habe. Diejenigen, die vor einem solchen Ueberschlagen der Wellen warnten, thäten mehr für die wahre Freiheit, als Diejenigen, die stäts die Volkssouverainetät im Munde führten. Durch eine kräftige Centralgewalt schließe sich der Abgrund, erstehe wieder ein Anfang von Wohlstand, Einheit und Kraft. Man möge mehr auf die Sache sehen, als auf Worte, und nicht um Prinzipien streiten, wo es gelte, das Vaterland zu retten. Bothmer ist für den Ausschußantrag. Leue hält bei dem jetzigen Bildungsstand und der geringen Erfahrung, die wir in der Freiheit gemacht, Kronen und Fürsten noch für ein nothwendiges Uebel. Er will die Exekutivgewalt möglichst stark, darum nur aus Einem (als Präsident) bestehend, aber, besonders wegen eines möglichen Krieges, von der Nationalversammlung gewählt und ihr verantwortlich. Wäre eine Regierung kühn genug, die Beschlüsse der Versammlung nicht vollziehen zu wollen, so wäre das Schlimmste, was daraus entstehen könnte, der Bürgerkrieg. (Bewegung.) Dieses Aeußerste werde aber nicht eintreten. Wenn die Nationalversammlung für ihre Beschlüsse die öffentliche Meinung habe, welche Regierung, welcher König werde es da wohl wagen, auf ein paar Soldaten gestützt, sich ihr widersetzen zu wollen? Duncker findet es unpolitisch, die Träger des überwundenen Systems ganz zu Boden zu stürzen; man möge sie vielmehr in die Bewegung hineinziehen, und dadurch die Reaktion abschneiden. Weil man das Volk despotisirte, sollen wir wieder despotisiren? Das hieße bei vielen Stämmen energischen Widerstand hervorrufen und eine Reaktion des Partikularismus herbeiführen. Wenn die Nationalversammlung die von den Regierungen bezeichneten Männer genehmige, so sei das so gut, als wenn sie sie selbst ernenne und die neue Gewalt schaffe; eine Diskussion über die Männer sei nicht nöthig. In diesem Augenblick seien Drei eine bessere Einheit als Einer, weil durch sie die Interessen der 3 Großtheile Deutschlands gewahrt werden könnten. Eine republikanische Spitze mit Monarchie unter ihr scheint ihm eine Contradictio in adjecto. „Gehen wir ‒ so schließt er ‒ nicht auf die Wege des Konvents ein; bauen wir unter Mitwirkung der Regierungen unserm Volke ein festes Haus der Einheit und Freiheit.“ Bericht des Ausschusses der konstituirenden Nationalversammlung wegen Errichtung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland. Berichterstatter: Dahlmann. (Schluß.) Von der anderen Seite werden aber auch die Bundesregierungen vor jedem gefährlichen Uebergriffe der Bundesdirektoren sicher gestellt, und zwar zunächst durch die beschränkte Dauer ihrer Gewalt; denn diese nimmt mit der Vollendung der Reichsverfassung und ihrem Eintritt in das Leben durch die vollbrachte Einsetzung der künftigen deutschen Reichsregierung, augenblicklich ein Ende. Aber auch in anderer Beziehung kann diese Einrichtung den bestehenden deutschen Regierungen keine Sorge einflößen, da sie, weit entfernt, in die besondern Kreise derselben störend einzugreifen, vielmehr ihre Erfolge sicher stellt durch Bekämpfung jeder anarchischen Gewalt, welche in den einzelnen Bundesgebieten dem Ziele wahrer Freiheit störend entgegen treten möchte. Endlich drittens stammt ja der Gedanke dieser ganzen Einrichtung aus einem von den deutschen Regierungen eben so tief als vom deutschen Volke empfundenen Bedürfnisse größerer Einheitskraft her; die zu ernennenden drei Männer sind die Männer ihres eigenen Vertrauens, sie gehören durch Pflicht und Treue und durch mannigfache Bande der Zuneigung Jeder seinem Staate, und vielleicht sogar (denn jeder Weg der Bezeichnung bleibt offen) den regierenden Häusern als Mitglied an. Alle diese Erwägungen lassen den Gedanken an einen Mißbrauch der provisorisch übertragenen Gewalt zum Nachtheile der bestehenden Regierungen an sich nicht aufkommen. Ueberdies aber wird diese hohe Versammlung darauf wachen, daß den jungen Boden deutscher Freiheit die gesetzliche Ordnung fest umhege, indem sie die Verantwortlichkeit der Minister in vollstem Maße zur Anwendung bringt. Der wahre Zweck aber jeder weisen Staatseinrichtung ist das Wohl des Volks, und wer auch die Rechte der Erbregierung noch so hoch hält, weil er in ihnen die Sicherstellung des Volkswohles erblickt, darf dieselben doch so weit nicht ausdehnen wollen, daß er den erblichen Regierungen auch das Recht beilegte, ihre Befugnisse beliebig anders wohin zu übertragen. Eine solche Uebertragung von Regierungsrechten gibt es aber hier, wenn ein Bundesdirektorium eingesetzt wird, immerhin nur auf vielleicht wenige Monate gleichwohl unvermeidlich durch einen Akt der Regierungs-Uebertragung. Darum konnte Ihr Ausschuß nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, daß diese Uebertragung unter Zustimmung der Nationalversammlung geschehen müsse. Lediglich die dabei zu beobachtende Form konnte Bedenken erregen. Wo es auf Personen ankommt, denen eine so hohe Stellung zugedacht ist und die darum der Nationalversammlung gegenüber als unverantwortlich dastehen müssen, thut eine jede Diskussion über ihren Charakter und das Maß ihrer Verdienste in öffentlicher Versammlung dem Zwecke der Unantastbarkeit ihrer Stellung unvermeidlichen Eintrag. Der Ausschuß glaubte eine Weile der hohen Versammlung vorschlagen zu dürfen, sie möge ihr Recht für diesen Fall in die Hände eines Ausschusses von dreißig Personen niederlegen, der zu dem Ende aus Ihrer Mitte gewählt würde. Diese Dreißig würden über die von den Regierungen bezeichneten Personen diskutiren, aber nicht öffentlich, insoweit ein Geheimniß unter solcher Zahl zu bewahren steht. Unser Ausschuß entschied sich am Ende dahin, das Recht der ganzen Nationalversammlung ungeschmälert aufrecht zu erhalten, jedoch die hohe Versammlung zugleich zu ersuchen, ihr Recht der Genehmigung oder Nichtgenehmigung in diesem Ausnahmsfalle auf dem Wege der einfachen Abstimmung ohne vorhergehende Diskussion üben zu wollen. Gelingt auf solchem Wege die Vereinbarung, wozu bei einem Entgegenkommen der Regierungen alle Hoffnung ist, so wird die Nationalversammlung fortan sich mit verdoppeltem Vertrauen ihrem hohen Werke der Konstituirung Deutschlands widmen können; denn durch die Thätigkeit des Bundesdirektoriums über die allgemeinen Verhältnisse des Vaterlandes beruhigt, wird sie minder Störung in ihrer Hauptaufgabe erfahren. An dem Verfassungswerke nimmt das Bundesdirektorium keinen Antheil und die Stellung der Nationalversammlung den Bundesregierungen gegenüber bleibt in diesem Betracht unverändert. Sollte es sich aber von den wichtigsten Staatsinteressen, von Verträgen mit auswärtigen Mächten oder vollends von Krieg und Frieden handeln, so liegt dem Bundesdirektorium ob, sich, bevor es beschließt durch seine Minister des Einverständnisses der Nat.-Versammlung zu versichern. Es ist diesem System, welchem die Mehrheit Ihres Ausschusses sich anschließt, manchmal seine Verzweigtheit zum Vorwurfe gemacht, weil es nämlich schon jetzt Minister und Gesandte fordert, die sich, meint man, allein für schon schließlich festgestellte, nicht für blos provisorische Verhältnisse passen sollen. Allein die großen Verhältnisse der Geschichte richten sich nach keinem deutschen Provisorium, und um nur Eines hervorzuheben, schwerlich hätte in der neuerlichen Diskussion über Schleswig-Holstein und den dänischen Krieg eine getheilte Meinung in Bezug auf die Ratifikation des Friedens von Seiten der Nationalversammlung auftauchen können, hätte Deutschland schon jetzt seine auswärtigen Gesandten. Auch ist es wohl kein Vorwurf gegen das erwählte System, wenn man ihm nachsagen muß, daß es in die bevorstehende, nothwendige einheitlichere Ordnung der deutschen Dinge bereits sich hineinlebe. Denn ächte Staatsweisheit gebietet, alle jähen Sprünge in den staatlichen Dingen möglichst zu vermeiden. Mit um so mehr Vertrauen empfiehlt Ihnen der Ausschuß dieses System, weil es den Forderungen der Gegenwart entspricht, und zugleich die Einleitung bildet in eine hoffentlich gehobenere Zukunft unsres Vaterlandes. Ihr Ausschuß empfiehlt Ihnen, die Annahme folgender 8 Punkte zu beschließen, über welche die Majorität, bestehend aus den Mitgliedern Claussen, Dahlmann, Duncker, v. Gagern, v. Mayern, v. Raumer, v. Saucken, Wippermann, v. Würth, v. Zenetti, übereingekommen ist. Die Nationalversammlung beschließt: 1) Bis zur definitiven Begründung einer Regierungsgewalt für Deutschland soll ein Bundesdirektorium zur Ausübung dieser obersten Gewalt in allen gemeinsamen Angelegenheiten der deutschen Nation bestellt werden. 2) Dasselbe soll aus 3 Männern bestehen, welche von den deutschen Regierungen bezeichnet und nachdem die Nationalversammlung ihre zustimmende Erklärung durch eine einfache Abstimmung ohne Diskussion abgegeben haben wird, von denselben ernannt werden. 3) Das Bundesdirektorium hat provisorisch a. die vollziehende Gewalt zu üben in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt des deutschen Bundesstaats betreffen; b. die Oberleitung des gesammten Heerwesens zu übernehmen und namentlich den Oberfeldherrn der Bundestruppen zu ernennen; c. die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands auszuüben und zu diesem Ende Gesandte und Konsuln zu ernennen. 4) Ueber Krieg und Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten beschließt das Bundesdirektorium im Einverständniß mit der Nationalversammlung. 5) Die Errichtung des Verfassungswerkes bleibt von der Wirksamkeit des Bundesdirektoriums ausgeschlossen. 6) Das Bundesdirektorium übt seine Gewalt durch von ihm ernannte, der Nationalversammlung verantwortliche Minister aus. Alle Anordnungen derselben bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung wenigstens eines verantwortlichen Ministers. 7) Die Minister haben das Recht, den Berathungen der Nationalversammlung beizuwohnen und von derselben jederzeit gehört zu werden; sie haben jedoch das Stimmrecht in der Nationalversammlung nur dann, wenn sie als Mitglieder derselben gewählt sind. Dagegen ist die Stellung eines Mitgliedes des Bundesdirektoriums mit der eines Abgeordneten zur Nationalversammlung unvereinbar. 8) Sobald das Verfassungswerk für Deutschland vollendet und in Ausführung gebracht ist, hört die Thätigkeit des Direktoriums und seiner Minister auf. Der Plan, wie er Ihnen hiermit vorliegt, macht keinen Anspruch auf Idealität, es bilden sich vielmehr in ihm die konkreten Verhältnisse Deutschlands getreulich ab. Die Aufstellung eines einzigen Bundesdirektors, oder Reichsverwesers, würde den Ansprüchen der Theorie mehr genügt, schwerlich aber den Anforderungen der Gegenwart entsprochen haben. Wie es bis dahin steht, theilen nun einmal die streitenden Interessen unser Deutschland in drei große politische Massen, die wir als Oestreich, Preußen und die minder mächtigen Staaten bezeichnen. Die Aufstellung eines einzigen Individuums würde in solcher Lage der Dinge große, gefährlich verzögernde Schwierigkeiten finden, und der vielleicht aufgefundene Mann eines zusammenstimmenden dreifachen Vertrauens würde gleichsam in seiner Wirksamkeit unvermeidlich mit allen den Mißdeutungen zu kämpfen haben, welche aus der bisherigen Lage unseres Vaterlandes stammen. Man würde in kurzer Frist von seinen Hinneigungen zu irgend einem dieser drei Theile reden. Möge ein baldiges Hineinleben in eine noch einheitlichere Ordnung solche Verdächtigungen für immer auf dem vaterländischen Boden beseitigen; aber einen solchen Zustand vorwegnehmen zu wollen, schien nicht rathsam. Auch in anderer Weise beachtet der Ihnen vorliegende Plan die bestehenden Verhältnisse, ohne sich ihnen dienstbar zu machen. Ohne Zweifel wird durch ihn die deutsche Bundesversammlung in ihrem bisherigen bedeutsamsten Verhältniß, vielleicht sogar in ihrem Namen bedroht, und es gehörte nicht nothwendig in unsern Plan, den Platz für ihre künftige Wirksamkeit zu ermitteln. Nichts desto weniger ist es unverkennbar, daß das Bundesdirektorium einer steten lebendigen Mittheilung mit den einzelnen Bundesstaaten bedarf, und vermuthlich wird dasselbe in den Abgeordneten der einzelnen Staaten einen für die fortlaufende Kenntniß der inneren Angelegenheiten unseres deutschen Bundesstaates unentbehrlichen Staatsrath erblicken, dessen Gutachten einzuziehen, mit Ausnahme besonders eiliger Fälle, ihm von Wichtigkeit sein muß. Es ist ein großes und schwieriges Werk, welches die hohe Versammlung unternimmt, indem sie den Grund zu einer deutschen Centralgewalt legt; wenn aber innere Klarheit und Besonnenheit Ihre Schritte zum rechten staatgemäßen Ziele lenken, wird der Dank des von langem Zwist der Interessen genesenen Vaterlandes Ihr Bemühen lohnen. Nachschrift. *Köln, 26. Juni. Man theilt uns aus dem Briefe eines Abgeordneten von Berlin mit, daß dem Herrn Esser I. das Justizministerium angetragen, von ihm jedoch ausgeschlagen worden sei. Dies Ministerium sei darauf dem Herrn Polizeidirektor Müller angeboten worden. Man sieht, wir kommen immer tiefer in die unbekannten Größen, in deren Bereich wir mit Herrn Schleinitz so eben eingetreten sind. (Siehe den Verfolg in der Beilage.) Dieser Antrag, auf welchen im Laufe der Debatte noch mehrfach hingewiesen werden wird, lautet: Die konstitutionelle Nationalversammlung beschließe: 1) Sie wählt mit absoluter Stimmenmehrheit eines ihrer Mitglieder zum Vorsitzenden eines Vollziehungsausschusses. 2) Dieser Vorsitzende gesellt sich nach freier Wahl vier Genossen zu, die gemeinschaftlich mit ihm den Vollziehungsausschuß bilden. 3) Dieser Vollziehungsausschuß hat die Beschlüsse der Nationalversammlung auszuführen und die Vertretung Deutschlands nach Außen zu übernehmen. 4) Derselbe ist der Nationalversammlung verantwortlich, und muß sich zurückziehen, wenn die Mehrheit der Versammlung gegen ihn ist. 5) Die Nationalversammlung wählt in diesem Falle einen andern Vorsitzenden, welcher einen neuen Vollziehungsausschuß, wie oben angegeben, zusammensetzt. 6) Der Vollziehungsausschuß vertheilt die verschiedenen Geschäftszweige unter seinen Mitgliedern nach eigener Wahl. 7) Dieser Vollziehungsausschuß besteht so lange, bis die deutsche Bundesgewalt durch die Nationalversammlung bestimmt und eingesetzt ist.

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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 22. Köln, 22. Juni 1848, S. 0097. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz022_1848/3>, abgerufen am 29.03.2024.