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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 207. Köln, 28. Januar 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 207. Köln, Sonntag den 28. Januar. 1849.

Morgen früh wird eine zweite Ausgabe ausgegeben.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Der magyarische Kampf. -- Preußischer Steckbrief gegen Kossuth. -- Interpellation an Hrn. F. Diergardt. -- Wahlnotizen. -- Zwei Wahlberichte der Galgenzeitung) Düsseldorf. (Hr. v. Faldern) Aus dem Kr. Euskirchen, Bornheim, Aldenhoven, Jülich, Mayen, Crefeld, Hittorf, Mettmann. (Wahlen und Wahlmanöver.) Berlin. (Wahlverfälschungen. -- Preßprozeß.) Halle. (Eine fromme Entdeckung.) Oberschles. östr Gränze. (Die drei Mächte. -- Kirchmann. -- Sankt. Lichnowsky.) Dresden. (Heubners Antrag.) Eisenach. (Demokr. Wahlen.) Schleswig. (Einfall und Niederlage dänischer Freischaaren.) Rendsburg. (Ein Urtheil. -- Die Demokraten.) Aus Schleswig-Holstein. (Rüstungen.) Wien. (Neues Bulletin. -- Welden's Aerger. -- Ein Strohmann erschossen.) Prag. (Proklamation des Kommandanten.) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Ungarn. Pesth. (Verbot der Getreide-Ausfuhr.)

Polen. Czernowitz. (Ein Bauern-Rebell eingebracht.)

Italien. Rom. (Garibaldi. -- Der Wohlfahrtsausschuß in Thätigkeit. -- Einigkeit in Rom, Zwietracht in Gaeta.) Neapel. (Der Schadenersatz an die Schweizer.)

Franz. Republik. Paris. (Die Royalisten. -- Falloux. -- Vermischtes. -- Nationalversammlung.)

Großbritannien. London. (Gogarty. -- Mitchell. -- Unglück in einer Kohlengrube.)

Schweiz. Neuenburg. (Mißglückte Contrerevolution.)

Amerika. New-York. (Eisenbahnprojekte in Central-Amerika. -- Californisches.)

Deutschland.
068 Köln, 26. Jan.

Wir erhalten folgende Mittheilung eines in der magyarischen Armee mitkämpfenden rheinischen Offiziers. Wir beeilen uns sie zu veröffentlichen, um so mehr, als sie, wie unsere Leser sehen werden, unsern Redaktionsartikel über den magyarischen Kampf in Nr. 194 Wort für Wort bestätigt:

Die Windischgrätz'schen Sieges-Bülletins sind verstummt, und statt ihrer füttert der glorreiche Feldherr das schwarz-gelbe Publikum von Wien in seinem officiellen Standrecht-Blatt mit Steckbriefen, die wo möglich noch lächerlicher sind, als seine in so hohem Tone gehaltenen Sieges-Bülletins. Um das Publikum glauben zu machen, daß es mit der ungarischen Sache schon zu Ende sei, läßt er Kossuth sammt seiner Frau steckbrieflich verfolgen, als ob beide schon auf der Flucht wären, die aber zu keiner Zeit weniger als jetzt an eine Flucht aus Ungarn gedacht haben. Besonders merkwürdig ist der Steckbrief gegen Madame Kossuth, welche der Frau Sophie ein Dorn im Auge zu sein scheint, weil sie vermuthlich in ihr eine Kronconcurentin zu sehen glaubt, denn nur aus diesem Grunde kann in ihrer Personalbeschreibung unter der Rubrik "besondere Kennzeichen" angeführt sein: stolzer Blick, hochmüthige Haltung, Kleidung wahrscheinlich elegant. Denn das hochmüthigste der Weiber kann sich die Frau eines so mächtigen Mannes nicht anders als übermüthig denken, sowie der Fürstenknecht in ihr eine andere Frau erblickt, als die ihm täglich vorschwebenden Bilder des Hofes, bei denen stolzer Blick und Hochmuth das natürliche Attribut einer Fürstin sind. Diejenigen, welche Gelegenheit hatten, Frau Kossuth persönlich keinen zu lernen, würden eine von obiger ganz verschiedene Personalbeschreibung geben und unter der Rubrik: besondere Kennzeichen, der Wahrheit gemäß anführen, liebenswürdig, einfach, anspruchlos und bürgerlich in ihrer äußeren Erscheinung. Für die östreichische Polizei würden wir den für dieselbe leicht faßlichen Zusatz machen: Blick und Benehmen gerade das Gegentheil von des jungen Dalai-Lama Mutter. Lassen wir übrigens solche Persönlichkeiten bei Seite und gehen wir zur Mittheilung einiger berichtigenden Aufklärungen über die Lage der Dinge in Ungarn, und besonders über die vielfach entstellten militärischen Operationen über. Bekanntlich geben sich alle schwarz-gelben Blätter die verzweifelte Mühe, zu beweisen, daß nicht allein die Ungarn besiegt seien, sondern sich auch schmählich feig benommen hätten, um dadurch die Theilnahme für Ungarn im Allgemeinen zu schwächen, sowie im Besonderen den Wienern begreiflich zu machen, wie dumm es war, sich im Oktober mit und für Ungarn zu erheben. Da Kossuth Alles in Allem ist, und schon durch die Operation in Ungarn Tag und Nacht in Anspruch genommen wird, dann aber auch die Verbindung mit dem Auslande sehr erschwert ist, hatte die schwarz-gelbe Presse bis jetzt ein leichtes Spiel über den militärischen Charakter, die Gesinnungen und die Lage Ungarns im Auslande falche Begriffe zu verbreiten, da sonst keine Stimme zur Vertheidigung und zur wahrheitgetreuen Darstellung der Sachlage laut wurde. Den wahrheits- und freiheitsliebenden Lesern wird demnach eine aufrichtige Darstellung der ungarischen Verhältnisse willkommen sein. Zur Vertheidigung von Ungarn bedarf es einer Armee von 120-150000 Mann und mußte diese zur Zeit, als die östreichische Regierung den gesetzlichen Boden verließ und Anstalten traf, mit Gewalt der Waffen Ungarns Rechte und Freiheit zu rauben, so zu sagen, ganz neugeschaffen werden. Es war demnach die Hauptaufgabe der ungarischen Nation, welche außer ihrer Kavallerie einige wenige der Volkssache treugebliebene Bataillone Infanterie und etwas Artillerie besitzt, sobald als möglich eine Armee zu schaffen.

Man mußte also streben, den Feind so lange als möglich außer den Gränzen zu halten, und wurde Preßburg zu diesem Zwecke befestigt, so wie die obern Gränzen so lange als möglich defensiv behauptet. Durch den Plan der östreichischen Kamarilla: Ungarn auf neun Punkten anzugreifen, sowie das von Metternich in Gallizien angewandte Mordprinzip, die verschiedenen Racen aneinander zu hetzen und sich selbst zu zerfleischen, auch in Ungarn zur Ausführung zu bringen, wurde es doppelt schwer, bei dem Mangel an Waffen und Vorräthen, die nöthigen Streitkräfte zusammen zu bringen. Trotz allen diesen Hindernissen ist es Kossuth gelungen, eine Armee von 67 wohlbewaffneten Honved-Bataillonen, 12 Regimentern Kavallerie (in Bälde 18) und einen Artilleriepark von über 300 Kanonen zu organisiren. Gehen wir jetzt zur näheren Geration des General Görgey über Wie oben gesagt, war Preßburg nur zu einem längeren Zurückhalten der östreichischen Armee befestigt, und als Windischgrätz seine Truppen bei Preßburg vollständig gesammelt, so wie einen ernsten Angriff beschlossen hatte, war es Sache des Görgey, sich von da zurückzuziehen, um so mehr, als bei einer längern Vertheidigung General Schwarzenberg und Simonith über Tyrnau, sowie ein anderer Theil der östreichischen Armee über Oedenburg hinter seinem Rücken in das Innere Ungarns vorrücken konnte, da den 12,000 Mann des ersteren der Brigadier Zyön nur 1700 Mann entgegensetzen konnte; in Oedenburg aber nur 150 Mann von der deutschen Legion und eine Division Husaren zur Bewachung der Gränzen postirt waren.

Der Rückzug der Armee, sowie der Transport von Lebensmitteln, Schlachtvieh, Waffen etc. nach Komorn fand ungestört und in der größten Ordnung statt, und zwar der Art, daß ein Theil des Görgey'schen Korps über das linke Ufer nach Komorn, der andere über das rechte nach Raab marschirte, wo es außer einigen Scharmützeln zwischen der Vorhut der Oestreicher und Nachhut der Ungarn zu keinem größern Gefechte kam; bei solchen kleinen Kämpfen hat sich die so vielseitig angefochtene Tapferkeit der Ungarn auf das Glänzendste bewährt. Als Beweis führen wir nur an, daß Görgey bei dem durchaus nicht zu vertheidigenden Orte Tyrna, sich, wie schon vorgesagt, beinahe einen ganzen Tag mit kaum 1700 Mann gegen Schwarzenberg, der ihn mit 12,000 Mann angriff, hielt, und dabei nur einen Verlust von 300 Mann erlitt. Bei Paarendorf schlugen zwei Divisionen Husaren (die östreichische Kavalleriedivision besteht bekanntlich aus zwei Eskadrons) ein ganzes Kavallerieregiment in die Flucht, ebenso bei Altenburg. Obschon die Verschanzung von Raab in strategischer Beziehung nicht von Wichtigkeit war, und nicht auf Anordnung des Görgey, sondern nur auf Befehl des nicht strategisch gebildeten Landesvertheidigungs-Ausschusses geschehen ist; da außer diesem Wege zum Vorrücken nach Pesth und Ofen dem Feinde die Fleischhackerstraße offen steht, so war es doch anfangs Plan, dort den Feind einige Zeit zurückzuhalten, ja, selbst eine Schlacht anzubieten. Durch das Einrücken des Generals Schlick war Görgey genöthigt, zur Operation gegen denselben einen großen Theil seines Armeekorps abgehen zu lassen, andererseits war aber auch der persönliche Haß zwischen Görgey und Perczel, da letzterer sich nicht unter das Kommando des ersteren stellen wollte, ein zweites Hinderniß, und endlich wurde durch das unerwartete Zufrieren der Moräste das Vorrücken der östreichischen Armee über die Fleischhackerstraße bedeutend erleichtert.

Demzufolge beschloß Görgy, wie er auch nicht anders durfte, Raab nicht zu vertheidigen und sich nach Pesth und Ofen zurückzuziehen. Obschon das Nachrücken der östreichischen Armee von schönem Wetter begünstigt, schneller als zu erwarten, geschah, so wurden doch nichts desto weniger aus Raab Lebensmittel, Waffen etc. ohne Störung vorher nach Komorn und Pesth abgeführt und zwar in der Art, daß in den letzten 3 Tagen allein 1780 Wagen befördert wurden. Bei dem Rückzuge von Raab nach Pesth kam es ebenfalls außer einem Scharmützel zwischen der deutschen Legion und Bataillon Prinz von Preußen und dem östreichischen Vortrab, zu keinem größern Gefecht, bei welcher Gelegenheit die deutsche Legion 20, Prinz von Preußen 150 Mann verlor; dagegen das Perczel'sche Corps von der Armee getrennt und von einem dreifach überlegenen Feind angegriffen, zerstreut wurde; indessen nicht, wie die östreichischen Sieges-Bulletins sagen, ganz aufgerieben wurde, sondern wie sich bei der Sammlung in Kabin herausstellte, nur 800 Mann verloren hat. In Pesth und Ofen war eine hinreichende Macht versammelt, um sich defensiv gegen die östreichische Macht zu halten, und dies war auch der Plan, um sobald man die in den andern Theilen Ungarns zerstreuten Truppenabtheilungen dort zusammen hatte, gegen die feindliche Armee die Offensive zu ergreifen. Das schnelle Zufrieren der Donau einerseits, das säumige Verhalten Mehzaros, dessen Truppen nicht zu gehöriger Zeit anlangten, andererseits, stellten der ungarischen Regierung die sehr wichtige Alternative: entweder vom feindlichen Corps förmlich zernirt und so von allen Truppen des Landes und von der Gesammtbewohnerschaft abgeschnitten zu sein, oder, was einzig zweckmäßig war, mit der ganzen Hauptmacht an einem bestimmten Conzentrationspunkt sich zu sammeln, um so immer fast dem Feinde eine kompakte Truppenmacht entgegenstellen zu können. Das Letztere geschah in Uebereinstimmung des Reichstages sowohl, als des Landesvertheidigungs-Ausschusses, und Debreczin wurde als der geeignetste Ort dazu gewählt und zwar aus folgenden Gründen: 1) Ist Debreczin, in einem Abstande von 42 Meilen von Pesth und Ofen gelegen, die Mutterstadt des Magyarenthums, umgeben von den Festen Munkacz und Sziget, zugleich flankirt von der rechten Seite des Szatmarer Komitats, Knotenpunkt der rein magyarischen Operationslinie, die erste wichtige Handelsstadt nächst Pesth, gestützt mit dem linken Flügel auf Temeswar und mit dem rechten Flügel gelehnt an die Hochkarpathen, und 2) ist anzunehmen, daß die Ausdehnung der Debrecziner Haide, ein Flächenraum von ungefähr 30 Quadrat-Meilen, den Operationen der östreichischen Armee, durch die bei der geringsten Wetteränderung wirklich unzugängliche unbrauchbare Wege mehr Hindernisse entgegensetzen werde, als Napoleon sie auf seinem Rückzuge von Moskau über die Beresina fand. Die Länge der Angriffslinie macht ihre Durchbrechung um so nachtheiliger, als die Operation des General Bem an der galizischen Gränze bisher von vielem Erfolge begleitet zu sein scheint, und man kann nicht erwarten, daß das Vorrücken der kaiserlichen Truppen im Innern von Ungarn mehr Sympathieen erwecken werde, als es bisher in den Gränzladen gefunden hat. Siege sind leicht zu gewinnen, aber ein taktisch zurückgedrängtes Volk ist deshalb noch keinesweges strategisch oder politisch bezwungen. Der endliche Sieg von Ungarn beruht bloß auf seinem Vermögen, die Zustände in Deutschland abzuwarten, und uns über den Charakter des russischer Seits ausgebeuteten Gedankens des Pansslavismus klar zu machen.

Ein Rheiländer, Offizier in der ungarischen Armee.

* Köln, 21. Januar.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
068 Köln, 27. Januar.

Die Wahlen zur ersten Kammer rücken heran. Bis jetzt sind wenig Kandidaten offiziell aufgestellt worden oder aufgetreten. Die wenigen Kandidaten aber, die bereits im Felde sind, verdienen um so mehr unsere Berücksichtigung als die erste Kammer überhaupt zum Schutz der Krone und zur Deckung der Contrerevolution erfunden worden ist.

Für heute haben wir ein Wörtchen mit Hrn. Friedrich Diergardt in Viersen, Geheimer Commerzienrath, Ritter mehrerer Orden, Inhaber diverser Medaillen etc. etc. (worüber seine Handelsfakturen nachzusehen), zu sprechen.

Am 26. Dezember 1839 fand in Viersen bei Gelegenheit des Stiftungsfestes "Harmonie" ein Mittagsessen statt. Gegen alle Antecedentien wurde ein Toast auf den König ausgebracht, der wenig Anklang fand. Hr. Diergardt folgte mit einem Toast auf den damaligen Kronprinzen; die Familie Schleicher blieb sitzen. Mehrere Stunden nachher machte Hr. Diergardt, wie es heißt, einem Gliede dieser Familie Grobheiten deswegen und erhielt eine derbe Ohrfeige. Die Ohrfeige ist konstatirt durch ein gerichtliches Urtheil; sie kostete Hrn. Schleicher zehn Thaler Courant.

Dies sind die Antecedentien. Wir fragen nun Hrn. Diergardt:

1) war er es, der die Familie Schleicher wegen des Sitzenbleibens bei den Toasten der Polizei denunzirt?

2) war er es, der Hrn. Julius Schleicher noch besonders wegen einer 6-7 Jahre vorher in Amsterdam in einem Gasthof gethanen Aeußerung denunzirte?

So viel ist gewiß, daß sowohl gegen die Familie Schleicher im Allgemeinen, wie gegen Hrn. Julius Schleicher im Besondern damals die Untersuchung wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet, und nur durch die Amnestie von 1840 unterbrochen wurde.

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 207. Köln, Sonntag den 28. Januar. 1849.

Morgen früh wird eine zweite Ausgabe ausgegeben.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Der magyarische Kampf. — Preußischer Steckbrief gegen Kossuth. — Interpellation an Hrn. F. Diergardt. — Wahlnotizen. — Zwei Wahlberichte der Galgenzeitung) Düsseldorf. (Hr. v. Faldern) Aus dem Kr. Euskirchen, Bornheim, Aldenhoven, Jülich, Mayen, Crefeld, Hittorf, Mettmann. (Wahlen und Wahlmanöver.) Berlin. (Wahlverfälschungen. — Preßprozeß.) Halle. (Eine fromme Entdeckung.) Oberschles. östr Gränze. (Die drei Mächte. — Kirchmann. — Sankt. Lichnowsky.) Dresden. (Heubners Antrag.) Eisenach. (Demokr. Wahlen.) Schleswig. (Einfall und Niederlage dänischer Freischaaren.) Rendsburg. (Ein Urtheil. — Die Demokraten.) Aus Schleswig-Holstein. (Rüstungen.) Wien. (Neues Bulletin. — Welden's Aerger. — Ein Strohmann erschossen.) Prag. (Proklamation des Kommandanten.) Frankfurt. (National-Versammlung.)

Ungarn. Pesth. (Verbot der Getreide-Ausfuhr.)

Polen. Czernowitz. (Ein Bauern-Rebell eingebracht.)

Italien. Rom. (Garibaldi. — Der Wohlfahrtsausschuß in Thätigkeit. — Einigkeit in Rom, Zwietracht in Gaeta.) Neapel. (Der Schadenersatz an die Schweizer.)

Franz. Republik. Paris. (Die Royalisten. — Falloux. — Vermischtes. — Nationalversammlung.)

Großbritannien. London. (Gogarty. — Mitchell. — Unglück in einer Kohlengrube.)

Schweiz. Neuenburg. (Mißglückte Contrerevolution.)

Amerika. New-York. (Eisenbahnprojekte in Central-Amerika. — Californisches.)

Deutschland.
068 Köln, 26. Jan.

Wir erhalten folgende Mittheilung eines in der magyarischen Armee mitkämpfenden rheinischen Offiziers. Wir beeilen uns sie zu veröffentlichen, um so mehr, als sie, wie unsere Leser sehen werden, unsern Redaktionsartikel über den magyarischen Kampf in Nr. 194 Wort für Wort bestätigt:

Die Windischgrätz'schen Sieges-Bülletins sind verstummt, und statt ihrer füttert der glorreiche Feldherr das schwarz-gelbe Publikum von Wien in seinem officiellen Standrecht-Blatt mit Steckbriefen, die wo möglich noch lächerlicher sind, als seine in so hohem Tone gehaltenen Sieges-Bülletins. Um das Publikum glauben zu machen, daß es mit der ungarischen Sache schon zu Ende sei, läßt er Kossuth sammt seiner Frau steckbrieflich verfolgen, als ob beide schon auf der Flucht wären, die aber zu keiner Zeit weniger als jetzt an eine Flucht aus Ungarn gedacht haben. Besonders merkwürdig ist der Steckbrief gegen Madame Kossuth, welche der Frau Sophie ein Dorn im Auge zu sein scheint, weil sie vermuthlich in ihr eine Kronconcurentin zu sehen glaubt, denn nur aus diesem Grunde kann in ihrer Personalbeschreibung unter der Rubrik „besondere Kennzeichen“ angeführt sein: stolzer Blick, hochmüthige Haltung, Kleidung wahrscheinlich elegant. Denn das hochmüthigste der Weiber kann sich die Frau eines so mächtigen Mannes nicht anders als übermüthig denken, sowie der Fürstenknecht in ihr eine andere Frau erblickt, als die ihm täglich vorschwebenden Bilder des Hofes, bei denen stolzer Blick und Hochmuth das natürliche Attribut einer Fürstin sind. Diejenigen, welche Gelegenheit hatten, Frau Kossuth persönlich keinen zu lernen, würden eine von obiger ganz verschiedene Personalbeschreibung geben und unter der Rubrik: besondere Kennzeichen, der Wahrheit gemäß anführen, liebenswürdig, einfach, anspruchlos und bürgerlich in ihrer äußeren Erscheinung. Für die östreichische Polizei würden wir den für dieselbe leicht faßlichen Zusatz machen: Blick und Benehmen gerade das Gegentheil von des jungen Dalai-Lama Mutter. Lassen wir übrigens solche Persönlichkeiten bei Seite und gehen wir zur Mittheilung einiger berichtigenden Aufklärungen über die Lage der Dinge in Ungarn, und besonders über die vielfach entstellten militärischen Operationen über. Bekanntlich geben sich alle schwarz-gelben Blätter die verzweifelte Mühe, zu beweisen, daß nicht allein die Ungarn besiegt seien, sondern sich auch schmählich feig benommen hätten, um dadurch die Theilnahme für Ungarn im Allgemeinen zu schwächen, sowie im Besonderen den Wienern begreiflich zu machen, wie dumm es war, sich im Oktober mit und für Ungarn zu erheben. Da Kossuth Alles in Allem ist, und schon durch die Operation in Ungarn Tag und Nacht in Anspruch genommen wird, dann aber auch die Verbindung mit dem Auslande sehr erschwert ist, hatte die schwarz-gelbe Presse bis jetzt ein leichtes Spiel über den militärischen Charakter, die Gesinnungen und die Lage Ungarns im Auslande falche Begriffe zu verbreiten, da sonst keine Stimme zur Vertheidigung und zur wahrheitgetreuen Darstellung der Sachlage laut wurde. Den wahrheits- und freiheitsliebenden Lesern wird demnach eine aufrichtige Darstellung der ungarischen Verhältnisse willkommen sein. Zur Vertheidigung von Ungarn bedarf es einer Armee von 120-150000 Mann und mußte diese zur Zeit, als die östreichische Regierung den gesetzlichen Boden verließ und Anstalten traf, mit Gewalt der Waffen Ungarns Rechte und Freiheit zu rauben, so zu sagen, ganz neugeschaffen werden. Es war demnach die Hauptaufgabe der ungarischen Nation, welche außer ihrer Kavallerie einige wenige der Volkssache treugebliebene Bataillone Infanterie und etwas Artillerie besitzt, sobald als möglich eine Armee zu schaffen.

Man mußte also streben, den Feind so lange als möglich außer den Gränzen zu halten, und wurde Preßburg zu diesem Zwecke befestigt, so wie die obern Gränzen so lange als möglich defensiv behauptet. Durch den Plan der östreichischen Kamarilla: Ungarn auf neun Punkten anzugreifen, sowie das von Metternich in Gallizien angewandte Mordprinzip, die verschiedenen Racen aneinander zu hetzen und sich selbst zu zerfleischen, auch in Ungarn zur Ausführung zu bringen, wurde es doppelt schwer, bei dem Mangel an Waffen und Vorräthen, die nöthigen Streitkräfte zusammen zu bringen. Trotz allen diesen Hindernissen ist es Kossuth gelungen, eine Armee von 67 wohlbewaffneten Honved-Bataillonen, 12 Regimentern Kavallerie (in Bälde 18) und einen Artilleriepark von über 300 Kanonen zu organisiren. Gehen wir jetzt zur näheren Geration des General Görgey über Wie oben gesagt, war Preßburg nur zu einem längeren Zurückhalten der östreichischen Armee befestigt, und als Windischgrätz seine Truppen bei Preßburg vollständig gesammelt, so wie einen ernsten Angriff beschlossen hatte, war es Sache des Görgey, sich von da zurückzuziehen, um so mehr, als bei einer längern Vertheidigung General Schwarzenberg und Simonith über Tyrnau, sowie ein anderer Theil der östreichischen Armee über Oedenburg hinter seinem Rücken in das Innere Ungarns vorrücken konnte, da den 12,000 Mann des ersteren der Brigadier Zyön nur 1700 Mann entgegensetzen konnte; in Oedenburg aber nur 150 Mann von der deutschen Legion und eine Division Husaren zur Bewachung der Gränzen postirt waren.

Der Rückzug der Armee, sowie der Transport von Lebensmitteln, Schlachtvieh, Waffen etc. nach Komorn fand ungestört und in der größten Ordnung statt, und zwar der Art, daß ein Theil des Görgey'schen Korps über das linke Ufer nach Komorn, der andere über das rechte nach Raab marschirte, wo es außer einigen Scharmützeln zwischen der Vorhut der Oestreicher und Nachhut der Ungarn zu keinem größern Gefechte kam; bei solchen kleinen Kämpfen hat sich die so vielseitig angefochtene Tapferkeit der Ungarn auf das Glänzendste bewährt. Als Beweis führen wir nur an, daß Görgey bei dem durchaus nicht zu vertheidigenden Orte Tyrna, sich, wie schon vorgesagt, beinahe einen ganzen Tag mit kaum 1700 Mann gegen Schwarzenberg, der ihn mit 12,000 Mann angriff, hielt, und dabei nur einen Verlust von 300 Mann erlitt. Bei Paarendorf schlugen zwei Divisionen Husaren (die östreichische Kavalleriedivision besteht bekanntlich aus zwei Eskadrons) ein ganzes Kavallerieregiment in die Flucht, ebenso bei Altenburg. Obschon die Verschanzung von Raab in strategischer Beziehung nicht von Wichtigkeit war, und nicht auf Anordnung des Görgey, sondern nur auf Befehl des nicht strategisch gebildeten Landesvertheidigungs-Ausschusses geschehen ist; da außer diesem Wege zum Vorrücken nach Pesth und Ofen dem Feinde die Fleischhackerstraße offen steht, so war es doch anfangs Plan, dort den Feind einige Zeit zurückzuhalten, ja, selbst eine Schlacht anzubieten. Durch das Einrücken des Generals Schlick war Görgey genöthigt, zur Operation gegen denselben einen großen Theil seines Armeekorps abgehen zu lassen, andererseits war aber auch der persönliche Haß zwischen Görgey und Perczel, da letzterer sich nicht unter das Kommando des ersteren stellen wollte, ein zweites Hinderniß, und endlich wurde durch das unerwartete Zufrieren der Moräste das Vorrücken der östreichischen Armee über die Fleischhackerstraße bedeutend erleichtert.

Demzufolge beschloß Görgy, wie er auch nicht anders durfte, Raab nicht zu vertheidigen und sich nach Pesth und Ofen zurückzuziehen. Obschon das Nachrücken der östreichischen Armee von schönem Wetter begünstigt, schneller als zu erwarten, geschah, so wurden doch nichts desto weniger aus Raab Lebensmittel, Waffen etc. ohne Störung vorher nach Komorn und Pesth abgeführt und zwar in der Art, daß in den letzten 3 Tagen allein 1780 Wagen befördert wurden. Bei dem Rückzuge von Raab nach Pesth kam es ebenfalls außer einem Scharmützel zwischen der deutschen Legion und Bataillon Prinz von Preußen und dem östreichischen Vortrab, zu keinem größern Gefecht, bei welcher Gelegenheit die deutsche Legion 20, Prinz von Preußen 150 Mann verlor; dagegen das Perczel'sche Corps von der Armee getrennt und von einem dreifach überlegenen Feind angegriffen, zerstreut wurde; indessen nicht, wie die östreichischen Sieges-Bulletins sagen, ganz aufgerieben wurde, sondern wie sich bei der Sammlung in Kabin herausstellte, nur 800 Mann verloren hat. In Pesth und Ofen war eine hinreichende Macht versammelt, um sich defensiv gegen die östreichische Macht zu halten, und dies war auch der Plan, um sobald man die in den andern Theilen Ungarns zerstreuten Truppenabtheilungen dort zusammen hatte, gegen die feindliche Armee die Offensive zu ergreifen. Das schnelle Zufrieren der Donau einerseits, das säumige Verhalten Mehzaros, dessen Truppen nicht zu gehöriger Zeit anlangten, andererseits, stellten der ungarischen Regierung die sehr wichtige Alternative: entweder vom feindlichen Corps förmlich zernirt und so von allen Truppen des Landes und von der Gesammtbewohnerschaft abgeschnitten zu sein, oder, was einzig zweckmäßig war, mit der ganzen Hauptmacht an einem bestimmten Conzentrationspunkt sich zu sammeln, um so immer fast dem Feinde eine kompakte Truppenmacht entgegenstellen zu können. Das Letztere geschah in Uebereinstimmung des Reichstages sowohl, als des Landesvertheidigungs-Ausschusses, und Debreczin wurde als der geeignetste Ort dazu gewählt und zwar aus folgenden Gründen: 1) Ist Debreczin, in einem Abstande von 42 Meilen von Pesth und Ofen gelegen, die Mutterstadt des Magyarenthums, umgeben von den Festen Munkacz und Sziget, zugleich flankirt von der rechten Seite des Szatmarer Komitats, Knotenpunkt der rein magyarischen Operationslinie, die erste wichtige Handelsstadt nächst Pesth, gestützt mit dem linken Flügel auf Temeswar und mit dem rechten Flügel gelehnt an die Hochkarpathen, und 2) ist anzunehmen, daß die Ausdehnung der Debrecziner Haide, ein Flächenraum von ungefähr 30 Quadrat-Meilen, den Operationen der östreichischen Armee, durch die bei der geringsten Wetteränderung wirklich unzugängliche unbrauchbare Wege mehr Hindernisse entgegensetzen werde, als Napoleon sie auf seinem Rückzuge von Moskau über die Beresina fand. Die Länge der Angriffslinie macht ihre Durchbrechung um so nachtheiliger, als die Operation des General Bem an der galizischen Gränze bisher von vielem Erfolge begleitet zu sein scheint, und man kann nicht erwarten, daß das Vorrücken der kaiserlichen Truppen im Innern von Ungarn mehr Sympathieen erwecken werde, als es bisher in den Gränzladen gefunden hat. Siege sind leicht zu gewinnen, aber ein taktisch zurückgedrängtes Volk ist deshalb noch keinesweges strategisch oder politisch bezwungen. Der endliche Sieg von Ungarn beruht bloß auf seinem Vermögen, die Zustände in Deutschland abzuwarten, und uns über den Charakter des russischer Seits ausgebeuteten Gedankens des Pansslavismus klar zu machen.

Ein Rheiländer, Offizier in der ungarischen Armee.

* Köln, 21. Januar.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
068 Köln, 27. Januar.

Die Wahlen zur ersten Kammer rücken heran. Bis jetzt sind wenig Kandidaten offiziell aufgestellt worden oder aufgetreten. Die wenigen Kandidaten aber, die bereits im Felde sind, verdienen um so mehr unsere Berücksichtigung als die erste Kammer überhaupt zum Schutz der Krone und zur Deckung der Contrerevolution erfunden worden ist.

Für heute haben wir ein Wörtchen mit Hrn. Friedrich Diergardt in Viersen, Geheimer Commerzienrath, Ritter mehrerer Orden, Inhaber diverser Medaillen etc. etc. (worüber seine Handelsfakturen nachzusehen), zu sprechen.

Am 26. Dezember 1839 fand in Viersen bei Gelegenheit des Stiftungsfestes „Harmonie“ ein Mittagsessen statt. Gegen alle Antecedentien wurde ein Toast auf den König ausgebracht, der wenig Anklang fand. Hr. Diergardt folgte mit einem Toast auf den damaligen Kronprinzen; die Familie Schleicher blieb sitzen. Mehrere Stunden nachher machte Hr. Diergardt, wie es heißt, einem Gliede dieser Familie Grobheiten deswegen und erhielt eine derbe Ohrfeige. Die Ohrfeige ist konstatirt durch ein gerichtliches Urtheil; sie kostete Hrn. Schleicher zehn Thaler Courant.

Dies sind die Antecedentien. Wir fragen nun Hrn. Diergardt:

1) war er es, der die Familie Schleicher wegen des Sitzenbleibens bei den Toasten der Polizei denunzirt?

2) war er es, der Hrn. Julius Schleicher noch besonders wegen einer 6-7 Jahre vorher in Amsterdam in einem Gasthof gethanen Aeußerung denunzirte?

So viel ist gewiß, daß sowohl gegen die Familie Schleicher im Allgemeinen, wie gegen Hrn. Julius Schleicher im Besondern damals die Untersuchung wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet, und nur durch die Amnestie von 1840 unterbrochen wurde.

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          <p>Wir erhalten folgende Mittheilung eines in der magyarischen Armee mitkämpfenden rheinischen Offiziers. Wir beeilen uns sie zu veröffentlichen, um so mehr, als sie, wie unsere Leser sehen werden, unsern Redaktionsartikel über den magyarischen Kampf in Nr. 194 Wort für Wort bestätigt:</p>
          <p>Die Windischgrätz'schen Sieges-Bülletins sind verstummt, und statt ihrer füttert der glorreiche Feldherr das schwarz-gelbe Publikum von Wien in seinem officiellen Standrecht-Blatt mit Steckbriefen, die wo möglich noch lächerlicher sind, als seine in so hohem Tone gehaltenen Sieges-Bülletins. Um das Publikum glauben zu machen, daß es mit der ungarischen Sache schon zu Ende sei, läßt er Kossuth sammt seiner Frau steckbrieflich verfolgen, als ob beide schon auf der Flucht wären, die aber zu keiner Zeit weniger als jetzt an eine Flucht aus Ungarn gedacht haben. Besonders merkwürdig ist der Steckbrief gegen Madame Kossuth, welche der Frau Sophie ein Dorn im Auge zu sein scheint, weil sie vermuthlich in ihr eine Kronconcurentin zu sehen glaubt, denn nur aus diesem Grunde kann in ihrer Personalbeschreibung unter der Rubrik &#x201E;besondere Kennzeichen&#x201C; angeführt sein: <hi rendition="#g">stolzer Blick, hochmüthige Haltung, Kleidung wahrscheinlich elegant</hi>. Denn das hochmüthigste der Weiber kann sich die Frau eines so mächtigen Mannes nicht anders als übermüthig denken, sowie der Fürstenknecht in ihr eine andere Frau erblickt, als die ihm täglich vorschwebenden Bilder des Hofes, bei denen stolzer Blick und Hochmuth das natürliche Attribut einer Fürstin sind. Diejenigen, welche Gelegenheit hatten, Frau Kossuth persönlich keinen zu lernen, würden eine von obiger ganz verschiedene Personalbeschreibung geben und unter der Rubrik: besondere Kennzeichen, der Wahrheit gemäß anführen, liebenswürdig, einfach, anspruchlos und bürgerlich in ihrer äußeren Erscheinung. Für die östreichische Polizei würden wir den für dieselbe leicht faßlichen Zusatz machen: Blick und Benehmen gerade das Gegentheil von des jungen Dalai-Lama Mutter. Lassen wir übrigens solche Persönlichkeiten bei Seite und gehen wir zur Mittheilung einiger berichtigenden Aufklärungen über die Lage der Dinge in Ungarn, und besonders über die vielfach entstellten militärischen Operationen über. Bekanntlich geben sich alle schwarz-gelben Blätter die verzweifelte Mühe, zu beweisen, daß nicht allein die Ungarn besiegt seien, sondern sich auch schmählich feig benommen hätten, um dadurch die Theilnahme für Ungarn im Allgemeinen zu schwächen, sowie im Besonderen den Wienern begreiflich zu machen, wie dumm es war, sich im Oktober mit und für Ungarn zu erheben. Da Kossuth Alles in Allem ist, und schon durch die Operation in Ungarn Tag und Nacht in Anspruch genommen wird, dann aber auch die Verbindung mit dem Auslande sehr erschwert ist, hatte die schwarz-gelbe Presse bis jetzt ein leichtes Spiel über den militärischen Charakter, die Gesinnungen und die Lage Ungarns im Auslande falche Begriffe zu verbreiten, da sonst keine Stimme zur Vertheidigung und zur wahrheitgetreuen Darstellung der Sachlage laut wurde. Den wahrheits- und freiheitsliebenden Lesern wird demnach eine aufrichtige Darstellung der ungarischen Verhältnisse willkommen sein. Zur Vertheidigung von Ungarn bedarf es einer Armee von 120-150000 Mann und mußte diese zur Zeit, als die östreichische Regierung den gesetzlichen Boden verließ und Anstalten traf, mit Gewalt der Waffen Ungarns Rechte und Freiheit zu rauben, so zu sagen, ganz neugeschaffen werden. Es war demnach die Hauptaufgabe der ungarischen Nation, welche außer ihrer Kavallerie einige wenige der Volkssache treugebliebene Bataillone Infanterie und etwas Artillerie besitzt, sobald als möglich eine Armee zu schaffen.</p>
          <p>Man mußte also streben, den Feind so lange als möglich außer den Gränzen zu halten, und wurde Preßburg zu diesem Zwecke befestigt, so wie die obern Gränzen so lange als möglich defensiv behauptet. Durch den Plan der östreichischen Kamarilla: Ungarn auf neun Punkten anzugreifen, sowie das von Metternich in Gallizien angewandte Mordprinzip, die verschiedenen Racen aneinander zu hetzen und sich selbst zu zerfleischen, auch in Ungarn zur Ausführung zu bringen, wurde es doppelt schwer, bei dem Mangel an Waffen und Vorräthen, die nöthigen Streitkräfte zusammen zu bringen. Trotz allen diesen Hindernissen ist es Kossuth gelungen, eine Armee von 67 wohlbewaffneten Honved-Bataillonen, 12 Regimentern Kavallerie (in Bälde 18) und einen Artilleriepark von über 300 Kanonen zu organisiren. Gehen wir jetzt zur näheren Geration des General Görgey über Wie oben gesagt, war Preßburg nur zu einem längeren Zurückhalten der östreichischen Armee befestigt, und als Windischgrätz seine Truppen bei Preßburg vollständig gesammelt, so wie einen ernsten Angriff beschlossen hatte, war es Sache des Görgey, sich von da zurückzuziehen, um so mehr, als bei einer längern Vertheidigung General Schwarzenberg und Simonith über Tyrnau, sowie ein anderer Theil der östreichischen Armee über Oedenburg hinter seinem Rücken in das Innere Ungarns vorrücken konnte, da den 12,000 Mann des ersteren der Brigadier Zyön nur 1700 Mann entgegensetzen konnte; in Oedenburg aber nur 150 Mann von der deutschen Legion und eine Division Husaren zur Bewachung der Gränzen postirt waren.</p>
          <p>Der Rückzug der Armee, sowie der Transport von Lebensmitteln, Schlachtvieh, Waffen etc. nach Komorn fand ungestört und in der größten Ordnung statt, und zwar der Art, daß ein Theil des Görgey'schen Korps über das linke Ufer nach Komorn, der andere über das rechte nach Raab marschirte, wo es außer einigen Scharmützeln zwischen der Vorhut der Oestreicher und Nachhut der Ungarn zu keinem größern Gefechte kam; bei solchen kleinen Kämpfen hat sich die so vielseitig angefochtene Tapferkeit der Ungarn auf das Glänzendste bewährt. Als Beweis führen wir nur an, daß Görgey bei dem durchaus nicht zu vertheidigenden Orte Tyrna, sich, wie schon vorgesagt, beinahe einen ganzen Tag mit kaum 1700 Mann gegen Schwarzenberg, der ihn mit 12,000 Mann angriff, hielt, und dabei nur einen Verlust von 300 Mann erlitt. Bei Paarendorf schlugen zwei Divisionen Husaren (die östreichische Kavalleriedivision besteht bekanntlich aus zwei Eskadrons) ein ganzes Kavallerieregiment in die Flucht, ebenso bei Altenburg. Obschon die Verschanzung von Raab in strategischer Beziehung nicht von Wichtigkeit war, und nicht auf Anordnung des Görgey, sondern nur auf Befehl des nicht strategisch gebildeten Landesvertheidigungs-Ausschusses geschehen ist; da außer diesem Wege zum Vorrücken nach Pesth und Ofen dem Feinde die Fleischhackerstraße offen steht, so war es doch anfangs Plan, dort den Feind einige Zeit zurückzuhalten, ja, selbst eine Schlacht anzubieten. Durch das Einrücken des Generals Schlick war Görgey genöthigt, zur Operation gegen denselben einen großen Theil seines Armeekorps abgehen zu lassen, andererseits war aber auch der persönliche Haß zwischen Görgey und Perczel, da letzterer sich nicht unter das Kommando des ersteren stellen wollte, ein zweites Hinderniß, und endlich wurde durch das unerwartete Zufrieren der Moräste das Vorrücken der östreichischen Armee über die Fleischhackerstraße bedeutend erleichtert.</p>
          <p>Demzufolge beschloß Görgy, wie er auch nicht anders durfte, Raab nicht zu vertheidigen und sich nach Pesth und Ofen zurückzuziehen. Obschon das Nachrücken der östreichischen Armee von schönem Wetter begünstigt, schneller als zu erwarten, geschah, so wurden doch nichts desto weniger aus Raab Lebensmittel, Waffen etc. ohne Störung vorher nach Komorn und Pesth abgeführt und zwar in der Art, daß in den letzten 3 Tagen allein 1780 Wagen befördert wurden. Bei dem Rückzuge von Raab nach Pesth kam es ebenfalls außer einem Scharmützel zwischen der deutschen Legion und Bataillon Prinz von Preußen und dem östreichischen Vortrab, zu keinem größern Gefecht, bei welcher Gelegenheit die deutsche Legion 20, Prinz von Preußen 150 Mann verlor; dagegen das Perczel'sche Corps von der Armee getrennt und von einem dreifach überlegenen Feind angegriffen, zerstreut wurde; indessen nicht, wie die östreichischen Sieges-Bulletins sagen, ganz aufgerieben wurde, sondern wie sich bei der Sammlung in Kabin herausstellte, nur 800 Mann verloren hat. In Pesth und Ofen war eine hinreichende Macht versammelt, um sich defensiv gegen die östreichische Macht zu halten, und dies war auch der Plan, um sobald man die in den andern Theilen Ungarns zerstreuten Truppenabtheilungen dort zusammen hatte, gegen die feindliche Armee die Offensive zu ergreifen. Das schnelle Zufrieren der Donau einerseits, das säumige Verhalten Mehzaros, dessen Truppen nicht zu gehöriger Zeit anlangten, andererseits, stellten der ungarischen Regierung die sehr wichtige Alternative: entweder vom feindlichen Corps förmlich zernirt und so von allen Truppen des Landes und von der Gesammtbewohnerschaft abgeschnitten zu sein, oder, was einzig zweckmäßig war, mit der ganzen Hauptmacht an einem bestimmten Conzentrationspunkt sich zu sammeln, um so immer fast dem Feinde eine kompakte Truppenmacht entgegenstellen zu können. Das Letztere geschah in Uebereinstimmung des Reichstages sowohl, als des Landesvertheidigungs-Ausschusses, und Debreczin wurde als der geeignetste Ort dazu gewählt und zwar aus folgenden Gründen: 1) Ist Debreczin, in einem Abstande von 42 Meilen von Pesth und Ofen gelegen, die Mutterstadt des Magyarenthums, umgeben von den Festen Munkacz und Sziget, zugleich flankirt von der rechten Seite des Szatmarer Komitats, Knotenpunkt der rein magyarischen Operationslinie, die erste wichtige Handelsstadt nächst Pesth, gestützt mit dem linken Flügel auf Temeswar und mit dem rechten Flügel gelehnt an die Hochkarpathen, und 2) ist anzunehmen, daß die Ausdehnung der Debrecziner Haide, ein Flächenraum von ungefähr 30 Quadrat-Meilen, den Operationen der östreichischen Armee, durch die bei der geringsten Wetteränderung wirklich unzugängliche unbrauchbare Wege mehr Hindernisse entgegensetzen werde, als Napoleon sie auf seinem Rückzuge von Moskau über die Beresina fand. Die Länge der Angriffslinie macht ihre Durchbrechung um so nachtheiliger, als die Operation des General Bem an der galizischen Gränze bisher von vielem Erfolge begleitet zu sein scheint, und man kann nicht erwarten, daß das Vorrücken der kaiserlichen Truppen im Innern von Ungarn mehr Sympathieen erwecken werde, als es bisher in den Gränzladen gefunden hat. Siege sind leicht zu gewinnen, aber ein taktisch zurückgedrängtes Volk ist deshalb noch keinesweges strategisch oder politisch bezwungen. Der endliche Sieg von Ungarn beruht bloß auf seinem Vermögen, die Zustände in Deutschland abzuwarten, und uns über den Charakter des russischer Seits ausgebeuteten Gedankens des Pansslavismus klar zu machen.</p>
          <p>Ein Rheiländer, Offizier in der ungarischen Armee.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar207-1_002_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Preußischer Steckbrief gegen Kossuth, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/8.         </bibl>                </note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 21. Januar.</head>
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        <div xml:id="ar207-1_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> Köln, 27. Januar.</head>
          <p>Die Wahlen zur ersten Kammer rücken heran. Bis jetzt sind wenig Kandidaten offiziell aufgestellt worden oder aufgetreten. Die wenigen Kandidaten aber, die bereits im Felde sind, verdienen um so mehr unsere Berücksichtigung als die erste Kammer überhaupt zum Schutz der Krone und zur Deckung der Contrerevolution erfunden worden ist.</p>
          <p>Für heute haben wir ein Wörtchen mit Hrn. Friedrich Diergardt in Viersen, Geheimer Commerzienrath, Ritter mehrerer Orden, Inhaber diverser Medaillen etc. etc. (worüber seine Handelsfakturen nachzusehen), zu sprechen.</p>
          <p>Am 26. Dezember 1839 fand in Viersen bei Gelegenheit des Stiftungsfestes &#x201E;Harmonie&#x201C; ein Mittagsessen statt. Gegen alle Antecedentien wurde ein Toast auf den König ausgebracht, der wenig Anklang fand. Hr. Diergardt folgte mit einem Toast auf den damaligen Kronprinzen; die Familie Schleicher blieb sitzen. Mehrere Stunden nachher machte Hr. Diergardt, wie es heißt, einem Gliede dieser Familie Grobheiten deswegen und erhielt eine derbe Ohrfeige. Die Ohrfeige ist konstatirt durch ein gerichtliches Urtheil; sie kostete Hrn. Schleicher zehn Thaler Courant.</p>
          <p>Dies sind die Antecedentien. Wir fragen nun Hrn. Diergardt:</p>
          <p>1) war er es, der die Familie Schleicher wegen des Sitzenbleibens bei den Toasten der Polizei denunzirt?</p>
          <p>2) war er es, der Hrn. Julius Schleicher noch besonders wegen einer 6-7 Jahre vorher in Amsterdam in einem Gasthof gethanen Aeußerung denunzirte?</p>
          <p>So viel ist gewiß, daß sowohl gegen die Familie Schleicher im Allgemeinen, wie gegen Hrn. Julius Schleicher im Besondern damals die Untersuchung wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet, und nur durch die Amnestie von 1840 unterbrochen wurde.</p>
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</TEI>
[1129/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 207. Köln, Sonntag den 28. Januar. 1849. Morgen früh wird eine zweite Ausgabe ausgegeben. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Der magyarische Kampf. — Preußischer Steckbrief gegen Kossuth. — Interpellation an Hrn. F. Diergardt. — Wahlnotizen. — Zwei Wahlberichte der Galgenzeitung) Düsseldorf. (Hr. v. Faldern) Aus dem Kr. Euskirchen, Bornheim, Aldenhoven, Jülich, Mayen, Crefeld, Hittorf, Mettmann. (Wahlen und Wahlmanöver.) Berlin. (Wahlverfälschungen. — Preßprozeß.) Halle. (Eine fromme Entdeckung.) Oberschles. östr Gränze. (Die drei Mächte. — Kirchmann. — Sankt. Lichnowsky.) Dresden. (Heubners Antrag.) Eisenach. (Demokr. Wahlen.) Schleswig. (Einfall und Niederlage dänischer Freischaaren.) Rendsburg. (Ein Urtheil. — Die Demokraten.) Aus Schleswig-Holstein. (Rüstungen.) Wien. (Neues Bulletin. — Welden's Aerger. — Ein Strohmann erschossen.) Prag. (Proklamation des Kommandanten.) Frankfurt. (National-Versammlung.) Ungarn. Pesth. (Verbot der Getreide-Ausfuhr.) Polen. Czernowitz. (Ein Bauern-Rebell eingebracht.) Italien. Rom. (Garibaldi. — Der Wohlfahrtsausschuß in Thätigkeit. — Einigkeit in Rom, Zwietracht in Gaeta.) Neapel. (Der Schadenersatz an die Schweizer.) Franz. Republik. Paris. (Die Royalisten. — Falloux. — Vermischtes. — Nationalversammlung.) Großbritannien. London. (Gogarty. — Mitchell. — Unglück in einer Kohlengrube.) Schweiz. Neuenburg. (Mißglückte Contrerevolution.) Amerika. New-York. (Eisenbahnprojekte in Central-Amerika. — Californisches.) Deutschland. 068 Köln, 26. Jan. Wir erhalten folgende Mittheilung eines in der magyarischen Armee mitkämpfenden rheinischen Offiziers. Wir beeilen uns sie zu veröffentlichen, um so mehr, als sie, wie unsere Leser sehen werden, unsern Redaktionsartikel über den magyarischen Kampf in Nr. 194 Wort für Wort bestätigt: Die Windischgrätz'schen Sieges-Bülletins sind verstummt, und statt ihrer füttert der glorreiche Feldherr das schwarz-gelbe Publikum von Wien in seinem officiellen Standrecht-Blatt mit Steckbriefen, die wo möglich noch lächerlicher sind, als seine in so hohem Tone gehaltenen Sieges-Bülletins. Um das Publikum glauben zu machen, daß es mit der ungarischen Sache schon zu Ende sei, läßt er Kossuth sammt seiner Frau steckbrieflich verfolgen, als ob beide schon auf der Flucht wären, die aber zu keiner Zeit weniger als jetzt an eine Flucht aus Ungarn gedacht haben. Besonders merkwürdig ist der Steckbrief gegen Madame Kossuth, welche der Frau Sophie ein Dorn im Auge zu sein scheint, weil sie vermuthlich in ihr eine Kronconcurentin zu sehen glaubt, denn nur aus diesem Grunde kann in ihrer Personalbeschreibung unter der Rubrik „besondere Kennzeichen“ angeführt sein: stolzer Blick, hochmüthige Haltung, Kleidung wahrscheinlich elegant. Denn das hochmüthigste der Weiber kann sich die Frau eines so mächtigen Mannes nicht anders als übermüthig denken, sowie der Fürstenknecht in ihr eine andere Frau erblickt, als die ihm täglich vorschwebenden Bilder des Hofes, bei denen stolzer Blick und Hochmuth das natürliche Attribut einer Fürstin sind. Diejenigen, welche Gelegenheit hatten, Frau Kossuth persönlich keinen zu lernen, würden eine von obiger ganz verschiedene Personalbeschreibung geben und unter der Rubrik: besondere Kennzeichen, der Wahrheit gemäß anführen, liebenswürdig, einfach, anspruchlos und bürgerlich in ihrer äußeren Erscheinung. Für die östreichische Polizei würden wir den für dieselbe leicht faßlichen Zusatz machen: Blick und Benehmen gerade das Gegentheil von des jungen Dalai-Lama Mutter. Lassen wir übrigens solche Persönlichkeiten bei Seite und gehen wir zur Mittheilung einiger berichtigenden Aufklärungen über die Lage der Dinge in Ungarn, und besonders über die vielfach entstellten militärischen Operationen über. Bekanntlich geben sich alle schwarz-gelben Blätter die verzweifelte Mühe, zu beweisen, daß nicht allein die Ungarn besiegt seien, sondern sich auch schmählich feig benommen hätten, um dadurch die Theilnahme für Ungarn im Allgemeinen zu schwächen, sowie im Besonderen den Wienern begreiflich zu machen, wie dumm es war, sich im Oktober mit und für Ungarn zu erheben. Da Kossuth Alles in Allem ist, und schon durch die Operation in Ungarn Tag und Nacht in Anspruch genommen wird, dann aber auch die Verbindung mit dem Auslande sehr erschwert ist, hatte die schwarz-gelbe Presse bis jetzt ein leichtes Spiel über den militärischen Charakter, die Gesinnungen und die Lage Ungarns im Auslande falche Begriffe zu verbreiten, da sonst keine Stimme zur Vertheidigung und zur wahrheitgetreuen Darstellung der Sachlage laut wurde. Den wahrheits- und freiheitsliebenden Lesern wird demnach eine aufrichtige Darstellung der ungarischen Verhältnisse willkommen sein. Zur Vertheidigung von Ungarn bedarf es einer Armee von 120-150000 Mann und mußte diese zur Zeit, als die östreichische Regierung den gesetzlichen Boden verließ und Anstalten traf, mit Gewalt der Waffen Ungarns Rechte und Freiheit zu rauben, so zu sagen, ganz neugeschaffen werden. Es war demnach die Hauptaufgabe der ungarischen Nation, welche außer ihrer Kavallerie einige wenige der Volkssache treugebliebene Bataillone Infanterie und etwas Artillerie besitzt, sobald als möglich eine Armee zu schaffen. Man mußte also streben, den Feind so lange als möglich außer den Gränzen zu halten, und wurde Preßburg zu diesem Zwecke befestigt, so wie die obern Gränzen so lange als möglich defensiv behauptet. Durch den Plan der östreichischen Kamarilla: Ungarn auf neun Punkten anzugreifen, sowie das von Metternich in Gallizien angewandte Mordprinzip, die verschiedenen Racen aneinander zu hetzen und sich selbst zu zerfleischen, auch in Ungarn zur Ausführung zu bringen, wurde es doppelt schwer, bei dem Mangel an Waffen und Vorräthen, die nöthigen Streitkräfte zusammen zu bringen. Trotz allen diesen Hindernissen ist es Kossuth gelungen, eine Armee von 67 wohlbewaffneten Honved-Bataillonen, 12 Regimentern Kavallerie (in Bälde 18) und einen Artilleriepark von über 300 Kanonen zu organisiren. Gehen wir jetzt zur näheren Geration des General Görgey über Wie oben gesagt, war Preßburg nur zu einem längeren Zurückhalten der östreichischen Armee befestigt, und als Windischgrätz seine Truppen bei Preßburg vollständig gesammelt, so wie einen ernsten Angriff beschlossen hatte, war es Sache des Görgey, sich von da zurückzuziehen, um so mehr, als bei einer längern Vertheidigung General Schwarzenberg und Simonith über Tyrnau, sowie ein anderer Theil der östreichischen Armee über Oedenburg hinter seinem Rücken in das Innere Ungarns vorrücken konnte, da den 12,000 Mann des ersteren der Brigadier Zyön nur 1700 Mann entgegensetzen konnte; in Oedenburg aber nur 150 Mann von der deutschen Legion und eine Division Husaren zur Bewachung der Gränzen postirt waren. Der Rückzug der Armee, sowie der Transport von Lebensmitteln, Schlachtvieh, Waffen etc. nach Komorn fand ungestört und in der größten Ordnung statt, und zwar der Art, daß ein Theil des Görgey'schen Korps über das linke Ufer nach Komorn, der andere über das rechte nach Raab marschirte, wo es außer einigen Scharmützeln zwischen der Vorhut der Oestreicher und Nachhut der Ungarn zu keinem größern Gefechte kam; bei solchen kleinen Kämpfen hat sich die so vielseitig angefochtene Tapferkeit der Ungarn auf das Glänzendste bewährt. Als Beweis führen wir nur an, daß Görgey bei dem durchaus nicht zu vertheidigenden Orte Tyrna, sich, wie schon vorgesagt, beinahe einen ganzen Tag mit kaum 1700 Mann gegen Schwarzenberg, der ihn mit 12,000 Mann angriff, hielt, und dabei nur einen Verlust von 300 Mann erlitt. Bei Paarendorf schlugen zwei Divisionen Husaren (die östreichische Kavalleriedivision besteht bekanntlich aus zwei Eskadrons) ein ganzes Kavallerieregiment in die Flucht, ebenso bei Altenburg. Obschon die Verschanzung von Raab in strategischer Beziehung nicht von Wichtigkeit war, und nicht auf Anordnung des Görgey, sondern nur auf Befehl des nicht strategisch gebildeten Landesvertheidigungs-Ausschusses geschehen ist; da außer diesem Wege zum Vorrücken nach Pesth und Ofen dem Feinde die Fleischhackerstraße offen steht, so war es doch anfangs Plan, dort den Feind einige Zeit zurückzuhalten, ja, selbst eine Schlacht anzubieten. Durch das Einrücken des Generals Schlick war Görgey genöthigt, zur Operation gegen denselben einen großen Theil seines Armeekorps abgehen zu lassen, andererseits war aber auch der persönliche Haß zwischen Görgey und Perczel, da letzterer sich nicht unter das Kommando des ersteren stellen wollte, ein zweites Hinderniß, und endlich wurde durch das unerwartete Zufrieren der Moräste das Vorrücken der östreichischen Armee über die Fleischhackerstraße bedeutend erleichtert. Demzufolge beschloß Görgy, wie er auch nicht anders durfte, Raab nicht zu vertheidigen und sich nach Pesth und Ofen zurückzuziehen. Obschon das Nachrücken der östreichischen Armee von schönem Wetter begünstigt, schneller als zu erwarten, geschah, so wurden doch nichts desto weniger aus Raab Lebensmittel, Waffen etc. ohne Störung vorher nach Komorn und Pesth abgeführt und zwar in der Art, daß in den letzten 3 Tagen allein 1780 Wagen befördert wurden. Bei dem Rückzuge von Raab nach Pesth kam es ebenfalls außer einem Scharmützel zwischen der deutschen Legion und Bataillon Prinz von Preußen und dem östreichischen Vortrab, zu keinem größern Gefecht, bei welcher Gelegenheit die deutsche Legion 20, Prinz von Preußen 150 Mann verlor; dagegen das Perczel'sche Corps von der Armee getrennt und von einem dreifach überlegenen Feind angegriffen, zerstreut wurde; indessen nicht, wie die östreichischen Sieges-Bulletins sagen, ganz aufgerieben wurde, sondern wie sich bei der Sammlung in Kabin herausstellte, nur 800 Mann verloren hat. In Pesth und Ofen war eine hinreichende Macht versammelt, um sich defensiv gegen die östreichische Macht zu halten, und dies war auch der Plan, um sobald man die in den andern Theilen Ungarns zerstreuten Truppenabtheilungen dort zusammen hatte, gegen die feindliche Armee die Offensive zu ergreifen. Das schnelle Zufrieren der Donau einerseits, das säumige Verhalten Mehzaros, dessen Truppen nicht zu gehöriger Zeit anlangten, andererseits, stellten der ungarischen Regierung die sehr wichtige Alternative: entweder vom feindlichen Corps förmlich zernirt und so von allen Truppen des Landes und von der Gesammtbewohnerschaft abgeschnitten zu sein, oder, was einzig zweckmäßig war, mit der ganzen Hauptmacht an einem bestimmten Conzentrationspunkt sich zu sammeln, um so immer fast dem Feinde eine kompakte Truppenmacht entgegenstellen zu können. Das Letztere geschah in Uebereinstimmung des Reichstages sowohl, als des Landesvertheidigungs-Ausschusses, und Debreczin wurde als der geeignetste Ort dazu gewählt und zwar aus folgenden Gründen: 1) Ist Debreczin, in einem Abstande von 42 Meilen von Pesth und Ofen gelegen, die Mutterstadt des Magyarenthums, umgeben von den Festen Munkacz und Sziget, zugleich flankirt von der rechten Seite des Szatmarer Komitats, Knotenpunkt der rein magyarischen Operationslinie, die erste wichtige Handelsstadt nächst Pesth, gestützt mit dem linken Flügel auf Temeswar und mit dem rechten Flügel gelehnt an die Hochkarpathen, und 2) ist anzunehmen, daß die Ausdehnung der Debrecziner Haide, ein Flächenraum von ungefähr 30 Quadrat-Meilen, den Operationen der östreichischen Armee, durch die bei der geringsten Wetteränderung wirklich unzugängliche unbrauchbare Wege mehr Hindernisse entgegensetzen werde, als Napoleon sie auf seinem Rückzuge von Moskau über die Beresina fand. Die Länge der Angriffslinie macht ihre Durchbrechung um so nachtheiliger, als die Operation des General Bem an der galizischen Gränze bisher von vielem Erfolge begleitet zu sein scheint, und man kann nicht erwarten, daß das Vorrücken der kaiserlichen Truppen im Innern von Ungarn mehr Sympathieen erwecken werde, als es bisher in den Gränzladen gefunden hat. Siege sind leicht zu gewinnen, aber ein taktisch zurückgedrängtes Volk ist deshalb noch keinesweges strategisch oder politisch bezwungen. Der endliche Sieg von Ungarn beruht bloß auf seinem Vermögen, die Zustände in Deutschland abzuwarten, und uns über den Charakter des russischer Seits ausgebeuteten Gedankens des Pansslavismus klar zu machen. Ein Rheiländer, Offizier in der ungarischen Armee. * Köln, 21. Januar. _ 068 Köln, 27. Januar. Die Wahlen zur ersten Kammer rücken heran. Bis jetzt sind wenig Kandidaten offiziell aufgestellt worden oder aufgetreten. Die wenigen Kandidaten aber, die bereits im Felde sind, verdienen um so mehr unsere Berücksichtigung als die erste Kammer überhaupt zum Schutz der Krone und zur Deckung der Contrerevolution erfunden worden ist. Für heute haben wir ein Wörtchen mit Hrn. Friedrich Diergardt in Viersen, Geheimer Commerzienrath, Ritter mehrerer Orden, Inhaber diverser Medaillen etc. etc. (worüber seine Handelsfakturen nachzusehen), zu sprechen. Am 26. Dezember 1839 fand in Viersen bei Gelegenheit des Stiftungsfestes „Harmonie“ ein Mittagsessen statt. Gegen alle Antecedentien wurde ein Toast auf den König ausgebracht, der wenig Anklang fand. Hr. Diergardt folgte mit einem Toast auf den damaligen Kronprinzen; die Familie Schleicher blieb sitzen. Mehrere Stunden nachher machte Hr. Diergardt, wie es heißt, einem Gliede dieser Familie Grobheiten deswegen und erhielt eine derbe Ohrfeige. Die Ohrfeige ist konstatirt durch ein gerichtliches Urtheil; sie kostete Hrn. Schleicher zehn Thaler Courant. Dies sind die Antecedentien. Wir fragen nun Hrn. Diergardt: 1) war er es, der die Familie Schleicher wegen des Sitzenbleibens bei den Toasten der Polizei denunzirt? 2) war er es, der Hrn. Julius Schleicher noch besonders wegen einer 6-7 Jahre vorher in Amsterdam in einem Gasthof gethanen Aeußerung denunzirte? So viel ist gewiß, daß sowohl gegen die Familie Schleicher im Allgemeinen, wie gegen Hrn. Julius Schleicher im Besondern damals die Untersuchung wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet, und nur durch die Amnestie von 1840 unterbrochen wurde.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 207. Köln, 28. Januar 1849, S. 1129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz207i_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.