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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 214. Köln, 6. Februar 1849.

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068 Rom, 24. Jan.

Hier gehen die Sachen vortrefflich. Sizilien soll dem Könige von Neapel vorgeschlagen haben, die zwischen ihm und den Sizilianern bestehende Streitfrage der italienischen Constituante zur Entscheidung vorzulegen. Die Wahlen sind im ganzen römischen Staat beendigt. Sie wurden überall mit der größten Ruhe vorgenommen. Venedig und die lombardische Emigration schicken sich an, ihre Deputirten zur konstituirenden Nationalversammlung hierher zu senden. Der Wohlfahrtsausschuß beglückwünscht in einer Proklamation die Dragoner und die Bürgerwehr, daß sie den neulichen Versuch der Reaktionäre zu einer Contrerevolution so schnell und bereitwillig zu Schanden machten. In einer andern Proklamation vom 22 Januar sagt der Wohlfahrtsausschuß Folgendes:

Die Kommission, im Bewußtsein ihrer Stärke, welche ihr die öffentliche Meinung, die thätige Stütze der Bürger und die Treue der Soldaten verleihen, hat die Ueberzeugung gewonnen, daß sie die Macht in Händen hat, um nöthigenfalls die Sicherheit und Würde des Landes zu vertheidigen.

In Civita-Vecchia hatte sich das Gerücht verbreitet, daß Schiffe gesehen worden mit der spanischen Flagge. Bei diesem bloßen Gerüchte lief das Volk zu den Waffen, und traf alle Anstalten, um auf jede mögliche Eventualität gefaßt zu sein.

* Venedig, 22. Januar.

Tommasco kehrt nach Italien zurück und Valentino Pasini ist an seine Stelle von der provisorischen Regierung ernannt, um die Interessen Venedigs bei der französischen Republik zu vertreten. Zugleich behielt er die Mission bei, den Konferenzen in Brüssel beizuwohnen. Die Kreaturen von Karl Albert treten immer mehr und mehr in den Hintergrund.

* Gaeta, 24. Januar.

An sämmtliche Glieder des ehemaligen Kardinals-Kollegium ist die Aufforderung ergangen sich in Gaeta um die Person des Pabstes zu sammeln. Offenbar führt Hr. Lambruschini irgend ein neues Plänchen zur Reaktion im Schilde.

* Modena, 23. Januar.

Der restaurirte Herzog sucht, aus Besorgniß, daß es doch bald auch für ihn zu Ende gehen könnte, noch möglichst viel Geld aus seinen "getreuen" Unterthanen herauszuschlagen. In einem Dekret von gestern nimmt er mit den Gehältern sämmtlicher Beamten eine Verminderung vor, die je nach Höhe des Gehalts zwischen 4 bis 12 Prozent beträgt. Diese Gehaltsverminderung soll als eine gezwungene Anleihe zu 5 Prozent angesehen werden. Wer aber die 5 Prozent Zinsen, vom Kapital gänzlich zu schweigen, bezahlen wird, ist eine andre Frage. Die direkten Steuern werden durch eben gedachtes Dekret um 1/3 die indirekten um 1/10 erhöht. Blos für Salz, Taback und Getredie tritt keine Erhöhung ein.

Großbritannien.
068 London, 2. Februar.

In der gestrigen ersten Sitzung des Oberhauses beantragte Lord Bruce die Antwortadresse, die, wie gewöhnlich nichts als ein Echo der Thronrede ist.

Der edle Lord Brougham ergriff natürlich schon heute die Gelegenheit, nach so langem Schweigen sich durch eine desto längere Rede zu entschädigen, in der er "Alles und noch Einiges" berührte, vornehmlich aber gegen die Cobden'sche Finanzreform-Agitation und als Ritter der gutsherrlichen Interessen auftrat. Für Armee und Marine könne es um so weniger Ersparnisse geben, als er überall -- in Oesterreich, Italien, Frankreich -- die dringendsten Gründe zum Ausbruch eines allgemeinen Krieges erblicke. Lord Stanley, der Leiter der Opposition, kritisirt die ganze äußere und innere Politik des Kabinets, auf das er eine Stunde lang seine torystischen Keulenschläge niederregnen läßt. Von den Cobden'schen Finanzreformen aber will er, wie man wohl denken kann, eben so wenig etwas wissen, als die jetzige Regierungspartei. Er beantragt zu der Stelle in der Thronrede, wo es heißt: "Die Einnahmen befinden sich in einem Zustande fortschreitender Verbesserung", folgenden Zusatz:

"Wir bedauern indeß die Nothwendigkeit, Eurer Maj. vorzustellen, daß weder die Beziehungen Ew. Maj. zu den fremden Mächten, noch der Zustand der Staatseinnahmen, noch die Lage der Handels- und Manufaktur-Interessen der Art sind, daß sie uns berechtigten, in dieser Adresse die Sprache der Beglückwünschung zu führen, und daß ein großer Theil der Ackerbau- und Kolonial-Interessen des Reichs unter einem Zustande fortschreitenden Herunterkommens leiden, der ernstliche Besorgniß und Angst hervorzurufen geeignet ist."

Dieses Amendement wurde mit 52 gegen 50 Stimmen verworfen!! Das Haus vertagt sich bis Montag.

Unterhaus vom 1. Februar. Hier wird die Antwortadresse von Lord H. Vane beantragt. Disraeli greift in der ihm eigenthümlich scharfen Weise die Thronrede und die ganze Politik des Ministeriums an. H. Grattan schlägt zu der Stelle über Irland als Amendement vor: "Die Ruhestörung in Irland hat sich nicht wiederholt, aber es ist fortwährend ein durch die Leiden des Volkes erhöhtes Gefühl der Unzufriedenheit vorhanden, das nicht außer den Augen zu lassen und durch Heilmittel so bald als möglich zu beseitigen unsere Pflicht erfordert." In seiner Rede dringt er auf Abschaffung des irischen Armengesetzes und brandmarkt den Vorschlag, die Suspension der Habeas-Corpus-Acte noch länger in Irland fortdauern zu lassen. Lord J. Russell sucht die ministerielle Politik zu rechtfertigen. Bei der Abstimmung sprechen sich nur 12 Mitglieder für Grattan's Amendement aus.

Das Haus vertagt sich 1/2 Stunde nach Mitternacht bis auf heute.

* London, 3. Februar.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses wurde die Verhandlung über die Antwortadresse fortgesetzt. Disraeli's Amendement, das seinem Wesen nach dem vom Lord Stanley vorgestern im Oberhause vorgeschlagenen und nur mit zwei Stimmen Majorität verworfenen Zusatze gleichkommt, bildete den Gegenstand der Debatte, an welcher sich auf Seiten der Regierung Somerville, M. Milnes, Evans und gegen sie Stafford, Walsh, der unvermeidliche Sibthorp, Bankes, Urquhart betheiligten. Letzterm antwortete Lord Palmerston. Die Protektionisten stellten hierauf den Antrag auf Vertagung, dem sich das Ministerium opponirte. Die Abstimmung ergab 141 Stimmen Majorität gegen die Vertagung, worauf Disraeli sein Amendement zurückzog und der ursprüngliche Antrag genehmigt wurde. Um 1 Uhr Nachts vertagte sich alsdann das Haus bis Montag.

068

Der "Northern Star" spricht sich über die gestern eröffnete Session folgendermaßen aus:

"Die zweite Session des Whig-Parlaments hat seine Sitzungen begonnen. Wir Alle sind mit seiner schrecklichen Langweiligkeit und unproduktivem Charakter aus vorigem Jahre her zu wohl bekannt, als daß wir nöthig hätten, die vorige Session noch einmal die Revue passiren zu lassen. Doch können wir folgende Frage nicht unterlassen: Ist es wahrscheinlich, daß die eben begonnene Session ersprießlicher und wohlthätiger endigt, als die vorige? Werden wir abermals ein 8monatliches Wortschachern haben, eine 8monatliche Wiederholung von rohen, schlechtbearbeiteten Maaßregeln, die eilig eingebracht eben so eilig zurückgenommen werden -- von langen, wirren Debatten über Fragen, bei denen man gar nicht einmal eine praktische Conclusion beabsichtigte? Mit einem Wort: eine Session von Worten, und nicht von Thaten, in so weit für die öffentliche Wohlfahrt Thaten erforderlich wären?

Diese Fragen lassen sich nur dadurch im Voraus beantworten, daß man auf die seit Schluß der letzten Session vorgefallenen Aenderungen im Kabinet und in der öffentlichen Meinung seinen Blick richtet. Die einzige Veränderung im Kabinet besteht darin, daß an die Stelle des verstorbenen Lord Auckland Sir T. Baring, d. h. keinerlei Veränderung, eingetreten ist. Was also das Ministerium anlangt, so haben wirs offenbar mit dem alten Material zu thun. Wir werden wiederum das nämliche Kokettiren mit den Parteien, die nämliche Zweiächselei, den früheren Mangel an festen Prinzipien, oder an klaren, bestimmten Plänen zu sehen bekommen.

Hat doch Lord J. Russell die Theorie ministerieller Nicht-Verantwortlichkeit förmlich proklamirt. Seiner Meinung nach ist es nicht erforderlich, daß der Premier und seine Kollegen in Betreff der Geschäfte des Parlaments die Initiative und Leitung in die Hände nehmen. Jeder mag thun, was ihm gut dünkt, und die ganze Pflicht der Minister besteht darin, daß sie ihre Gehälter einstreichen und Alles möglichst in Ruhe lassen, wobei sie von den öffentlichen Geschäften gerade so viel abmachen, als ihnen bei dem allgemeinen Wirrwarr der Zufall erlaubt.

Betrachten wir dagegen das Unterhaus und die öffentliche Meinung, so ist der Fall von dem vorjährigen gar sehr verschieden. Wiewohl im Material dieses Hauses keine besondere Veränderung vorgekommen, so sind doch seine Bestandtheile diesmal besser organisirt. Die Partei der "Liberalen" besitzt das sine qu'a non jeder energischen Politik, einen bestimmten Grundsatz und einen Plan, nach welchem sie ans Werk geht. Sie hat zur Unterstützung im Hintertreffen einen bedeutenden Theil der Presse und die Mehrheit der Wähler für sich. Zudem steht die Forderung, in den Staatsausgaben eine Veränderung eintreten zu lassen, in so direkter Verbindung mit jenem empfindsamen Theile jedes Mannes -- den Hosentaschen -- daß sie inner- wie außerhalb des Hauses eines großen Einflusses gewiß ist.

Bereits hat sich die Macht dieser Bewegung in unverkennbaren Zeichen kund gegeben. Das von Ihrer Majestät am Donnerstage vorgetragene ministerielle Programm enthält eine bestimmte, abgesonderte Bezugnahme auf das Thema der Finanzersparungen. Freilich, wenn die "Finanz-Reformers" sowohl inner- als außerhalb des Unterhauses nicht schrecklichen Ernst machen, so können die in der Thronrede bezüglich dieses Gegenstandes gebrauchten Ausdrücken in etwas unendlich Geringeres übersetzt werden, als irgend Jemand sich einbildet. Ja, Verminderung der Ausgaben und "verständige und praktische Oekonomie" kann schließlich bedeuten: Zunahme der Staatslasten. Wir für unsern Theil gestehen, wie wohl entschlossen, der bloßen Finanzreform-Bewegung kein Hinderniß in den Weg zu legen, ganz offen und ohne Zögern, daß, so lange das System der Volksvertretung keine absolute und vollständige Reform erfährt, es auch für Einführung und Festhaltung einer angemessenen Sparsamkeit keinerlei Bürgschaft giebt noch geben kann.

Bis zur vollständigen Reform in der Volksvertretung werden selbst etwaige Ausgabe-Verminderungen immer nur einigen bevorrechteten Klassen oder Parteien zu Gute kommen, das große Publikum aber nicht erreichen. Was wir von der Finanzreform-Bewegung einzig Gutes erwarten, ist: daß die aufrichtigeren und entschlossenen Mitglieder jener Partei zur Anempfehlung des allgemeinen Stimmrechts, als des kürzesten und wirksamsten Mittels zum Ziele, hingetrieben werden. Jedenfalls ist's erfreulich, daß eine wirkliche, in sich geeinigte Opposition, mit festem Ziel vor den Augen, in dieser Session auftreten wird. Die Hauptpunkte im ministeriellen Programm sind: die verheißene "umfassende" Verminderung der Staatsausgaben, eine Revision des irischen Armengesetzes und die Abschaffung oder Umarbeitung der Schifffahrtsgesetze. Das kann man die ministeriellen Heilmaßregeln nennen. Fur das arme, unglückliche, von Pest und Hunger heimgesuchte Irland ist die Wiederholung und Fortdauer jener Gewaltspolitik angekündigt, zu welcher sich das jetzige Kabinet von Anfang an verpflichtet hat.

Man sollte denken, daß Auswanderung, Entblößung, Krankheit und Tod die Bevölkerung des Landes genugsam dezimirt und den Muth derselben gebrochen habe, um für ein liberales Ministerium eine so tyrannische und unkonstitutionelle Regierungsweise überflüssig zu machen. Doch nein. Sind auch die Häupter Jung-Irlands im Kerker oder Exil, ist gleich die Bevölkerung durch gutsherrliche Austreibungen, Krankheit und Auswanderung dezimirt und durch die abermalige Kartoffel-Mißerndte noch tiefer zu Boden gedrückt: so wagen die Whigs dennoch nicht, die übrig gebliebenen Irländer die verfassungsmäßige Freiheit der Association und des freien Gedankenausdrucks genießen zu lassen. Irland und Wien werden aus gleicher Ursache nach den nämlichen Prinzipien regiert. Die Regierung hat für das Volk nur Unterdrückung, das Volk hat nur Haß für die Regierung. Die Stimme des Volks wird erstickt, damit die letztere das gehörige Maaß ministerieller Ruhe genieße.

In Betreff der Schifffahrtsgesetze sind die Ausdrücke so vag, daß wir die Beruhrung des Gegenstandes nur für eine Wiederholung des Partei-Kniffs ansehen, durch den voriges Jahr die beiden Fraktionen des "konservativen" Lagers an ihrer Verschmelzung und dem Sieg über die Whigs verhindert wurden. Wir wollen sehen, ob der Kniff auch diesmal gelingt.

Ueber die so höchst wichtige Frage, das irische Armengesetz betreffend, ersparen wir uns jeden Commentar, bis wir die Vorschläge der Minister sehen werden, und rücksichtlich der Ersparnisse haben wir bereits gesagt, daß sie größer oder kleiner ausfallen werden, je nach dem ernstlichen Willen und der Stärke der Cobden-Partei.

068 Manchester, 1. Febr.

Gestern Abend wurde in unserer Stadt ein überaus glänzendes und zahlreich besuchtes Freihandels-Bankett gefeiert. Mit dem heutigen Tage ist der letzte Ueberrest der Getreide-Schutzzölle zur Ruhe bestattet worden und von jetzt an darf der fremde Weizen zu einem nominellen Zoll von 1 Schill. d. h. so gut wie zollfrei, eingeführt werden. Diesem Ereigniß zu Ehren war gedachtes Bankett in der "Freihandels-Halle" veranstaltet worden. Ueber 3000 Personen nahmen daran Theil. Fast jeder bedeutendere Ort Englands und Schottlands hatte seine Vertreter gesandt. Die Zahl der anwesenden Damen betrug 700. Der bekannte Freetrader G. Wilson führte den Vorsitz. Es waren zahlreiche Entschuldigungsbriefe eingegangen, darunter einer von Bastiat aus Paris. Letzterer benutzte die Gelegenheit, um seine abgestandenen Phrasen gegen den Kommunismus wieder einmal an den Mann zu bringen. Die "Freihandelsherren" klatschten natürlich bei solchen Stellen gewaltigen Beifall. Erst nachdem der Rev. Thos. Spencer das Tischgebet gesprochen, ergriff der Vorsitzende das Wort. Aus seiner Rede hebe ich folgende Stellen hervor:

"Meine Herren," sagte er u. A., "wir sind heute beisammen, um die Aufhebung der Korngesetze zu feiern (stürmischer Applaus, fast die ganze Gesellschaft, einschließlich der Damen, erhebt sich und schwenkt die Taschentücher). Heute Abend müssen wir von der immensen Organisation (anti-corn-law-league), mittelst welcher eine der größten friedlichen Revolutionen dieses Landes in's Werk gesetzt worden, Abschied nehmen. Wir feiern zugleich die Eröffnung einer bessern Aera hoffentlich für alle Klassen und insbesondere für die zahlreichste, die ihr Brod im Schweiße des Angesichts verdienen muß" (bekannte Freihändlerphrase, deren Nichtigkeit im "Northern Star" längst auseinandergesetzt und von den Arbeitern England's hinlänglich begriffen worden).

Wilson giebt hierauf eine Skizze von der Wirksamkeit der League und schließt mit den Worten:

"Eine 10jährige Erfahrung hat uns gezeigt, wie genau und regelmäßig der Ton jeder bedeutenden Stadt mit dem aller übrigen Städte bei jeder großen Frage übereinstimmt, und wie kräftig sie gegenseitig sich zu jedem guten und geeigneten Zweck zu unterstützen wissen. Und wir haben aus Erfahrung gelernt, die wir unsern Nachfolgern als Vermächtniß hinterlassen, daß der Widerhall und die Pulsschläge solcher Vereinigungen, wie diese nicht blos innerhalb der vier Wände dieses Gebäudes, sondern durch die ganze civilisirte Welt mitempfunden werden." (Donnernder Beifall).

Jetzt beginnen die Toaste, von denen natürlich jeder mittelst einer mehr oder minder langen Rede eingeleitet wird. "Auf die Freetrade-Mitglieder in beiden Parlamentshäusern; glücklichen Erfolg in ihren Bemühungen zur Abschaffung der Schifffahrtsgesetze und vollständigem Umsturze aller Monopole." Das Unterhausmitglied Villiers beantwortet den Trinkspruch. Ihm folgt Cobden, auf diesen Oberst Thompson, der den Toast ausbringt: "Auf die Wahlkörper, welche Freihandelsmänner ins Parlament ernannt haben." Es wurde noch viel gesprochen und getoastet und das Bankett um 12 1/2 Uhr in der Nacht beendigt.

Französische Republik.
12 Paris, den 3. Februar.

Wir haben für die Kammer nie Sympathien gehabt. Sie war für uns vom Anfange ihres Bestehens bis auf den heutigen Tag eine Bourgeois-Kammer. Nur müssen wir gestehen, hätten wir sie lieber durch Barbes als durch Rateau-Barrot zu Grunde gehen gesehen. Der materielle 15. Mai, der sie mit Vernichtung bedrohte, hatte alle unsere Sympathien; der moralische 15. Mai, in Gestalt von Barrot und Rateau hatte alle unsere Antipathie und es versteht sich von selbst, daß wir die Kammer lieber hätten vernichtet gesehen durch unsere Freunde als durch unsere Feinde. Als nun gar ein 24. Juni für diese Bourgeois-Kammer heranrückte, als die Kammer am 29. Januar behandelt werden sollte, wie die Juni-Insurgenten, und die Juni-Insurgenten selbst Partei für dieselbe Kammer ergriffen, welche sie so unbarmherzig behandelt hatte, da mußten wir natürlich Partei für sie ergreifen, weil sie dem Proletariate einen Anhaltspunkt gewährte. Freilich war dieser Anhaltspunkt nur sehr schwach; er war nicht die Kammer selbst; er war in der Kammer; es war die Montagne und ein Theil der Partei des National: und diese Partei konnte zusammengenommen der Partei von Barrot, Thiers und Mole die Spitze bieten. Aber einen Anhaltspunkt suchen zu müssen in der Partei des National: dieser jämmerlichen Partei, welche mit der Bourgeois-Partei deßhalb Hand in Hand gehen muß, um ihre Stellen beizubehalten, und die wiederum nur dann ihre Stellen behalten kann, wenn sie die Bourgeois-Interessen entweder bald mit einem Cavaignac bedroht, bald mit einem Cavaignac vertheidigt, die gegen "unten" immer mit Kanonen zu wüthen bereit ist, während sie gegen "oben" keine andern Mittel hat, als Intrigue und republikanische Westen!

Wodurch hat der National sich bisheran gehalten gegen legitimistische und orleanische Umtriebe? Durch sein republikanisches Kostüm, welches bald den Robespierreschen Schnitt annahm, und auf das Proletariat verwies, wenn die monarchische Partei zu vorlaut wurde mit ihren "legitimen" oder "halblegitimen" Interessen und Prätentionen, bald aber auch als Beschönigungsmantel dienen mußte, wenn die "honette Republik" zu ihrer Selbsterhaltung sowohl, als zur Erhaltung der "Gesellschaft" resp. der Bourgeois-Gesellschaft, der Ruhe und Ordnung, der Course und Hypotheken, das Proletariat niederschießen ließ.

Am 29. Januar standen, wie gesagt, die Inhaber und Beschützer der "honetten Republik" auf dem Standpunkte der Juni-Insurrektion; die Kammer, wenigstens der "republikanische" Theil derselben, war mit gleichem Schicksale bedroht. Die Klubs und Assoziationen nahmen Partei für die Kammer, und boten ihr ihren Schutz an; sogar die Nationalgarde, die nur zu gut begriff, daß Changarnier eine Juni-Schlacht herbeiwünschte, um als Cavaignac auftreten zu können; die Nationalgarde, sage ich, die unmittelbar nachdem sie die Juni-Schlacht gewonnen, die Concordats a l'amiable verlor, ich meine alle die Kleinbürger, die auf dem Punkte der Falliments angekommen, völlig durch die große Bourgeoisie ruinirt wurden, die ihnen ihr ganzes Vermögen unter den Händen wegzog -- dieser ganze Theil der Natonalgarde wandte sich von Changarnier, von Barrot und von Leon Faucher ab, und bot der Kammer seine Hülfe an.

Die Verhaftung des Obersten Forestier, die Verhaftung von Alton Shee und 27 andern Clubvorstehern, die Verhaftung von Bataillonschefs der Mobilgarde, und die vielen andern Verhaftungen -- hatten sie vielleicht einen andern Grund, als weil eben National- und Mobilgarde in Verbindung mit den Chefs der Clubs, als den Vertreter der alten Juni-Insurgenten, mit ihrem Blute bereit waren, die Kammer zu schützen gegen Changarnier?

Und wie antwortet die Kammer auf die Hülfe, welche ihr von den Clubs kam? Durch Verwerfung der Amnestie! Also, die Kammer hat keine Amnestie zu geben den Männern, welche der Kammer das Leben gegeben haben, und die in den Pontons und in Vincennes sitzen müssen, während Thiers, Mole und alle die Männer das geschlagenen Regimes in die Kammer getreten, und über die Männer der Revolution zu Gerichte sitzen, welche erstere in ihrer Großmuth nicht gerichtet haben.

Sonderbare Befangenheit von Seiten der fortgeschrittnen Parteien sogar, daß sie nicht frei und offen gegen eine Kammer auftreten, welche sie im Innern verhassen müssen! Während sie mit wahrhaft kindischem Zorne alle legitimistischen Umtriebe aufdecken, und mit Eifer gegen die Idole, Bilder u. s. w. stürmen, deren sich die legitimistische Partei zu ihrer Propaganda bedient, nehmen sie die Kammer in Schutz, einzig und allein, weil sie das Heiligthum der Republik aufbewahre. Ob die legitimistischen Journale an alle ihre Abonnenten das Porträt des hinkenden Heinrich V. und seiner langen hagern Frau schickten, darüber mag Louis Philipp sich grämen und seine hehre Familie.

Aber wie das so sehr den Zorn der "Reforme" und "Republique" erregen kann, während sie nur Worte des Mitleids für eine Kammer hat, die mit kaltem Blute die Amnestiefrage verwirft, ist uns unbegreiflich. Jetzt, wo die Demokratie in Frankreich eine so mächtige Stütze in der Nationalgarde, wo die verabschiedeten Mobilgardisten und die ruinirten Fabrikanten und Boutiquiers dasselbe Schicksal theilen, ist der Ausgang einer Juni-Schlacht nicht mehr zweifelhaft.

Als der "National" am Ruder war, vertrat er im Grunde weiter nichts als die Bourgeoisie mit dem Stempel des Nationals. Aber er hatte alle Mittel, dieselbe gegen "unten" sowohl als gegen "oben" zu vertheidigen. Gegen "unten" durch seinen Cavaignac und durch seine gewonnene Junischlacht, die ihm das Recht gab, alle reaktionäre Mittel, wie Schließung der Klubs, Gesetze gegen Associations-Zustände, Belagerungs-Zustände, Verbündungen mit den Windischgrätzen aller Nationen vorzunehmen. Diese reaktionären Mittel "gegen unten" befestigten natürlich seine Macht gegen "oben" d. h. gegen monarchische, legitimistische und sonstige Bestrebungen.

Der "National" vertrat die Bourgeoisie und die Redakteure des "National", um sich am Ruder zu halten, hatten Interesse so reaktionär als möglich die Rothschildschen Interessen zu vertreten. Man weiß, wie die Clique des National mit einem Schlage durch den 10. Dezbr. rein ausgehoben wurde aus allen Aemtern, und wie Napoleon, Faucher und Barrot in die Aemter eintraten.

Napoleon hat eine ganz exceptionelle Stellung. Das einzige Mittel sich zu halten, wäre eben das gewesen, entschieden mit den

068 Rom, 24. Jan.

Hier gehen die Sachen vortrefflich. Sizilien soll dem Könige von Neapel vorgeschlagen haben, die zwischen ihm und den Sizilianern bestehende Streitfrage der italienischen Constituante zur Entscheidung vorzulegen. Die Wahlen sind im ganzen römischen Staat beendigt. Sie wurden überall mit der größten Ruhe vorgenommen. Venedig und die lombardische Emigration schicken sich an, ihre Deputirten zur konstituirenden Nationalversammlung hierher zu senden. Der Wohlfahrtsausschuß beglückwünscht in einer Proklamation die Dragoner und die Bürgerwehr, daß sie den neulichen Versuch der Reaktionäre zu einer Contrerevolution so schnell und bereitwillig zu Schanden machten. In einer andern Proklamation vom 22 Januar sagt der Wohlfahrtsausschuß Folgendes:

Die Kommission, im Bewußtsein ihrer Stärke, welche ihr die öffentliche Meinung, die thätige Stütze der Bürger und die Treue der Soldaten verleihen, hat die Ueberzeugung gewonnen, daß sie die Macht in Händen hat, um nöthigenfalls die Sicherheit und Würde des Landes zu vertheidigen.

In Civita-Vecchia hatte sich das Gerücht verbreitet, daß Schiffe gesehen worden mit der spanischen Flagge. Bei diesem bloßen Gerüchte lief das Volk zu den Waffen, und traf alle Anstalten, um auf jede mögliche Eventualität gefaßt zu sein.

* Venedig, 22. Januar.

Tommasco kehrt nach Italien zurück und Valentino Pasini ist an seine Stelle von der provisorischen Regierung ernannt, um die Interessen Venedigs bei der französischen Republik zu vertreten. Zugleich behielt er die Mission bei, den Konferenzen in Brüssel beizuwohnen. Die Kreaturen von Karl Albert treten immer mehr und mehr in den Hintergrund.

* Gaëta, 24. Januar.

An sämmtliche Glieder des ehemaligen Kardinals-Kollegium ist die Aufforderung ergangen sich in Gaëta um die Person des Pabstes zu sammeln. Offenbar führt Hr. Lambruschini irgend ein neues Plänchen zur Reaktion im Schilde.

* Modena, 23. Januar.

Der restaurirte Herzog sucht, aus Besorgniß, daß es doch bald auch für ihn zu Ende gehen könnte, noch möglichst viel Geld aus seinen „getreuen“ Unterthanen herauszuschlagen. In einem Dekret von gestern nimmt er mit den Gehältern sämmtlicher Beamten eine Verminderung vor, die je nach Höhe des Gehalts zwischen 4 bis 12 Prozent beträgt. Diese Gehaltsverminderung soll als eine gezwungene Anleihe zu 5 Prozent angesehen werden. Wer aber die 5 Prozent Zinsen, vom Kapital gänzlich zu schweigen, bezahlen wird, ist eine andre Frage. Die direkten Steuern werden durch eben gedachtes Dekret um 1/3 die indirekten um 1/10 erhöht. Blos für Salz, Taback und Getredie tritt keine Erhöhung ein.

Großbritannien.
068 London, 2. Februar.

In der gestrigen ersten Sitzung des Oberhauses beantragte Lord Bruce die Antwortadresse, die, wie gewöhnlich nichts als ein Echo der Thronrede ist.

Der edle Lord Brougham ergriff natürlich schon heute die Gelegenheit, nach so langem Schweigen sich durch eine desto längere Rede zu entschädigen, in der er „Alles und noch Einiges“ berührte, vornehmlich aber gegen die Cobden'sche Finanzreform-Agitation und als Ritter der gutsherrlichen Interessen auftrat. Für Armee und Marine könne es um so weniger Ersparnisse geben, als er überall — in Oesterreich, Italien, Frankreich — die dringendsten Gründe zum Ausbruch eines allgemeinen Krieges erblicke. Lord Stanley, der Leiter der Opposition, kritisirt die ganze äußere und innere Politik des Kabinets, auf das er eine Stunde lang seine torystischen Keulenschläge niederregnen läßt. Von den Cobden'schen Finanzreformen aber will er, wie man wohl denken kann, eben so wenig etwas wissen, als die jetzige Regierungspartei. Er beantragt zu der Stelle in der Thronrede, wo es heißt: „Die Einnahmen befinden sich in einem Zustande fortschreitender Verbesserung“, folgenden Zusatz:

„Wir bedauern indeß die Nothwendigkeit, Eurer Maj. vorzustellen, daß weder die Beziehungen Ew. Maj. zu den fremden Mächten, noch der Zustand der Staatseinnahmen, noch die Lage der Handels- und Manufaktur-Interessen der Art sind, daß sie uns berechtigten, in dieser Adresse die Sprache der Beglückwünschung zu führen, und daß ein großer Theil der Ackerbau- und Kolonial-Interessen des Reichs unter einem Zustande fortschreitenden Herunterkommens leiden, der ernstliche Besorgniß und Angst hervorzurufen geeignet ist.“

Dieses Amendement wurde mit 52 gegen 50 Stimmen verworfen!! Das Haus vertagt sich bis Montag.

Unterhaus vom 1. Februar. Hier wird die Antwortadresse von Lord H. Vane beantragt. Disraeli greift in der ihm eigenthümlich scharfen Weise die Thronrede und die ganze Politik des Ministeriums an. H. Grattan schlägt zu der Stelle über Irland als Amendement vor: „Die Ruhestörung in Irland hat sich nicht wiederholt, aber es ist fortwährend ein durch die Leiden des Volkes erhöhtes Gefühl der Unzufriedenheit vorhanden, das nicht außer den Augen zu lassen und durch Heilmittel so bald als möglich zu beseitigen unsere Pflicht erfordert.“ In seiner Rede dringt er auf Abschaffung des irischen Armengesetzes und brandmarkt den Vorschlag, die Suspension der Habeas-Corpus-Acte noch länger in Irland fortdauern zu lassen. Lord J. Russell sucht die ministerielle Politik zu rechtfertigen. Bei der Abstimmung sprechen sich nur 12 Mitglieder für Grattan's Amendement aus.

Das Haus vertagt sich 1/2 Stunde nach Mitternacht bis auf heute.

* London, 3. Februar.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses wurde die Verhandlung über die Antwortadresse fortgesetzt. Disraeli's Amendement, das seinem Wesen nach dem vom Lord Stanley vorgestern im Oberhause vorgeschlagenen und nur mit zwei Stimmen Majorität verworfenen Zusatze gleichkommt, bildete den Gegenstand der Debatte, an welcher sich auf Seiten der Regierung Somerville, M. Milnes, Evans und gegen sie Stafford, Walsh, der unvermeidliche Sibthorp, Bankes, Urquhart betheiligten. Letzterm antwortete Lord Palmerston. Die Protektionisten stellten hierauf den Antrag auf Vertagung, dem sich das Ministerium opponirte. Die Abstimmung ergab 141 Stimmen Majorität gegen die Vertagung, worauf Disraeli sein Amendement zurückzog und der ursprüngliche Antrag genehmigt wurde. Um 1 Uhr Nachts vertagte sich alsdann das Haus bis Montag.

068

Der „Northern Star“ spricht sich über die gestern eröffnete Session folgendermaßen aus:

„Die zweite Session des Whig-Parlaments hat seine Sitzungen begonnen. Wir Alle sind mit seiner schrecklichen Langweiligkeit und unproduktivem Charakter aus vorigem Jahre her zu wohl bekannt, als daß wir nöthig hätten, die vorige Session noch einmal die Revue passiren zu lassen. Doch können wir folgende Frage nicht unterlassen: Ist es wahrscheinlich, daß die eben begonnene Session ersprießlicher und wohlthätiger endigt, als die vorige? Werden wir abermals ein 8monatliches Wortschachern haben, eine 8monatliche Wiederholung von rohen, schlechtbearbeiteten Maaßregeln, die eilig eingebracht eben so eilig zurückgenommen werden — von langen, wirren Debatten über Fragen, bei denen man gar nicht einmal eine praktische Conclusion beabsichtigte? Mit einem Wort: eine Session von Worten, und nicht von Thaten, in so weit für die öffentliche Wohlfahrt Thaten erforderlich wären?

Diese Fragen lassen sich nur dadurch im Voraus beantworten, daß man auf die seit Schluß der letzten Session vorgefallenen Aenderungen im Kabinet und in der öffentlichen Meinung seinen Blick richtet. Die einzige Veränderung im Kabinet besteht darin, daß an die Stelle des verstorbenen Lord Auckland Sir T. Baring, d. h. keinerlei Veränderung, eingetreten ist. Was also das Ministerium anlangt, so haben wirs offenbar mit dem alten Material zu thun. Wir werden wiederum das nämliche Kokettiren mit den Parteien, die nämliche Zweiächselei, den früheren Mangel an festen Prinzipien, oder an klaren, bestimmten Plänen zu sehen bekommen.

Hat doch Lord J. Russell die Theorie ministerieller Nicht-Verantwortlichkeit förmlich proklamirt. Seiner Meinung nach ist es nicht erforderlich, daß der Premier und seine Kollegen in Betreff der Geschäfte des Parlaments die Initiative und Leitung in die Hände nehmen. Jeder mag thun, was ihm gut dünkt, und die ganze Pflicht der Minister besteht darin, daß sie ihre Gehälter einstreichen und Alles möglichst in Ruhe lassen, wobei sie von den öffentlichen Geschäften gerade so viel abmachen, als ihnen bei dem allgemeinen Wirrwarr der Zufall erlaubt.

Betrachten wir dagegen das Unterhaus und die öffentliche Meinung, so ist der Fall von dem vorjährigen gar sehr verschieden. Wiewohl im Material dieses Hauses keine besondere Veränderung vorgekommen, so sind doch seine Bestandtheile diesmal besser organisirt. Die Partei der „Liberalen“ besitzt das sine qu'a non jeder energischen Politik, einen bestimmten Grundsatz und einen Plan, nach welchem sie ans Werk geht. Sie hat zur Unterstützung im Hintertreffen einen bedeutenden Theil der Presse und die Mehrheit der Wähler für sich. Zudem steht die Forderung, in den Staatsausgaben eine Veränderung eintreten zu lassen, in so direkter Verbindung mit jenem empfindsamen Theile jedes Mannes — den Hosentaschen — daß sie inner- wie außerhalb des Hauses eines großen Einflusses gewiß ist.

Bereits hat sich die Macht dieser Bewegung in unverkennbaren Zeichen kund gegeben. Das von Ihrer Majestät am Donnerstage vorgetragene ministerielle Programm enthält eine bestimmte, abgesonderte Bezugnahme auf das Thema der Finanzersparungen. Freilich, wenn die „Finanz-Reformers“ sowohl inner- als außerhalb des Unterhauses nicht schrecklichen Ernst machen, so können die in der Thronrede bezüglich dieses Gegenstandes gebrauchten Ausdrücken in etwas unendlich Geringeres übersetzt werden, als irgend Jemand sich einbildet. Ja, Verminderung der Ausgaben und „verständige und praktische Oekonomie“ kann schließlich bedeuten: Zunahme der Staatslasten. Wir für unsern Theil gestehen, wie wohl entschlossen, der bloßen Finanzreform-Bewegung kein Hinderniß in den Weg zu legen, ganz offen und ohne Zögern, daß, so lange das System der Volksvertretung keine absolute und vollständige Reform erfährt, es auch für Einführung und Festhaltung einer angemessenen Sparsamkeit keinerlei Bürgschaft giebt noch geben kann.

Bis zur vollständigen Reform in der Volksvertretung werden selbst etwaige Ausgabe-Verminderungen immer nur einigen bevorrechteten Klassen oder Parteien zu Gute kommen, das große Publikum aber nicht erreichen. Was wir von der Finanzreform-Bewegung einzig Gutes erwarten, ist: daß die aufrichtigeren und entschlossenen Mitglieder jener Partei zur Anempfehlung des allgemeinen Stimmrechts, als des kürzesten und wirksamsten Mittels zum Ziele, hingetrieben werden. Jedenfalls ist's erfreulich, daß eine wirkliche, in sich geeinigte Opposition, mit festem Ziel vor den Augen, in dieser Session auftreten wird. Die Hauptpunkte im ministeriellen Programm sind: die verheißene „umfassende“ Verminderung der Staatsausgaben, eine Revision des irischen Armengesetzes und die Abschaffung oder Umarbeitung der Schifffahrtsgesetze. Das kann man die ministeriellen Heilmaßregeln nennen. Fur das arme, unglückliche, von Pest und Hunger heimgesuchte Irland ist die Wiederholung und Fortdauer jener Gewaltspolitik angekündigt, zu welcher sich das jetzige Kabinet von Anfang an verpflichtet hat.

Man sollte denken, daß Auswanderung, Entblößung, Krankheit und Tod die Bevölkerung des Landes genugsam dezimirt und den Muth derselben gebrochen habe, um für ein liberales Ministerium eine so tyrannische und unkonstitutionelle Regierungsweise überflüssig zu machen. Doch nein. Sind auch die Häupter Jung-Irlands im Kerker oder Exil, ist gleich die Bevölkerung durch gutsherrliche Austreibungen, Krankheit und Auswanderung dezimirt und durch die abermalige Kartoffel-Mißerndte noch tiefer zu Boden gedrückt: so wagen die Whigs dennoch nicht, die übrig gebliebenen Irländer die verfassungsmäßige Freiheit der Association und des freien Gedankenausdrucks genießen zu lassen. Irland und Wien werden aus gleicher Ursache nach den nämlichen Prinzipien regiert. Die Regierung hat für das Volk nur Unterdrückung, das Volk hat nur Haß für die Regierung. Die Stimme des Volks wird erstickt, damit die letztere das gehörige Maaß ministerieller Ruhe genieße.

In Betreff der Schifffahrtsgesetze sind die Ausdrücke so vag, daß wir die Beruhrung des Gegenstandes nur für eine Wiederholung des Partei-Kniffs ansehen, durch den voriges Jahr die beiden Fraktionen des „konservativen“ Lagers an ihrer Verschmelzung und dem Sieg über die Whigs verhindert wurden. Wir wollen sehen, ob der Kniff auch diesmal gelingt.

Ueber die so höchst wichtige Frage, das irische Armengesetz betreffend, ersparen wir uns jeden Commentar, bis wir die Vorschläge der Minister sehen werden, und rücksichtlich der Ersparnisse haben wir bereits gesagt, daß sie größer oder kleiner ausfallen werden, je nach dem ernstlichen Willen und der Stärke der Cobden-Partei.

068 Manchester, 1. Febr.

Gestern Abend wurde in unserer Stadt ein überaus glänzendes und zahlreich besuchtes Freihandels-Bankett gefeiert. Mit dem heutigen Tage ist der letzte Ueberrest der Getreide-Schutzzölle zur Ruhe bestattet worden und von jetzt an darf der fremde Weizen zu einem nominellen Zoll von 1 Schill. d. h. so gut wie zollfrei, eingeführt werden. Diesem Ereigniß zu Ehren war gedachtes Bankett in der „Freihandels-Halle“ veranstaltet worden. Ueber 3000 Personen nahmen daran Theil. Fast jeder bedeutendere Ort Englands und Schottlands hatte seine Vertreter gesandt. Die Zahl der anwesenden Damen betrug 700. Der bekannte Freetrader G. Wilson führte den Vorsitz. Es waren zahlreiche Entschuldigungsbriefe eingegangen, darunter einer von Bastiat aus Paris. Letzterer benutzte die Gelegenheit, um seine abgestandenen Phrasen gegen den Kommunismus wieder einmal an den Mann zu bringen. Die „Freihandelsherren“ klatschten natürlich bei solchen Stellen gewaltigen Beifall. Erst nachdem der Rev. Thos. Spencer das Tischgebet gesprochen, ergriff der Vorsitzende das Wort. Aus seiner Rede hebe ich folgende Stellen hervor:

„Meine Herren,“ sagte er u. A., „wir sind heute beisammen, um die Aufhebung der Korngesetze zu feiern (stürmischer Applaus, fast die ganze Gesellschaft, einschließlich der Damen, erhebt sich und schwenkt die Taschentücher). Heute Abend müssen wir von der immensen Organisation (anti-corn-law-league), mittelst welcher eine der größten friedlichen Revolutionen dieses Landes in's Werk gesetzt worden, Abschied nehmen. Wir feiern zugleich die Eröffnung einer bessern Aera hoffentlich für alle Klassen und insbesondere für die zahlreichste, die ihr Brod im Schweiße des Angesichts verdienen muß“ (bekannte Freihändlerphrase, deren Nichtigkeit im „Northern Star“ längst auseinandergesetzt und von den Arbeitern England's hinlänglich begriffen worden).

Wilson giebt hierauf eine Skizze von der Wirksamkeit der League und schließt mit den Worten:

„Eine 10jährige Erfahrung hat uns gezeigt, wie genau und regelmäßig der Ton jeder bedeutenden Stadt mit dem aller übrigen Städte bei jeder großen Frage übereinstimmt, und wie kräftig sie gegenseitig sich zu jedem guten und geeigneten Zweck zu unterstützen wissen. Und wir haben aus Erfahrung gelernt, die wir unsern Nachfolgern als Vermächtniß hinterlassen, daß der Widerhall und die Pulsschläge solcher Vereinigungen, wie diese nicht blos innerhalb der vier Wände dieses Gebäudes, sondern durch die ganze civilisirte Welt mitempfunden werden.“ (Donnernder Beifall).

Jetzt beginnen die Toaste, von denen natürlich jeder mittelst einer mehr oder minder langen Rede eingeleitet wird. „Auf die Freetrade-Mitglieder in beiden Parlamentshäusern; glücklichen Erfolg in ihren Bemühungen zur Abschaffung der Schifffahrtsgesetze und vollständigem Umsturze aller Monopole.“ Das Unterhausmitglied Villiers beantwortet den Trinkspruch. Ihm folgt Cobden, auf diesen Oberst Thompson, der den Toast ausbringt: „Auf die Wahlkörper, welche Freihandelsmänner ins Parlament ernannt haben.“ Es wurde noch viel gesprochen und getoastet und das Bankett um 12 1/2 Uhr in der Nacht beendigt.

Französische Republik.
12 Paris, den 3. Februar.

Wir haben für die Kammer nie Sympathien gehabt. Sie war für uns vom Anfange ihres Bestehens bis auf den heutigen Tag eine Bourgeois-Kammer. Nur müssen wir gestehen, hätten wir sie lieber durch Barbes als durch Rateau-Barrot zu Grunde gehen gesehen. Der materielle 15. Mai, der sie mit Vernichtung bedrohte, hatte alle unsere Sympathien; der moralische 15. Mai, in Gestalt von Barrot und Rateau hatte alle unsere Antipathie und es versteht sich von selbst, daß wir die Kammer lieber hätten vernichtet gesehen durch unsere Freunde als durch unsere Feinde. Als nun gar ein 24. Juni für diese Bourgeois-Kammer heranrückte, als die Kammer am 29. Januar behandelt werden sollte, wie die Juni-Insurgenten, und die Juni-Insurgenten selbst Partei für dieselbe Kammer ergriffen, welche sie so unbarmherzig behandelt hatte, da mußten wir natürlich Partei für sie ergreifen, weil sie dem Proletariate einen Anhaltspunkt gewährte. Freilich war dieser Anhaltspunkt nur sehr schwach; er war nicht die Kammer selbst; er war in der Kammer; es war die Montagne und ein Theil der Partei des National: und diese Partei konnte zusammengenommen der Partei von Barrot, Thiers und Molé die Spitze bieten. Aber einen Anhaltspunkt suchen zu müssen in der Partei des National: dieser jämmerlichen Partei, welche mit der Bourgeois-Partei deßhalb Hand in Hand gehen muß, um ihre Stellen beizubehalten, und die wiederum nur dann ihre Stellen behalten kann, wenn sie die Bourgeois-Interessen entweder bald mit einem Cavaignac bedroht, bald mit einem Cavaignac vertheidigt, die gegen „unten“ immer mit Kanonen zu wüthen bereit ist, während sie gegen „oben“ keine andern Mittel hat, als Intrigue und republikanische Westen!

Wodurch hat der National sich bisheran gehalten gegen legitimistische und orleanische Umtriebe? Durch sein republikanisches Kostüm, welches bald den Robespierreschen Schnitt annahm, und auf das Proletariat verwies, wenn die monarchische Partei zu vorlaut wurde mit ihren „legitimen“ oder „halblegitimen“ Interessen und Prätentionen, bald aber auch als Beschönigungsmantel dienen mußte, wenn die „honette Republik“ zu ihrer Selbsterhaltung sowohl, als zur Erhaltung der „Gesellschaft“ resp. der Bourgeois-Gesellschaft, der Ruhe und Ordnung, der Course und Hypotheken, das Proletariat niederschießen ließ.

Am 29. Januar standen, wie gesagt, die Inhaber und Beschützer der „honetten Republik“ auf dem Standpunkte der Juni-Insurrektion; die Kammer, wenigstens der „republikanische“ Theil derselben, war mit gleichem Schicksale bedroht. Die Klubs und Assoziationen nahmen Partei für die Kammer, und boten ihr ihren Schutz an; sogar die Nationalgarde, die nur zu gut begriff, daß Changarnier eine Juni-Schlacht herbeiwünschte, um als Cavaignac auftreten zu können; die Nationalgarde, sage ich, die unmittelbar nachdem sie die Juni-Schlacht gewonnen, die Concordats à l'amiable verlor, ich meine alle die Kleinbürger, die auf dem Punkte der Falliments angekommen, völlig durch die große Bourgeoisie ruinirt wurden, die ihnen ihr ganzes Vermögen unter den Händen wegzog — dieser ganze Theil der Natonalgarde wandte sich von Changarnier, von Barrot und von Leon Faucher ab, und bot der Kammer seine Hülfe an.

Die Verhaftung des Obersten Forestier, die Verhaftung von Alton Shee und 27 andern Clubvorstehern, die Verhaftung von Bataillonschefs der Mobilgarde, und die vielen andern Verhaftungen — hatten sie vielleicht einen andern Grund, als weil eben National- und Mobilgarde in Verbindung mit den Chefs der Clubs, als den Vertreter der alten Juni-Insurgenten, mit ihrem Blute bereit waren, die Kammer zu schützen gegen Changarnier?

Und wie antwortet die Kammer auf die Hülfe, welche ihr von den Clubs kam? Durch Verwerfung der Amnestie! Also, die Kammer hat keine Amnestie zu geben den Männern, welche der Kammer das Leben gegeben haben, und die in den Pontons und in Vincennes sitzen müssen, während Thiers, Molé und alle die Männer das geschlagenen Regimes in die Kammer getreten, und über die Männer der Revolution zu Gerichte sitzen, welche erstere in ihrer Großmuth nicht gerichtet haben.

Sonderbare Befangenheit von Seiten der fortgeschrittnen Parteien sogar, daß sie nicht frei und offen gegen eine Kammer auftreten, welche sie im Innern verhassen müssen! Während sie mit wahrhaft kindischem Zorne alle legitimistischen Umtriebe aufdecken, und mit Eifer gegen die Idole, Bilder u. s. w. stürmen, deren sich die legitimistische Partei zu ihrer Propaganda bedient, nehmen sie die Kammer in Schutz, einzig und allein, weil sie das Heiligthum der Republik aufbewahre. Ob die legitimistischen Journale an alle ihre Abonnenten das Porträt des hinkenden Heinrich V. und seiner langen hagern Frau schickten, darüber mag Louis Philipp sich grämen und seine hehre Familie.

Aber wie das so sehr den Zorn der „Reforme“ und „Republique“ erregen kann, während sie nur Worte des Mitleids für eine Kammer hat, die mit kaltem Blute die Amnestiefrage verwirft, ist uns unbegreiflich. Jetzt, wo die Demokratie in Frankreich eine so mächtige Stütze in der Nationalgarde, wo die verabschiedeten Mobilgardisten und die ruinirten Fabrikanten und Boutiquiers dasselbe Schicksal theilen, ist der Ausgang einer Juni-Schlacht nicht mehr zweifelhaft.

Als der „National“ am Ruder war, vertrat er im Grunde weiter nichts als die Bourgeoisie mit dem Stempel des Nationals. Aber er hatte alle Mittel, dieselbe gegen „unten“ sowohl als gegen „oben“ zu vertheidigen. Gegen „unten“ durch seinen Cavaignac und durch seine gewonnene Junischlacht, die ihm das Recht gab, alle reaktionäre Mittel, wie Schließung der Klubs, Gesetze gegen Associations-Zustände, Belagerungs-Zustände, Verbündungen mit den Windischgrätzen aller Nationen vorzunehmen. Diese reaktionären Mittel „gegen unten“ befestigten natürlich seine Macht gegen „oben“ d. h. gegen monarchische, legitimistische und sonstige Bestrebungen.

Der „National“ vertrat die Bourgeoisie und die Redakteure des „National“, um sich am Ruder zu halten, hatten Interesse so reaktionär als möglich die Rothschildschen Interessen zu vertreten. Man weiß, wie die Clique des National mit einem Schlage durch den 10. Dezbr. rein ausgehoben wurde aus allen Aemtern, und wie Napoleon, Faucher und Barrot in die Aemter eintraten.

Napoleon hat eine ganz exceptionelle Stellung. Das einzige Mittel sich zu halten, wäre eben das gewesen, entschieden mit den

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          <head><bibl><author>068</author></bibl> Rom, 24. Jan.</head>
          <p>Hier gehen die Sachen vortrefflich. Sizilien soll dem Könige von Neapel vorgeschlagen haben, die zwischen ihm und den Sizilianern bestehende Streitfrage der italienischen Constituante zur Entscheidung vorzulegen. Die Wahlen sind im ganzen römischen Staat beendigt. Sie wurden überall mit der größten Ruhe vorgenommen. Venedig und die lombardische Emigration schicken sich an, ihre Deputirten zur konstituirenden Nationalversammlung hierher zu senden. Der Wohlfahrtsausschuß beglückwünscht in einer Proklamation die Dragoner und die Bürgerwehr, daß sie den neulichen Versuch der Reaktionäre zu einer Contrerevolution so schnell und bereitwillig zu Schanden machten. In einer andern Proklamation vom 22 Januar sagt der Wohlfahrtsausschuß Folgendes:</p>
          <p>Die Kommission, im Bewußtsein ihrer Stärke, welche ihr die öffentliche Meinung, die thätige Stütze der Bürger und die Treue der Soldaten verleihen, hat die Ueberzeugung gewonnen, daß sie die Macht in Händen hat, um nöthigenfalls die Sicherheit und Würde des Landes zu vertheidigen.</p>
          <p>In Civita-Vecchia hatte sich das Gerücht verbreitet, daß Schiffe gesehen worden mit der spanischen Flagge. Bei diesem bloßen Gerüchte lief das Volk zu den Waffen, und traf alle Anstalten, um auf jede mögliche Eventualität gefaßt zu sein.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Venedig, 22. Januar.</head>
          <p>Tommasco kehrt nach Italien zurück und Valentino Pasini ist an seine Stelle von der provisorischen Regierung ernannt, um die Interessen Venedigs bei der französischen Republik zu vertreten. Zugleich behielt er die Mission bei, den Konferenzen in Brüssel beizuwohnen. Die Kreaturen von Karl Albert treten immer mehr und mehr in den Hintergrund.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Gaëta, 24. Januar.</head>
          <p>An sämmtliche Glieder des ehemaligen Kardinals-Kollegium ist die Aufforderung ergangen sich in Gaëta um die Person des Pabstes zu sammeln. Offenbar führt Hr. Lambruschini irgend ein neues Plänchen zur Reaktion im Schilde.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar214_018" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Modena, 23. Januar.</head>
          <p>Der restaurirte Herzog sucht, aus Besorgniß, daß es doch bald auch für ihn zu Ende gehen könnte, noch möglichst viel Geld aus seinen &#x201E;getreuen&#x201C; Unterthanen herauszuschlagen. In einem Dekret von gestern nimmt er mit den Gehältern sämmtlicher Beamten eine Verminderung vor, die je nach Höhe des Gehalts zwischen 4 bis 12 Prozent beträgt. Diese Gehaltsverminderung soll als eine gezwungene Anleihe zu 5 Prozent angesehen werden. Wer aber die 5 Prozent Zinsen, vom Kapital gänzlich zu schweigen, bezahlen wird, ist eine andre Frage. Die direkten Steuern werden durch eben gedachtes Dekret um 1/3 die indirekten um 1/10 erhöht. Blos für Salz, Taback und Getredie tritt keine Erhöhung ein.</p>
        </div>
      </div>
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        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar214_019" type="jArticle">
          <head><bibl><author>068</author></bibl> London, 2. Februar.</head>
          <p>In der gestrigen ersten Sitzung des <hi rendition="#g">Oberhauses</hi> beantragte Lord <hi rendition="#g">Bruce</hi> die Antwortadresse, die, wie gewöhnlich nichts als ein Echo der Thronrede ist.</p>
          <p>Der edle Lord Brougham ergriff natürlich schon heute die Gelegenheit, nach so langem Schweigen sich durch eine desto längere Rede zu entschädigen, in der er &#x201E;Alles und noch Einiges&#x201C; berührte, vornehmlich aber gegen die Cobden'sche Finanzreform-Agitation und als Ritter der gutsherrlichen Interessen auftrat. Für Armee und Marine könne es um so weniger Ersparnisse geben, als er überall &#x2014; in Oesterreich, Italien, Frankreich &#x2014; die dringendsten Gründe zum Ausbruch eines allgemeinen Krieges erblicke. Lord Stanley, der Leiter der Opposition, kritisirt die ganze äußere und innere Politik des Kabinets, auf das er eine Stunde lang seine torystischen Keulenschläge niederregnen läßt. Von den Cobden'schen Finanzreformen aber will er, wie man wohl denken kann, eben so wenig etwas wissen, als die jetzige Regierungspartei. Er beantragt zu der Stelle in der Thronrede, wo es heißt: &#x201E;Die Einnahmen befinden sich in einem Zustande fortschreitender Verbesserung&#x201C;, folgenden Zusatz:</p>
          <p>&#x201E;Wir bedauern indeß die Nothwendigkeit, Eurer Maj. vorzustellen, daß weder die Beziehungen Ew. Maj. zu den fremden Mächten, noch der Zustand der Staatseinnahmen, noch die Lage der Handels- und Manufaktur-Interessen der Art sind, daß sie uns berechtigten, in dieser Adresse die Sprache der Beglückwünschung zu führen, und daß ein großer Theil der Ackerbau- und Kolonial-Interessen des Reichs unter einem Zustande fortschreitenden Herunterkommens leiden, der ernstliche Besorgniß und Angst hervorzurufen geeignet ist.&#x201C;</p>
          <p>Dieses Amendement wurde mit 52 gegen 50 Stimmen verworfen!! Das Haus vertagt sich bis Montag.</p>
          <p><hi rendition="#g">Unterhaus</hi> vom 1. Februar. Hier wird die Antwortadresse von Lord H. <hi rendition="#g">Vane</hi> beantragt. <hi rendition="#g">Disraeli</hi> greift in der ihm eigenthümlich scharfen Weise die Thronrede und die ganze Politik des Ministeriums an. H. <hi rendition="#g">Grattan</hi> schlägt zu der Stelle über Irland als Amendement vor: &#x201E;Die Ruhestörung in Irland hat sich nicht wiederholt, aber es ist fortwährend ein durch die Leiden des Volkes erhöhtes Gefühl der Unzufriedenheit vorhanden, das nicht außer den Augen zu lassen und durch Heilmittel so bald als möglich zu beseitigen unsere Pflicht erfordert.&#x201C; In seiner Rede dringt er auf Abschaffung des irischen Armengesetzes und brandmarkt den Vorschlag, die Suspension der Habeas-Corpus-Acte noch länger in Irland fortdauern zu lassen. Lord J. <hi rendition="#g">Russell</hi> sucht die ministerielle Politik zu rechtfertigen. Bei der Abstimmung sprechen sich nur 12 Mitglieder für Grattan's Amendement aus.</p>
          <p>Das Haus vertagt sich 1/2 Stunde nach Mitternacht bis auf heute.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar214_020" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 3. Februar.</head>
          <p>In der gestrigen Sitzung des Unterhauses wurde die Verhandlung über die Antwortadresse fortgesetzt. Disraeli's Amendement, das seinem Wesen nach dem vom Lord <hi rendition="#g">Stanley</hi> vorgestern im Oberhause vorgeschlagenen und nur mit zwei Stimmen Majorität verworfenen Zusatze gleichkommt, bildete den Gegenstand der Debatte, an welcher sich auf Seiten der Regierung <hi rendition="#g">Somerville, M. Milnes, Evans</hi> und <hi rendition="#g">gegen</hi> sie <hi rendition="#g">Stafford, Walsh,</hi> der unvermeidliche <hi rendition="#g">Sibthorp, Bankes, Urquhart</hi> betheiligten. Letzterm antwortete Lord Palmerston. Die Protektionisten stellten hierauf den Antrag auf Vertagung, dem sich das Ministerium opponirte. Die Abstimmung ergab 141 Stimmen Majorität gegen die Vertagung, worauf Disraeli sein Amendement zurückzog und der ursprüngliche Antrag genehmigt wurde. Um 1 Uhr Nachts vertagte sich alsdann das Haus bis Montag.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar214_021" type="jArticle">
          <head>
            <bibl>
              <author>068</author>
            </bibl>
          </head>
          <p>Der &#x201E;<hi rendition="#g">Northern Star</hi>&#x201C; spricht sich über die gestern eröffnete Session folgendermaßen aus:</p>
          <p>&#x201E;Die zweite Session des Whig-Parlaments hat seine Sitzungen begonnen. Wir Alle sind mit seiner schrecklichen Langweiligkeit und unproduktivem Charakter aus vorigem Jahre her zu wohl bekannt, als daß wir nöthig hätten, die vorige Session noch einmal die Revue passiren zu lassen. Doch können wir folgende Frage nicht unterlassen: Ist es wahrscheinlich, daß die eben begonnene Session ersprießlicher und wohlthätiger endigt, als die vorige? Werden wir abermals ein 8monatliches Wortschachern haben, eine 8monatliche Wiederholung von rohen, schlechtbearbeiteten Maaßregeln, die eilig eingebracht eben so eilig zurückgenommen werden &#x2014; von langen, wirren Debatten über Fragen, bei denen man gar nicht einmal eine praktische Conclusion beabsichtigte? Mit einem Wort: eine Session von Worten, und nicht von Thaten, in so weit für die öffentliche Wohlfahrt Thaten erforderlich wären?</p>
          <p>Diese Fragen lassen sich nur dadurch im Voraus beantworten, daß man auf die seit Schluß der letzten Session vorgefallenen Aenderungen im Kabinet und in der öffentlichen Meinung seinen Blick richtet. Die einzige Veränderung im Kabinet besteht darin, daß an die Stelle des verstorbenen Lord Auckland Sir T. Baring, d. h. keinerlei Veränderung, eingetreten ist. Was also das Ministerium anlangt, so haben wirs offenbar mit dem alten Material zu thun. Wir werden wiederum das nämliche Kokettiren mit den Parteien, die nämliche Zweiächselei, den früheren Mangel an festen Prinzipien, oder an klaren, bestimmten Plänen zu sehen bekommen.</p>
          <p>Hat doch Lord J. Russell die Theorie ministerieller Nicht-Verantwortlichkeit förmlich proklamirt. Seiner Meinung nach ist es nicht erforderlich, daß der Premier und seine Kollegen in Betreff der Geschäfte des Parlaments die Initiative und Leitung in die Hände nehmen. Jeder mag thun, was ihm gut dünkt, und die ganze Pflicht der Minister besteht darin, daß sie ihre Gehälter einstreichen und Alles möglichst in Ruhe lassen, wobei sie von den öffentlichen Geschäften gerade so viel abmachen, als ihnen bei dem allgemeinen Wirrwarr der Zufall erlaubt.</p>
          <p>Betrachten wir dagegen das <hi rendition="#g">Unterhaus</hi> und die öffentliche Meinung, so ist der Fall von dem vorjährigen gar sehr verschieden. Wiewohl im Material dieses Hauses keine besondere Veränderung vorgekommen, so sind doch seine Bestandtheile diesmal besser organisirt. Die Partei der &#x201E;Liberalen&#x201C; besitzt das sine qu'a non jeder energischen Politik, einen bestimmten Grundsatz und einen Plan, nach welchem sie ans Werk geht. Sie hat zur Unterstützung im Hintertreffen einen bedeutenden Theil der Presse und die Mehrheit der Wähler für sich. Zudem steht die Forderung, in den Staatsausgaben eine Veränderung eintreten zu lassen, in so direkter Verbindung mit jenem empfindsamen Theile jedes Mannes &#x2014; den Hosentaschen &#x2014; daß sie inner- wie außerhalb des Hauses eines großen Einflusses gewiß ist.</p>
          <p>Bereits hat sich die Macht dieser Bewegung in unverkennbaren Zeichen kund gegeben. Das von Ihrer Majestät am Donnerstage vorgetragene ministerielle Programm enthält eine bestimmte, abgesonderte Bezugnahme auf das Thema der Finanzersparungen. Freilich, wenn die &#x201E;Finanz-Reformers&#x201C; sowohl inner- als außerhalb des Unterhauses nicht schrecklichen Ernst machen, so können die in der Thronrede bezüglich dieses Gegenstandes gebrauchten Ausdrücken in etwas unendlich Geringeres übersetzt werden, als irgend Jemand sich einbildet. Ja, Verminderung der Ausgaben und &#x201E;verständige und praktische Oekonomie&#x201C; <hi rendition="#g">kann</hi> schließlich bedeuten: Zunahme der Staatslasten. Wir für unsern Theil gestehen, wie wohl entschlossen, der bloßen <hi rendition="#g">Finanzreform-Bewegung</hi> kein Hinderniß in den Weg zu legen, ganz offen und ohne Zögern, daß, so lange das System der Volksvertretung keine absolute und vollständige Reform erfährt, es auch für Einführung und Festhaltung einer angemessenen Sparsamkeit keinerlei <hi rendition="#g">Bürgschaft</hi> giebt noch geben kann.</p>
          <p>Bis zur vollständigen Reform in der Volksvertretung werden selbst etwaige Ausgabe-Verminderungen immer nur einigen bevorrechteten Klassen oder Parteien zu Gute kommen, das große Publikum aber nicht erreichen. Was wir von der Finanzreform-Bewegung einzig Gutes erwarten, ist: daß die aufrichtigeren und entschlossenen Mitglieder jener Partei zur Anempfehlung des allgemeinen Stimmrechts, als des kürzesten und wirksamsten Mittels zum Ziele, hingetrieben werden. Jedenfalls ist's erfreulich, daß eine wirkliche, in sich geeinigte Opposition, mit festem Ziel vor den Augen, in dieser Session auftreten wird. Die Hauptpunkte im ministeriellen Programm sind: die verheißene &#x201E;umfassende&#x201C; Verminderung der Staatsausgaben, eine Revision des irischen Armengesetzes und die Abschaffung oder Umarbeitung der Schifffahrtsgesetze. Das kann man die ministeriellen Heilmaßregeln nennen. Fur das arme, unglückliche, von Pest und Hunger heimgesuchte Irland ist die Wiederholung und Fortdauer jener Gewaltspolitik angekündigt, zu welcher sich das jetzige Kabinet von Anfang an verpflichtet hat.</p>
          <p>Man sollte denken, daß Auswanderung, Entblößung, Krankheit und Tod die Bevölkerung des Landes genugsam dezimirt und den Muth derselben gebrochen habe, um für ein liberales Ministerium eine so tyrannische und unkonstitutionelle Regierungsweise überflüssig zu machen. Doch nein. Sind auch die Häupter Jung-Irlands im Kerker oder Exil, ist gleich die Bevölkerung durch gutsherrliche Austreibungen, Krankheit und Auswanderung dezimirt und durch die abermalige Kartoffel-Mißerndte noch tiefer zu Boden gedrückt: so wagen die Whigs dennoch nicht, die übrig gebliebenen Irländer die verfassungsmäßige Freiheit der Association und des freien Gedankenausdrucks genießen zu lassen. Irland und Wien werden aus gleicher Ursache nach den nämlichen Prinzipien regiert. Die Regierung hat für das Volk nur Unterdrückung, das Volk hat nur Haß für die Regierung. Die Stimme des Volks wird erstickt, damit die letztere das gehörige Maaß ministerieller Ruhe genieße.</p>
          <p>In Betreff der Schifffahrtsgesetze sind die Ausdrücke so vag, daß wir die Beruhrung des Gegenstandes nur für eine Wiederholung des Partei-Kniffs ansehen, durch den voriges Jahr die beiden Fraktionen des &#x201E;konservativen&#x201C; Lagers an ihrer Verschmelzung und dem Sieg über die Whigs verhindert wurden. Wir wollen sehen, ob der Kniff auch diesmal gelingt.</p>
          <p>Ueber die so höchst wichtige Frage, das irische Armengesetz betreffend, ersparen wir uns jeden Commentar, bis wir die Vorschläge der Minister sehen werden, und rücksichtlich der Ersparnisse haben wir bereits gesagt, daß sie größer oder kleiner ausfallen werden, je nach dem ernstlichen Willen und der Stärke der Cobden-Partei.</p>
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          <head><bibl><author>068</author></bibl> Manchester, 1. Febr.</head>
          <p>Gestern Abend wurde in unserer Stadt ein überaus glänzendes und zahlreich besuchtes Freihandels-Bankett gefeiert. Mit dem heutigen Tage ist der letzte Ueberrest der Getreide-Schutzzölle zur Ruhe bestattet worden und von jetzt an darf der fremde Weizen zu einem <hi rendition="#g">nominellen</hi> Zoll von 1 Schill. d. h. so gut wie zollfrei, eingeführt werden. Diesem Ereigniß zu Ehren war gedachtes Bankett in der &#x201E;Freihandels-Halle&#x201C; veranstaltet worden. Ueber 3000 Personen nahmen daran Theil. Fast jeder bedeutendere Ort Englands und Schottlands hatte seine Vertreter gesandt. Die Zahl der anwesenden Damen betrug 700. Der bekannte Freetrader G. <hi rendition="#g">Wilson</hi> führte den Vorsitz. Es waren zahlreiche Entschuldigungsbriefe eingegangen, darunter einer von Bastiat aus Paris. Letzterer benutzte die Gelegenheit, um seine abgestandenen Phrasen gegen den Kommunismus wieder einmal an den Mann zu bringen. Die &#x201E;Freihandelsherren&#x201C; klatschten natürlich bei solchen Stellen gewaltigen Beifall. Erst nachdem der Rev. Thos. Spencer das Tischgebet gesprochen, ergriff der Vorsitzende das Wort. Aus seiner Rede hebe ich folgende Stellen hervor:</p>
          <p>&#x201E;Meine Herren,&#x201C; sagte er u. A., &#x201E;wir sind heute beisammen, um die Aufhebung der Korngesetze zu feiern (stürmischer Applaus, fast die ganze Gesellschaft, einschließlich der Damen, erhebt sich und schwenkt die Taschentücher). Heute Abend müssen wir von der immensen Organisation (anti-corn-law-league), mittelst welcher eine der größten friedlichen Revolutionen dieses Landes in's Werk gesetzt worden, Abschied nehmen. Wir feiern zugleich die Eröffnung einer bessern Aera hoffentlich für alle Klassen und insbesondere für die zahlreichste, die ihr Brod im Schweiße des Angesichts verdienen muß&#x201C; (bekannte Freihändlerphrase, deren Nichtigkeit im &#x201E;Northern Star&#x201C; längst auseinandergesetzt und von den Arbeitern England's hinlänglich begriffen worden).</p>
          <p>Wilson giebt hierauf eine Skizze von der Wirksamkeit der League und schließt mit den Worten:</p>
          <p>&#x201E;Eine 10jährige Erfahrung hat uns gezeigt, wie genau und regelmäßig der Ton jeder bedeutenden Stadt mit dem aller übrigen Städte bei jeder großen Frage übereinstimmt, und wie kräftig sie gegenseitig sich zu jedem guten und geeigneten Zweck zu unterstützen wissen. Und wir haben aus Erfahrung gelernt, die wir unsern Nachfolgern als Vermächtniß hinterlassen, daß der Widerhall und die Pulsschläge solcher Vereinigungen, wie diese nicht blos innerhalb der vier Wände dieses Gebäudes, sondern durch die ganze civilisirte Welt mitempfunden werden.&#x201C; (Donnernder Beifall).</p>
          <p>Jetzt beginnen die Toaste, von denen natürlich jeder mittelst einer mehr oder minder langen Rede eingeleitet wird. &#x201E;Auf die Freetrade-Mitglieder in beiden Parlamentshäusern; glücklichen Erfolg in ihren Bemühungen zur Abschaffung der Schifffahrtsgesetze und vollständigem Umsturze aller Monopole.&#x201C; Das Unterhausmitglied Villiers beantwortet den Trinkspruch. Ihm folgt Cobden, auf diesen Oberst Thompson, der den Toast ausbringt: &#x201E;Auf die Wahlkörper, welche Freihandelsmänner ins Parlament ernannt haben.&#x201C; Es wurde noch viel gesprochen und getoastet und das Bankett um 12 1/2 Uhr in der Nacht beendigt.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, den 3. Februar.</head>
          <p>Wir haben für die Kammer nie Sympathien gehabt. Sie war für uns vom Anfange ihres Bestehens bis auf den heutigen Tag eine Bourgeois-Kammer. Nur müssen wir gestehen, hätten wir sie lieber durch Barbes als durch Rateau-Barrot zu Grunde gehen gesehen. Der materielle 15. Mai, der sie mit Vernichtung bedrohte, hatte alle unsere Sympathien; der moralische 15. Mai, in Gestalt von Barrot und Rateau hatte alle unsere Antipathie und es versteht sich von selbst, daß wir die Kammer lieber hätten vernichtet gesehen durch unsere Freunde als durch unsere Feinde. Als nun gar ein 24. Juni für diese Bourgeois-Kammer heranrückte, als die Kammer am 29. Januar behandelt werden sollte, wie die Juni-Insurgenten, und die Juni-Insurgenten selbst Partei für dieselbe Kammer ergriffen, welche sie so unbarmherzig behandelt hatte, da mußten wir natürlich Partei für sie ergreifen, weil sie dem Proletariate einen Anhaltspunkt gewährte. Freilich war dieser Anhaltspunkt nur sehr schwach; er war nicht die Kammer selbst; er war in der Kammer; es war die Montagne und ein Theil der Partei des National: und diese Partei konnte zusammengenommen der Partei von Barrot, Thiers und Molé die Spitze bieten. Aber einen Anhaltspunkt suchen zu müssen in der Partei des National: dieser jämmerlichen Partei, welche mit der Bourgeois-Partei deßhalb Hand in Hand gehen muß, um ihre Stellen beizubehalten, und die wiederum nur dann ihre Stellen behalten kann, wenn sie die Bourgeois-Interessen entweder bald mit einem Cavaignac bedroht, bald mit einem Cavaignac vertheidigt, die gegen &#x201E;unten&#x201C; immer mit Kanonen zu wüthen bereit ist, während sie gegen &#x201E;oben&#x201C; keine andern Mittel hat, als Intrigue und republikanische Westen!</p>
          <p>Wodurch hat der National sich bisheran gehalten gegen legitimistische und orleanische Umtriebe? Durch sein republikanisches Kostüm, welches bald den Robespierreschen Schnitt annahm, und auf das Proletariat verwies, wenn die monarchische Partei zu vorlaut wurde mit ihren &#x201E;legitimen&#x201C; oder &#x201E;halblegitimen&#x201C; Interessen und Prätentionen, bald aber auch als Beschönigungsmantel dienen mußte, wenn die &#x201E;honette Republik&#x201C; zu ihrer Selbsterhaltung sowohl, als zur Erhaltung der &#x201E;Gesellschaft&#x201C; resp. der Bourgeois-Gesellschaft, der Ruhe und Ordnung, der Course und Hypotheken, das Proletariat niederschießen ließ.</p>
          <p>Am 29. Januar standen, wie gesagt, die Inhaber und Beschützer der &#x201E;honetten Republik&#x201C; auf dem Standpunkte der Juni-Insurrektion; die Kammer, wenigstens der &#x201E;republikanische&#x201C; Theil derselben, war mit gleichem Schicksale bedroht. Die Klubs und Assoziationen nahmen Partei für die Kammer, und boten ihr ihren Schutz an; sogar die Nationalgarde, die nur zu gut begriff, daß Changarnier eine Juni-Schlacht herbeiwünschte, um als Cavaignac auftreten zu können; die Nationalgarde, sage ich, die unmittelbar nachdem sie die Juni-Schlacht gewonnen, die Concordats à l'amiable verlor, ich meine alle die Kleinbürger, die auf dem Punkte der Falliments angekommen, völlig durch die große Bourgeoisie ruinirt wurden, die ihnen ihr ganzes Vermögen unter den Händen wegzog &#x2014; dieser ganze Theil der Natonalgarde wandte sich von Changarnier, von Barrot und von Leon Faucher ab, und bot der Kammer seine Hülfe an.</p>
          <p>Die Verhaftung des Obersten Forestier, die Verhaftung von Alton Shee und 27 andern Clubvorstehern, die Verhaftung von Bataillonschefs der Mobilgarde, und die vielen andern Verhaftungen &#x2014; hatten sie vielleicht einen andern Grund, als weil eben National- und Mobilgarde in Verbindung mit den Chefs der Clubs, als den Vertreter der alten Juni-Insurgenten, mit ihrem Blute bereit waren, die Kammer zu schützen gegen Changarnier?</p>
          <p>Und wie antwortet die Kammer auf die Hülfe, welche ihr von den Clubs kam? Durch Verwerfung der Amnestie! Also, die Kammer hat keine Amnestie zu geben den Männern, welche der Kammer das Leben gegeben haben, und die in den Pontons und in Vincennes sitzen müssen, während Thiers, Molé und alle die Männer das geschlagenen Regimes in die Kammer getreten, und über die Männer der Revolution zu Gerichte sitzen, welche erstere in ihrer Großmuth nicht gerichtet haben.</p>
          <p>Sonderbare Befangenheit von Seiten der fortgeschrittnen Parteien sogar, daß sie nicht frei und offen gegen eine Kammer auftreten, welche sie im Innern verhassen müssen! Während sie mit wahrhaft kindischem Zorne alle legitimistischen Umtriebe aufdecken, und mit Eifer gegen die Idole, Bilder u. s. w. stürmen, deren sich die legitimistische Partei zu ihrer Propaganda bedient, nehmen sie die Kammer in Schutz, einzig und allein, weil sie das Heiligthum der Republik aufbewahre. Ob die legitimistischen Journale an alle ihre Abonnenten das Porträt des hinkenden Heinrich V. und seiner langen hagern Frau schickten, darüber mag Louis Philipp sich grämen und seine hehre Familie.</p>
          <p>Aber wie das so sehr den Zorn der &#x201E;Reforme&#x201C; und &#x201E;Republique&#x201C; erregen kann, während sie nur Worte des Mitleids für eine Kammer hat, die mit kaltem Blute die Amnestiefrage verwirft, ist uns unbegreiflich. Jetzt, wo die Demokratie in Frankreich eine so mächtige Stütze in der Nationalgarde, wo die verabschiedeten Mobilgardisten und die ruinirten Fabrikanten und Boutiquiers dasselbe Schicksal theilen, ist der Ausgang einer Juni-Schlacht nicht mehr zweifelhaft.</p>
          <p>Als der &#x201E;National&#x201C; am Ruder war, vertrat er im Grunde weiter nichts als die Bourgeoisie mit dem Stempel des Nationals. Aber er hatte alle Mittel, dieselbe gegen &#x201E;unten&#x201C; sowohl als gegen &#x201E;oben&#x201C; zu vertheidigen. Gegen &#x201E;unten&#x201C; durch seinen Cavaignac und durch seine gewonnene Junischlacht, die ihm das Recht gab, alle reaktionäre Mittel, wie Schließung der Klubs, Gesetze gegen Associations-Zustände, Belagerungs-Zustände, Verbündungen mit den Windischgrätzen aller Nationen vorzunehmen. Diese reaktionären Mittel &#x201E;gegen unten&#x201C; befestigten natürlich seine Macht gegen &#x201E;oben&#x201C; d. h. gegen monarchische, legitimistische und sonstige Bestrebungen.</p>
          <p>Der &#x201E;National&#x201C; vertrat die Bourgeoisie und die Redakteure des &#x201E;National&#x201C;, um sich am Ruder zu halten, hatten Interesse so reaktionär als möglich die Rothschildschen Interessen zu vertreten. Man weiß, wie die Clique des National mit einem Schlage durch den 10. Dezbr. rein ausgehoben wurde aus allen Aemtern, und wie Napoleon, Faucher und Barrot in die Aemter eintraten.</p>
          <p>Napoleon hat eine ganz exceptionelle Stellung. Das einzige Mittel sich zu halten, wäre eben das gewesen, entschieden mit den
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[1177/0003] 068 Rom, 24. Jan. Hier gehen die Sachen vortrefflich. Sizilien soll dem Könige von Neapel vorgeschlagen haben, die zwischen ihm und den Sizilianern bestehende Streitfrage der italienischen Constituante zur Entscheidung vorzulegen. Die Wahlen sind im ganzen römischen Staat beendigt. Sie wurden überall mit der größten Ruhe vorgenommen. Venedig und die lombardische Emigration schicken sich an, ihre Deputirten zur konstituirenden Nationalversammlung hierher zu senden. Der Wohlfahrtsausschuß beglückwünscht in einer Proklamation die Dragoner und die Bürgerwehr, daß sie den neulichen Versuch der Reaktionäre zu einer Contrerevolution so schnell und bereitwillig zu Schanden machten. In einer andern Proklamation vom 22 Januar sagt der Wohlfahrtsausschuß Folgendes: Die Kommission, im Bewußtsein ihrer Stärke, welche ihr die öffentliche Meinung, die thätige Stütze der Bürger und die Treue der Soldaten verleihen, hat die Ueberzeugung gewonnen, daß sie die Macht in Händen hat, um nöthigenfalls die Sicherheit und Würde des Landes zu vertheidigen. In Civita-Vecchia hatte sich das Gerücht verbreitet, daß Schiffe gesehen worden mit der spanischen Flagge. Bei diesem bloßen Gerüchte lief das Volk zu den Waffen, und traf alle Anstalten, um auf jede mögliche Eventualität gefaßt zu sein. * Venedig, 22. Januar. Tommasco kehrt nach Italien zurück und Valentino Pasini ist an seine Stelle von der provisorischen Regierung ernannt, um die Interessen Venedigs bei der französischen Republik zu vertreten. Zugleich behielt er die Mission bei, den Konferenzen in Brüssel beizuwohnen. Die Kreaturen von Karl Albert treten immer mehr und mehr in den Hintergrund. * Gaëta, 24. Januar. An sämmtliche Glieder des ehemaligen Kardinals-Kollegium ist die Aufforderung ergangen sich in Gaëta um die Person des Pabstes zu sammeln. Offenbar führt Hr. Lambruschini irgend ein neues Plänchen zur Reaktion im Schilde. * Modena, 23. Januar. Der restaurirte Herzog sucht, aus Besorgniß, daß es doch bald auch für ihn zu Ende gehen könnte, noch möglichst viel Geld aus seinen „getreuen“ Unterthanen herauszuschlagen. In einem Dekret von gestern nimmt er mit den Gehältern sämmtlicher Beamten eine Verminderung vor, die je nach Höhe des Gehalts zwischen 4 bis 12 Prozent beträgt. Diese Gehaltsverminderung soll als eine gezwungene Anleihe zu 5 Prozent angesehen werden. Wer aber die 5 Prozent Zinsen, vom Kapital gänzlich zu schweigen, bezahlen wird, ist eine andre Frage. Die direkten Steuern werden durch eben gedachtes Dekret um 1/3 die indirekten um 1/10 erhöht. Blos für Salz, Taback und Getredie tritt keine Erhöhung ein. Großbritannien. 068 London, 2. Februar. In der gestrigen ersten Sitzung des Oberhauses beantragte Lord Bruce die Antwortadresse, die, wie gewöhnlich nichts als ein Echo der Thronrede ist. Der edle Lord Brougham ergriff natürlich schon heute die Gelegenheit, nach so langem Schweigen sich durch eine desto längere Rede zu entschädigen, in der er „Alles und noch Einiges“ berührte, vornehmlich aber gegen die Cobden'sche Finanzreform-Agitation und als Ritter der gutsherrlichen Interessen auftrat. Für Armee und Marine könne es um so weniger Ersparnisse geben, als er überall — in Oesterreich, Italien, Frankreich — die dringendsten Gründe zum Ausbruch eines allgemeinen Krieges erblicke. Lord Stanley, der Leiter der Opposition, kritisirt die ganze äußere und innere Politik des Kabinets, auf das er eine Stunde lang seine torystischen Keulenschläge niederregnen läßt. Von den Cobden'schen Finanzreformen aber will er, wie man wohl denken kann, eben so wenig etwas wissen, als die jetzige Regierungspartei. Er beantragt zu der Stelle in der Thronrede, wo es heißt: „Die Einnahmen befinden sich in einem Zustande fortschreitender Verbesserung“, folgenden Zusatz: „Wir bedauern indeß die Nothwendigkeit, Eurer Maj. vorzustellen, daß weder die Beziehungen Ew. Maj. zu den fremden Mächten, noch der Zustand der Staatseinnahmen, noch die Lage der Handels- und Manufaktur-Interessen der Art sind, daß sie uns berechtigten, in dieser Adresse die Sprache der Beglückwünschung zu führen, und daß ein großer Theil der Ackerbau- und Kolonial-Interessen des Reichs unter einem Zustande fortschreitenden Herunterkommens leiden, der ernstliche Besorgniß und Angst hervorzurufen geeignet ist.“ Dieses Amendement wurde mit 52 gegen 50 Stimmen verworfen!! Das Haus vertagt sich bis Montag. Unterhaus vom 1. Februar. Hier wird die Antwortadresse von Lord H. Vane beantragt. Disraeli greift in der ihm eigenthümlich scharfen Weise die Thronrede und die ganze Politik des Ministeriums an. H. Grattan schlägt zu der Stelle über Irland als Amendement vor: „Die Ruhestörung in Irland hat sich nicht wiederholt, aber es ist fortwährend ein durch die Leiden des Volkes erhöhtes Gefühl der Unzufriedenheit vorhanden, das nicht außer den Augen zu lassen und durch Heilmittel so bald als möglich zu beseitigen unsere Pflicht erfordert.“ In seiner Rede dringt er auf Abschaffung des irischen Armengesetzes und brandmarkt den Vorschlag, die Suspension der Habeas-Corpus-Acte noch länger in Irland fortdauern zu lassen. Lord J. Russell sucht die ministerielle Politik zu rechtfertigen. Bei der Abstimmung sprechen sich nur 12 Mitglieder für Grattan's Amendement aus. Das Haus vertagt sich 1/2 Stunde nach Mitternacht bis auf heute. * London, 3. Februar. In der gestrigen Sitzung des Unterhauses wurde die Verhandlung über die Antwortadresse fortgesetzt. Disraeli's Amendement, das seinem Wesen nach dem vom Lord Stanley vorgestern im Oberhause vorgeschlagenen und nur mit zwei Stimmen Majorität verworfenen Zusatze gleichkommt, bildete den Gegenstand der Debatte, an welcher sich auf Seiten der Regierung Somerville, M. Milnes, Evans und gegen sie Stafford, Walsh, der unvermeidliche Sibthorp, Bankes, Urquhart betheiligten. Letzterm antwortete Lord Palmerston. Die Protektionisten stellten hierauf den Antrag auf Vertagung, dem sich das Ministerium opponirte. Die Abstimmung ergab 141 Stimmen Majorität gegen die Vertagung, worauf Disraeli sein Amendement zurückzog und der ursprüngliche Antrag genehmigt wurde. Um 1 Uhr Nachts vertagte sich alsdann das Haus bis Montag. 068 Der „Northern Star“ spricht sich über die gestern eröffnete Session folgendermaßen aus: „Die zweite Session des Whig-Parlaments hat seine Sitzungen begonnen. Wir Alle sind mit seiner schrecklichen Langweiligkeit und unproduktivem Charakter aus vorigem Jahre her zu wohl bekannt, als daß wir nöthig hätten, die vorige Session noch einmal die Revue passiren zu lassen. Doch können wir folgende Frage nicht unterlassen: Ist es wahrscheinlich, daß die eben begonnene Session ersprießlicher und wohlthätiger endigt, als die vorige? Werden wir abermals ein 8monatliches Wortschachern haben, eine 8monatliche Wiederholung von rohen, schlechtbearbeiteten Maaßregeln, die eilig eingebracht eben so eilig zurückgenommen werden — von langen, wirren Debatten über Fragen, bei denen man gar nicht einmal eine praktische Conclusion beabsichtigte? Mit einem Wort: eine Session von Worten, und nicht von Thaten, in so weit für die öffentliche Wohlfahrt Thaten erforderlich wären? Diese Fragen lassen sich nur dadurch im Voraus beantworten, daß man auf die seit Schluß der letzten Session vorgefallenen Aenderungen im Kabinet und in der öffentlichen Meinung seinen Blick richtet. Die einzige Veränderung im Kabinet besteht darin, daß an die Stelle des verstorbenen Lord Auckland Sir T. Baring, d. h. keinerlei Veränderung, eingetreten ist. Was also das Ministerium anlangt, so haben wirs offenbar mit dem alten Material zu thun. Wir werden wiederum das nämliche Kokettiren mit den Parteien, die nämliche Zweiächselei, den früheren Mangel an festen Prinzipien, oder an klaren, bestimmten Plänen zu sehen bekommen. Hat doch Lord J. Russell die Theorie ministerieller Nicht-Verantwortlichkeit förmlich proklamirt. Seiner Meinung nach ist es nicht erforderlich, daß der Premier und seine Kollegen in Betreff der Geschäfte des Parlaments die Initiative und Leitung in die Hände nehmen. Jeder mag thun, was ihm gut dünkt, und die ganze Pflicht der Minister besteht darin, daß sie ihre Gehälter einstreichen und Alles möglichst in Ruhe lassen, wobei sie von den öffentlichen Geschäften gerade so viel abmachen, als ihnen bei dem allgemeinen Wirrwarr der Zufall erlaubt. Betrachten wir dagegen das Unterhaus und die öffentliche Meinung, so ist der Fall von dem vorjährigen gar sehr verschieden. Wiewohl im Material dieses Hauses keine besondere Veränderung vorgekommen, so sind doch seine Bestandtheile diesmal besser organisirt. Die Partei der „Liberalen“ besitzt das sine qu'a non jeder energischen Politik, einen bestimmten Grundsatz und einen Plan, nach welchem sie ans Werk geht. Sie hat zur Unterstützung im Hintertreffen einen bedeutenden Theil der Presse und die Mehrheit der Wähler für sich. Zudem steht die Forderung, in den Staatsausgaben eine Veränderung eintreten zu lassen, in so direkter Verbindung mit jenem empfindsamen Theile jedes Mannes — den Hosentaschen — daß sie inner- wie außerhalb des Hauses eines großen Einflusses gewiß ist. Bereits hat sich die Macht dieser Bewegung in unverkennbaren Zeichen kund gegeben. Das von Ihrer Majestät am Donnerstage vorgetragene ministerielle Programm enthält eine bestimmte, abgesonderte Bezugnahme auf das Thema der Finanzersparungen. Freilich, wenn die „Finanz-Reformers“ sowohl inner- als außerhalb des Unterhauses nicht schrecklichen Ernst machen, so können die in der Thronrede bezüglich dieses Gegenstandes gebrauchten Ausdrücken in etwas unendlich Geringeres übersetzt werden, als irgend Jemand sich einbildet. Ja, Verminderung der Ausgaben und „verständige und praktische Oekonomie“ kann schließlich bedeuten: Zunahme der Staatslasten. Wir für unsern Theil gestehen, wie wohl entschlossen, der bloßen Finanzreform-Bewegung kein Hinderniß in den Weg zu legen, ganz offen und ohne Zögern, daß, so lange das System der Volksvertretung keine absolute und vollständige Reform erfährt, es auch für Einführung und Festhaltung einer angemessenen Sparsamkeit keinerlei Bürgschaft giebt noch geben kann. Bis zur vollständigen Reform in der Volksvertretung werden selbst etwaige Ausgabe-Verminderungen immer nur einigen bevorrechteten Klassen oder Parteien zu Gute kommen, das große Publikum aber nicht erreichen. Was wir von der Finanzreform-Bewegung einzig Gutes erwarten, ist: daß die aufrichtigeren und entschlossenen Mitglieder jener Partei zur Anempfehlung des allgemeinen Stimmrechts, als des kürzesten und wirksamsten Mittels zum Ziele, hingetrieben werden. Jedenfalls ist's erfreulich, daß eine wirkliche, in sich geeinigte Opposition, mit festem Ziel vor den Augen, in dieser Session auftreten wird. Die Hauptpunkte im ministeriellen Programm sind: die verheißene „umfassende“ Verminderung der Staatsausgaben, eine Revision des irischen Armengesetzes und die Abschaffung oder Umarbeitung der Schifffahrtsgesetze. Das kann man die ministeriellen Heilmaßregeln nennen. Fur das arme, unglückliche, von Pest und Hunger heimgesuchte Irland ist die Wiederholung und Fortdauer jener Gewaltspolitik angekündigt, zu welcher sich das jetzige Kabinet von Anfang an verpflichtet hat. Man sollte denken, daß Auswanderung, Entblößung, Krankheit und Tod die Bevölkerung des Landes genugsam dezimirt und den Muth derselben gebrochen habe, um für ein liberales Ministerium eine so tyrannische und unkonstitutionelle Regierungsweise überflüssig zu machen. Doch nein. Sind auch die Häupter Jung-Irlands im Kerker oder Exil, ist gleich die Bevölkerung durch gutsherrliche Austreibungen, Krankheit und Auswanderung dezimirt und durch die abermalige Kartoffel-Mißerndte noch tiefer zu Boden gedrückt: so wagen die Whigs dennoch nicht, die übrig gebliebenen Irländer die verfassungsmäßige Freiheit der Association und des freien Gedankenausdrucks genießen zu lassen. Irland und Wien werden aus gleicher Ursache nach den nämlichen Prinzipien regiert. Die Regierung hat für das Volk nur Unterdrückung, das Volk hat nur Haß für die Regierung. Die Stimme des Volks wird erstickt, damit die letztere das gehörige Maaß ministerieller Ruhe genieße. In Betreff der Schifffahrtsgesetze sind die Ausdrücke so vag, daß wir die Beruhrung des Gegenstandes nur für eine Wiederholung des Partei-Kniffs ansehen, durch den voriges Jahr die beiden Fraktionen des „konservativen“ Lagers an ihrer Verschmelzung und dem Sieg über die Whigs verhindert wurden. Wir wollen sehen, ob der Kniff auch diesmal gelingt. Ueber die so höchst wichtige Frage, das irische Armengesetz betreffend, ersparen wir uns jeden Commentar, bis wir die Vorschläge der Minister sehen werden, und rücksichtlich der Ersparnisse haben wir bereits gesagt, daß sie größer oder kleiner ausfallen werden, je nach dem ernstlichen Willen und der Stärke der Cobden-Partei. 068 Manchester, 1. Febr. Gestern Abend wurde in unserer Stadt ein überaus glänzendes und zahlreich besuchtes Freihandels-Bankett gefeiert. Mit dem heutigen Tage ist der letzte Ueberrest der Getreide-Schutzzölle zur Ruhe bestattet worden und von jetzt an darf der fremde Weizen zu einem nominellen Zoll von 1 Schill. d. h. so gut wie zollfrei, eingeführt werden. Diesem Ereigniß zu Ehren war gedachtes Bankett in der „Freihandels-Halle“ veranstaltet worden. Ueber 3000 Personen nahmen daran Theil. Fast jeder bedeutendere Ort Englands und Schottlands hatte seine Vertreter gesandt. Die Zahl der anwesenden Damen betrug 700. Der bekannte Freetrader G. Wilson führte den Vorsitz. Es waren zahlreiche Entschuldigungsbriefe eingegangen, darunter einer von Bastiat aus Paris. Letzterer benutzte die Gelegenheit, um seine abgestandenen Phrasen gegen den Kommunismus wieder einmal an den Mann zu bringen. Die „Freihandelsherren“ klatschten natürlich bei solchen Stellen gewaltigen Beifall. Erst nachdem der Rev. Thos. Spencer das Tischgebet gesprochen, ergriff der Vorsitzende das Wort. Aus seiner Rede hebe ich folgende Stellen hervor: „Meine Herren,“ sagte er u. A., „wir sind heute beisammen, um die Aufhebung der Korngesetze zu feiern (stürmischer Applaus, fast die ganze Gesellschaft, einschließlich der Damen, erhebt sich und schwenkt die Taschentücher). Heute Abend müssen wir von der immensen Organisation (anti-corn-law-league), mittelst welcher eine der größten friedlichen Revolutionen dieses Landes in's Werk gesetzt worden, Abschied nehmen. Wir feiern zugleich die Eröffnung einer bessern Aera hoffentlich für alle Klassen und insbesondere für die zahlreichste, die ihr Brod im Schweiße des Angesichts verdienen muß“ (bekannte Freihändlerphrase, deren Nichtigkeit im „Northern Star“ längst auseinandergesetzt und von den Arbeitern England's hinlänglich begriffen worden). Wilson giebt hierauf eine Skizze von der Wirksamkeit der League und schließt mit den Worten: „Eine 10jährige Erfahrung hat uns gezeigt, wie genau und regelmäßig der Ton jeder bedeutenden Stadt mit dem aller übrigen Städte bei jeder großen Frage übereinstimmt, und wie kräftig sie gegenseitig sich zu jedem guten und geeigneten Zweck zu unterstützen wissen. Und wir haben aus Erfahrung gelernt, die wir unsern Nachfolgern als Vermächtniß hinterlassen, daß der Widerhall und die Pulsschläge solcher Vereinigungen, wie diese nicht blos innerhalb der vier Wände dieses Gebäudes, sondern durch die ganze civilisirte Welt mitempfunden werden.“ (Donnernder Beifall). Jetzt beginnen die Toaste, von denen natürlich jeder mittelst einer mehr oder minder langen Rede eingeleitet wird. „Auf die Freetrade-Mitglieder in beiden Parlamentshäusern; glücklichen Erfolg in ihren Bemühungen zur Abschaffung der Schifffahrtsgesetze und vollständigem Umsturze aller Monopole.“ Das Unterhausmitglied Villiers beantwortet den Trinkspruch. Ihm folgt Cobden, auf diesen Oberst Thompson, der den Toast ausbringt: „Auf die Wahlkörper, welche Freihandelsmänner ins Parlament ernannt haben.“ Es wurde noch viel gesprochen und getoastet und das Bankett um 12 1/2 Uhr in der Nacht beendigt. Französische Republik. 12 Paris, den 3. Februar. Wir haben für die Kammer nie Sympathien gehabt. Sie war für uns vom Anfange ihres Bestehens bis auf den heutigen Tag eine Bourgeois-Kammer. Nur müssen wir gestehen, hätten wir sie lieber durch Barbes als durch Rateau-Barrot zu Grunde gehen gesehen. Der materielle 15. Mai, der sie mit Vernichtung bedrohte, hatte alle unsere Sympathien; der moralische 15. Mai, in Gestalt von Barrot und Rateau hatte alle unsere Antipathie und es versteht sich von selbst, daß wir die Kammer lieber hätten vernichtet gesehen durch unsere Freunde als durch unsere Feinde. Als nun gar ein 24. Juni für diese Bourgeois-Kammer heranrückte, als die Kammer am 29. Januar behandelt werden sollte, wie die Juni-Insurgenten, und die Juni-Insurgenten selbst Partei für dieselbe Kammer ergriffen, welche sie so unbarmherzig behandelt hatte, da mußten wir natürlich Partei für sie ergreifen, weil sie dem Proletariate einen Anhaltspunkt gewährte. Freilich war dieser Anhaltspunkt nur sehr schwach; er war nicht die Kammer selbst; er war in der Kammer; es war die Montagne und ein Theil der Partei des National: und diese Partei konnte zusammengenommen der Partei von Barrot, Thiers und Molé die Spitze bieten. Aber einen Anhaltspunkt suchen zu müssen in der Partei des National: dieser jämmerlichen Partei, welche mit der Bourgeois-Partei deßhalb Hand in Hand gehen muß, um ihre Stellen beizubehalten, und die wiederum nur dann ihre Stellen behalten kann, wenn sie die Bourgeois-Interessen entweder bald mit einem Cavaignac bedroht, bald mit einem Cavaignac vertheidigt, die gegen „unten“ immer mit Kanonen zu wüthen bereit ist, während sie gegen „oben“ keine andern Mittel hat, als Intrigue und republikanische Westen! Wodurch hat der National sich bisheran gehalten gegen legitimistische und orleanische Umtriebe? Durch sein republikanisches Kostüm, welches bald den Robespierreschen Schnitt annahm, und auf das Proletariat verwies, wenn die monarchische Partei zu vorlaut wurde mit ihren „legitimen“ oder „halblegitimen“ Interessen und Prätentionen, bald aber auch als Beschönigungsmantel dienen mußte, wenn die „honette Republik“ zu ihrer Selbsterhaltung sowohl, als zur Erhaltung der „Gesellschaft“ resp. der Bourgeois-Gesellschaft, der Ruhe und Ordnung, der Course und Hypotheken, das Proletariat niederschießen ließ. Am 29. Januar standen, wie gesagt, die Inhaber und Beschützer der „honetten Republik“ auf dem Standpunkte der Juni-Insurrektion; die Kammer, wenigstens der „republikanische“ Theil derselben, war mit gleichem Schicksale bedroht. Die Klubs und Assoziationen nahmen Partei für die Kammer, und boten ihr ihren Schutz an; sogar die Nationalgarde, die nur zu gut begriff, daß Changarnier eine Juni-Schlacht herbeiwünschte, um als Cavaignac auftreten zu können; die Nationalgarde, sage ich, die unmittelbar nachdem sie die Juni-Schlacht gewonnen, die Concordats à l'amiable verlor, ich meine alle die Kleinbürger, die auf dem Punkte der Falliments angekommen, völlig durch die große Bourgeoisie ruinirt wurden, die ihnen ihr ganzes Vermögen unter den Händen wegzog — dieser ganze Theil der Natonalgarde wandte sich von Changarnier, von Barrot und von Leon Faucher ab, und bot der Kammer seine Hülfe an. Die Verhaftung des Obersten Forestier, die Verhaftung von Alton Shee und 27 andern Clubvorstehern, die Verhaftung von Bataillonschefs der Mobilgarde, und die vielen andern Verhaftungen — hatten sie vielleicht einen andern Grund, als weil eben National- und Mobilgarde in Verbindung mit den Chefs der Clubs, als den Vertreter der alten Juni-Insurgenten, mit ihrem Blute bereit waren, die Kammer zu schützen gegen Changarnier? Und wie antwortet die Kammer auf die Hülfe, welche ihr von den Clubs kam? Durch Verwerfung der Amnestie! Also, die Kammer hat keine Amnestie zu geben den Männern, welche der Kammer das Leben gegeben haben, und die in den Pontons und in Vincennes sitzen müssen, während Thiers, Molé und alle die Männer das geschlagenen Regimes in die Kammer getreten, und über die Männer der Revolution zu Gerichte sitzen, welche erstere in ihrer Großmuth nicht gerichtet haben. Sonderbare Befangenheit von Seiten der fortgeschrittnen Parteien sogar, daß sie nicht frei und offen gegen eine Kammer auftreten, welche sie im Innern verhassen müssen! Während sie mit wahrhaft kindischem Zorne alle legitimistischen Umtriebe aufdecken, und mit Eifer gegen die Idole, Bilder u. s. w. stürmen, deren sich die legitimistische Partei zu ihrer Propaganda bedient, nehmen sie die Kammer in Schutz, einzig und allein, weil sie das Heiligthum der Republik aufbewahre. Ob die legitimistischen Journale an alle ihre Abonnenten das Porträt des hinkenden Heinrich V. und seiner langen hagern Frau schickten, darüber mag Louis Philipp sich grämen und seine hehre Familie. Aber wie das so sehr den Zorn der „Reforme“ und „Republique“ erregen kann, während sie nur Worte des Mitleids für eine Kammer hat, die mit kaltem Blute die Amnestiefrage verwirft, ist uns unbegreiflich. Jetzt, wo die Demokratie in Frankreich eine so mächtige Stütze in der Nationalgarde, wo die verabschiedeten Mobilgardisten und die ruinirten Fabrikanten und Boutiquiers dasselbe Schicksal theilen, ist der Ausgang einer Juni-Schlacht nicht mehr zweifelhaft. Als der „National“ am Ruder war, vertrat er im Grunde weiter nichts als die Bourgeoisie mit dem Stempel des Nationals. Aber er hatte alle Mittel, dieselbe gegen „unten“ sowohl als gegen „oben“ zu vertheidigen. Gegen „unten“ durch seinen Cavaignac und durch seine gewonnene Junischlacht, die ihm das Recht gab, alle reaktionäre Mittel, wie Schließung der Klubs, Gesetze gegen Associations-Zustände, Belagerungs-Zustände, Verbündungen mit den Windischgrätzen aller Nationen vorzunehmen. Diese reaktionären Mittel „gegen unten“ befestigten natürlich seine Macht gegen „oben“ d. h. gegen monarchische, legitimistische und sonstige Bestrebungen. Der „National“ vertrat die Bourgeoisie und die Redakteure des „National“, um sich am Ruder zu halten, hatten Interesse so reaktionär als möglich die Rothschildschen Interessen zu vertreten. Man weiß, wie die Clique des National mit einem Schlage durch den 10. Dezbr. rein ausgehoben wurde aus allen Aemtern, und wie Napoleon, Faucher und Barrot in die Aemter eintraten. Napoleon hat eine ganz exceptionelle Stellung. Das einzige Mittel sich zu halten, wäre eben das gewesen, entschieden mit den

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 214. Köln, 6. Februar 1849, S. 1177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz214_1849/3>, abgerufen am 25.04.2024.