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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 252. Köln, 22. März 1849.

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der einst von dieser selben Stelle mit Hohngelächter zurückgewiesen wurde. (Widerspruch rechts. Links und Gallerien: Bravo!) Was ist denn geschehen, was die Meinungen dieses Hauses so gewaltig ändern konnte? Nur die Angst könnte uns zu diesem Beschluß führen. Was giebt uns denn Preußen für Garantien? Der Belagerungszustand ist mir eine schlechte Garantie. Ebenso das Ministerium Manteuffel. Und die Kammern? Die erste hat sich diesmal des Beispiels würdig, die zweite dagegen völlig unpatriotisch gezeigt Sie hat einen Antrag auf Anerkennung unserer Grundrechte fast einstimmig zurückgewiesen. Wenn das die Berliner Linke thut, was soll die Rechte thun? Preußen hat (wie Hr. v. Griesheim eingestand) jenen schmählichen Waffenstillstand geschlossen, um seine Truppen zu strategischen Zwecken in Berlin zu verwenden. Dies der deutsche Patriotismus Preußens. Wir werden hier morgen Stimmen für Friedrich Wilhelm den Erbkaiser hören, die bei der Reichsverweserwahl für Adam v. Itzstein oder Gagern stimmten. (Links Sensation.) Der einzige Ausweg für uns, ist einen sechsjährigen Statthalter, oder wenn Sie wollen Kaiser, zu ernennen. Dann ist kein Vorwand zu Feindseligkeiten für Oestreich. In diesen sechs Jahren kann der Kaiser seinen deutschen Sinn bewähren. Die Gährung im Vaterlande wird durch einen Erbkaiser nicht beruhigt werden. Stopfen Sie einen Spunt auf ein Faß gährenden Weines, und habe der Spunt die Form einer Kaiserkrone, die Gährung wird Ihnen Faß, Krone und Reich zersprengen. (Langer Beifall links und Gallerien.) Wollen Sie Preußen, um über mehr Bajonette zu verfügen? Alle Bajonette Deutschlands standen Ihnen zu Gebot und dennoch haben Sie Oestreich verloren und Dänemark nicht gebändigt. Sie, die mit Dänemark nicht fertig wurden, Sie wollen (durch ihr preußisches Erbkaiserthum) Krieg mit Oestreich, Rußland, Frankreich -- Europa beginnen? Meine Herren, es sitzen ja so viel tüchtige Strategiker auf Ihrer Seite. (Gelächter.) Deutschland kann nicht Krieg führen mit Europa ohne seiner Völker Beistand -- und den hat es in diesem Falle nicht! (Beifall.) Ist es schon einmal in der Welt da gewesen, über 38 Erbregenten noch einen Erbkaiser zu pflanzen? Doch Sie wollen es ermöglichen! Und dieser Möglichkeit gegenüber will Herr Wydenbrugk nicht einen Diktator für möglich halten. Ich stimme für einen 6jährigen Statthalter oder wenn Sie wollen Kaiser, als für die einzige Möglichkeit Unter dieser Bedingung würden wir Republikaner unser Prinzip verlassen und Preußen könnte auf sechs Jahre einstimmig gewählt werden. Dann könnte es doch wohl eher annehmen als mit Ihrer erbkaiserlichen Majorität von von vielleicht 10 Stimmen, herbeigeführt mit Hülfe des Telegraphen. (Gelächter und Beifall.) Und wenn es der König von Preußen ehrlich meint, wenn er ein wahrhaft deutscher Regent ist, dann wird er die sechsjährige Statthalterschaft annehmen. (Anhaltender Beifall links und Gallerien).

Neue Anträge gehen ein.

Einer von Schulz aus Darmstadt, der die grausamste Verhöhnung für Preußen enthält. Er lautet etwa:

"Wenn die Tagesordnung nicht angenommen würde, so soll die Vermessenheit, Preußen gegen den Willen des deutschen Volkes zum Erbkaiser zu machen, unter der Bedingung zugelassen werden, daß der König von Preußen Krieg mit Rußland sofort beginnt, und das Schwert nicht eher in die Scheide steckt, bis Ruhe, Friede und Freiheit im Vaterlande leben, bis Oestreich staatlich mit Deutschland innig vereint, bis Ungarn frei, bis Polen unabhängig, bis die Russen nicht mehr Alleinherrn des schwarzen Meeres."

Dieser bittere Hohn bringt heftige Bewegung hervor. Gelächter und Beifall.

Werner von St. Pölten beantragt u. a.:

"Preußen wird unter der Bedingung an die Spitze gestellt, daß Preußen als solches aufhört."

Waiz (einer aus dem Kaisertriumvirat) hält eine lange, rührende, unter tiefer Andacht angehörte Rede für die Anträge des Verfassungsausschusses und Friedrich Wilhelm den IV. (Beifall der Preußen, die Hrn. Waiz beim Herabsteigen von der Tribüne zärtlich umarmen.

Moritz Mohl: M. H.! der preußische Erbkaiser ist ein todtgeborenes Kind, (Beifall) und ich möchte gerne diesem Hause die Ehre dieses Wochenbettes ersparen. -- Ich halte es nicht für großmüthig, den 3.Theil Deutschlands auszuschließen, in der Hoffnung, daß der Staat, dem er angehört, zerfallen wird. -- Man habe mit Verachtung von den Baumwollballen, von den materiellen Vortheilen gesprochen, welche das Volk erleiden wird, wenn Oestreich verloren geht, man verrathe das deutsche Volk und füge zur Schmach noch den Hohn (Donnernder Beifall der Gallerien und links!) Oestreichs Völker haben auf Deutschlands Schlachtfeldern mitgeschlagen. Oestreich wird Ihnen einen glühenden Haß bewahren, wenn Sie es ausschließen und den Hohenzollern nachsetzen. Oestreich sei ein Volk von 38 Millionen, eine europäische Großmacht, werde sich nicht von Hohenzollern mediatisiren lassen. -- Ich bin, sagt Mohl, auch gegen den Wahlkaiser, denn sollten Sie den Preußen auf 6 Jahr wählen, so müßten Oestreichs Abgeordnete austreten, und dann hätten hier die Preußen die große Majorität und würden in wenig Wochen den Erbkaiser machen. (Sehr richtig!) Man hat sich nicht vergegenwärtigt, daß die Annahme der Welker'schen Anträge hervorrufen wird einen Kampf zwischen Norden und Süden, zwischen Protestantismus und Katholicismus, zwischen einem Volksstamm und allen Uebrigen. (Bravo links und Gallerien.)

Reh aus Darmstadt (der Apostat), bringt in der Einleitung seiner Rede eine Entschuldigung für seine Ansicht, die in dieser Angelegenheit mit der seiner politischen Freunde und eines Theils seiner Wähler in Widerspruch steht -- Im Verfolg spricht Herr Reh für den preußischen Erbkaiser.

Eisenmann: Oestreich sei allerdings für uns verloren, denn es mache uns Zumuthungen, die kein Volk, ohne sich aufzugeben, erfüllen könne, denn es wolle uns zusammenkoppeln mit Croaten, Sereschanern u. s. w. Sie, m. H., von rechts, rühmen sich, die Zustände, wie sie jetzt liegen, vorausgesehen zu haben; dann wird das Volk Sie zuerst zur Rechenschaft ziehen, daß Sie sie nicht geändert haben O hätten Sie nur für Deutschlands Wohl die Hälfte der Verwegenheit entwickelt, wie für den preußischen Erbkaiser. (Beifall.) Unter andern erzählt uns E, auf welche Weise das Reichsministerium die Stimmung für den Erbkaiser habe günstiger zu machen suchen, durch Lügen und Machinationen. Ein Zeitungsredakteur habe ihm erklärt, er könne wegen gewisser Machinationen von Bassermann und Konsorten seine Zeitung zu keinem Artikel gegen den Erbkaiser hergeben. -- Sie haben die Fideikommisse aufgehoben und jetzt wollen Sie ganz Deutschland zu einem Fideikommiß der Familie Hohenzollern machen? -- Wie es mit der Freiheit in Preußen jetzt steht, ist klar. Die Freiheit ist dort in Gefahr, der König ist von einer absolutistischen Kamarilla umgeben. Die Kammern sind konservativ. Das Ministerium absolutistisch. (Murren der Preußen. Im Ganzen verläuft die Debatte leidenschaftsloser, als ich dachte. Diesen Froschteich kann einmal nichts mehs lebendig machen.) Nur mit einem Wortbruch kann Hohenzollern den deutschen Thron betreten, denn er hat erklärt, dies nur mit Zustimmung aller Regierungen thun zu wollen, und dies wird nimmer geschehen. (Widerspruch der Preußen) Baiern's König z. B. wird nimmermehr einwilligen. (Gelächter.) Was werden Sie also mit ihrem papiernen Erbkaiser (langes Gelächter und Beifall) anders herbeiführen, als Bürgerkrieg und eine oktroyirte Verfassung a la östreichische, ohne Volkshaus. -- So wie Welker mit Posaunentönen an's Volk appellirt zu Gunsten des deutschen Erbkaisers und in ihm die Rettung der Einheit und Freiheit sieht, so appellire auch ich an's Volk, indem ich es ausspreche, das Erbkaiserthum bringt Deutschland Absolutismus und Zerrissenheit. -- (Beifall links und Tribünen.)

Beseler aus Schleswig (der Fundirte) für Preußens Erbkaiserthum.

Ahrens aus Salzgitter gegen den preußischen Erbkaiser und gegen die Theilung Deutschlands. Frankreich würde in diesem Akt nur eine Vergrößerung Preußens sehen. Sie werden überhaupt keinen europäischen Bundesgenossen haben bei Ausführung Ihres Planes. -- Sie werden das Volk nicht als Rückhalt haben, und Sie werden Krieg mit Oestreich, Rußland und Frankreich haben. Kleindeutschland ohne Oestreich bietet nun ein für allemal weder Sicherheit noch Macht. -- Schließlich erlaube ich mir die ganz einfache Frage, ob Sie denn glauben, daß der preußische König die Kaiserwürde annehmen könne? (Zuruf einiger begeisterter Preußen: Ja! Ja!) Folgen die Gründe, weshalb Preußen nicht annehmen kann. -- Ahrens führt das Beispiel Belgiens an, als die Kammer mit 2 Stimmen Majorität beschlossen hatte, dem Herzog von Nemours die Krone Belgiens anzutragen. Louis Philipp wies dies entschieden zurück, aber er hatte seinen Zweck erreicht, die Welt staunte seine Uneigennützigkeit an. -- Dasselbe Spiel scheint Preußen zu spielen! -- (Beifall.)

Er nennt die Bildung Kleindeutschland's einen ebenso undeutschen als feigen Plan zur Bildung eines politischen Zollvereins. -- Ahrens erklärt sich für Raveaux's Antrag, und um das Unglück seines Vaterlandes zu verhüten, gegen den preußischen Erbkaiser. (Großer Beifall.)

Bauer von Bamberg für den Preußen. Daß immer noch von der andern Partei die banale Phrase gebraucht würde: "man wolle Oestreich ausstoßen!" sei eine Meinungsverhärtung, gegen die man mit Argumentationen nicht ankomme. Wer noch nicht an den ernstlichen bösen Willen Oestreich's glauben wolle, käme ihm vor wie einer, der einen Faustschlag in's Gesicht bekäme und noch fragen wolle, ob es Ernst wäre -- Die materiellen Vortheile, die man nach Herrn Herrmann für Baiern durch die Verbindung mit Oestreich alle habe, seien großentheils nur scheinbar, und in Wahrheit der Speck, mit dem man die baierschen Mäuse fangen wolle

Nach diesem Redner beschloß man um 3 Uhr die Vertagung.

Joseph von Würth (Wien) zeigt seinen Austritt aus politischen Rücksichten. (Großer Beifall der Preußen.) Ebenso tritt Arneth aus Oestreich aus. (Links ruft man: Stellvertreter!)

Würth und Arneth, beide sind von Einfluß in der östreichischen Regierung. Ihr Austritt und die Schwächung ihrer Partei vor der Krise zeigt am besten, wie einig die Regierungen sind und daß dieser letzte Akt des Parlaments freventliche Komödie ist, gespielt mit dem Volk. -- Das Parlament existirte nur durch die Uneinigkeit der Regierung über es (das Parlament), selbst. Die Regierungen sind darüber einig geworden -- nämlich es auseinanderzujagen und zu be-oktroyiren

Nächste Sitzung Morgen.

082 Heidelberg, 19. März.

Also wieder der neunzehnte März! der Tag an welchem wir vor einem Jahre in hellen Haufen nach Offenburg zogen, um im romantischen Märztaumel zum ersten Male das imposante Schauspiel einer Volksversammlung zu genießen! Ich sage, das Schauspiel, denn die Wichtigkeit des Momentes war den Wenigsten klar; der Reiz der Neuheit berauschte uns, es ging uns im März v. J. wie einem Proletarier, der zum ersten Mal an eine reichbesetzte Tafel kommt und über dem Anschauen all der herrlichen Dinge das Essen vergißt. Struve präsidirte -- derselbe Struve, welcher morgen zuerst vor den Assisen stehen wird; Fr. v. Hecker, Fickler und alle nur irgend bekannte Volksmänner des Landes waren anwesend, und unter den 10,000 Versammelten waren die Oberländer Bauern fast alle mit Flinten und Sensen bewaffnet erschienen.

Herr v. Soiron erzählte uns, daß die Begeisterung ihn hinrisse (was uns sehr komisch vorkam) und ließ uns schwören, für die Freiheit zu sterben (!!!); Minister Bekk entschuldigte sich in Plakaten, daß er kein Militär nach Offenburg geschickt habe, er erwarte die Sache werde ganz ruhig abgehen; und in Karlsruhe -- standen die gepackten Reisewagen vor der Hinterthür! Welker, der tollgewordene alte Knabe, der 16,000 Gulden "begeisterte Reichspolterer," hatte sich, wie Bekk, entschuldigen lassen, schickte aber ein Manifest nach Offenburg, in welchem er uns im Interesse der deutschen Einheit vor der Proklamirung der Republik warnte (heute wird sein "vaterlandsgefährlicher" Einheits-Antrag in Frankfurt diskutirt!). Und Hecker, -- er sprach in demselben Sinne, wie Welker, nur etwas schöner; er bot die ganze Kraft und Fülle seiner Beredsamkeit auf, um uns zu beweisen, daß die Proklamirung der Republik -- in Deutschland den Bürgerkrieg hervorrufen würde! Mit dieser Hecker'schen Rede war der einzige günstige Moment zu einer süddeutschen Revolution verdorben; die revolutionären Oberländer Bauern gingen verstimmt und mißmuthig fort, sie waren halb an sich selbst, halb an Hecker irre geworden -- und es war dies nicht der geringste Grund zu dem Mißlingen des späteren, im ungünstigsten Zeitpunkte unternommenen Aufstandes. -- Wir aber stießen noch im Wirthshause mit unserm dicken Freunde Sancho-Soiron auf die deutsche Republik an, gingen dann nach Hause und freuten uns über die schöne Volksversammlung. --

Eine (von Hecker entworfene) revolutionäre Vereinsorganisation für Baden war ebenfalls auf dieser Versammlung beschlossen worden, wie aber nannte Hecker diese Vereine? "Vaterländische Vereine" nannte er sie! Und welch' eine scharfe Ironie der Geschichte, welch eine Ohrfeige für Hecker und sämmtliche Märznationalen ist es, daß jetzt der Name "vaterländische Vereine" das Aushängeschild für unsre Bourgeois-Bureaukraten-Erzheulervereine, für die "Vertraulichkeits"-Vereine des Ministers Bekk ist! Er war gar zu deutsch-national, der deutsche 1848er Märzwein, fast so arg, als der Frankfurter Märzverein! (Herr Raveaux hat sich bekanntlich noch neulich über das Singen der Marseillaise entsetzt.) Lamartine in Frankreich, und unsere Nationalsimpel in Deutschland -- das paßte so gut zusammen, das ließ so schön in jedem Lande und Ländchen der Reaktion Zeit und Macht, die eben aufgetauchte Bewegung wieder zu ersticken! Wir haben uns so recht "von innen heraus" entwickelt; wir haben uns nicht "die Freiheit von außen bringen lassen", und haben dadurch die Knechtschaft von innen erlangt!

Man sieht aber, das Volksbewußtsein ist fortgeschritten; heutzutage ist schon vaterländisch=reaktionär. Unsere politischen Nationalisten vom Schlage des Märzvereins werden freilich sagen: Diese Menschen mißbrauchen den heiligen Namen des Vaterlandes -- gerade wie ihre religiösen Gesinnungsgenossen früher zu den Pfaffen sagten: Ihr mißbraucht das heilige Wort Glauben! Aber wie man hier allmählig so gescheut wurde, mit den Pfaffen auch den Glauben wegzunehmen, so wird allmählig auch die Einsicht allgemein werden, daß in Zeiten der Bewegung, der Revolution, die "vaterländischen Interessen" nichts als ein Popanz der Reaktion sind, um die Ausbreitung der Revolution, die revolutionäre Propaganda zu unterdrücken, und die Revolution dem hektischen Fieber der "inneren Entwicklung" zu überliefern. -- Noch wollen die Leute das nationale Element "poetischer" finden. Nun, die Geschmäcke sind verschieden; mir wenigstens kommt ein propagandistischer Krieg der Revolution, eine Allianz aller Demokraten poetischer vor, als das deutsch-philiströse: "Jeder fege vor seiner Thür".

Ungarn.
*
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Großbritannien.
068 London, 19. März.

Am vorigen Samstag gab man dem zum Oberbefehlshaber der indischen Armeen ernannten General Sir Charles Napier ein großes Diner, an welchem viele der Celebritäten des Gouvernemens, des Parlamentes und der englischen Gesellschaft Theil nahmen. Sir Charles dankte für einen ihm ausgebrachten Toast und bemerkte, daß er deswegen mit Vertrauen seiner neuen Stellung entgegen gehe, weil ihn der erste Soldat der Welt, der Herzog von Wellington, dazu empfohlen habe. Der alte Herzog erwiederte darauf, daß er allerdings von seinem tapfern Freunde die glänzendsten Erfolge erwarte, daß er indeß die jetzigen Zustände Indiens nicht als solche ansehe, welche mit besonderem Mißtrauen und mit einiger Angst zu betrachten seien. Die letzten Feldzüge hätten zwar große Verluste mit sich gebracht, sie seien aber durch die großen Unternehmungen, welche man gewagt habe, gerechtfertigt und jedenfalls sei der Zweck des Feldzuges, die Einnahme der wichtigsten Festung des Feindes, durchgesetzt worden.

Lord John Russell entschuldigte sich wegen seines Nichterscheinens bei dem Bankett in einem Schreiben an den Vorsitzenden, indem er seine Zufriedenheit mit der Ernennung Sir Charles Napier's aussprach, und den Direktoren der indischen Kompagnie wegen der Geschicklichkeit, mit der sie die großen, ihrer Sorge überlassenen Territorien verwalteten, seine ungetheilte Achtung zu erkennen gab. Aehnliche Toaste wurden von Sir G. Grey, Sir J. Hobhouse u. s. w. ausgebracht.

Von den Scenen der scheußlichsten Armuth, welche sich in England stets wiederholen, hatte man dieser Tage wieder ein Beispiel bei dem Abbruch eines alten Hauses, in dessen Zimmern man die Leiche einer Frau, umringt von drei Kindern, ohne Kleider, ohne Betten und ohne Möbeln auf dem nackten Boden antraf. Die Frau schien vor Hunger umgekommen zu sein, und die Kinder waren bereits in einem solchen Zustande, daß sie nicht mehr sprechen konnten. Die ganze Familie schien sich, obdachlos, in das leer stehende Haus geflüchtet zu haben, um elend darin unterzugehen.

An der Börse erregte die Ungewißheit in Betreff des Ausgangs der Schleswig-Holstein'schen Angelegenheiten und die Nachricht der bevorstehenden Feindseligkeiten in Italien, ziemliche Besorgniß und das Geschäft blieb daher von gemäßigtem Umfange. Konsols 90 5/8 u. 3/4.

Französische Republik.
17 Paris, 19. März.

Heute Abend findet ein social-demokratisches deutsches Bankett zum Gedächtniß der Berliner Revolution statt.

Die demokratische Propoganda geht rüstig vorwärts; Proudhon's "Peuple" ist unstreitig am mächtigsten in diesem Augenblicke und es wird täglich in 80 Exemplaren gratis in die Kasernen getragen. Das Militär demokratisirt sich trotz Denunciation und Disciplinarstrafen. Ein aus Bourges zurückgekehrter Stenograph versichert, die dortige Garnison, angeblich eine "ganz erprobte", sei durch und durch vom Gifte des Prozesses angefressen, so daß die Offiziere ohne Hehl in den Kaffeehäusern die demokratisch-sociale Republik hochleben lassen. Changarnier und Rulhieres wollen sie in einen andern Ort verlegen; so weit ist es bereits gekommen, daß alles Umziehen und Ausziehen der Garnisonen den Schaden nur verschlimmern kann. -- Man spricht wieder lebhaft von einem Staatsstreich auf den 25. März nach dem Zuschnitt des 29. Januar; das Ministerium schmeichelt sich diesmal sicher der rothen Partei den Hals umzudrehen.

12 Paris, 18. März.

Nun lache Einer noch über Napoleon und sein Ministerium. Barrot, Fallour und Faucher waren müde täglich zum Gespötte zu dienen; sie wollten zeigen, daß sie auch Staatsstreiche ausführen zu lassen im Stande sind. Sie haben dem blödsinnigen Napoleon die Hand geführt zur Unterschreibung zweier politischer Todesurtheile. Von heute an ist es nicht mehr erlaubt, Napoleon von der lächerlichen Seite aufzufassen; er hat das Lächerliche mit dem Blute abgestreift. Nach der Junischlacht gab es Sieger und Besiegte. Die Besiegten wurden vor ein Kriegsgericht gestellt. Das Kriegsgericht erkannte für mehrere Angeklagten, welche in die Brea'sche Geschichte verwickelt waren, die Todesstrafe. Nun hat aber die Februar-Revolution die Todesstrafe für politische Verbrechen abgeschafft. Daß aber der Prozeß der Juni-Insurgenten ein politischer Prozeß war, ist ausdrücklich von Cavaignac zur Rechtfertigung der Einsetzung der Kriegsgerichte hervorgehoben worden. Was thut Barrot? Er läßt den Napoleon sagen, daß die vom Kriegsgerichte zum Tode verurtheilten Lahr und Daix keine politische Verbrecher seien, läßt Napoleon die Strafe bestätigen und läßt sie kraft Napoleons Unterschrift hinrichten. Als Napoleon, des abentheuerlichen Lebens in den engl. Gasthöfen müde, den Louis Philipp um die stillen Vergnügen in den Tuilerien beneidend, herüber nach der französischen Küste kam, und den ersten besten Douanier über den Haufen schoß, da war er vollkommen in seinem Rechte, da handelte er sehr verständig -- er war damals ein Juni-Insurgent im königlich-kaiserlichen Sinne, und insurgirte sich gegen alle die Douaniers und Minister und Valets Louis Philipp's. So weit hatte es Barrot noch nicht gebracht: der schurkigen Themis fehlte die Blutweihe; es fehlte ihr das Buzancais von Guizot, und sie bediente sich des blödsinnig gewordenen Napoleons, um diese Blutweihe festlich zu begehen. 5 Regimenter waren zum Feste eingeladen; alle die alten Minister und Pairs, für welche das Volk die Todesstrafe abgeschafft, kamen mit ihren geschenkten Köpfen auf den Schultern zu der Guillotine, und freuten sich ihres Lebens und ihrer Renten und Aktien!

Auf Louis Philipp ist wenigstens 10 Mal geschossen worden; Louis Philipps Kopf war eine würdige Zielscheibe; aber Louis Philipp war ein schlauer Kopf, einer von den Köpfen, die man nicht so leicht treffen kann. Und wirklich schreiben es die Leute dem Glücke zu, daß er 10 Mal dem Tode glücklich entwichen ist. Aber wie kann Napoleon hoffen, ein gleiches Glück zu haben? Dem Napoleon ein Haar auf dem Kopf zu krümmen, wäre keinem Proletarier eingefallen; alle die Vorsichtsmaßregeln, mit welchen der Polizeipräfekt ihn bei seinem Ausgehn umgab, waren völlig überflüssig. Napoleons Feinde waren in seinem Pallaste, unter seinen Ministern; Legitimisten und Jesuiten, wie Falloux, sind zu Allem fähig. Wie diese Leute aus dem damals verwegenen Ochsen ein scheues, blödsinniges Kalb gemacht haben, das seine Freunde eine Viertelstunde anstiert, ehe es sie wiedererkennt, das liegt im Schooße der ewigen Götter. Aber jetzt, wo sie dieses Kalb ein politisches Todesurtheil unterzeichnen ließen, der Konstitution und der französischen Großmuth zu Trotz, haben sie offenbar Napoleon dem öffentlichen Haß Preis gegeben.

Napoleon und Barrot haben das Lächerliche abgestreift; von heute an gehören sie der ernsten Geschichte an. Der olympische Barrot hat gezeigt, daß er "grausam" sein kann. Es wird ihm nicht vergessen werden.

Paris, 19. März.

Der Moniteur zeigt sich sehr aufgebracht gegen die Reforme, weil sie gestern behauptet hatte, daß die beiden Brea-Verurtheilten gegen den ausdrücklichen Willen des Staatsrathes hingerichtet worden seien und die Härte dieser Urtheilsvollstreckung -- als Wiedererrichtung des politischen Schaffots wichtig -- lediglich den Präsidenten der Republik treffe u. s. w. Der Moniteur erklärt diese Behauptung als falsch und nennt sie eine der schändlichsten Allegationen, die jeder Parteigeist erfunden.

Man weiß übrigens, was man von diesen amtlichen Dementis zu halten habe. Wahr ist, daß Cormenin im Namen der Minorität des Staatsrathes gegen die Hinrichtung energisch protestirte

Hierzu eine Beilage.

der einst von dieser selben Stelle mit Hohngelächter zurückgewiesen wurde. (Widerspruch rechts. Links und Gallerien: Bravo!) Was ist denn geschehen, was die Meinungen dieses Hauses so gewaltig ändern konnte? Nur die Angst könnte uns zu diesem Beschluß führen. Was giebt uns denn Preußen für Garantien? Der Belagerungszustand ist mir eine schlechte Garantie. Ebenso das Ministerium Manteuffel. Und die Kammern? Die erste hat sich diesmal des Beispiels würdig, die zweite dagegen völlig unpatriotisch gezeigt Sie hat einen Antrag auf Anerkennung unserer Grundrechte fast einstimmig zurückgewiesen. Wenn das die Berliner Linke thut, was soll die Rechte thun? Preußen hat (wie Hr. v. Griesheim eingestand) jenen schmählichen Waffenstillstand geschlossen, um seine Truppen zu strategischen Zwecken in Berlin zu verwenden. Dies der deutsche Patriotismus Preußens. Wir werden hier morgen Stimmen für Friedrich Wilhelm den Erbkaiser hören, die bei der Reichsverweserwahl für Adam v. Itzstein oder Gagern stimmten. (Links Sensation.) Der einzige Ausweg für uns, ist einen sechsjährigen Statthalter, oder wenn Sie wollen Kaiser, zu ernennen. Dann ist kein Vorwand zu Feindseligkeiten für Oestreich. In diesen sechs Jahren kann der Kaiser seinen deutschen Sinn bewähren. Die Gährung im Vaterlande wird durch einen Erbkaiser nicht beruhigt werden. Stopfen Sie einen Spunt auf ein Faß gährenden Weines, und habe der Spunt die Form einer Kaiserkrone, die Gährung wird Ihnen Faß, Krone und Reich zersprengen. (Langer Beifall links und Gallerien.) Wollen Sie Preußen, um über mehr Bajonette zu verfügen? Alle Bajonette Deutschlands standen Ihnen zu Gebot und dennoch haben Sie Oestreich verloren und Dänemark nicht gebändigt. Sie, die mit Dänemark nicht fertig wurden, Sie wollen (durch ihr preußisches Erbkaiserthum) Krieg mit Oestreich, Rußland, Frankreich — Europa beginnen? Meine Herren, es sitzen ja so viel tüchtige Strategiker auf Ihrer Seite. (Gelächter.) Deutschland kann nicht Krieg führen mit Europa ohne seiner Völker Beistand — und den hat es in diesem Falle nicht! (Beifall.) Ist es schon einmal in der Welt da gewesen, über 38 Erbregenten noch einen Erbkaiser zu pflanzen? Doch Sie wollen es ermöglichen! Und dieser Möglichkeit gegenüber will Herr Wydenbrugk nicht einen Diktator für möglich halten. Ich stimme für einen 6jährigen Statthalter oder wenn Sie wollen Kaiser, als für die einzige Möglichkeit Unter dieser Bedingung würden wir Republikaner unser Prinzip verlassen und Preußen könnte auf sechs Jahre einstimmig gewählt werden. Dann könnte es doch wohl eher annehmen als mit Ihrer erbkaiserlichen Majorität von von vielleicht 10 Stimmen, herbeigeführt mit Hülfe des Telegraphen. (Gelächter und Beifall.) Und wenn es der König von Preußen ehrlich meint, wenn er ein wahrhaft deutscher Regent ist, dann wird er die sechsjährige Statthalterschaft annehmen. (Anhaltender Beifall links und Gallerien).

Neue Anträge gehen ein.

Einer von Schulz aus Darmstadt, der die grausamste Verhöhnung für Preußen enthält. Er lautet etwa:

„Wenn die Tagesordnung nicht angenommen würde, so soll die Vermessenheit, Preußen gegen den Willen des deutschen Volkes zum Erbkaiser zu machen, unter der Bedingung zugelassen werden, daß der König von Preußen Krieg mit Rußland sofort beginnt, und das Schwert nicht eher in die Scheide steckt, bis Ruhe, Friede und Freiheit im Vaterlande leben, bis Oestreich staatlich mit Deutschland innig vereint, bis Ungarn frei, bis Polen unabhängig, bis die Russen nicht mehr Alleinherrn des schwarzen Meeres.“

Dieser bittere Hohn bringt heftige Bewegung hervor. Gelächter und Beifall.

Werner von St. Pölten beantragt u. a.:

„Preußen wird unter der Bedingung an die Spitze gestellt, daß Preußen als solches aufhört.“

Waiz (einer aus dem Kaisertriumvirat) hält eine lange, rührende, unter tiefer Andacht angehörte Rede für die Anträge des Verfassungsausschusses und Friedrich Wilhelm den IV. (Beifall der Preußen, die Hrn. Waiz beim Herabsteigen von der Tribüne zärtlich umarmen.

Moritz Mohl: M. H.! der preußische Erbkaiser ist ein todtgeborenes Kind, (Beifall) und ich möchte gerne diesem Hause die Ehre dieses Wochenbettes ersparen. — Ich halte es nicht für großmüthig, den 3.Theil Deutschlands auszuschließen, in der Hoffnung, daß der Staat, dem er angehört, zerfallen wird. — Man habe mit Verachtung von den Baumwollballen, von den materiellen Vortheilen gesprochen, welche das Volk erleiden wird, wenn Oestreich verloren geht, man verrathe das deutsche Volk und füge zur Schmach noch den Hohn (Donnernder Beifall der Gallerien und links!) Oestreichs Völker haben auf Deutschlands Schlachtfeldern mitgeschlagen. Oestreich wird Ihnen einen glühenden Haß bewahren, wenn Sie es ausschließen und den Hohenzollern nachsetzen. Oestreich sei ein Volk von 38 Millionen, eine europäische Großmacht, werde sich nicht von Hohenzollern mediatisiren lassen. — Ich bin, sagt Mohl, auch gegen den Wahlkaiser, denn sollten Sie den Preußen auf 6 Jahr wählen, so müßten Oestreichs Abgeordnete austreten, und dann hätten hier die Preußen die große Majorität und würden in wenig Wochen den Erbkaiser machen. (Sehr richtig!) Man hat sich nicht vergegenwärtigt, daß die Annahme der Welker'schen Anträge hervorrufen wird einen Kampf zwischen Norden und Süden, zwischen Protestantismus und Katholicismus, zwischen einem Volksstamm und allen Uebrigen. (Bravo links und Gallerien.)

Reh aus Darmstadt (der Apostat), bringt in der Einleitung seiner Rede eine Entschuldigung für seine Ansicht, die in dieser Angelegenheit mit der seiner politischen Freunde und eines Theils seiner Wähler in Widerspruch steht — Im Verfolg spricht Herr Reh für den preußischen Erbkaiser.

Eisenmann: Oestreich sei allerdings für uns verloren, denn es mache uns Zumuthungen, die kein Volk, ohne sich aufzugeben, erfüllen könne, denn es wolle uns zusammenkoppeln mit Croaten, Sereschanern u. s. w. Sie, m. H., von rechts, rühmen sich, die Zustände, wie sie jetzt liegen, vorausgesehen zu haben; dann wird das Volk Sie zuerst zur Rechenschaft ziehen, daß Sie sie nicht geändert haben O hätten Sie nur für Deutschlands Wohl die Hälfte der Verwegenheit entwickelt, wie für den preußischen Erbkaiser. (Beifall.) Unter andern erzählt uns E, auf welche Weise das Reichsministerium die Stimmung für den Erbkaiser habe günstiger zu machen suchen, durch Lügen und Machinationen. Ein Zeitungsredakteur habe ihm erklärt, er könne wegen gewisser Machinationen von Bassermann und Konsorten seine Zeitung zu keinem Artikel gegen den Erbkaiser hergeben. — Sie haben die Fideikommisse aufgehoben und jetzt wollen Sie ganz Deutschland zu einem Fideikommiß der Familie Hohenzollern machen? — Wie es mit der Freiheit in Preußen jetzt steht, ist klar. Die Freiheit ist dort in Gefahr, der König ist von einer absolutistischen Kamarilla umgeben. Die Kammern sind konservativ. Das Ministerium absolutistisch. (Murren der Preußen. Im Ganzen verläuft die Debatte leidenschaftsloser, als ich dachte. Diesen Froschteich kann einmal nichts mehs lebendig machen.) Nur mit einem Wortbruch kann Hohenzollern den deutschen Thron betreten, denn er hat erklärt, dies nur mit Zustimmung aller Regierungen thun zu wollen, und dies wird nimmer geschehen. (Widerspruch der Preußen) Baiern's König z. B. wird nimmermehr einwilligen. (Gelächter.) Was werden Sie also mit ihrem papiernen Erbkaiser (langes Gelächter und Beifall) anders herbeiführen, als Bürgerkrieg und eine oktroyirte Verfassung à la östreichische, ohne Volkshaus. — So wie Welker mit Posaunentönen an's Volk appellirt zu Gunsten des deutschen Erbkaisers und in ihm die Rettung der Einheit und Freiheit sieht, so appellire auch ich an's Volk, indem ich es ausspreche, das Erbkaiserthum bringt Deutschland Absolutismus und Zerrissenheit. — (Beifall links und Tribünen.)

Beseler aus Schleswig (der Fundirte) für Preußens Erbkaiserthum.

Ahrens aus Salzgitter gegen den preußischen Erbkaiser und gegen die Theilung Deutschlands. Frankreich würde in diesem Akt nur eine Vergrößerung Preußens sehen. Sie werden überhaupt keinen europäischen Bundesgenossen haben bei Ausführung Ihres Planes. — Sie werden das Volk nicht als Rückhalt haben, und Sie werden Krieg mit Oestreich, Rußland und Frankreich haben. Kleindeutschland ohne Oestreich bietet nun ein für allemal weder Sicherheit noch Macht. — Schließlich erlaube ich mir die ganz einfache Frage, ob Sie denn glauben, daß der preußische König die Kaiserwürde annehmen könne? (Zuruf einiger begeisterter Preußen: Ja! Ja!) Folgen die Gründe, weshalb Preußen nicht annehmen kann. — Ahrens führt das Beispiel Belgiens an, als die Kammer mit 2 Stimmen Majorität beschlossen hatte, dem Herzog von Nemours die Krone Belgiens anzutragen. Louis Philipp wies dies entschieden zurück, aber er hatte seinen Zweck erreicht, die Welt staunte seine Uneigennützigkeit an. — Dasselbe Spiel scheint Preußen zu spielen! — (Beifall.)

Er nennt die Bildung Kleindeutschland's einen ebenso undeutschen als feigen Plan zur Bildung eines politischen Zollvereins. — Ahrens erklärt sich für Raveaux's Antrag, und um das Unglück seines Vaterlandes zu verhüten, gegen den preußischen Erbkaiser. (Großer Beifall.)

Bauer von Bamberg für den Preußen. Daß immer noch von der andern Partei die banale Phrase gebraucht würde: „man wolle Oestreich ausstoßen!“ sei eine Meinungsverhärtung, gegen die man mit Argumentationen nicht ankomme. Wer noch nicht an den ernstlichen bösen Willen Oestreich's glauben wolle, käme ihm vor wie einer, der einen Faustschlag in's Gesicht bekäme und noch fragen wolle, ob es Ernst wäre — Die materiellen Vortheile, die man nach Herrn Herrmann für Baiern durch die Verbindung mit Oestreich alle habe, seien großentheils nur scheinbar, und in Wahrheit der Speck, mit dem man die baierschen Mäuse fangen wolle

Nach diesem Redner beschloß man um 3 Uhr die Vertagung.

Joseph von Würth (Wien) zeigt seinen Austritt aus politischen Rücksichten. (Großer Beifall der Preußen.) Ebenso tritt Arneth aus Oestreich aus. (Links ruft man: Stellvertreter!)

Würth und Arneth, beide sind von Einfluß in der östreichischen Regierung. Ihr Austritt und die Schwächung ihrer Partei vor der Krise zeigt am besten, wie einig die Regierungen sind und daß dieser letzte Akt des Parlaments freventliche Komödie ist, gespielt mit dem Volk. — Das Parlament existirte nur durch die Uneinigkeit der Regierung über es (das Parlament), selbst. Die Regierungen sind darüber einig geworden — nämlich es auseinanderzujagen und zu be-oktroyiren

Nächste Sitzung Morgen.

082 Heidelberg, 19. März.

Also wieder der neunzehnte März! der Tag an welchem wir vor einem Jahre in hellen Haufen nach Offenburg zogen, um im romantischen Märztaumel zum ersten Male das imposante Schauspiel einer Volksversammlung zu genießen! Ich sage, das Schauspiel, denn die Wichtigkeit des Momentes war den Wenigsten klar; der Reiz der Neuheit berauschte uns, es ging uns im März v. J. wie einem Proletarier, der zum ersten Mal an eine reichbesetzte Tafel kommt und über dem Anschauen all der herrlichen Dinge das Essen vergißt. Struve präsidirte — derselbe Struve, welcher morgen zuerst vor den Assisen stehen wird; Fr. v. Hecker, Fickler und alle nur irgend bekannte Volksmänner des Landes waren anwesend, und unter den 10,000 Versammelten waren die Oberländer Bauern fast alle mit Flinten und Sensen bewaffnet erschienen.

Herr v. Soiron erzählte uns, daß die Begeisterung ihn hinrisse (was uns sehr komisch vorkam) und ließ uns schwören, für die Freiheit zu sterben (!!!); Minister Bekk entschuldigte sich in Plakaten, daß er kein Militär nach Offenburg geschickt habe, er erwarte die Sache werde ganz ruhig abgehen; und in Karlsruhe — standen die gepackten Reisewagen vor der Hinterthür! Welker, der tollgewordene alte Knabe, der 16,000 Gulden „begeisterte Reichspolterer,“ hatte sich, wie Bekk, entschuldigen lassen, schickte aber ein Manifest nach Offenburg, in welchem er uns im Interesse der deutschen Einheit vor der Proklamirung der Republik warnte (heute wird sein „vaterlandsgefährlicher“ Einheits-Antrag in Frankfurt diskutirt!). Und Hecker, — er sprach in demselben Sinne, wie Welker, nur etwas schöner; er bot die ganze Kraft und Fülle seiner Beredsamkeit auf, um uns zu beweisen, daß die Proklamirung der Republik — in Deutschland den Bürgerkrieg hervorrufen würde! Mit dieser Hecker'schen Rede war der einzige günstige Moment zu einer süddeutschen Revolution verdorben; die revolutionären Oberländer Bauern gingen verstimmt und mißmuthig fort, sie waren halb an sich selbst, halb an Hecker irre geworden — und es war dies nicht der geringste Grund zu dem Mißlingen des späteren, im ungünstigsten Zeitpunkte unternommenen Aufstandes. — Wir aber stießen noch im Wirthshause mit unserm dicken Freunde Sancho-Soiron auf die deutsche Republik an, gingen dann nach Hause und freuten uns über die schöne Volksversammlung. —

Eine (von Hecker entworfene) revolutionäre Vereinsorganisation für Baden war ebenfalls auf dieser Versammlung beschlossen worden, wie aber nannte Hecker diese Vereine? „Vaterländische Vereine“ nannte er sie! Und welch' eine scharfe Ironie der Geschichte, welch eine Ohrfeige für Hecker und sämmtliche Märznationalen ist es, daß jetzt der Name „vaterländische Vereine“ das Aushängeschild für unsre Bourgeois-Bureaukraten-Erzheulervereine, für die „Vertraulichkeits“-Vereine des Ministers Bekk ist! Er war gar zu deutsch-national, der deutsche 1848er Märzwein, fast so arg, als der Frankfurter Märzverein! (Herr Raveaux hat sich bekanntlich noch neulich über das Singen der Marseillaise entsetzt.) Lamartine in Frankreich, und unsere Nationalsimpel in Deutschland — das paßte so gut zusammen, das ließ so schön in jedem Lande und Ländchen der Reaktion Zeit und Macht, die eben aufgetauchte Bewegung wieder zu ersticken! Wir haben uns so recht „von innen heraus“ entwickelt; wir haben uns nicht „die Freiheit von außen bringen lassen“, und haben dadurch die Knechtschaft von innen erlangt!

Man sieht aber, das Volksbewußtsein ist fortgeschritten; heutzutage ist schon vaterländisch=reaktionär. Unsere politischen Nationalisten vom Schlage des Märzvereins werden freilich sagen: Diese Menschen mißbrauchen den heiligen Namen des Vaterlandes — gerade wie ihre religiösen Gesinnungsgenossen früher zu den Pfaffen sagten: Ihr mißbraucht das heilige Wort Glauben! Aber wie man hier allmählig so gescheut wurde, mit den Pfaffen auch den Glauben wegzunehmen, so wird allmählig auch die Einsicht allgemein werden, daß in Zeiten der Bewegung, der Revolution, die „vaterländischen Interessen“ nichts als ein Popanz der Reaktion sind, um die Ausbreitung der Revolution, die revolutionäre Propaganda zu unterdrücken, und die Revolution dem hektischen Fieber der „inneren Entwicklung“ zu überliefern. — Noch wollen die Leute das nationale Element „poetischer“ finden. Nun, die Geschmäcke sind verschieden; mir wenigstens kommt ein propagandistischer Krieg der Revolution, eine Allianz aller Demokraten poetischer vor, als das deutsch-philiströse: „Jeder fege vor seiner Thür“.

Ungarn.
*
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Großbritannien.
068 London, 19. März.

Am vorigen Samstag gab man dem zum Oberbefehlshaber der indischen Armeen ernannten General Sir Charles Napier ein großes Diner, an welchem viele der Celebritäten des Gouvernemens, des Parlamentes und der englischen Gesellschaft Theil nahmen. Sir Charles dankte für einen ihm ausgebrachten Toast und bemerkte, daß er deswegen mit Vertrauen seiner neuen Stellung entgegen gehe, weil ihn der erste Soldat der Welt, der Herzog von Wellington, dazu empfohlen habe. Der alte Herzog erwiederte darauf, daß er allerdings von seinem tapfern Freunde die glänzendsten Erfolge erwarte, daß er indeß die jetzigen Zustände Indiens nicht als solche ansehe, welche mit besonderem Mißtrauen und mit einiger Angst zu betrachten seien. Die letzten Feldzüge hätten zwar große Verluste mit sich gebracht, sie seien aber durch die großen Unternehmungen, welche man gewagt habe, gerechtfertigt und jedenfalls sei der Zweck des Feldzuges, die Einnahme der wichtigsten Festung des Feindes, durchgesetzt worden.

Lord John Russell entschuldigte sich wegen seines Nichterscheinens bei dem Bankett in einem Schreiben an den Vorsitzenden, indem er seine Zufriedenheit mit der Ernennung Sir Charles Napier's aussprach, und den Direktoren der indischen Kompagnie wegen der Geschicklichkeit, mit der sie die großen, ihrer Sorge überlassenen Territorien verwalteten, seine ungetheilte Achtung zu erkennen gab. Aehnliche Toaste wurden von Sir G. Grey, Sir J. Hobhouse u. s. w. ausgebracht.

Von den Scenen der scheußlichsten Armuth, welche sich in England stets wiederholen, hatte man dieser Tage wieder ein Beispiel bei dem Abbruch eines alten Hauses, in dessen Zimmern man die Leiche einer Frau, umringt von drei Kindern, ohne Kleider, ohne Betten und ohne Möbeln auf dem nackten Boden antraf. Die Frau schien vor Hunger umgekommen zu sein, und die Kinder waren bereits in einem solchen Zustande, daß sie nicht mehr sprechen konnten. Die ganze Familie schien sich, obdachlos, in das leer stehende Haus geflüchtet zu haben, um elend darin unterzugehen.

An der Börse erregte die Ungewißheit in Betreff des Ausgangs der Schleswig-Holstein'schen Angelegenheiten und die Nachricht der bevorstehenden Feindseligkeiten in Italien, ziemliche Besorgniß und das Geschäft blieb daher von gemäßigtem Umfange. Konsols 90 5/8 u. 3/4.

Französische Republik.
17 Paris, 19. März.

Heute Abend findet ein social-demokratisches deutsches Bankett zum Gedächtniß der Berliner Revolution statt.

Die demokratische Propoganda geht rüstig vorwärts; Proudhon's „Peuple“ ist unstreitig am mächtigsten in diesem Augenblicke und es wird täglich in 80 Exemplaren gratis in die Kasernen getragen. Das Militär demokratisirt sich trotz Denunciation und Disciplinarstrafen. Ein aus Bourges zurückgekehrter Stenograph versichert, die dortige Garnison, angeblich eine „ganz erprobte“, sei durch und durch vom Gifte des Prozesses angefressen, so daß die Offiziere ohne Hehl in den Kaffeehäusern die demokratisch-sociale Republik hochleben lassen. Changarnier und Rulhières wollen sie in einen andern Ort verlegen; so weit ist es bereits gekommen, daß alles Umziehen und Ausziehen der Garnisonen den Schaden nur verschlimmern kann. — Man spricht wieder lebhaft von einem Staatsstreich auf den 25. März nach dem Zuschnitt des 29. Januar; das Ministerium schmeichelt sich diesmal sicher der rothen Partei den Hals umzudrehen.

12 Paris, 18. März.

Nun lache Einer noch über Napoleon und sein Ministerium. Barrot, Fallour und Faucher waren müde täglich zum Gespötte zu dienen; sie wollten zeigen, daß sie auch Staatsstreiche ausführen zu lassen im Stande sind. Sie haben dem blödsinnigen Napoleon die Hand geführt zur Unterschreibung zweier politischer Todesurtheile. Von heute an ist es nicht mehr erlaubt, Napoleon von der lächerlichen Seite aufzufassen; er hat das Lächerliche mit dem Blute abgestreift. Nach der Junischlacht gab es Sieger und Besiegte. Die Besiegten wurden vor ein Kriegsgericht gestellt. Das Kriegsgericht erkannte für mehrere Angeklagten, welche in die Brea'sche Geschichte verwickelt waren, die Todesstrafe. Nun hat aber die Februar-Revolution die Todesstrafe für politische Verbrechen abgeschafft. Daß aber der Prozeß der Juni-Insurgenten ein politischer Prozeß war, ist ausdrücklich von Cavaignac zur Rechtfertigung der Einsetzung der Kriegsgerichte hervorgehoben worden. Was thut Barrot? Er läßt den Napoleon sagen, daß die vom Kriegsgerichte zum Tode verurtheilten Lahr und Daix keine politische Verbrecher seien, läßt Napoleon die Strafe bestätigen und läßt sie kraft Napoleons Unterschrift hinrichten. Als Napoleon, des abentheuerlichen Lebens in den engl. Gasthöfen müde, den Louis Philipp um die stillen Vergnügen in den Tuilerien beneidend, herüber nach der französischen Küste kam, und den ersten besten Douanier über den Haufen schoß, da war er vollkommen in seinem Rechte, da handelte er sehr verständig — er war damals ein Juni-Insurgent im königlich-kaiserlichen Sinne, und insurgirte sich gegen alle die Douaniers und Minister und Valets Louis Philipp's. So weit hatte es Barrot noch nicht gebracht: der schurkigen Themis fehlte die Blutweihe; es fehlte ihr das Buzançais von Guizot, und sie bediente sich des blödsinnig gewordenen Napoleons, um diese Blutweihe festlich zu begehen. 5 Regimenter waren zum Feste eingeladen; alle die alten Minister und Pairs, für welche das Volk die Todesstrafe abgeschafft, kamen mit ihren geschenkten Köpfen auf den Schultern zu der Guillotine, und freuten sich ihres Lebens und ihrer Renten und Aktien!

Auf Louis Philipp ist wenigstens 10 Mal geschossen worden; Louis Philipps Kopf war eine würdige Zielscheibe; aber Louis Philipp war ein schlauer Kopf, einer von den Köpfen, die man nicht so leicht treffen kann. Und wirklich schreiben es die Leute dem Glücke zu, daß er 10 Mal dem Tode glücklich entwichen ist. Aber wie kann Napoleon hoffen, ein gleiches Glück zu haben? Dem Napoleon ein Haar auf dem Kopf zu krümmen, wäre keinem Proletarier eingefallen; alle die Vorsichtsmaßregeln, mit welchen der Polizeipräfekt ihn bei seinem Ausgehn umgab, waren völlig überflüssig. Napoleons Feinde waren in seinem Pallaste, unter seinen Ministern; Legitimisten und Jesuiten, wie Falloux, sind zu Allem fähig. Wie diese Leute aus dem damals verwegenen Ochsen ein scheues, blödsinniges Kalb gemacht haben, das seine Freunde eine Viertelstunde anstiert, ehe es sie wiedererkennt, das liegt im Schooße der ewigen Götter. Aber jetzt, wo sie dieses Kalb ein politisches Todesurtheil unterzeichnen ließen, der Konstitution und der französischen Großmuth zu Trotz, haben sie offenbar Napoleon dem öffentlichen Haß Preis gegeben.

Napoleon und Barrot haben das Lächerliche abgestreift; von heute an gehören sie der ernsten Geschichte an. Der olympische Barrot hat gezeigt, daß er „grausam“ sein kann. Es wird ihm nicht vergessen werden.

Paris, 19. März.

Der Moniteur zeigt sich sehr aufgebracht gegen die Reforme, weil sie gestern behauptet hatte, daß die beiden Brea-Verurtheilten gegen den ausdrücklichen Willen des Staatsrathes hingerichtet worden seien und die Härte dieser Urtheilsvollstreckung — als Wiedererrichtung des politischen Schaffots wichtig — lediglich den Präsidenten der Republik treffe u. s. w. Der Moniteur erklärt diese Behauptung als falsch und nennt sie eine der schändlichsten Allegationen, die jeder Parteigeist erfunden.

Man weiß übrigens, was man von diesen amtlichen Dementis zu halten habe. Wahr ist, daß Cormenin im Namen der Minorität des Staatsrathes gegen die Hinrichtung energisch protestirte

Hierzu eine Beilage.

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der einst von dieser selben Stelle mit Hohngelächter zurückgewiesen wurde. (Widerspruch rechts. Links und Gallerien: Bravo!) Was ist denn geschehen, was die Meinungen dieses Hauses so gewaltig ändern konnte? Nur die Angst könnte uns zu diesem Beschluß führen. Was giebt uns denn Preußen für Garantien? Der Belagerungszustand ist mir eine schlechte Garantie. Ebenso das Ministerium Manteuffel. Und die Kammern? Die erste hat sich diesmal des Beispiels würdig, die zweite dagegen völlig unpatriotisch gezeigt Sie hat einen Antrag auf Anerkennung unserer Grundrechte fast einstimmig zurückgewiesen. Wenn das die Berliner Linke thut, was soll die Rechte thun? Preußen hat (wie Hr. v. Griesheim eingestand) jenen schmählichen Waffenstillstand geschlossen, um seine Truppen zu strategischen Zwecken in Berlin zu verwenden. Dies der deutsche Patriotismus Preußens. Wir werden hier morgen Stimmen für Friedrich Wilhelm den Erbkaiser hören, die bei der Reichsverweserwahl für Adam v. Itzstein oder Gagern stimmten. (Links Sensation.) Der einzige Ausweg für uns, ist einen sechsjährigen Statthalter, oder wenn Sie wollen Kaiser, zu ernennen. Dann ist kein Vorwand zu Feindseligkeiten für Oestreich. In diesen sechs Jahren kann der Kaiser seinen deutschen Sinn bewähren. Die Gährung im Vaterlande wird durch einen Erbkaiser nicht beruhigt werden. Stopfen Sie einen Spunt auf ein Faß gährenden Weines, und habe der Spunt die Form einer Kaiserkrone, die Gährung wird Ihnen Faß, Krone und Reich zersprengen. (Langer Beifall links und Gallerien.) Wollen Sie Preußen, um über mehr Bajonette zu verfügen? Alle Bajonette Deutschlands standen Ihnen zu Gebot und dennoch haben Sie Oestreich verloren und Dänemark nicht gebändigt. Sie, die mit Dänemark nicht fertig wurden, Sie wollen (durch ihr preußisches Erbkaiserthum) Krieg mit Oestreich, Rußland, Frankreich &#x2014; Europa beginnen? Meine Herren, es sitzen ja so viel tüchtige Strategiker auf Ihrer Seite. (Gelächter.) Deutschland kann nicht Krieg führen mit Europa ohne seiner Völker Beistand &#x2014; und den hat es in diesem Falle <hi rendition="#g">nicht!</hi> (Beifall.) Ist es schon einmal in der Welt da gewesen, über 38 Erbregenten noch einen Erbkaiser zu pflanzen? Doch Sie wollen es ermöglichen! Und dieser Möglichkeit gegenüber will Herr Wydenbrugk nicht einen Diktator für möglich halten. Ich stimme für einen 6jährigen Statthalter oder wenn Sie wollen Kaiser, als für die einzige Möglichkeit Unter dieser Bedingung würden wir Republikaner unser Prinzip verlassen und Preußen könnte auf sechs Jahre einstimmig gewählt werden. Dann könnte es doch wohl eher annehmen als mit Ihrer erbkaiserlichen Majorität von von vielleicht 10 Stimmen, herbeigeführt mit Hülfe des Telegraphen. (Gelächter und Beifall.) Und wenn es der König von Preußen ehrlich meint, wenn er ein wahrhaft deutscher Regent ist, dann wird er die sechsjährige Statthalterschaft annehmen. (Anhaltender Beifall links und Gallerien).</p>
          <p>Neue Anträge gehen ein.</p>
          <p>Einer von <hi rendition="#g">Schulz</hi> aus Darmstadt, der die grausamste Verhöhnung für Preußen enthält. Er lautet etwa:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Wenn die Tagesordnung nicht angenommen würde, so soll die Vermessenheit, Preußen gegen den Willen des deutschen Volkes zum Erbkaiser zu machen, unter der Bedingung zugelassen werden, daß der König von Preußen Krieg mit Rußland sofort beginnt, und das Schwert nicht eher in die Scheide steckt, bis Ruhe, Friede und Freiheit im Vaterlande leben, bis Oestreich staatlich mit Deutschland innig vereint, bis Ungarn frei, bis Polen unabhängig, bis die Russen nicht mehr Alleinherrn des schwarzen Meeres.&#x201C;</p>
          <p>Dieser bittere Hohn bringt heftige Bewegung hervor. Gelächter und Beifall.</p>
          <p><hi rendition="#g">Werner</hi> von St. Pölten beantragt u. a.:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Preußen wird unter der Bedingung an die Spitze gestellt, daß Preußen als solches aufhört.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Waiz</hi> (einer aus dem Kaisertriumvirat) hält eine lange, rührende, unter tiefer Andacht angehörte Rede für die Anträge des Verfassungsausschusses und Friedrich Wilhelm den IV. (Beifall der Preußen, die Hrn. Waiz beim Herabsteigen von der Tribüne zärtlich umarmen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Moritz Mohl</hi>: M. H.! der preußische Erbkaiser ist ein todtgeborenes Kind, (Beifall) und ich möchte gerne diesem Hause die Ehre dieses Wochenbettes ersparen. &#x2014; Ich halte es nicht für großmüthig, den 3.Theil Deutschlands auszuschließen, in der Hoffnung, daß der Staat, dem er angehört, zerfallen wird. &#x2014; Man habe mit Verachtung von den Baumwollballen, von den materiellen Vortheilen gesprochen, welche das Volk erleiden wird, wenn Oestreich verloren geht, man verrathe das deutsche Volk und füge zur Schmach noch den Hohn (Donnernder Beifall der Gallerien und links!) Oestreichs Völker haben auf Deutschlands Schlachtfeldern mitgeschlagen. Oestreich wird Ihnen einen glühenden Haß bewahren, wenn Sie es ausschließen und den Hohenzollern nachsetzen. Oestreich sei ein Volk von 38 Millionen, eine europäische Großmacht, werde sich nicht von Hohenzollern mediatisiren lassen. &#x2014; Ich bin, sagt Mohl, auch gegen den Wahlkaiser, denn sollten Sie den Preußen auf 6 Jahr wählen, so müßten Oestreichs Abgeordnete austreten, und dann hätten hier die Preußen die große Majorität und würden in wenig Wochen den Erbkaiser machen. (Sehr richtig!) Man hat sich nicht vergegenwärtigt, daß die Annahme der Welker'schen Anträge hervorrufen wird einen Kampf zwischen Norden und Süden, zwischen Protestantismus und Katholicismus, zwischen einem Volksstamm und allen Uebrigen. (Bravo links und Gallerien.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Reh</hi> aus Darmstadt (der Apostat), bringt in der Einleitung seiner Rede eine Entschuldigung für seine Ansicht, die in dieser Angelegenheit mit der seiner politischen Freunde und eines Theils seiner Wähler in Widerspruch steht &#x2014; Im Verfolg spricht Herr Reh für den preußischen Erbkaiser.</p>
          <p><hi rendition="#g">Eisenmann</hi>: Oestreich sei allerdings für uns verloren, denn es mache uns Zumuthungen, die kein Volk, ohne sich aufzugeben, erfüllen könne, denn es wolle uns zusammenkoppeln mit Croaten, Sereschanern u. s. w. Sie, m. H., von rechts, rühmen sich, die Zustände, wie sie jetzt liegen, vorausgesehen zu haben; dann wird das Volk Sie zuerst zur Rechenschaft ziehen, daß Sie sie nicht geändert haben O hätten Sie nur für Deutschlands Wohl die Hälfte der Verwegenheit entwickelt, wie für den preußischen Erbkaiser. (Beifall.) Unter andern erzählt uns E, auf welche Weise das Reichsministerium die Stimmung für den Erbkaiser habe günstiger zu machen suchen, durch Lügen und Machinationen. Ein Zeitungsredakteur habe ihm erklärt, er könne wegen gewisser Machinationen von Bassermann und Konsorten seine Zeitung zu keinem Artikel gegen den Erbkaiser hergeben. &#x2014; Sie haben die Fideikommisse aufgehoben und jetzt wollen Sie ganz Deutschland zu einem Fideikommiß der Familie Hohenzollern machen? &#x2014; Wie es mit der Freiheit in Preußen jetzt steht, ist klar. Die Freiheit ist dort in Gefahr, der König ist von einer absolutistischen Kamarilla umgeben. Die Kammern sind konservativ. Das Ministerium absolutistisch. (Murren der Preußen. Im Ganzen verläuft die Debatte leidenschaftsloser, als ich dachte. Diesen Froschteich kann einmal nichts mehs lebendig machen.) Nur mit einem <hi rendition="#g">Wortbruch</hi> kann Hohenzollern den deutschen Thron betreten, denn er hat erklärt, dies nur mit Zustimmung aller Regierungen thun zu wollen, und dies wird nimmer geschehen. (Widerspruch der Preußen) Baiern's König z. B. wird nimmermehr einwilligen. (Gelächter.) Was werden Sie also mit ihrem papiernen Erbkaiser (langes Gelächter und Beifall) anders herbeiführen, als Bürgerkrieg und eine oktroyirte Verfassung à la östreichische, ohne Volkshaus. &#x2014; So wie Welker mit Posaunentönen an's Volk appellirt zu Gunsten des deutschen Erbkaisers und in ihm die Rettung der Einheit und Freiheit sieht, so appellire auch ich an's Volk, indem ich es ausspreche, das Erbkaiserthum bringt Deutschland Absolutismus und Zerrissenheit. &#x2014; (Beifall links und Tribünen.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Beseler</hi> aus Schleswig (der Fundirte) für Preußens Erbkaiserthum.</p>
          <p><hi rendition="#g">Ahrens</hi> aus Salzgitter gegen den preußischen Erbkaiser und gegen die Theilung Deutschlands. Frankreich würde in diesem Akt nur eine Vergrößerung Preußens sehen. Sie werden überhaupt keinen europäischen Bundesgenossen haben bei Ausführung Ihres Planes. &#x2014; Sie werden das Volk nicht als Rückhalt haben, und Sie werden Krieg mit Oestreich, Rußland und Frankreich haben. Kleindeutschland ohne Oestreich bietet nun ein für allemal weder Sicherheit noch Macht. &#x2014; Schließlich erlaube ich mir die ganz einfache Frage, ob Sie denn glauben, daß der preußische König die Kaiserwürde annehmen könne? (Zuruf einiger begeisterter Preußen: Ja! Ja!) Folgen die Gründe, weshalb Preußen nicht annehmen kann. &#x2014; Ahrens führt das Beispiel Belgiens an, als die Kammer mit 2 Stimmen Majorität beschlossen hatte, dem Herzog von Nemours die Krone Belgiens anzutragen. Louis Philipp wies dies entschieden zurück, aber er hatte seinen Zweck erreicht, die Welt staunte seine Uneigennützigkeit an. &#x2014; Dasselbe Spiel scheint Preußen zu spielen! &#x2014; (Beifall.)</p>
          <p>Er nennt die Bildung Kleindeutschland's einen ebenso undeutschen als feigen Plan zur Bildung eines politischen Zollvereins. &#x2014; Ahrens erklärt sich für Raveaux's Antrag, und um das Unglück seines Vaterlandes zu verhüten, gegen den preußischen Erbkaiser. (Großer Beifall.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Bauer</hi> von Bamberg für den Preußen. Daß immer noch von der andern Partei die banale Phrase gebraucht würde: &#x201E;man wolle Oestreich ausstoßen!&#x201C; sei eine Meinungsverhärtung, gegen die man mit Argumentationen nicht ankomme. Wer noch nicht an den ernstlichen bösen Willen Oestreich's glauben wolle, käme ihm vor wie einer, der einen Faustschlag in's Gesicht bekäme und noch fragen wolle, ob es Ernst wäre &#x2014; Die materiellen Vortheile, die man nach Herrn Herrmann für Baiern durch die Verbindung mit Oestreich alle habe, seien großentheils nur scheinbar, und in Wahrheit der Speck, mit dem man die baierschen Mäuse fangen wolle</p>
          <p>Nach diesem Redner beschloß man um 3 Uhr die Vertagung.</p>
          <p>Joseph von Würth (Wien) zeigt seinen Austritt aus politischen Rücksichten. (Großer Beifall der Preußen.) Ebenso tritt Arneth aus Oestreich aus. (Links ruft man: Stellvertreter!)</p>
          <p>Würth und Arneth, beide sind von Einfluß in der östreichischen Regierung. Ihr Austritt und die Schwächung ihrer Partei vor der Krise zeigt am besten, wie einig die Regierungen sind und daß dieser letzte Akt des Parlaments freventliche Komödie ist, gespielt mit dem Volk. &#x2014; Das Parlament existirte nur durch die Uneinigkeit der Regierung über es (das Parlament), selbst. Die Regierungen sind darüber einig geworden &#x2014; nämlich es auseinanderzujagen und zu be-oktroyiren</p>
          <p>Nächste Sitzung Morgen.</p>
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          <head><bibl><author>082</author></bibl> Heidelberg, 19. März.</head>
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          <p>Herr v. Soiron erzählte uns, daß die Begeisterung ihn hinrisse (was uns sehr komisch vorkam) und ließ uns schwören, für die Freiheit zu sterben (!!!); Minister Bekk entschuldigte sich in Plakaten, daß er kein Militär nach Offenburg geschickt habe, er erwarte die Sache werde ganz ruhig abgehen; und in Karlsruhe &#x2014; standen die gepackten Reisewagen vor der Hinterthür! Welker, der tollgewordene alte Knabe, der 16,000 Gulden &#x201E;begeisterte Reichspolterer,&#x201C; hatte sich, wie Bekk, entschuldigen lassen, schickte aber ein Manifest nach Offenburg, in welchem er uns im Interesse der deutschen Einheit vor der Proklamirung der Republik warnte (heute wird sein &#x201E;vaterlandsgefährlicher&#x201C; <hi rendition="#g">Einheits</hi>-Antrag in Frankfurt diskutirt!). Und Hecker, &#x2014; er sprach in demselben Sinne, wie Welker, nur etwas schöner; er bot die ganze Kraft und Fülle seiner Beredsamkeit auf, um uns zu beweisen, daß die Proklamirung der Republik &#x2014; in Deutschland den Bürgerkrieg hervorrufen würde! Mit dieser Hecker'schen Rede war der einzige günstige Moment zu einer süddeutschen Revolution verdorben; die revolutionären Oberländer Bauern gingen verstimmt und mißmuthig fort, sie waren halb an sich selbst, halb an Hecker irre geworden &#x2014; und es war dies nicht der geringste Grund zu dem Mißlingen des späteren, im ungünstigsten Zeitpunkte unternommenen Aufstandes. &#x2014; Wir aber stießen noch im Wirthshause mit unserm dicken Freunde Sancho-Soiron auf die deutsche Republik an, gingen dann nach Hause und freuten uns über die schöne Volksversammlung. &#x2014;</p>
          <p>Eine (von Hecker entworfene) revolutionäre Vereinsorganisation für Baden war ebenfalls auf dieser Versammlung beschlossen worden, wie aber nannte Hecker diese Vereine? &#x201E;Vaterländische Vereine&#x201C; nannte er sie! Und welch' eine scharfe Ironie der Geschichte, welch eine Ohrfeige für Hecker und sämmtliche Märznationalen ist es, daß jetzt der Name &#x201E;vaterländische Vereine&#x201C; das Aushängeschild für unsre Bourgeois-Bureaukraten-Erzheulervereine, für die &#x201E;Vertraulichkeits&#x201C;-Vereine des Ministers Bekk ist! Er war gar zu deutsch-national, der deutsche 1848er Märzwein, fast so arg, als der Frankfurter Märzverein! (Herr Raveaux hat sich bekanntlich noch neulich über das Singen der Marseillaise <hi rendition="#g">entsetzt</hi>.) Lamartine in Frankreich, und unsere Nationalsimpel in Deutschland &#x2014; das paßte so gut zusammen, das ließ so schön in jedem Lande und Ländchen der Reaktion Zeit und Macht, die eben aufgetauchte Bewegung wieder zu ersticken! Wir haben uns so recht &#x201E;von innen heraus&#x201C; entwickelt; wir haben uns nicht &#x201E;die Freiheit von außen bringen lassen&#x201C;, und haben dadurch die Knechtschaft von innen erlangt!</p>
          <p>Man sieht aber, das Volksbewußtsein ist fortgeschritten; heutzutage ist schon vaterländisch=reaktionär. Unsere politischen Nationalisten vom Schlage des Märzvereins werden freilich sagen: Diese Menschen mißbrauchen den heiligen Namen des Vaterlandes &#x2014; gerade wie ihre religiösen Gesinnungsgenossen früher zu den Pfaffen sagten: Ihr mißbraucht das heilige Wort <hi rendition="#g">Glauben</hi>! Aber wie man hier allmählig so gescheut wurde, mit den Pfaffen auch den Glauben wegzunehmen, so wird allmählig auch <hi rendition="#g">die</hi> Einsicht allgemein werden, daß in Zeiten der Bewegung, der Revolution, die &#x201E;vaterländischen Interessen&#x201C; nichts als ein Popanz der Reaktion sind, um die Ausbreitung der Revolution, die revolutionäre Propaganda zu unterdrücken, und die Revolution dem hektischen Fieber der &#x201E;inneren Entwicklung&#x201C; zu überliefern. &#x2014; Noch wollen die Leute das nationale Element &#x201E;poetischer&#x201C; finden. Nun, die Geschmäcke sind verschieden; mir wenigstens kommt ein propagandistischer Krieg der Revolution, eine Allianz aller Demokraten poetischer vor, als das deutsch-philiströse: &#x201E;Jeder fege vor seiner Thür&#x201C;.</p>
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          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Vom Kriegsschauplatz, vorgesehen für: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi>, I/9.         </bibl>                </note>
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          <p>Am vorigen Samstag gab man dem zum Oberbefehlshaber der indischen Armeen ernannten General Sir Charles Napier ein großes Diner, an welchem viele der Celebritäten des Gouvernemens, des Parlamentes und der englischen Gesellschaft Theil nahmen. Sir Charles dankte für einen ihm ausgebrachten Toast und bemerkte, daß er deswegen mit Vertrauen seiner neuen Stellung entgegen gehe, weil ihn der erste Soldat der Welt, der Herzog von Wellington, dazu empfohlen habe. Der alte Herzog erwiederte darauf, daß er allerdings von seinem tapfern Freunde die glänzendsten Erfolge erwarte, daß er indeß die jetzigen Zustände Indiens nicht als solche ansehe, welche mit besonderem Mißtrauen und mit einiger Angst zu betrachten seien. Die letzten Feldzüge hätten zwar große Verluste mit sich gebracht, sie seien aber durch die großen Unternehmungen, welche man gewagt habe, gerechtfertigt und jedenfalls sei der Zweck des Feldzuges, die Einnahme der wichtigsten Festung des Feindes, durchgesetzt worden.</p>
          <p>Lord John Russell entschuldigte sich wegen seines Nichterscheinens bei dem Bankett in einem Schreiben an den Vorsitzenden, indem er seine Zufriedenheit mit der Ernennung Sir Charles Napier's aussprach, und den Direktoren der indischen Kompagnie wegen der Geschicklichkeit, mit der sie die großen, ihrer Sorge überlassenen Territorien verwalteten, seine ungetheilte Achtung zu erkennen gab. Aehnliche Toaste wurden von Sir G. Grey, Sir J. Hobhouse u. s. w. ausgebracht.</p>
          <p>Von den Scenen der scheußlichsten Armuth, welche sich in England stets wiederholen, hatte man dieser Tage wieder ein Beispiel bei dem Abbruch eines alten Hauses, in dessen Zimmern man die Leiche einer Frau, umringt von drei Kindern, ohne Kleider, ohne Betten und ohne Möbeln auf dem nackten Boden antraf. Die Frau schien vor Hunger umgekommen zu sein, und die Kinder waren bereits in einem solchen Zustande, daß sie nicht mehr sprechen konnten. Die ganze Familie schien sich, obdachlos, in das leer stehende Haus geflüchtet zu haben, um elend darin unterzugehen.</p>
          <p>An der Börse erregte die Ungewißheit in Betreff des Ausgangs der Schleswig-Holstein'schen Angelegenheiten und die Nachricht der bevorstehenden Feindseligkeiten in Italien, ziemliche Besorgniß und das Geschäft blieb daher von gemäßigtem Umfange. Konsols 90 5/8 u. 3/4.</p>
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        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar252_022" type="jArticle">
          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 19. März.</head>
          <p>Heute Abend findet ein social-demokratisches deutsches Bankett zum Gedächtniß der Berliner Revolution statt.</p>
          <p>Die demokratische Propoganda geht rüstig vorwärts; Proudhon's &#x201E;Peuple&#x201C; ist unstreitig am mächtigsten in diesem Augenblicke und es wird täglich in 80 Exemplaren gratis in die Kasernen getragen. Das Militär demokratisirt sich trotz Denunciation und Disciplinarstrafen. Ein aus Bourges zurückgekehrter Stenograph versichert, die dortige Garnison, angeblich eine &#x201E;ganz erprobte&#x201C;, sei durch und durch vom Gifte des Prozesses angefressen, so daß die Offiziere ohne Hehl in den Kaffeehäusern die demokratisch-sociale Republik hochleben lassen. Changarnier und Rulhières wollen sie in einen andern Ort verlegen; so weit ist es bereits gekommen, daß alles Umziehen und Ausziehen der Garnisonen den Schaden nur verschlimmern kann. &#x2014; Man spricht wieder lebhaft von einem Staatsstreich auf den 25. März nach dem Zuschnitt des 29. Januar; das Ministerium schmeichelt sich diesmal sicher der rothen Partei den Hals umzudrehen.</p>
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          <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 18. März.</head>
          <p>Nun lache Einer noch über Napoleon und sein Ministerium. Barrot, Fallour und Faucher waren müde täglich zum Gespötte zu dienen; sie wollten zeigen, daß sie auch Staatsstreiche ausführen zu lassen im Stande sind. Sie haben dem blödsinnigen Napoleon die Hand geführt zur Unterschreibung zweier politischer Todesurtheile. Von heute an ist es nicht mehr erlaubt, Napoleon von der lächerlichen Seite aufzufassen; er hat das Lächerliche mit dem Blute abgestreift. Nach der Junischlacht gab es Sieger und Besiegte. Die Besiegten wurden vor ein Kriegsgericht gestellt. Das Kriegsgericht erkannte für mehrere Angeklagten, welche in die Brea'sche Geschichte verwickelt waren, die Todesstrafe. Nun hat aber die Februar-Revolution die Todesstrafe für politische Verbrechen abgeschafft. Daß aber der Prozeß der Juni-Insurgenten ein politischer Prozeß war, ist ausdrücklich von Cavaignac zur Rechtfertigung der Einsetzung der Kriegsgerichte hervorgehoben worden. Was thut Barrot? Er läßt den Napoleon sagen, daß die vom Kriegsgerichte zum Tode verurtheilten Lahr und Daix keine politische Verbrecher seien, läßt Napoleon die Strafe bestätigen und läßt sie kraft Napoleons Unterschrift hinrichten. Als Napoleon, des abentheuerlichen Lebens in den engl. Gasthöfen müde, den Louis Philipp um die stillen Vergnügen in den Tuilerien beneidend, herüber nach der französischen Küste kam, und den ersten besten Douanier über den Haufen schoß, da war er vollkommen in seinem Rechte, da handelte er sehr verständig &#x2014; er war damals ein Juni-Insurgent im königlich-kaiserlichen Sinne, und insurgirte sich gegen alle die Douaniers und Minister und Valets Louis Philipp's. So weit hatte es Barrot noch nicht gebracht: der schurkigen <hi rendition="#g">Themis</hi> fehlte die Blutweihe; es fehlte ihr das Buzançais von Guizot, und sie bediente sich des blödsinnig gewordenen Napoleons, um diese Blutweihe festlich zu begehen. 5 Regimenter waren zum Feste eingeladen; alle die alten Minister und Pairs, für welche das Volk die Todesstrafe abgeschafft, kamen mit ihren geschenkten Köpfen auf den Schultern zu der Guillotine, und freuten sich ihres Lebens und ihrer Renten und Aktien!</p>
          <p>Auf Louis Philipp ist wenigstens 10 Mal geschossen worden; Louis Philipps Kopf war eine würdige Zielscheibe; aber Louis Philipp war ein schlauer Kopf, einer von den Köpfen, die man nicht so leicht treffen kann. Und wirklich schreiben es die Leute dem Glücke zu, daß er 10 Mal dem Tode glücklich entwichen ist. Aber wie kann Napoleon hoffen, ein gleiches Glück zu haben? Dem Napoleon ein Haar auf dem Kopf zu krümmen, wäre keinem Proletarier eingefallen; alle die Vorsichtsmaßregeln, mit welchen der Polizeipräfekt ihn bei seinem Ausgehn umgab, waren völlig überflüssig. Napoleons Feinde waren in seinem Pallaste, unter seinen Ministern; Legitimisten und Jesuiten, wie Falloux, sind zu Allem fähig. Wie diese Leute aus dem damals verwegenen Ochsen ein scheues, blödsinniges Kalb gemacht haben, das seine Freunde eine Viertelstunde anstiert, ehe es sie wiedererkennt, das liegt im Schooße der ewigen Götter. Aber jetzt, wo sie dieses Kalb ein politisches Todesurtheil unterzeichnen ließen, der Konstitution und der französischen Großmuth zu Trotz, haben sie offenbar Napoleon dem öffentlichen Haß Preis gegeben.</p>
          <p>Napoleon und Barrot haben das Lächerliche abgestreift; von heute an gehören sie der ernsten Geschichte an. Der olympische Barrot hat gezeigt, daß er &#x201E;grausam&#x201C; sein kann. Es wird ihm nicht vergessen werden.</p>
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          <head>Paris, 19. März.</head>
          <p>Der Moniteur zeigt sich sehr aufgebracht gegen die Reforme, weil sie gestern behauptet hatte, daß die beiden Brea-Verurtheilten <hi rendition="#g">gegen</hi> den ausdrücklichen Willen des Staatsrathes hingerichtet worden seien und die Härte dieser Urtheilsvollstreckung &#x2014; als Wiedererrichtung des politischen Schaffots wichtig &#x2014; lediglich den <hi rendition="#g">Präsidenten</hi> der Republik treffe u. s. w. Der Moniteur erklärt diese Behauptung als falsch und nennt sie eine der schändlichsten Allegationen, die jeder Parteigeist erfunden.</p>
          <p>Man weiß übrigens, was man von diesen amtlichen Dementis zu halten habe. Wahr ist, daß Cormenin im Namen der Minorität des Staatsrathes gegen die Hinrichtung energisch protestirte</p>
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            <ref type="link"> <hi rendition="#b">Hierzu eine Beilage.</hi> </ref>
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[1414/0004] der einst von dieser selben Stelle mit Hohngelächter zurückgewiesen wurde. (Widerspruch rechts. Links und Gallerien: Bravo!) Was ist denn geschehen, was die Meinungen dieses Hauses so gewaltig ändern konnte? Nur die Angst könnte uns zu diesem Beschluß führen. Was giebt uns denn Preußen für Garantien? Der Belagerungszustand ist mir eine schlechte Garantie. Ebenso das Ministerium Manteuffel. Und die Kammern? Die erste hat sich diesmal des Beispiels würdig, die zweite dagegen völlig unpatriotisch gezeigt Sie hat einen Antrag auf Anerkennung unserer Grundrechte fast einstimmig zurückgewiesen. Wenn das die Berliner Linke thut, was soll die Rechte thun? Preußen hat (wie Hr. v. Griesheim eingestand) jenen schmählichen Waffenstillstand geschlossen, um seine Truppen zu strategischen Zwecken in Berlin zu verwenden. Dies der deutsche Patriotismus Preußens. Wir werden hier morgen Stimmen für Friedrich Wilhelm den Erbkaiser hören, die bei der Reichsverweserwahl für Adam v. Itzstein oder Gagern stimmten. (Links Sensation.) Der einzige Ausweg für uns, ist einen sechsjährigen Statthalter, oder wenn Sie wollen Kaiser, zu ernennen. Dann ist kein Vorwand zu Feindseligkeiten für Oestreich. In diesen sechs Jahren kann der Kaiser seinen deutschen Sinn bewähren. Die Gährung im Vaterlande wird durch einen Erbkaiser nicht beruhigt werden. Stopfen Sie einen Spunt auf ein Faß gährenden Weines, und habe der Spunt die Form einer Kaiserkrone, die Gährung wird Ihnen Faß, Krone und Reich zersprengen. (Langer Beifall links und Gallerien.) Wollen Sie Preußen, um über mehr Bajonette zu verfügen? Alle Bajonette Deutschlands standen Ihnen zu Gebot und dennoch haben Sie Oestreich verloren und Dänemark nicht gebändigt. Sie, die mit Dänemark nicht fertig wurden, Sie wollen (durch ihr preußisches Erbkaiserthum) Krieg mit Oestreich, Rußland, Frankreich — Europa beginnen? Meine Herren, es sitzen ja so viel tüchtige Strategiker auf Ihrer Seite. (Gelächter.) Deutschland kann nicht Krieg führen mit Europa ohne seiner Völker Beistand — und den hat es in diesem Falle nicht! (Beifall.) Ist es schon einmal in der Welt da gewesen, über 38 Erbregenten noch einen Erbkaiser zu pflanzen? Doch Sie wollen es ermöglichen! Und dieser Möglichkeit gegenüber will Herr Wydenbrugk nicht einen Diktator für möglich halten. Ich stimme für einen 6jährigen Statthalter oder wenn Sie wollen Kaiser, als für die einzige Möglichkeit Unter dieser Bedingung würden wir Republikaner unser Prinzip verlassen und Preußen könnte auf sechs Jahre einstimmig gewählt werden. Dann könnte es doch wohl eher annehmen als mit Ihrer erbkaiserlichen Majorität von von vielleicht 10 Stimmen, herbeigeführt mit Hülfe des Telegraphen. (Gelächter und Beifall.) Und wenn es der König von Preußen ehrlich meint, wenn er ein wahrhaft deutscher Regent ist, dann wird er die sechsjährige Statthalterschaft annehmen. (Anhaltender Beifall links und Gallerien). Neue Anträge gehen ein. Einer von Schulz aus Darmstadt, der die grausamste Verhöhnung für Preußen enthält. Er lautet etwa: „Wenn die Tagesordnung nicht angenommen würde, so soll die Vermessenheit, Preußen gegen den Willen des deutschen Volkes zum Erbkaiser zu machen, unter der Bedingung zugelassen werden, daß der König von Preußen Krieg mit Rußland sofort beginnt, und das Schwert nicht eher in die Scheide steckt, bis Ruhe, Friede und Freiheit im Vaterlande leben, bis Oestreich staatlich mit Deutschland innig vereint, bis Ungarn frei, bis Polen unabhängig, bis die Russen nicht mehr Alleinherrn des schwarzen Meeres.“ Dieser bittere Hohn bringt heftige Bewegung hervor. Gelächter und Beifall. Werner von St. Pölten beantragt u. a.: „Preußen wird unter der Bedingung an die Spitze gestellt, daß Preußen als solches aufhört.“ Waiz (einer aus dem Kaisertriumvirat) hält eine lange, rührende, unter tiefer Andacht angehörte Rede für die Anträge des Verfassungsausschusses und Friedrich Wilhelm den IV. (Beifall der Preußen, die Hrn. Waiz beim Herabsteigen von der Tribüne zärtlich umarmen. Moritz Mohl: M. H.! der preußische Erbkaiser ist ein todtgeborenes Kind, (Beifall) und ich möchte gerne diesem Hause die Ehre dieses Wochenbettes ersparen. — Ich halte es nicht für großmüthig, den 3.Theil Deutschlands auszuschließen, in der Hoffnung, daß der Staat, dem er angehört, zerfallen wird. — Man habe mit Verachtung von den Baumwollballen, von den materiellen Vortheilen gesprochen, welche das Volk erleiden wird, wenn Oestreich verloren geht, man verrathe das deutsche Volk und füge zur Schmach noch den Hohn (Donnernder Beifall der Gallerien und links!) Oestreichs Völker haben auf Deutschlands Schlachtfeldern mitgeschlagen. Oestreich wird Ihnen einen glühenden Haß bewahren, wenn Sie es ausschließen und den Hohenzollern nachsetzen. Oestreich sei ein Volk von 38 Millionen, eine europäische Großmacht, werde sich nicht von Hohenzollern mediatisiren lassen. — Ich bin, sagt Mohl, auch gegen den Wahlkaiser, denn sollten Sie den Preußen auf 6 Jahr wählen, so müßten Oestreichs Abgeordnete austreten, und dann hätten hier die Preußen die große Majorität und würden in wenig Wochen den Erbkaiser machen. (Sehr richtig!) Man hat sich nicht vergegenwärtigt, daß die Annahme der Welker'schen Anträge hervorrufen wird einen Kampf zwischen Norden und Süden, zwischen Protestantismus und Katholicismus, zwischen einem Volksstamm und allen Uebrigen. (Bravo links und Gallerien.) Reh aus Darmstadt (der Apostat), bringt in der Einleitung seiner Rede eine Entschuldigung für seine Ansicht, die in dieser Angelegenheit mit der seiner politischen Freunde und eines Theils seiner Wähler in Widerspruch steht — Im Verfolg spricht Herr Reh für den preußischen Erbkaiser. Eisenmann: Oestreich sei allerdings für uns verloren, denn es mache uns Zumuthungen, die kein Volk, ohne sich aufzugeben, erfüllen könne, denn es wolle uns zusammenkoppeln mit Croaten, Sereschanern u. s. w. Sie, m. H., von rechts, rühmen sich, die Zustände, wie sie jetzt liegen, vorausgesehen zu haben; dann wird das Volk Sie zuerst zur Rechenschaft ziehen, daß Sie sie nicht geändert haben O hätten Sie nur für Deutschlands Wohl die Hälfte der Verwegenheit entwickelt, wie für den preußischen Erbkaiser. (Beifall.) Unter andern erzählt uns E, auf welche Weise das Reichsministerium die Stimmung für den Erbkaiser habe günstiger zu machen suchen, durch Lügen und Machinationen. Ein Zeitungsredakteur habe ihm erklärt, er könne wegen gewisser Machinationen von Bassermann und Konsorten seine Zeitung zu keinem Artikel gegen den Erbkaiser hergeben. — Sie haben die Fideikommisse aufgehoben und jetzt wollen Sie ganz Deutschland zu einem Fideikommiß der Familie Hohenzollern machen? — Wie es mit der Freiheit in Preußen jetzt steht, ist klar. Die Freiheit ist dort in Gefahr, der König ist von einer absolutistischen Kamarilla umgeben. Die Kammern sind konservativ. Das Ministerium absolutistisch. (Murren der Preußen. Im Ganzen verläuft die Debatte leidenschaftsloser, als ich dachte. Diesen Froschteich kann einmal nichts mehs lebendig machen.) Nur mit einem Wortbruch kann Hohenzollern den deutschen Thron betreten, denn er hat erklärt, dies nur mit Zustimmung aller Regierungen thun zu wollen, und dies wird nimmer geschehen. (Widerspruch der Preußen) Baiern's König z. B. wird nimmermehr einwilligen. (Gelächter.) Was werden Sie also mit ihrem papiernen Erbkaiser (langes Gelächter und Beifall) anders herbeiführen, als Bürgerkrieg und eine oktroyirte Verfassung à la östreichische, ohne Volkshaus. — So wie Welker mit Posaunentönen an's Volk appellirt zu Gunsten des deutschen Erbkaisers und in ihm die Rettung der Einheit und Freiheit sieht, so appellire auch ich an's Volk, indem ich es ausspreche, das Erbkaiserthum bringt Deutschland Absolutismus und Zerrissenheit. — (Beifall links und Tribünen.) Beseler aus Schleswig (der Fundirte) für Preußens Erbkaiserthum. Ahrens aus Salzgitter gegen den preußischen Erbkaiser und gegen die Theilung Deutschlands. Frankreich würde in diesem Akt nur eine Vergrößerung Preußens sehen. Sie werden überhaupt keinen europäischen Bundesgenossen haben bei Ausführung Ihres Planes. — Sie werden das Volk nicht als Rückhalt haben, und Sie werden Krieg mit Oestreich, Rußland und Frankreich haben. Kleindeutschland ohne Oestreich bietet nun ein für allemal weder Sicherheit noch Macht. — Schließlich erlaube ich mir die ganz einfache Frage, ob Sie denn glauben, daß der preußische König die Kaiserwürde annehmen könne? (Zuruf einiger begeisterter Preußen: Ja! Ja!) Folgen die Gründe, weshalb Preußen nicht annehmen kann. — Ahrens führt das Beispiel Belgiens an, als die Kammer mit 2 Stimmen Majorität beschlossen hatte, dem Herzog von Nemours die Krone Belgiens anzutragen. Louis Philipp wies dies entschieden zurück, aber er hatte seinen Zweck erreicht, die Welt staunte seine Uneigennützigkeit an. — Dasselbe Spiel scheint Preußen zu spielen! — (Beifall.) Er nennt die Bildung Kleindeutschland's einen ebenso undeutschen als feigen Plan zur Bildung eines politischen Zollvereins. — Ahrens erklärt sich für Raveaux's Antrag, und um das Unglück seines Vaterlandes zu verhüten, gegen den preußischen Erbkaiser. (Großer Beifall.) Bauer von Bamberg für den Preußen. Daß immer noch von der andern Partei die banale Phrase gebraucht würde: „man wolle Oestreich ausstoßen!“ sei eine Meinungsverhärtung, gegen die man mit Argumentationen nicht ankomme. Wer noch nicht an den ernstlichen bösen Willen Oestreich's glauben wolle, käme ihm vor wie einer, der einen Faustschlag in's Gesicht bekäme und noch fragen wolle, ob es Ernst wäre — Die materiellen Vortheile, die man nach Herrn Herrmann für Baiern durch die Verbindung mit Oestreich alle habe, seien großentheils nur scheinbar, und in Wahrheit der Speck, mit dem man die baierschen Mäuse fangen wolle Nach diesem Redner beschloß man um 3 Uhr die Vertagung. Joseph von Würth (Wien) zeigt seinen Austritt aus politischen Rücksichten. (Großer Beifall der Preußen.) Ebenso tritt Arneth aus Oestreich aus. (Links ruft man: Stellvertreter!) Würth und Arneth, beide sind von Einfluß in der östreichischen Regierung. Ihr Austritt und die Schwächung ihrer Partei vor der Krise zeigt am besten, wie einig die Regierungen sind und daß dieser letzte Akt des Parlaments freventliche Komödie ist, gespielt mit dem Volk. — Das Parlament existirte nur durch die Uneinigkeit der Regierung über es (das Parlament), selbst. Die Regierungen sind darüber einig geworden — nämlich es auseinanderzujagen und zu be-oktroyiren Nächste Sitzung Morgen. 082 Heidelberg, 19. März. Also wieder der neunzehnte März! der Tag an welchem wir vor einem Jahre in hellen Haufen nach Offenburg zogen, um im romantischen Märztaumel zum ersten Male das imposante Schauspiel einer Volksversammlung zu genießen! Ich sage, das Schauspiel, denn die Wichtigkeit des Momentes war den Wenigsten klar; der Reiz der Neuheit berauschte uns, es ging uns im März v. J. wie einem Proletarier, der zum ersten Mal an eine reichbesetzte Tafel kommt und über dem Anschauen all der herrlichen Dinge das Essen vergißt. Struve präsidirte — derselbe Struve, welcher morgen zuerst vor den Assisen stehen wird; Fr. v. Hecker, Fickler und alle nur irgend bekannte Volksmänner des Landes waren anwesend, und unter den 10,000 Versammelten waren die Oberländer Bauern fast alle mit Flinten und Sensen bewaffnet erschienen. Herr v. Soiron erzählte uns, daß die Begeisterung ihn hinrisse (was uns sehr komisch vorkam) und ließ uns schwören, für die Freiheit zu sterben (!!!); Minister Bekk entschuldigte sich in Plakaten, daß er kein Militär nach Offenburg geschickt habe, er erwarte die Sache werde ganz ruhig abgehen; und in Karlsruhe — standen die gepackten Reisewagen vor der Hinterthür! Welker, der tollgewordene alte Knabe, der 16,000 Gulden „begeisterte Reichspolterer,“ hatte sich, wie Bekk, entschuldigen lassen, schickte aber ein Manifest nach Offenburg, in welchem er uns im Interesse der deutschen Einheit vor der Proklamirung der Republik warnte (heute wird sein „vaterlandsgefährlicher“ Einheits-Antrag in Frankfurt diskutirt!). Und Hecker, — er sprach in demselben Sinne, wie Welker, nur etwas schöner; er bot die ganze Kraft und Fülle seiner Beredsamkeit auf, um uns zu beweisen, daß die Proklamirung der Republik — in Deutschland den Bürgerkrieg hervorrufen würde! Mit dieser Hecker'schen Rede war der einzige günstige Moment zu einer süddeutschen Revolution verdorben; die revolutionären Oberländer Bauern gingen verstimmt und mißmuthig fort, sie waren halb an sich selbst, halb an Hecker irre geworden — und es war dies nicht der geringste Grund zu dem Mißlingen des späteren, im ungünstigsten Zeitpunkte unternommenen Aufstandes. — Wir aber stießen noch im Wirthshause mit unserm dicken Freunde Sancho-Soiron auf die deutsche Republik an, gingen dann nach Hause und freuten uns über die schöne Volksversammlung. — Eine (von Hecker entworfene) revolutionäre Vereinsorganisation für Baden war ebenfalls auf dieser Versammlung beschlossen worden, wie aber nannte Hecker diese Vereine? „Vaterländische Vereine“ nannte er sie! Und welch' eine scharfe Ironie der Geschichte, welch eine Ohrfeige für Hecker und sämmtliche Märznationalen ist es, daß jetzt der Name „vaterländische Vereine“ das Aushängeschild für unsre Bourgeois-Bureaukraten-Erzheulervereine, für die „Vertraulichkeits“-Vereine des Ministers Bekk ist! Er war gar zu deutsch-national, der deutsche 1848er Märzwein, fast so arg, als der Frankfurter Märzverein! (Herr Raveaux hat sich bekanntlich noch neulich über das Singen der Marseillaise entsetzt.) Lamartine in Frankreich, und unsere Nationalsimpel in Deutschland — das paßte so gut zusammen, das ließ so schön in jedem Lande und Ländchen der Reaktion Zeit und Macht, die eben aufgetauchte Bewegung wieder zu ersticken! Wir haben uns so recht „von innen heraus“ entwickelt; wir haben uns nicht „die Freiheit von außen bringen lassen“, und haben dadurch die Knechtschaft von innen erlangt! Man sieht aber, das Volksbewußtsein ist fortgeschritten; heutzutage ist schon vaterländisch=reaktionär. Unsere politischen Nationalisten vom Schlage des Märzvereins werden freilich sagen: Diese Menschen mißbrauchen den heiligen Namen des Vaterlandes — gerade wie ihre religiösen Gesinnungsgenossen früher zu den Pfaffen sagten: Ihr mißbraucht das heilige Wort Glauben! Aber wie man hier allmählig so gescheut wurde, mit den Pfaffen auch den Glauben wegzunehmen, so wird allmählig auch die Einsicht allgemein werden, daß in Zeiten der Bewegung, der Revolution, die „vaterländischen Interessen“ nichts als ein Popanz der Reaktion sind, um die Ausbreitung der Revolution, die revolutionäre Propaganda zu unterdrücken, und die Revolution dem hektischen Fieber der „inneren Entwicklung“ zu überliefern. — Noch wollen die Leute das nationale Element „poetischer“ finden. Nun, die Geschmäcke sind verschieden; mir wenigstens kommt ein propagandistischer Krieg der Revolution, eine Allianz aller Demokraten poetischer vor, als das deutsch-philiströse: „Jeder fege vor seiner Thür“. Ungarn. * _ Großbritannien. 068 London, 19. März. Am vorigen Samstag gab man dem zum Oberbefehlshaber der indischen Armeen ernannten General Sir Charles Napier ein großes Diner, an welchem viele der Celebritäten des Gouvernemens, des Parlamentes und der englischen Gesellschaft Theil nahmen. Sir Charles dankte für einen ihm ausgebrachten Toast und bemerkte, daß er deswegen mit Vertrauen seiner neuen Stellung entgegen gehe, weil ihn der erste Soldat der Welt, der Herzog von Wellington, dazu empfohlen habe. Der alte Herzog erwiederte darauf, daß er allerdings von seinem tapfern Freunde die glänzendsten Erfolge erwarte, daß er indeß die jetzigen Zustände Indiens nicht als solche ansehe, welche mit besonderem Mißtrauen und mit einiger Angst zu betrachten seien. Die letzten Feldzüge hätten zwar große Verluste mit sich gebracht, sie seien aber durch die großen Unternehmungen, welche man gewagt habe, gerechtfertigt und jedenfalls sei der Zweck des Feldzuges, die Einnahme der wichtigsten Festung des Feindes, durchgesetzt worden. Lord John Russell entschuldigte sich wegen seines Nichterscheinens bei dem Bankett in einem Schreiben an den Vorsitzenden, indem er seine Zufriedenheit mit der Ernennung Sir Charles Napier's aussprach, und den Direktoren der indischen Kompagnie wegen der Geschicklichkeit, mit der sie die großen, ihrer Sorge überlassenen Territorien verwalteten, seine ungetheilte Achtung zu erkennen gab. Aehnliche Toaste wurden von Sir G. Grey, Sir J. Hobhouse u. s. w. ausgebracht. Von den Scenen der scheußlichsten Armuth, welche sich in England stets wiederholen, hatte man dieser Tage wieder ein Beispiel bei dem Abbruch eines alten Hauses, in dessen Zimmern man die Leiche einer Frau, umringt von drei Kindern, ohne Kleider, ohne Betten und ohne Möbeln auf dem nackten Boden antraf. Die Frau schien vor Hunger umgekommen zu sein, und die Kinder waren bereits in einem solchen Zustande, daß sie nicht mehr sprechen konnten. Die ganze Familie schien sich, obdachlos, in das leer stehende Haus geflüchtet zu haben, um elend darin unterzugehen. An der Börse erregte die Ungewißheit in Betreff des Ausgangs der Schleswig-Holstein'schen Angelegenheiten und die Nachricht der bevorstehenden Feindseligkeiten in Italien, ziemliche Besorgniß und das Geschäft blieb daher von gemäßigtem Umfange. Konsols 90 5/8 u. 3/4. Französische Republik. 17 Paris, 19. März. Heute Abend findet ein social-demokratisches deutsches Bankett zum Gedächtniß der Berliner Revolution statt. Die demokratische Propoganda geht rüstig vorwärts; Proudhon's „Peuple“ ist unstreitig am mächtigsten in diesem Augenblicke und es wird täglich in 80 Exemplaren gratis in die Kasernen getragen. Das Militär demokratisirt sich trotz Denunciation und Disciplinarstrafen. Ein aus Bourges zurückgekehrter Stenograph versichert, die dortige Garnison, angeblich eine „ganz erprobte“, sei durch und durch vom Gifte des Prozesses angefressen, so daß die Offiziere ohne Hehl in den Kaffeehäusern die demokratisch-sociale Republik hochleben lassen. Changarnier und Rulhières wollen sie in einen andern Ort verlegen; so weit ist es bereits gekommen, daß alles Umziehen und Ausziehen der Garnisonen den Schaden nur verschlimmern kann. — Man spricht wieder lebhaft von einem Staatsstreich auf den 25. März nach dem Zuschnitt des 29. Januar; das Ministerium schmeichelt sich diesmal sicher der rothen Partei den Hals umzudrehen. 12 Paris, 18. März. Nun lache Einer noch über Napoleon und sein Ministerium. Barrot, Fallour und Faucher waren müde täglich zum Gespötte zu dienen; sie wollten zeigen, daß sie auch Staatsstreiche ausführen zu lassen im Stande sind. Sie haben dem blödsinnigen Napoleon die Hand geführt zur Unterschreibung zweier politischer Todesurtheile. Von heute an ist es nicht mehr erlaubt, Napoleon von der lächerlichen Seite aufzufassen; er hat das Lächerliche mit dem Blute abgestreift. Nach der Junischlacht gab es Sieger und Besiegte. Die Besiegten wurden vor ein Kriegsgericht gestellt. Das Kriegsgericht erkannte für mehrere Angeklagten, welche in die Brea'sche Geschichte verwickelt waren, die Todesstrafe. Nun hat aber die Februar-Revolution die Todesstrafe für politische Verbrechen abgeschafft. Daß aber der Prozeß der Juni-Insurgenten ein politischer Prozeß war, ist ausdrücklich von Cavaignac zur Rechtfertigung der Einsetzung der Kriegsgerichte hervorgehoben worden. Was thut Barrot? Er läßt den Napoleon sagen, daß die vom Kriegsgerichte zum Tode verurtheilten Lahr und Daix keine politische Verbrecher seien, läßt Napoleon die Strafe bestätigen und läßt sie kraft Napoleons Unterschrift hinrichten. Als Napoleon, des abentheuerlichen Lebens in den engl. Gasthöfen müde, den Louis Philipp um die stillen Vergnügen in den Tuilerien beneidend, herüber nach der französischen Küste kam, und den ersten besten Douanier über den Haufen schoß, da war er vollkommen in seinem Rechte, da handelte er sehr verständig — er war damals ein Juni-Insurgent im königlich-kaiserlichen Sinne, und insurgirte sich gegen alle die Douaniers und Minister und Valets Louis Philipp's. So weit hatte es Barrot noch nicht gebracht: der schurkigen Themis fehlte die Blutweihe; es fehlte ihr das Buzançais von Guizot, und sie bediente sich des blödsinnig gewordenen Napoleons, um diese Blutweihe festlich zu begehen. 5 Regimenter waren zum Feste eingeladen; alle die alten Minister und Pairs, für welche das Volk die Todesstrafe abgeschafft, kamen mit ihren geschenkten Köpfen auf den Schultern zu der Guillotine, und freuten sich ihres Lebens und ihrer Renten und Aktien! Auf Louis Philipp ist wenigstens 10 Mal geschossen worden; Louis Philipps Kopf war eine würdige Zielscheibe; aber Louis Philipp war ein schlauer Kopf, einer von den Köpfen, die man nicht so leicht treffen kann. Und wirklich schreiben es die Leute dem Glücke zu, daß er 10 Mal dem Tode glücklich entwichen ist. Aber wie kann Napoleon hoffen, ein gleiches Glück zu haben? Dem Napoleon ein Haar auf dem Kopf zu krümmen, wäre keinem Proletarier eingefallen; alle die Vorsichtsmaßregeln, mit welchen der Polizeipräfekt ihn bei seinem Ausgehn umgab, waren völlig überflüssig. Napoleons Feinde waren in seinem Pallaste, unter seinen Ministern; Legitimisten und Jesuiten, wie Falloux, sind zu Allem fähig. Wie diese Leute aus dem damals verwegenen Ochsen ein scheues, blödsinniges Kalb gemacht haben, das seine Freunde eine Viertelstunde anstiert, ehe es sie wiedererkennt, das liegt im Schooße der ewigen Götter. Aber jetzt, wo sie dieses Kalb ein politisches Todesurtheil unterzeichnen ließen, der Konstitution und der französischen Großmuth zu Trotz, haben sie offenbar Napoleon dem öffentlichen Haß Preis gegeben. Napoleon und Barrot haben das Lächerliche abgestreift; von heute an gehören sie der ernsten Geschichte an. Der olympische Barrot hat gezeigt, daß er „grausam“ sein kann. Es wird ihm nicht vergessen werden. Paris, 19. März. Der Moniteur zeigt sich sehr aufgebracht gegen die Reforme, weil sie gestern behauptet hatte, daß die beiden Brea-Verurtheilten gegen den ausdrücklichen Willen des Staatsrathes hingerichtet worden seien und die Härte dieser Urtheilsvollstreckung — als Wiedererrichtung des politischen Schaffots wichtig — lediglich den Präsidenten der Republik treffe u. s. w. Der Moniteur erklärt diese Behauptung als falsch und nennt sie eine der schändlichsten Allegationen, die jeder Parteigeist erfunden. Man weiß übrigens, was man von diesen amtlichen Dementis zu halten habe. Wahr ist, daß Cormenin im Namen der Minorität des Staatsrathes gegen die Hinrichtung energisch protestirte Hierzu eine Beilage.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 252. Köln, 22. März 1849, S. 1414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz252_1849/4>, abgerufen am 25.04.2024.