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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 294. Köln, 10. Mai 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 294. Köln, Donnerstag, den 10. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. -- Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. -- Nur frankirte Briefe werden angenommen. -- Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zu Nro. 292 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.

Uebersicht.

Deutschland. Köln, (Die Thaten des Hauses Hohenzollern.) Crefeld. (Unruhen) Berlin. (Neue Aktenstücke Hohenzoller'scher Arroganz. -- Truppen nach Sachsen. -- Die englische Note an Rußland. -- Aus Sachsen. -- Klatsch.) Breslau. (Volks-Versammlung. -- Militärische Maßregeln. -- Ein östreichischer Flüchtling.) Leipzig. (Plakate.) Dresden. (Die Ereignisse vom 6. Mai.) Hannover. (Der König und die Deputation.) Braunschweig. (Gerüchte) Aus der bairischen Pfalz. (Proklamation des Volksausschusses) Wien. (Die Bourgeoisie.)

Italien. Der Kampf vor Rom. Neapel. (Uebergabe Palermo's.)

Französische Republik. Paris. (Der Kampf vor Rom. -- Vermischtes. -- National-Versammlung).

Deutschland.
* Köln, 9. Mai.

Die Regierung des Herrn von Hohenzollern scheint in den letzten Tagen ihrer Existenz und der Existenz des preußischen Staats den alten Ruf des preußischen und Hohenzollern'schen Namens noch einmal auf's Vollste bewähren zu wollen.

Wer kennt nicht die Charakteristik aus Heine's Gedicht:

Ein Kind mit großem Kürbiskopf,
Mit langem Schnurrbart, greisem Zopf,
Mit spinnig langen, doch starken Aermchen,
Mit Riesenmagen, doch kurzen Gedärmchen,
Ein Wechselbalg -- -- --

Wer kennt nicht die Treubrüche, die Perfidieen, die Erbschleichereien, durch die jene Familie von Korporälen groß geworden ist, die den Namen Hohenzollern trägt?

Man weiß, wie der sogenannte "große Kurfürst" (als ob ein "Kurfürst" je "groß" sein könnte!) den ersten Verrath an Polen beging, indem er, der Alliirte Polens gegen Schweden, plötzlich zu den Schweden überging, um Polen im Frieden von Oliva desto besser plündern zu können.

Man kennt die abgeschmackte Figur Friedrich's I., die brutale Rohheit Friedrich Wilhelm's II.

Man weiß, wie Friedrich II., der Erfinder des patriarchalischen Despotismus, der Freund der Aufklärung vermittelst der Stockprügel, sein Land an französische Entrepreneurs meistbietend versteigerte; man weiß, wie er sich mit Rußland und Oestreich verband, um einen Raub an Polen zu begehen, der noch jetzt, nach der Revolution von 1848, als ein unabgewaschener Schandfleck auf der deutschen Geschichte sitzt.

Man weiß, wie Friedrich Wilhelm II. den Raub an Polen vollenden half, wie er die geraubten polnischen National - und Kirchengüter an seine Höflinge verschleuderte.

Man weiß, wie er 1792 mit Oestreich und England die Coalition zur Unterdrückung der glorreichen französischen Revolution schloß und in Frankreich einfiel; man weiß ebenfalls, wie sein "herrliches Kriegsheer", mit Schimpf und Schande bedeckt, aus Frankreich herausgetrieben wurde.

Man weiß, wie er dann seine Alliirten im Stiche ließ und sich beeilte, mit der französischen Republik Friede zu schließen.

Man weiß, wie er, der für den legitimen König von Frankreich und Navarra zu schwärmen vorgab, die Krondiamanten eben dieses Königs um ein Billiges der französischen Republick abkaufte und so mit dem Unglück seines "Herrn Bruders Liebden" Wucher trieb.

Man weiß wie er, dessen ganzes Leben ein ächt hohenzollersches Gemisch von Ueppigkeit und Mystizismus, von greisenhafter Lüsternheit und kindischem Aberglauben war, die Freiheit der Gedankenäußerung in Bischofswerderschen Edikten mit Füssen trat.

Man weiß wie sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm IIII. der "Gerechte," seine alten Bundesgenossen für das ihm als Köder hingeworfene Hannover an Napoleon verrieth.

Man weiß, wie er gleich darauf Napoleon an eben dieselben ehemaligen Bundesgenossen verrieth, indem er im Solde Englands und Rußlands, die in der Person Napoleons verkörperte französische Revolution angriff.

Man weiß welchen Erfolg dieser Angriff hatte: die unerhörte Niederlage des "herrlichen Kriegsheeres" bei Jena, das plötzliche Ausbrechen der moralischen Läusekrankheit am ganzen preußischen Staatskörper, eine Reihe von Verräthereien, Niederträchtigkeiten und Kriechereien preußischer Beamten, davor Napoleon und seine Generale sich mit Ekel abwandten.

Man weiß, wie Friedrich Wilhelm III. 1813 das preußische Volk durch schöne Worte und herrliche Verheissungen wirklich soweit brachte, daß es glaubte, gegen die Franzosen in einen "Befreiungskrieg" zu ziehen, obwohl es sich um weiter nichts handelte als um die Unterdrückung der französischen Revolution und die Herstellung der alten Wirthschaft von Gottes Gnaden.

Man weiß, wie die schönen Versprechungen vergessen waren, sobald die heilige Allianz am 30. März 1814 ihren Einzug in Paris gehalten hatten.

Man weiß, wie bei der Rückkehr Napoleons von Elba die Begeisterung des Volkes schon wieder so weit abgekühlt war, daß der Hohenzoller durch das Versprechen einer Konstitution (Edikt vom 22. Mai 1815 -- 4 Wochen vor der Schlacht von Waaterloo) den erloschenen Eifer wieder beleben mußte.

Man erinnert sich der Verheißungen der deutschen Bundesakte und der Wiener Schlußakte: Preßfreiheit, Verfassung u. s. w.

Man weiß, wie der "gerechte" Hohenzoller sein Wort gehalten hat: heilige Allianz und Kongresse zur Unterdrückung der Völker, Karlsbader Beschlüsse, Censur, Polizeidespotismus, Adelsherrschaft, Büreaukratenwillkür, Kabinetsjustiz, Demagogenverfolgungen, Massenverurtheilungen, Finanzverschleuderung und -- keine Konstitution.

Man weiß, wie 1820 dem Volk die Nichterhöhung der Steuern und der Staatsschulden garantirt wurde und wie der Hohenzoller sein Wort hielt: Erweiterung der Seehandlung zu einer geheimen Leihanstalt für den Staat.

Man weiß, wie der Hohenzoller auf den Ruf des französischen Volks in der Julirevolution antwortete: Truppenmassen an die Gränze, Niederhaltung des eigenen Volks, Erdrückung der Bewegung in den kleineren deutschen Staaten, schließliche Knechtung dieser Staaten unter die Knute der heiligen Allianz.

Man weiß, wie derselbe Hohenzoller im russisch-polnischen Kriege die Neutralität verletzte, indem er den Russen erlaubte, über sein Gebiet zu passiren und dadurch den Polen in den Rücken zu kommen, indem er ihnen die preußischen Arsenale und Magazine zur Verfügung stellte, indem er jedem geschlagenen russischen Korps eine sichere Zuflucht in Preußen bot.

Man weiß, wie das ganze Bestreben des Hohenzoller'schen Unterknäs, im Einklang mit den Zwecken der heiligen Allianz, dahin ging, den Adel, die Büreaukratie und das Militär in ihrer Herrschaft zu befestigen, alle Freiheit der Aeußerung, allen Einfluß des "beschränkten Unterthanenverstandes" auf die Regierung mit brutaler Gewalt zu erdrücken, und zwar nicht nur in Preußen, sondern auch im übrigen Deutschland.

Man weiß, daß selten eine Regierungsepoche verflossen ist, in der solche löbliche Absichten mit brutaleren Gewaltmaßregeln durchgesetzt wurden als in der Zeit Friedrich Wilhelm III., besonders von 1815-1840. Nie und nirgends ist so viel verhaftet und verurtheilt worden, nie waren die Festungen so voll politischer Gefangenen, wie unter diesem "gerechten" Herrscher. Und vollends, wenn man bedenkt, welche unschuldige Tölpel diese Demagogen waren.

Sollen wir auch noch auf den Hohenzoller zu sprechen kommen, der nach dem Mönch von Lehnin "der letzte seines Stammes sein wird"? Sollen wir sprechen von der Wiedergeburt der christlich-germanischen Herrlichkeit und von der Auferstehung der blassen Finanznoth, vom Schwanenorden und vom Obercensurgericht, vom Vereinigten Landtag und von der Generalsynode, vom "Stück Papier" und von den vergeblichen Versuchen Geld zu borgen und all den übrigen Errungenschaften der glorreichen Epoche von 1840-48? Sollen wir aus Hegel nachweisen warum es gerade ein Komiker sein muß, der die Reihe der Hohenzollern schließt?

Es wird nicht nöthig sein. Die aufgeführten Data reichen hin, um den hohenzollerisch preußischen Namen vollständig zu charakterisiren. Es ist wahr, der Glanz dieses Namens war einen Augenblick geschwächt; aber seit das Siebengestirn Manteuffel u. Cons. die Krone umgibt, ist die alte Herrlichkeit wieder eingezogen. Wieder ist Preußen, wie ehedem, ein Vicekönigreich unter russischer Hoheit; wieder ist der Hohenzoller ein Unterknäs des Selbstherrschers aller Reussen und Oberknäs über alle die kleinen Bojaren von Sachsen, Baiern, Hessen-Homburg, Waldeck u. s. w.; wieder ist der beschränkte Unterthanenverstand in sein altes Recht des Ordre-Parirens eingesetzt. "Mein herrliches Krigsheer", so lange der Prawoslawny Car selbst es nicht gebraucht, darf in Sachsen, Baden, Hessen und der Pfalz die seit 18 Jahren zu Warschau herrschende Ordnung herstellen, darf im eigenen Lande und in Oestreich die geborstenen Kronen mit Unterthanenblut leimen. Das früher in der Angst und Noth des Herzens gegebene Wort scheert uns ebenso wenig als unsere in Gott ruhenden Ahnen; und sind wir erst zu Hause fertig, so ziehen wir mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen gen Frankreich und erobern das Land wo der Champagner wächst und zerstören das große Babel, das die Mutter aller Sünde ist!

Das sind die Pläne unsrer hohen Regierenden; das ist der sichere Hafen, auf den unser edler Hohenzoller hinsteuert. Daher die sich häufenden Oktroyirungen und Gewaltstreiche, daher die wiederholten Fußtritte für die feige Frankfurter Versammlung; daher die Belagerungszustände, die Verhaftungen und Verfolgungen; daher das Einschreiten der preußischen Soldateska in Dresden und in Süddeutschland.

Aber es gibt noch eine Macht, die von den Herren in Sanssouci freilich gering geachtet wird, die aber dennoch ein donnerndes Wort dazwischen sprechen wird. Das Volk -- das Volk, das in Paris wie am Rhein, in Schlesien wie in Oesterreich wuthknirschend auf den Moment der Erhebung wartet, und das, wer weiß wie bald, allen Hohenzollern und allen Ober- und Unterknäsen geben wird, was ihnen gebührt.

070 Crefeld, 8. Mai.

Neulich schrieb ich Ihnen, welch ungeheuern Stoß das hiesige Schwarweißthum in unserer spulenrasselnden Seidenanstalt erhalten hat. Jetzt ist die Aufregung auf eine Höhe gelangt, daß ein furchtbarer Losbruch der bis jetzt gefesselt gewesenen Menge in jedem Augenblick zu erwarten steht. Am Sonntage hielten die Landwehrmänner hiesigen Bezirks und der umliegenden Orte eine letzte große Versammlung und beschlossen, zu dem auf Montag angesetzten Appell zwar zu erscheinen, jedoch dem Major eine energische Protestation dabei zu überreichen, worin sie erklärten, daß sie unter keinen Umständen einer Einberufungsordre Folgen leisten, überhaupt den Befehlen unseres Standrechtsministeriums nimmer nachkommen, vielmehr mit Gut und Blut für die Frankfurter Versammlung einstehen würden.

Montag Morgen hatte sich nun auf dem Appellplatze außer den Landwehrmännern eine große Volksmenge eingefunden. Sie empfing den, im Bewußtsein seiner preußischen Größe herankommenden Major, mit Akklamationen, die ihn vernünftigerweise zum Rückzuge hätten bewegen müssen.

Im Gefühl seiner Größe indeß beachtete er diese Anzeichen eines drohenden Sturmes nicht, redete vielmehr, wie's in "Meinem herrlichen Kriegsheere herkömmlich," die Landwehrmänner an, so daß auch die Gemüther dieser in hohem Grade aufgeregt wurden. An ein Abhalten des Appells war nicht mehr zu denken. Unter Drohungen verließ der Tapfere den Platz, fiel aber nun mit seinem Genossen, dem Feldwebel, der aufgeregten Menge in die Hände, die ihn mit einem Steinhagel begrüßte. Ein Steinwurf hat den Major nicht unbedeutend ins Gesicht verwundet. Aufs Aeußerste gereizt, fuhr er sofort mit Extrapost nach Düsseldorf, um Succurs zu holen. In der That erschien er auch Abends wieder mit einer Eskadron Ulanen. Das Volk hatte dies vorausgesehen und sich in großen Haufen am Eingang der Stadt versammelt, um den ungebetenen Gästen den Eingang streitig zu machen, so daß diese sich genöthigt sahen, die Stadt zu umreiten und von der andern Seite einzurücken. Da brach endlich der lang verhaltene Patriotismus unserer Bourgeois-Schwefelgarde in helle Flammen aus. Diese ehrenwerthen Seidenkrämer wollten den tapfern Vaterlandsvertheidigern nicht die Ehre zugestehen, vor ihnen Brutalitäten an dem wehrlosen Volke auszulassen.

Es wurde Allarm geblasen, die Schwefelgarde erschien ziemlich zahlreich, sperrte die Straßen ab und suchte die Menge auseinanderzutreiben, was ihr auch gelang, da Niemand an ernstlichen Widerstand dachte. Die Elite dieses saubern Korps und unsere Bourgeoisie hoch zu Roß wollten indeß ein Mal ihr Müthchen kühlen, sprengten in die Haufen und schlugen blindlings darauf los. Das ließ sich aber das Volk denn doch nicht gefallen; das Pflaster wurde an mehreren Stellen aufgerissen und die herankommenden Ritter von der Elle mit einem solchen Steinhagel begrüßt, daß Ihnen das zweitemal ein solcher Spaß wohl verleidet sein wird. Von einer Kompagnie dieser Helden, die sage ganze 36 Mann stark erschienen war, wurden 12 durch Steinwürfe blessirt. Leider beklagen wir bei dieser saubern Affaire den Tod eines Mannes aus dem Volke, dem von einem Schandarmen der Kopf gespalten wurde. Die Schwefelgalde dagegen beklagt den Verlust von 73 Gewehren, die heute in den Händen von Landwehrmännern und Arbeitern viel besser untergebracht sind. Heute morgen wurden vom Volke an verschiedenen Stellen Kugeln gegossen und so viel wie möglich Waffen herbeigeschafft. Wir erwarten heute eine ernstere Fortsetzung der gestrigen Ereignisse.

Berlin, 7. Mai.

Es ist aus dem Kriegs-Ministerium der Befehl erlassen worden, daß noch mehrere preußische Truppentheile von verschiedenen Richtungen aus unverzüglich nach Dresden aufbrechen sollen.

(Pr. St.-Anz.)
068 Berlin, 6. Mai.

Ueber die englische Note, welche den Einmarsch der Russen nach Mähren, Galizien und Ungarn so plötzlich sistirt, meldet eine hiesige lith. Corresp. folgendes:

"Der Grund, warum dieser Durchmarsch nicht erfolgte, ist lediglich in der Politik des Cabinets zu St. James zu suchen. Die Rolle, die Rußland in den östreichisch-ungarischen Wirren bereits zu spielen angefangen hat und auch in der deutschen Frage zu spielen die beste Lust zeigte, konnte der Aufmerksamkeit des englischen Cabinets nicht entgehen. Eine so weite Einmischung Rußlands konnte die englische Politik nicht billigen. Die Macht Rußlands, der Erschöpfung Oestreichs gegenüber, bedrohte die staatlichen Verhältnisse eines Theils Europa's. Man kannte die Ansprüche, die Rußland gern auf die Donaufürstenthümer geltend machen würde, sobald sich eine passende Gelegenheit dazu zeigte. Der türkische Geschäftsträger hatte schon vor einiger Zeit bei den Höfen zu Paris und London ein Memoire überreicht, in dem auf die Intensionen Rußlands hingewiesen wurde. Das englische Gouvernement sah sich jetzt im Einverständniß mit der französischen Regierung zu einer Note veranlaßt, die den Erfolg gehabt, den weiteren Einmarsch russischer Truppen (und so auch durch Schlesien) nach Ungarn zu verhindern. Dieselbe Note spricht sich, wie versichert wird, auch ziemlich deutlich über die Politik, die England in der deutschen Frage befolgen wird, aus: England erklärt unumwunden, daß es eine direkte Einmischung Rußlands in die deutschen Angelegenheiten eben sowenig dulden werde, als es selbst direkt in die deutsche Entwickelung eingreifen werde. -- Die neuen Nummern der Times bringen leitende Artikel, die diesen von dem englischen Ministerium eingeschlagenen Weg deutlich genug vertreten.

X Berlin, 7. Mai.

Aus Dresden nur Gerüchte. Es sollte eine Barrikade in der Schloßgasse vom Militär genommen sein. 1000 Preußen wären von Görlitz in Dresden eingerückt, der Kampf habe gestern Morgen um 3 Uhr wieder ernstlich begonnen u. dgl. m. Andererseits wurde erzählt, das zweite Bataillon Preußen sei bis Burgsdorf gekommen, habe dort aber die Schienen aufgerissen und Alles von Bewaffneten erfüllt gefunden, welche die Waggons umdrängten und die darin eingeschlossenen Soldaten, welche sich natürlich nicht gut vertheidigen konnten, zu massakriren droheten, wenn sie ausstiegen. Der Zug sollte nun zurück, aber schon waren die Schienen auch hinter ihm aufgerissen. Das Bataillon war also festgebannt, bis es versprochen hatte, nicht vorzurücken. Es soll nach Berlin gemeldet haben, ohne Kavallerie und Artillerie könne man nichts machen. Es sollen demnach die Kürassiere aus Brandenburg und die Husaren aus Weißenfels und Merseburg in Sachsen einrücken.

Der Zug, welcher sonst direkt von Dresden, jetzt nur von Röderau oder Jüterbogk in der Nacht kommt, wurde mit noch größerer Spannung von vielen Menschen erwartet. Aber der Bahnhof

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 294. Köln, Donnerstag, den 10. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zu Nro. 292 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.

Uebersicht.

Deutschland. Köln, (Die Thaten des Hauses Hohenzollern.) Crefeld. (Unruhen) Berlin. (Neue Aktenstücke Hohenzoller'scher Arroganz. — Truppen nach Sachsen. — Die englische Note an Rußland. — Aus Sachsen. — Klatsch.) Breslau. (Volks-Versammlung. — Militärische Maßregeln. — Ein östreichischer Flüchtling.) Leipzig. (Plakate.) Dresden. (Die Ereignisse vom 6. Mai.) Hannover. (Der König und die Deputation.) Braunschweig. (Gerüchte) Aus der bairischen Pfalz. (Proklamation des Volksausschusses) Wien. (Die Bourgeoisie.)

Italien. Der Kampf vor Rom. Neapel. (Uebergabe Palermo's.)

Französische Republik. Paris. (Der Kampf vor Rom. — Vermischtes. — National-Versammlung).

Deutschland.
* Köln, 9. Mai.

Die Regierung des Herrn von Hohenzollern scheint in den letzten Tagen ihrer Existenz und der Existenz des preußischen Staats den alten Ruf des preußischen und Hohenzollern'schen Namens noch einmal auf's Vollste bewähren zu wollen.

Wer kennt nicht die Charakteristik aus Heine's Gedicht:

Ein Kind mit großem Kürbiskopf,
Mit langem Schnurrbart, greisem Zopf,
Mit spinnig langen, doch starken Aermchen,
Mit Riesenmagen, doch kurzen Gedärmchen,
Ein Wechselbalg — — —

Wer kennt nicht die Treubrüche, die Perfidieen, die Erbschleichereien, durch die jene Familie von Korporälen groß geworden ist, die den Namen Hohenzollern trägt?

Man weiß, wie der sogenannte „große Kurfürst“ (als ob ein „Kurfürst“ je „groß“ sein könnte!) den ersten Verrath an Polen beging, indem er, der Alliirte Polens gegen Schweden, plötzlich zu den Schweden überging, um Polen im Frieden von Oliva desto besser plündern zu können.

Man kennt die abgeschmackte Figur Friedrich's I., die brutale Rohheit Friedrich Wilhelm's II.

Man weiß, wie Friedrich II., der Erfinder des patriarchalischen Despotismus, der Freund der Aufklärung vermittelst der Stockprügel, sein Land an französische Entrepreneurs meistbietend versteigerte; man weiß, wie er sich mit Rußland und Oestreich verband, um einen Raub an Polen zu begehen, der noch jetzt, nach der Revolution von 1848, als ein unabgewaschener Schandfleck auf der deutschen Geschichte sitzt.

Man weiß, wie Friedrich Wilhelm II. den Raub an Polen vollenden half, wie er die geraubten polnischen National - und Kirchengüter an seine Höflinge verschleuderte.

Man weiß, wie er 1792 mit Oestreich und England die Coalition zur Unterdrückung der glorreichen französischen Revolution schloß und in Frankreich einfiel; man weiß ebenfalls, wie sein „herrliches Kriegsheer“, mit Schimpf und Schande bedeckt, aus Frankreich herausgetrieben wurde.

Man weiß, wie er dann seine Alliirten im Stiche ließ und sich beeilte, mit der französischen Republik Friede zu schließen.

Man weiß, wie er, der für den legitimen König von Frankreich und Navarra zu schwärmen vorgab, die Krondiamanten eben dieses Königs um ein Billiges der französischen Republick abkaufte und so mit dem Unglück seines „Herrn Bruders Liebden“ Wucher trieb.

Man weiß wie er, dessen ganzes Leben ein ächt hohenzollersches Gemisch von Ueppigkeit und Mystizismus, von greisenhafter Lüsternheit und kindischem Aberglauben war, die Freiheit der Gedankenäußerung in Bischofswerderschen Edikten mit Füssen trat.

Man weiß wie sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm IIII. der „Gerechte,“ seine alten Bundesgenossen für das ihm als Köder hingeworfene Hannover an Napoleon verrieth.

Man weiß, wie er gleich darauf Napoleon an eben dieselben ehemaligen Bundesgenossen verrieth, indem er im Solde Englands und Rußlands, die in der Person Napoleons verkörperte französische Revolution angriff.

Man weiß welchen Erfolg dieser Angriff hatte: die unerhörte Niederlage des „herrlichen Kriegsheeres“ bei Jena, das plötzliche Ausbrechen der moralischen Läusekrankheit am ganzen preußischen Staatskörper, eine Reihe von Verräthereien, Niederträchtigkeiten und Kriechereien preußischer Beamten, davor Napoleon und seine Generale sich mit Ekel abwandten.

Man weiß, wie Friedrich Wilhelm III. 1813 das preußische Volk durch schöne Worte und herrliche Verheissungen wirklich soweit brachte, daß es glaubte, gegen die Franzosen in einen „Befreiungskrieg“ zu ziehen, obwohl es sich um weiter nichts handelte als um die Unterdrückung der französischen Revolution und die Herstellung der alten Wirthschaft von Gottes Gnaden.

Man weiß, wie die schönen Versprechungen vergessen waren, sobald die heilige Allianz am 30. März 1814 ihren Einzug in Paris gehalten hatten.

Man weiß, wie bei der Rückkehr Napoleons von Elba die Begeisterung des Volkes schon wieder so weit abgekühlt war, daß der Hohenzoller durch das Versprechen einer Konstitution (Edikt vom 22. Mai 1815 — 4 Wochen vor der Schlacht von Waaterloo) den erloschenen Eifer wieder beleben mußte.

Man erinnert sich der Verheißungen der deutschen Bundesakte und der Wiener Schlußakte: Preßfreiheit, Verfassung u. s. w.

Man weiß, wie der „gerechte“ Hohenzoller sein Wort gehalten hat: heilige Allianz und Kongresse zur Unterdrückung der Völker, Karlsbader Beschlüsse, Censur, Polizeidespotismus, Adelsherrschaft, Büreaukratenwillkür, Kabinetsjustiz, Demagogenverfolgungen, Massenverurtheilungen, Finanzverschleuderung und — keine Konstitution.

Man weiß, wie 1820 dem Volk die Nichterhöhung der Steuern und der Staatsschulden garantirt wurde und wie der Hohenzoller sein Wort hielt: Erweiterung der Seehandlung zu einer geheimen Leihanstalt für den Staat.

Man weiß, wie der Hohenzoller auf den Ruf des französischen Volks in der Julirevolution antwortete: Truppenmassen an die Gränze, Niederhaltung des eigenen Volks, Erdrückung der Bewegung in den kleineren deutschen Staaten, schließliche Knechtung dieser Staaten unter die Knute der heiligen Allianz.

Man weiß, wie derselbe Hohenzoller im russisch-polnischen Kriege die Neutralität verletzte, indem er den Russen erlaubte, über sein Gebiet zu passiren und dadurch den Polen in den Rücken zu kommen, indem er ihnen die preußischen Arsenale und Magazine zur Verfügung stellte, indem er jedem geschlagenen russischen Korps eine sichere Zuflucht in Preußen bot.

Man weiß, wie das ganze Bestreben des Hohenzoller'schen Unterknäs, im Einklang mit den Zwecken der heiligen Allianz, dahin ging, den Adel, die Büreaukratie und das Militär in ihrer Herrschaft zu befestigen, alle Freiheit der Aeußerung, allen Einfluß des „beschränkten Unterthanenverstandes“ auf die Regierung mit brutaler Gewalt zu erdrücken, und zwar nicht nur in Preußen, sondern auch im übrigen Deutschland.

Man weiß, daß selten eine Regierungsepoche verflossen ist, in der solche löbliche Absichten mit brutaleren Gewaltmaßregeln durchgesetzt wurden als in der Zeit Friedrich Wilhelm III., besonders von 1815-1840. Nie und nirgends ist so viel verhaftet und verurtheilt worden, nie waren die Festungen so voll politischer Gefangenen, wie unter diesem „gerechten“ Herrscher. Und vollends, wenn man bedenkt, welche unschuldige Tölpel diese Demagogen waren.

Sollen wir auch noch auf den Hohenzoller zu sprechen kommen, der nach dem Mönch von Lehnin „der letzte seines Stammes sein wird“? Sollen wir sprechen von der Wiedergeburt der christlich-germanischen Herrlichkeit und von der Auferstehung der blassen Finanznoth, vom Schwanenorden und vom Obercensurgericht, vom Vereinigten Landtag und von der Generalsynode, vom „Stück Papier“ und von den vergeblichen Versuchen Geld zu borgen und all den übrigen Errungenschaften der glorreichen Epoche von 1840-48? Sollen wir aus Hegel nachweisen warum es gerade ein Komiker sein muß, der die Reihe der Hohenzollern schließt?

Es wird nicht nöthig sein. Die aufgeführten Data reichen hin, um den hohenzollerisch preußischen Namen vollständig zu charakterisiren. Es ist wahr, der Glanz dieses Namens war einen Augenblick geschwächt; aber seit das Siebengestirn Manteuffel u. Cons. die Krone umgibt, ist die alte Herrlichkeit wieder eingezogen. Wieder ist Preußen, wie ehedem, ein Vicekönigreich unter russischer Hoheit; wieder ist der Hohenzoller ein Unterknäs des Selbstherrschers aller Reussen und Oberknäs über alle die kleinen Bojaren von Sachsen, Baiern, Hessen-Homburg, Waldeck u. s. w.; wieder ist der beschränkte Unterthanenverstand in sein altes Recht des Ordre-Parirens eingesetzt. „Mein herrliches Krigsheer“, so lange der Prawoslawny Car selbst es nicht gebraucht, darf in Sachsen, Baden, Hessen und der Pfalz die seit 18 Jahren zu Warschau herrschende Ordnung herstellen, darf im eigenen Lande und in Oestreich die geborstenen Kronen mit Unterthanenblut leimen. Das früher in der Angst und Noth des Herzens gegebene Wort scheert uns ebenso wenig als unsere in Gott ruhenden Ahnen; und sind wir erst zu Hause fertig, so ziehen wir mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen gen Frankreich und erobern das Land wo der Champagner wächst und zerstören das große Babel, das die Mutter aller Sünde ist!

Das sind die Pläne unsrer hohen Regierenden; das ist der sichere Hafen, auf den unser edler Hohenzoller hinsteuert. Daher die sich häufenden Oktroyirungen und Gewaltstreiche, daher die wiederholten Fußtritte für die feige Frankfurter Versammlung; daher die Belagerungszustände, die Verhaftungen und Verfolgungen; daher das Einschreiten der preußischen Soldateska in Dresden und in Süddeutschland.

Aber es gibt noch eine Macht, die von den Herren in Sanssouci freilich gering geachtet wird, die aber dennoch ein donnerndes Wort dazwischen sprechen wird. Das Volk — das Volk, das in Paris wie am Rhein, in Schlesien wie in Oesterreich wuthknirschend auf den Moment der Erhebung wartet, und das, wer weiß wie bald, allen Hohenzollern und allen Ober- und Unterknäsen geben wird, was ihnen gebührt.

070 Crefeld, 8. Mai.

Neulich schrieb ich Ihnen, welch ungeheuern Stoß das hiesige Schwarweißthum in unserer spulenrasselnden Seidenanstalt erhalten hat. Jetzt ist die Aufregung auf eine Höhe gelangt, daß ein furchtbarer Losbruch der bis jetzt gefesselt gewesenen Menge in jedem Augenblick zu erwarten steht. Am Sonntage hielten die Landwehrmänner hiesigen Bezirks und der umliegenden Orte eine letzte große Versammlung und beschlossen, zu dem auf Montag angesetzten Appell zwar zu erscheinen, jedoch dem Major eine energische Protestation dabei zu überreichen, worin sie erklärten, daß sie unter keinen Umständen einer Einberufungsordre Folgen leisten, überhaupt den Befehlen unseres Standrechtsministeriums nimmer nachkommen, vielmehr mit Gut und Blut für die Frankfurter Versammlung einstehen würden.

Montag Morgen hatte sich nun auf dem Appellplatze außer den Landwehrmännern eine große Volksmenge eingefunden. Sie empfing den, im Bewußtsein seiner preußischen Größe herankommenden Major, mit Akklamationen, die ihn vernünftigerweise zum Rückzuge hätten bewegen müssen.

Im Gefühl seiner Größe indeß beachtete er diese Anzeichen eines drohenden Sturmes nicht, redete vielmehr, wie's in „Meinem herrlichen Kriegsheere herkömmlich,“ die Landwehrmänner an, so daß auch die Gemüther dieser in hohem Grade aufgeregt wurden. An ein Abhalten des Appells war nicht mehr zu denken. Unter Drohungen verließ der Tapfere den Platz, fiel aber nun mit seinem Genossen, dem Feldwebel, der aufgeregten Menge in die Hände, die ihn mit einem Steinhagel begrüßte. Ein Steinwurf hat den Major nicht unbedeutend ins Gesicht verwundet. Aufs Aeußerste gereizt, fuhr er sofort mit Extrapost nach Düsseldorf, um Succurs zu holen. In der That erschien er auch Abends wieder mit einer Eskadron Ulanen. Das Volk hatte dies vorausgesehen und sich in großen Haufen am Eingang der Stadt versammelt, um den ungebetenen Gästen den Eingang streitig zu machen, so daß diese sich genöthigt sahen, die Stadt zu umreiten und von der andern Seite einzurücken. Da brach endlich der lang verhaltene Patriotismus unserer Bourgeois-Schwefelgarde in helle Flammen aus. Diese ehrenwerthen Seidenkrämer wollten den tapfern Vaterlandsvertheidigern nicht die Ehre zugestehen, vor ihnen Brutalitäten an dem wehrlosen Volke auszulassen.

Es wurde Allarm geblasen, die Schwefelgarde erschien ziemlich zahlreich, sperrte die Straßen ab und suchte die Menge auseinanderzutreiben, was ihr auch gelang, da Niemand an ernstlichen Widerstand dachte. Die Elite dieses saubern Korps und unsere Bourgeoisie hoch zu Roß wollten indeß ein Mal ihr Müthchen kühlen, sprengten in die Haufen und schlugen blindlings darauf los. Das ließ sich aber das Volk denn doch nicht gefallen; das Pflaster wurde an mehreren Stellen aufgerissen und die herankommenden Ritter von der Elle mit einem solchen Steinhagel begrüßt, daß Ihnen das zweitemal ein solcher Spaß wohl verleidet sein wird. Von einer Kompagnie dieser Helden, die sage ganze 36 Mann stark erschienen war, wurden 12 durch Steinwürfe blessirt. Leider beklagen wir bei dieser saubern Affaire den Tod eines Mannes aus dem Volke, dem von einem Schandarmen der Kopf gespalten wurde. Die Schwefelgalde dagegen beklagt den Verlust von 73 Gewehren, die heute in den Händen von Landwehrmännern und Arbeitern viel besser untergebracht sind. Heute morgen wurden vom Volke an verschiedenen Stellen Kugeln gegossen und so viel wie möglich Waffen herbeigeschafft. Wir erwarten heute eine ernstere Fortsetzung der gestrigen Ereignisse.

Berlin, 7. Mai.

Es ist aus dem Kriegs-Ministerium der Befehl erlassen worden, daß noch mehrere preußische Truppentheile von verschiedenen Richtungen aus unverzüglich nach Dresden aufbrechen sollen.

(Pr. St.-Anz.)
068 Berlin, 6. Mai.

Ueber die englische Note, welche den Einmarsch der Russen nach Mähren, Galizien und Ungarn so plötzlich sistirt, meldet eine hiesige lith. Corresp. folgendes:

„Der Grund, warum dieser Durchmarsch nicht erfolgte, ist lediglich in der Politik des Cabinets zu St. James zu suchen. Die Rolle, die Rußland in den östreichisch-ungarischen Wirren bereits zu spielen angefangen hat und auch in der deutschen Frage zu spielen die beste Lust zeigte, konnte der Aufmerksamkeit des englischen Cabinets nicht entgehen. Eine so weite Einmischung Rußlands konnte die englische Politik nicht billigen. Die Macht Rußlands, der Erschöpfung Oestreichs gegenüber, bedrohte die staatlichen Verhältnisse eines Theils Europa's. Man kannte die Ansprüche, die Rußland gern auf die Donaufürstenthümer geltend machen würde, sobald sich eine passende Gelegenheit dazu zeigte. Der türkische Geschäftsträger hatte schon vor einiger Zeit bei den Höfen zu Paris und London ein Memoire überreicht, in dem auf die Intensionen Rußlands hingewiesen wurde. Das englische Gouvernement sah sich jetzt im Einverständniß mit der französischen Regierung zu einer Note veranlaßt, die den Erfolg gehabt, den weiteren Einmarsch russischer Truppen (und so auch durch Schlesien) nach Ungarn zu verhindern. Dieselbe Note spricht sich, wie versichert wird, auch ziemlich deutlich über die Politik, die England in der deutschen Frage befolgen wird, aus: England erklärt unumwunden, daß es eine direkte Einmischung Rußlands in die deutschen Angelegenheiten eben sowenig dulden werde, als es selbst direkt in die deutsche Entwickelung eingreifen werde. — Die neuen Nummern der Times bringen leitende Artikel, die diesen von dem englischen Ministerium eingeschlagenen Weg deutlich genug vertreten.

X Berlin, 7. Mai.

Aus Dresden nur Gerüchte. Es sollte eine Barrikade in der Schloßgasse vom Militär genommen sein. 1000 Preußen wären von Görlitz in Dresden eingerückt, der Kampf habe gestern Morgen um 3 Uhr wieder ernstlich begonnen u. dgl. m. Andererseits wurde erzählt, das zweite Bataillon Preußen sei bis Burgsdorf gekommen, habe dort aber die Schienen aufgerissen und Alles von Bewaffneten erfüllt gefunden, welche die Waggons umdrängten und die darin eingeschlossenen Soldaten, welche sich natürlich nicht gut vertheidigen konnten, zu massakriren droheten, wenn sie ausstiegen. Der Zug sollte nun zurück, aber schon waren die Schienen auch hinter ihm aufgerissen. Das Bataillon war also festgebannt, bis es versprochen hatte, nicht vorzurücken. Es soll nach Berlin gemeldet haben, ohne Kavallerie und Artillerie könne man nichts machen. Es sollen demnach die Kürassiere aus Brandenburg und die Husaren aus Weißenfels und Merseburg in Sachsen einrücken.

Der Zug, welcher sonst direkt von Dresden, jetzt nur von Röderau oder Jüterbogk in der Nacht kommt, wurde mit noch größerer Spannung von vielen Menschen erwartet. Aber der Bahnhof

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 294. Köln, Donnerstag, den 10. Mai. 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
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        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2014; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2014; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2014; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer</hi>; in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <p>Zu Nro. 292 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt.</p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln, (Die Thaten des Hauses Hohenzollern.) Crefeld. (Unruhen) Berlin. (Neue Aktenstücke Hohenzoller'scher Arroganz. &#x2014; Truppen nach Sachsen. &#x2014; Die englische Note an Rußland. &#x2014; Aus Sachsen. &#x2014; Klatsch.) Breslau. (Volks-Versammlung. &#x2014; Militärische Maßregeln. &#x2014; Ein östreichischer Flüchtling.) Leipzig. (Plakate.) Dresden. (Die Ereignisse vom 6. Mai.) Hannover. (Der König und die Deputation.) Braunschweig. (Gerüchte) Aus der bairischen Pfalz. (Proklamation des Volksausschusses) Wien. (Die Bourgeoisie.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Der Kampf vor Rom. Neapel. (Uebergabe Palermo's.)</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Der Kampf vor Rom. &#x2014; Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung).</p>
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        <head>Deutschland.</head>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 9. Mai.</head>
          <p>Die Regierung des Herrn von Hohenzollern scheint in den letzten Tagen ihrer Existenz und der Existenz des preußischen Staats den alten Ruf des preußischen und Hohenzollern'schen Namens noch einmal auf's Vollste bewähren zu wollen.</p>
          <p>Wer kennt nicht die Charakteristik aus Heine's Gedicht:</p>
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            <l>Ein Kind mit großem Kürbiskopf,</l><lb/>
            <l>Mit langem Schnurrbart, greisem Zopf,</l><lb/>
            <l>Mit spinnig langen, doch starken Aermchen,</l><lb/>
            <l>Mit Riesenmagen, doch kurzen Gedärmchen,</l><lb/>
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          <p>Wer kennt nicht die Treubrüche, die Perfidieen, die Erbschleichereien, durch die jene Familie von Korporälen groß geworden ist, die den Namen Hohenzollern trägt?</p>
          <p>Man weiß, wie der sogenannte &#x201E;große Kurfürst&#x201C; (als ob ein &#x201E;Kurfürst&#x201C; je &#x201E;groß&#x201C; sein könnte!) den ersten Verrath an Polen beging, indem er, der Alliirte Polens gegen Schweden, plötzlich zu den Schweden überging, um Polen im Frieden von Oliva desto besser plündern zu können.</p>
          <p>Man kennt die abgeschmackte Figur Friedrich's I., die brutale Rohheit Friedrich Wilhelm's II.</p>
          <p>Man weiß, wie Friedrich II., der Erfinder des patriarchalischen Despotismus, der Freund der Aufklärung vermittelst der Stockprügel, sein Land an französische Entrepreneurs meistbietend versteigerte; man weiß, wie er sich mit Rußland und Oestreich verband, um einen Raub an Polen zu begehen, der noch jetzt, nach der Revolution von 1848, als ein unabgewaschener Schandfleck auf der deutschen Geschichte sitzt.</p>
          <p>Man weiß, wie Friedrich Wilhelm II. den Raub an Polen vollenden half, wie er die geraubten polnischen National - und Kirchengüter an seine Höflinge verschleuderte.</p>
          <p>Man weiß, wie er 1792 mit Oestreich und England die Coalition zur Unterdrückung der glorreichen französischen Revolution schloß und in Frankreich einfiel; man weiß ebenfalls, wie sein &#x201E;herrliches Kriegsheer&#x201C;, mit Schimpf und Schande bedeckt, aus Frankreich herausgetrieben wurde.</p>
          <p>Man weiß, wie er dann seine Alliirten im Stiche ließ und sich beeilte, mit der französischen Republik Friede zu schließen.</p>
          <p>Man weiß, wie er, der für den legitimen König von Frankreich und Navarra zu schwärmen vorgab, die Krondiamanten eben dieses Königs um ein Billiges der französischen Republick abkaufte und so mit dem Unglück seines &#x201E;Herrn Bruders Liebden&#x201C; Wucher trieb.</p>
          <p>Man weiß wie er, dessen ganzes Leben ein ächt hohenzollersches Gemisch von Ueppigkeit und Mystizismus, von greisenhafter Lüsternheit und kindischem Aberglauben war, die Freiheit der Gedankenäußerung in Bischofswerderschen Edikten mit Füssen trat.</p>
          <p>Man weiß wie sein Nachfolger, <hi rendition="#g">Friedrich Wilhelm</hi> IIII. der &#x201E;Gerechte,&#x201C; seine alten Bundesgenossen für das ihm als Köder hingeworfene Hannover an Napoleon verrieth.</p>
          <p>Man weiß, wie er gleich darauf Napoleon an eben dieselben ehemaligen Bundesgenossen verrieth, indem er im Solde Englands und Rußlands, die in der Person Napoleons verkörperte französische Revolution angriff.</p>
          <p>Man weiß welchen Erfolg dieser Angriff hatte: die unerhörte Niederlage des &#x201E;herrlichen Kriegsheeres&#x201C; bei Jena, das plötzliche Ausbrechen der moralischen Läusekrankheit am ganzen preußischen Staatskörper, eine Reihe von Verräthereien, Niederträchtigkeiten und Kriechereien preußischer Beamten, davor Napoleon und seine Generale sich mit Ekel abwandten.</p>
          <p>Man weiß, wie Friedrich Wilhelm III. 1813 das preußische Volk durch schöne Worte und herrliche Verheissungen wirklich soweit brachte, daß es glaubte, gegen die Franzosen in einen &#x201E;Befreiungskrieg&#x201C; zu ziehen, obwohl es sich um weiter nichts handelte als um die Unterdrückung der französischen Revolution und die Herstellung der alten Wirthschaft von Gottes Gnaden.</p>
          <p>Man weiß, wie die schönen Versprechungen vergessen waren, sobald die heilige Allianz am 30. März 1814 ihren Einzug in Paris gehalten hatten.</p>
          <p>Man weiß, wie bei der Rückkehr Napoleons von Elba die Begeisterung des Volkes schon wieder so weit abgekühlt war, daß der Hohenzoller durch das Versprechen einer Konstitution (Edikt vom 22. Mai 1815 &#x2014; 4 Wochen vor der Schlacht von Waaterloo) den erloschenen Eifer wieder beleben mußte.</p>
          <p>Man erinnert sich der Verheißungen der deutschen Bundesakte und der Wiener Schlußakte: Preßfreiheit, Verfassung u. s. w.</p>
          <p>Man weiß, wie der &#x201E;gerechte&#x201C; Hohenzoller sein Wort gehalten hat: heilige Allianz und Kongresse zur Unterdrückung der Völker, Karlsbader Beschlüsse, Censur, Polizeidespotismus, Adelsherrschaft, Büreaukratenwillkür, Kabinetsjustiz, Demagogenverfolgungen, Massenverurtheilungen, Finanzverschleuderung und &#x2014; keine Konstitution.</p>
          <p>Man weiß, wie 1820 dem Volk die Nichterhöhung der Steuern und der Staatsschulden garantirt wurde und wie der Hohenzoller sein Wort hielt: Erweiterung der Seehandlung zu einer geheimen Leihanstalt für den Staat.</p>
          <p>Man weiß, wie der Hohenzoller auf den Ruf des französischen Volks in der Julirevolution antwortete: Truppenmassen an die Gränze, Niederhaltung des eigenen Volks, Erdrückung der Bewegung in den kleineren deutschen Staaten, schließliche Knechtung dieser Staaten unter die Knute der heiligen Allianz.</p>
          <p>Man weiß, wie derselbe Hohenzoller im russisch-polnischen Kriege die Neutralität verletzte, indem er den Russen erlaubte, über sein Gebiet zu passiren und dadurch den Polen in den Rücken zu kommen, indem er ihnen die preußischen Arsenale und Magazine zur Verfügung stellte, indem er jedem geschlagenen russischen Korps eine sichere Zuflucht in Preußen bot.</p>
          <p>Man weiß, wie das ganze Bestreben des Hohenzoller'schen Unterknäs, im Einklang mit den Zwecken der heiligen Allianz, dahin ging, den Adel, die Büreaukratie und das Militär in ihrer Herrschaft zu befestigen, alle Freiheit der Aeußerung, allen Einfluß des &#x201E;beschränkten Unterthanenverstandes&#x201C; auf die Regierung mit brutaler Gewalt zu erdrücken, und zwar nicht nur in Preußen, sondern auch im übrigen Deutschland.</p>
          <p>Man weiß, daß selten eine Regierungsepoche verflossen ist, in der solche löbliche Absichten mit brutaleren Gewaltmaßregeln durchgesetzt wurden als in der Zeit Friedrich Wilhelm III., besonders von 1815-1840. Nie und nirgends ist so viel verhaftet und verurtheilt worden, nie waren die Festungen so voll politischer Gefangenen, wie unter diesem &#x201E;gerechten&#x201C; Herrscher. Und vollends, wenn man bedenkt, welche unschuldige Tölpel diese Demagogen waren.</p>
          <p>Sollen wir auch noch auf den Hohenzoller zu sprechen kommen, der nach dem Mönch von Lehnin &#x201E;der letzte seines Stammes sein wird&#x201C;? Sollen wir sprechen von der Wiedergeburt der christlich-germanischen Herrlichkeit und von der Auferstehung der blassen Finanznoth, vom Schwanenorden und vom Obercensurgericht, vom Vereinigten Landtag und von der Generalsynode, vom &#x201E;Stück Papier&#x201C; und von den vergeblichen Versuchen Geld zu borgen und all den übrigen Errungenschaften der glorreichen Epoche von 1840-48? Sollen wir aus Hegel nachweisen warum es gerade ein Komiker sein muß, der die Reihe der Hohenzollern schließt?</p>
          <p>Es wird nicht nöthig sein. Die aufgeführten Data reichen hin, um den hohenzollerisch preußischen Namen vollständig zu charakterisiren. Es ist wahr, der Glanz dieses Namens war einen Augenblick geschwächt; aber seit das Siebengestirn Manteuffel u. Cons. die Krone umgibt, ist die alte Herrlichkeit wieder eingezogen. Wieder ist Preußen, wie ehedem, ein Vicekönigreich unter russischer Hoheit; wieder ist der Hohenzoller ein Unterknäs des Selbstherrschers aller Reussen und Oberknäs über alle die kleinen Bojaren von Sachsen, Baiern, Hessen-Homburg, Waldeck u. s. w.; wieder ist der beschränkte Unterthanenverstand in sein altes Recht des Ordre-Parirens eingesetzt. &#x201E;Mein herrliches Krigsheer&#x201C;, so lange der Prawoslawny Car selbst es nicht gebraucht, darf in Sachsen, Baden, Hessen und der Pfalz die seit 18 Jahren zu Warschau herrschende Ordnung herstellen, darf im eigenen Lande und in Oestreich die geborstenen Kronen mit Unterthanenblut leimen. Das früher in der Angst und Noth des Herzens gegebene Wort scheert uns ebenso wenig als unsere in Gott ruhenden Ahnen; und sind wir erst zu Hause fertig, so ziehen wir mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen gen Frankreich und erobern das Land wo der Champagner wächst und zerstören das große Babel, das die Mutter aller Sünde ist!</p>
          <p>Das sind die Pläne unsrer hohen Regierenden; das ist der sichere Hafen, auf den unser edler Hohenzoller hinsteuert. Daher die sich häufenden Oktroyirungen und Gewaltstreiche, daher die wiederholten Fußtritte für die feige Frankfurter Versammlung; daher die Belagerungszustände, die Verhaftungen und Verfolgungen; daher das Einschreiten der preußischen Soldateska in Dresden und in Süddeutschland.</p>
          <p>Aber es gibt noch eine Macht, die von den Herren in Sanssouci freilich gering geachtet wird, die aber dennoch ein donnerndes Wort dazwischen sprechen wird. Das <hi rendition="#b">Volk</hi> &#x2014; das Volk, das in Paris wie am Rhein, in Schlesien wie in Oesterreich wuthknirschend auf den Moment der Erhebung wartet, und das, wer weiß wie bald, allen Hohenzollern und allen Ober- und Unterknäsen geben wird, was ihnen gebührt.</p>
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          <head><bibl><author>070</author></bibl> Crefeld, 8. Mai.</head>
          <p>Neulich schrieb ich Ihnen, welch ungeheuern Stoß das hiesige Schwarweißthum in unserer spulenrasselnden Seidenanstalt erhalten hat. Jetzt ist die Aufregung auf eine Höhe gelangt, daß ein furchtbarer Losbruch der bis jetzt gefesselt gewesenen Menge in jedem Augenblick zu erwarten steht. Am Sonntage hielten die Landwehrmänner hiesigen Bezirks und der umliegenden Orte eine letzte große Versammlung und beschlossen, <hi rendition="#g">zu dem auf Montag angesetzten Appell zwar zu erscheinen,</hi> jedoch dem Major eine <hi rendition="#g">energische Protestation</hi> dabei zu überreichen, worin sie erklärten, daß sie <hi rendition="#g">unter keinen Umständen einer Einberufungsordre Folgen leisten,</hi> überhaupt den Befehlen unseres Standrechtsministeriums nimmer nachkommen, vielmehr mit Gut und Blut für die Frankfurter Versammlung einstehen würden.</p>
          <p>Montag Morgen hatte sich nun auf dem Appellplatze außer den Landwehrmännern eine große Volksmenge eingefunden. Sie empfing den, im Bewußtsein seiner preußischen Größe herankommenden Major, mit Akklamationen, die ihn vernünftigerweise zum Rückzuge hätten bewegen müssen.</p>
          <p>Im Gefühl seiner Größe indeß beachtete er diese Anzeichen eines drohenden Sturmes nicht, redete vielmehr, wie's in &#x201E;Meinem herrlichen Kriegsheere herkömmlich,&#x201C; die Landwehrmänner an, so daß auch die Gemüther dieser in hohem Grade aufgeregt wurden. An ein Abhalten des Appells war nicht mehr zu denken. Unter Drohungen verließ der Tapfere den Platz, fiel aber nun mit seinem Genossen, dem Feldwebel, der aufgeregten Menge in die Hände, die ihn mit einem Steinhagel begrüßte. Ein Steinwurf hat den Major nicht unbedeutend ins Gesicht verwundet. Aufs Aeußerste gereizt, fuhr er sofort mit Extrapost nach Düsseldorf, um Succurs zu holen. In der That erschien er auch Abends wieder mit einer Eskadron Ulanen. Das Volk hatte dies vorausgesehen und sich in großen Haufen am Eingang der Stadt versammelt, um den ungebetenen Gästen den Eingang streitig zu machen, so daß diese sich genöthigt sahen, die Stadt zu umreiten und von der andern Seite einzurücken. Da brach endlich der lang verhaltene Patriotismus unserer Bourgeois-Schwefelgarde in helle Flammen aus. Diese ehrenwerthen Seidenkrämer wollten den tapfern Vaterlandsvertheidigern nicht die Ehre zugestehen, vor ihnen Brutalitäten an dem wehrlosen Volke auszulassen.</p>
          <p>Es wurde Allarm geblasen, die Schwefelgarde erschien ziemlich zahlreich, sperrte die Straßen ab und suchte die Menge auseinanderzutreiben, was ihr auch gelang, da Niemand an ernstlichen Widerstand dachte. Die Elite dieses saubern Korps und unsere Bourgeoisie hoch zu Roß wollten indeß ein Mal ihr Müthchen kühlen, sprengten in die Haufen und schlugen blindlings darauf los. Das ließ sich aber das Volk denn doch nicht gefallen; das Pflaster wurde an mehreren Stellen aufgerissen und die herankommenden Ritter von der Elle mit einem solchen Steinhagel begrüßt, daß Ihnen das zweitemal ein solcher Spaß wohl verleidet sein wird. Von einer Kompagnie dieser Helden, die sage ganze 36 Mann stark erschienen war, wurden 12 durch Steinwürfe blessirt. Leider beklagen wir bei dieser saubern Affaire den Tod eines Mannes aus dem Volke, dem von einem Schandarmen der Kopf gespalten wurde. Die Schwefelgalde dagegen beklagt den Verlust von 73 Gewehren, die heute in den Händen von Landwehrmännern und Arbeitern viel besser untergebracht sind. Heute morgen wurden vom Volke an verschiedenen Stellen Kugeln gegossen und so viel wie möglich Waffen herbeigeschafft. Wir erwarten heute eine ernstere Fortsetzung der gestrigen Ereignisse.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar294_003" type="jArticle">
          <head>Berlin, 7. Mai.</head>
          <p>Es ist aus dem Kriegs-Ministerium der Befehl erlassen worden, daß noch mehrere preußische Truppentheile von verschiedenen Richtungen aus unverzüglich nach Dresden aufbrechen sollen.</p>
          <bibl>(Pr. St.-Anz.)</bibl>
        </div>
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          <head><bibl><author>068</author></bibl> Berlin, 6. Mai.</head>
          <p>Ueber die englische Note, welche den Einmarsch der Russen nach Mähren, Galizien und Ungarn so plötzlich sistirt, meldet eine hiesige lith. Corresp. folgendes:</p>
          <p>&#x201E;Der Grund, warum dieser Durchmarsch nicht erfolgte, ist lediglich in der Politik des Cabinets zu St. James zu suchen. Die Rolle, die Rußland in den östreichisch-ungarischen Wirren bereits zu spielen angefangen hat und auch in der deutschen Frage zu spielen die beste Lust zeigte, konnte der Aufmerksamkeit des englischen Cabinets nicht entgehen. Eine so weite Einmischung Rußlands konnte die englische Politik nicht billigen. Die Macht Rußlands, der Erschöpfung Oestreichs gegenüber, bedrohte die staatlichen Verhältnisse eines Theils Europa's. Man kannte die Ansprüche, die Rußland gern auf die Donaufürstenthümer geltend machen würde, sobald sich eine passende Gelegenheit dazu zeigte. Der türkische Geschäftsträger hatte schon vor einiger Zeit bei den Höfen zu Paris und London ein Memoire überreicht, in dem auf die Intensionen Rußlands hingewiesen wurde. Das englische Gouvernement sah sich jetzt im Einverständniß mit der französischen Regierung zu einer Note veranlaßt, die den Erfolg gehabt, den weiteren Einmarsch russischer Truppen (und so auch durch Schlesien) nach Ungarn zu verhindern. Dieselbe Note spricht sich, wie versichert wird, auch ziemlich deutlich über die Politik, die England in der deutschen Frage befolgen wird, aus: England erklärt unumwunden, daß es eine direkte Einmischung Rußlands in die deutschen Angelegenheiten eben sowenig dulden werde, als es selbst direkt in die deutsche Entwickelung eingreifen werde. &#x2014; Die neuen Nummern der Times bringen leitende Artikel, die diesen von dem englischen Ministerium eingeschlagenen Weg deutlich genug vertreten.</p>
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          <head><bibl><author>X</author></bibl> Berlin, 7. Mai.</head>
          <p>Aus <hi rendition="#g">Dresden</hi> nur Gerüchte. Es sollte eine Barrikade in der Schloßgasse vom Militär genommen sein. 1000 Preußen wären von Görlitz in Dresden eingerückt, der Kampf habe gestern Morgen um 3 Uhr wieder ernstlich begonnen u. dgl. m. Andererseits wurde erzählt, das zweite Bataillon Preußen sei bis Burgsdorf gekommen, habe dort aber die Schienen aufgerissen und Alles von Bewaffneten erfüllt gefunden, welche die Waggons umdrängten und die darin eingeschlossenen Soldaten, welche sich natürlich nicht gut vertheidigen konnten, zu massakriren droheten, wenn sie ausstiegen. Der Zug sollte nun zurück, aber schon waren die Schienen auch hinter ihm aufgerissen. Das Bataillon war also festgebannt, bis es versprochen hatte, nicht vorzurücken. Es soll nach Berlin gemeldet haben, ohne Kavallerie und Artillerie könne man nichts machen. Es sollen demnach die Kürassiere aus Brandenburg und die Husaren aus Weißenfels und Merseburg in Sachsen einrücken.</p>
          <p>Der Zug, welcher sonst direkt von Dresden, jetzt nur von Röderau oder Jüterbogk in der Nacht kommt, wurde mit noch größerer Spannung von vielen Menschen erwartet. Aber der Bahnhof</p>
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[1667/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 294. Köln, Donnerstag, den 10. Mai. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Zu Nro. 292 wurde gestern Morgen ein Extra-Blatt ausgegeben und soviel als möglich versandt. Uebersicht. Deutschland. Köln, (Die Thaten des Hauses Hohenzollern.) Crefeld. (Unruhen) Berlin. (Neue Aktenstücke Hohenzoller'scher Arroganz. — Truppen nach Sachsen. — Die englische Note an Rußland. — Aus Sachsen. — Klatsch.) Breslau. (Volks-Versammlung. — Militärische Maßregeln. — Ein östreichischer Flüchtling.) Leipzig. (Plakate.) Dresden. (Die Ereignisse vom 6. Mai.) Hannover. (Der König und die Deputation.) Braunschweig. (Gerüchte) Aus der bairischen Pfalz. (Proklamation des Volksausschusses) Wien. (Die Bourgeoisie.) Italien. Der Kampf vor Rom. Neapel. (Uebergabe Palermo's.) Französische Republik. Paris. (Der Kampf vor Rom. — Vermischtes. — National-Versammlung). Deutschland. * Köln, 9. Mai. Die Regierung des Herrn von Hohenzollern scheint in den letzten Tagen ihrer Existenz und der Existenz des preußischen Staats den alten Ruf des preußischen und Hohenzollern'schen Namens noch einmal auf's Vollste bewähren zu wollen. Wer kennt nicht die Charakteristik aus Heine's Gedicht: Ein Kind mit großem Kürbiskopf, Mit langem Schnurrbart, greisem Zopf, Mit spinnig langen, doch starken Aermchen, Mit Riesenmagen, doch kurzen Gedärmchen, Ein Wechselbalg — — — Wer kennt nicht die Treubrüche, die Perfidieen, die Erbschleichereien, durch die jene Familie von Korporälen groß geworden ist, die den Namen Hohenzollern trägt? Man weiß, wie der sogenannte „große Kurfürst“ (als ob ein „Kurfürst“ je „groß“ sein könnte!) den ersten Verrath an Polen beging, indem er, der Alliirte Polens gegen Schweden, plötzlich zu den Schweden überging, um Polen im Frieden von Oliva desto besser plündern zu können. Man kennt die abgeschmackte Figur Friedrich's I., die brutale Rohheit Friedrich Wilhelm's II. Man weiß, wie Friedrich II., der Erfinder des patriarchalischen Despotismus, der Freund der Aufklärung vermittelst der Stockprügel, sein Land an französische Entrepreneurs meistbietend versteigerte; man weiß, wie er sich mit Rußland und Oestreich verband, um einen Raub an Polen zu begehen, der noch jetzt, nach der Revolution von 1848, als ein unabgewaschener Schandfleck auf der deutschen Geschichte sitzt. Man weiß, wie Friedrich Wilhelm II. den Raub an Polen vollenden half, wie er die geraubten polnischen National - und Kirchengüter an seine Höflinge verschleuderte. Man weiß, wie er 1792 mit Oestreich und England die Coalition zur Unterdrückung der glorreichen französischen Revolution schloß und in Frankreich einfiel; man weiß ebenfalls, wie sein „herrliches Kriegsheer“, mit Schimpf und Schande bedeckt, aus Frankreich herausgetrieben wurde. Man weiß, wie er dann seine Alliirten im Stiche ließ und sich beeilte, mit der französischen Republik Friede zu schließen. Man weiß, wie er, der für den legitimen König von Frankreich und Navarra zu schwärmen vorgab, die Krondiamanten eben dieses Königs um ein Billiges der französischen Republick abkaufte und so mit dem Unglück seines „Herrn Bruders Liebden“ Wucher trieb. Man weiß wie er, dessen ganzes Leben ein ächt hohenzollersches Gemisch von Ueppigkeit und Mystizismus, von greisenhafter Lüsternheit und kindischem Aberglauben war, die Freiheit der Gedankenäußerung in Bischofswerderschen Edikten mit Füssen trat. Man weiß wie sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm IIII. der „Gerechte,“ seine alten Bundesgenossen für das ihm als Köder hingeworfene Hannover an Napoleon verrieth. Man weiß, wie er gleich darauf Napoleon an eben dieselben ehemaligen Bundesgenossen verrieth, indem er im Solde Englands und Rußlands, die in der Person Napoleons verkörperte französische Revolution angriff. Man weiß welchen Erfolg dieser Angriff hatte: die unerhörte Niederlage des „herrlichen Kriegsheeres“ bei Jena, das plötzliche Ausbrechen der moralischen Läusekrankheit am ganzen preußischen Staatskörper, eine Reihe von Verräthereien, Niederträchtigkeiten und Kriechereien preußischer Beamten, davor Napoleon und seine Generale sich mit Ekel abwandten. Man weiß, wie Friedrich Wilhelm III. 1813 das preußische Volk durch schöne Worte und herrliche Verheissungen wirklich soweit brachte, daß es glaubte, gegen die Franzosen in einen „Befreiungskrieg“ zu ziehen, obwohl es sich um weiter nichts handelte als um die Unterdrückung der französischen Revolution und die Herstellung der alten Wirthschaft von Gottes Gnaden. Man weiß, wie die schönen Versprechungen vergessen waren, sobald die heilige Allianz am 30. März 1814 ihren Einzug in Paris gehalten hatten. Man weiß, wie bei der Rückkehr Napoleons von Elba die Begeisterung des Volkes schon wieder so weit abgekühlt war, daß der Hohenzoller durch das Versprechen einer Konstitution (Edikt vom 22. Mai 1815 — 4 Wochen vor der Schlacht von Waaterloo) den erloschenen Eifer wieder beleben mußte. Man erinnert sich der Verheißungen der deutschen Bundesakte und der Wiener Schlußakte: Preßfreiheit, Verfassung u. s. w. Man weiß, wie der „gerechte“ Hohenzoller sein Wort gehalten hat: heilige Allianz und Kongresse zur Unterdrückung der Völker, Karlsbader Beschlüsse, Censur, Polizeidespotismus, Adelsherrschaft, Büreaukratenwillkür, Kabinetsjustiz, Demagogenverfolgungen, Massenverurtheilungen, Finanzverschleuderung und — keine Konstitution. Man weiß, wie 1820 dem Volk die Nichterhöhung der Steuern und der Staatsschulden garantirt wurde und wie der Hohenzoller sein Wort hielt: Erweiterung der Seehandlung zu einer geheimen Leihanstalt für den Staat. Man weiß, wie der Hohenzoller auf den Ruf des französischen Volks in der Julirevolution antwortete: Truppenmassen an die Gränze, Niederhaltung des eigenen Volks, Erdrückung der Bewegung in den kleineren deutschen Staaten, schließliche Knechtung dieser Staaten unter die Knute der heiligen Allianz. Man weiß, wie derselbe Hohenzoller im russisch-polnischen Kriege die Neutralität verletzte, indem er den Russen erlaubte, über sein Gebiet zu passiren und dadurch den Polen in den Rücken zu kommen, indem er ihnen die preußischen Arsenale und Magazine zur Verfügung stellte, indem er jedem geschlagenen russischen Korps eine sichere Zuflucht in Preußen bot. Man weiß, wie das ganze Bestreben des Hohenzoller'schen Unterknäs, im Einklang mit den Zwecken der heiligen Allianz, dahin ging, den Adel, die Büreaukratie und das Militär in ihrer Herrschaft zu befestigen, alle Freiheit der Aeußerung, allen Einfluß des „beschränkten Unterthanenverstandes“ auf die Regierung mit brutaler Gewalt zu erdrücken, und zwar nicht nur in Preußen, sondern auch im übrigen Deutschland. Man weiß, daß selten eine Regierungsepoche verflossen ist, in der solche löbliche Absichten mit brutaleren Gewaltmaßregeln durchgesetzt wurden als in der Zeit Friedrich Wilhelm III., besonders von 1815-1840. Nie und nirgends ist so viel verhaftet und verurtheilt worden, nie waren die Festungen so voll politischer Gefangenen, wie unter diesem „gerechten“ Herrscher. Und vollends, wenn man bedenkt, welche unschuldige Tölpel diese Demagogen waren. Sollen wir auch noch auf den Hohenzoller zu sprechen kommen, der nach dem Mönch von Lehnin „der letzte seines Stammes sein wird“? Sollen wir sprechen von der Wiedergeburt der christlich-germanischen Herrlichkeit und von der Auferstehung der blassen Finanznoth, vom Schwanenorden und vom Obercensurgericht, vom Vereinigten Landtag und von der Generalsynode, vom „Stück Papier“ und von den vergeblichen Versuchen Geld zu borgen und all den übrigen Errungenschaften der glorreichen Epoche von 1840-48? Sollen wir aus Hegel nachweisen warum es gerade ein Komiker sein muß, der die Reihe der Hohenzollern schließt? Es wird nicht nöthig sein. Die aufgeführten Data reichen hin, um den hohenzollerisch preußischen Namen vollständig zu charakterisiren. Es ist wahr, der Glanz dieses Namens war einen Augenblick geschwächt; aber seit das Siebengestirn Manteuffel u. Cons. die Krone umgibt, ist die alte Herrlichkeit wieder eingezogen. Wieder ist Preußen, wie ehedem, ein Vicekönigreich unter russischer Hoheit; wieder ist der Hohenzoller ein Unterknäs des Selbstherrschers aller Reussen und Oberknäs über alle die kleinen Bojaren von Sachsen, Baiern, Hessen-Homburg, Waldeck u. s. w.; wieder ist der beschränkte Unterthanenverstand in sein altes Recht des Ordre-Parirens eingesetzt. „Mein herrliches Krigsheer“, so lange der Prawoslawny Car selbst es nicht gebraucht, darf in Sachsen, Baden, Hessen und der Pfalz die seit 18 Jahren zu Warschau herrschende Ordnung herstellen, darf im eigenen Lande und in Oestreich die geborstenen Kronen mit Unterthanenblut leimen. Das früher in der Angst und Noth des Herzens gegebene Wort scheert uns ebenso wenig als unsere in Gott ruhenden Ahnen; und sind wir erst zu Hause fertig, so ziehen wir mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen gen Frankreich und erobern das Land wo der Champagner wächst und zerstören das große Babel, das die Mutter aller Sünde ist! Das sind die Pläne unsrer hohen Regierenden; das ist der sichere Hafen, auf den unser edler Hohenzoller hinsteuert. Daher die sich häufenden Oktroyirungen und Gewaltstreiche, daher die wiederholten Fußtritte für die feige Frankfurter Versammlung; daher die Belagerungszustände, die Verhaftungen und Verfolgungen; daher das Einschreiten der preußischen Soldateska in Dresden und in Süddeutschland. Aber es gibt noch eine Macht, die von den Herren in Sanssouci freilich gering geachtet wird, die aber dennoch ein donnerndes Wort dazwischen sprechen wird. Das Volk — das Volk, das in Paris wie am Rhein, in Schlesien wie in Oesterreich wuthknirschend auf den Moment der Erhebung wartet, und das, wer weiß wie bald, allen Hohenzollern und allen Ober- und Unterknäsen geben wird, was ihnen gebührt. 070 Crefeld, 8. Mai. Neulich schrieb ich Ihnen, welch ungeheuern Stoß das hiesige Schwarweißthum in unserer spulenrasselnden Seidenanstalt erhalten hat. Jetzt ist die Aufregung auf eine Höhe gelangt, daß ein furchtbarer Losbruch der bis jetzt gefesselt gewesenen Menge in jedem Augenblick zu erwarten steht. Am Sonntage hielten die Landwehrmänner hiesigen Bezirks und der umliegenden Orte eine letzte große Versammlung und beschlossen, zu dem auf Montag angesetzten Appell zwar zu erscheinen, jedoch dem Major eine energische Protestation dabei zu überreichen, worin sie erklärten, daß sie unter keinen Umständen einer Einberufungsordre Folgen leisten, überhaupt den Befehlen unseres Standrechtsministeriums nimmer nachkommen, vielmehr mit Gut und Blut für die Frankfurter Versammlung einstehen würden. Montag Morgen hatte sich nun auf dem Appellplatze außer den Landwehrmännern eine große Volksmenge eingefunden. Sie empfing den, im Bewußtsein seiner preußischen Größe herankommenden Major, mit Akklamationen, die ihn vernünftigerweise zum Rückzuge hätten bewegen müssen. Im Gefühl seiner Größe indeß beachtete er diese Anzeichen eines drohenden Sturmes nicht, redete vielmehr, wie's in „Meinem herrlichen Kriegsheere herkömmlich,“ die Landwehrmänner an, so daß auch die Gemüther dieser in hohem Grade aufgeregt wurden. An ein Abhalten des Appells war nicht mehr zu denken. Unter Drohungen verließ der Tapfere den Platz, fiel aber nun mit seinem Genossen, dem Feldwebel, der aufgeregten Menge in die Hände, die ihn mit einem Steinhagel begrüßte. Ein Steinwurf hat den Major nicht unbedeutend ins Gesicht verwundet. Aufs Aeußerste gereizt, fuhr er sofort mit Extrapost nach Düsseldorf, um Succurs zu holen. In der That erschien er auch Abends wieder mit einer Eskadron Ulanen. Das Volk hatte dies vorausgesehen und sich in großen Haufen am Eingang der Stadt versammelt, um den ungebetenen Gästen den Eingang streitig zu machen, so daß diese sich genöthigt sahen, die Stadt zu umreiten und von der andern Seite einzurücken. Da brach endlich der lang verhaltene Patriotismus unserer Bourgeois-Schwefelgarde in helle Flammen aus. Diese ehrenwerthen Seidenkrämer wollten den tapfern Vaterlandsvertheidigern nicht die Ehre zugestehen, vor ihnen Brutalitäten an dem wehrlosen Volke auszulassen. Es wurde Allarm geblasen, die Schwefelgarde erschien ziemlich zahlreich, sperrte die Straßen ab und suchte die Menge auseinanderzutreiben, was ihr auch gelang, da Niemand an ernstlichen Widerstand dachte. Die Elite dieses saubern Korps und unsere Bourgeoisie hoch zu Roß wollten indeß ein Mal ihr Müthchen kühlen, sprengten in die Haufen und schlugen blindlings darauf los. Das ließ sich aber das Volk denn doch nicht gefallen; das Pflaster wurde an mehreren Stellen aufgerissen und die herankommenden Ritter von der Elle mit einem solchen Steinhagel begrüßt, daß Ihnen das zweitemal ein solcher Spaß wohl verleidet sein wird. Von einer Kompagnie dieser Helden, die sage ganze 36 Mann stark erschienen war, wurden 12 durch Steinwürfe blessirt. Leider beklagen wir bei dieser saubern Affaire den Tod eines Mannes aus dem Volke, dem von einem Schandarmen der Kopf gespalten wurde. Die Schwefelgalde dagegen beklagt den Verlust von 73 Gewehren, die heute in den Händen von Landwehrmännern und Arbeitern viel besser untergebracht sind. Heute morgen wurden vom Volke an verschiedenen Stellen Kugeln gegossen und so viel wie möglich Waffen herbeigeschafft. Wir erwarten heute eine ernstere Fortsetzung der gestrigen Ereignisse. Berlin, 7. Mai. Es ist aus dem Kriegs-Ministerium der Befehl erlassen worden, daß noch mehrere preußische Truppentheile von verschiedenen Richtungen aus unverzüglich nach Dresden aufbrechen sollen. (Pr. St.-Anz.) 068 Berlin, 6. Mai. Ueber die englische Note, welche den Einmarsch der Russen nach Mähren, Galizien und Ungarn so plötzlich sistirt, meldet eine hiesige lith. Corresp. folgendes: „Der Grund, warum dieser Durchmarsch nicht erfolgte, ist lediglich in der Politik des Cabinets zu St. James zu suchen. Die Rolle, die Rußland in den östreichisch-ungarischen Wirren bereits zu spielen angefangen hat und auch in der deutschen Frage zu spielen die beste Lust zeigte, konnte der Aufmerksamkeit des englischen Cabinets nicht entgehen. Eine so weite Einmischung Rußlands konnte die englische Politik nicht billigen. Die Macht Rußlands, der Erschöpfung Oestreichs gegenüber, bedrohte die staatlichen Verhältnisse eines Theils Europa's. Man kannte die Ansprüche, die Rußland gern auf die Donaufürstenthümer geltend machen würde, sobald sich eine passende Gelegenheit dazu zeigte. Der türkische Geschäftsträger hatte schon vor einiger Zeit bei den Höfen zu Paris und London ein Memoire überreicht, in dem auf die Intensionen Rußlands hingewiesen wurde. Das englische Gouvernement sah sich jetzt im Einverständniß mit der französischen Regierung zu einer Note veranlaßt, die den Erfolg gehabt, den weiteren Einmarsch russischer Truppen (und so auch durch Schlesien) nach Ungarn zu verhindern. Dieselbe Note spricht sich, wie versichert wird, auch ziemlich deutlich über die Politik, die England in der deutschen Frage befolgen wird, aus: England erklärt unumwunden, daß es eine direkte Einmischung Rußlands in die deutschen Angelegenheiten eben sowenig dulden werde, als es selbst direkt in die deutsche Entwickelung eingreifen werde. — Die neuen Nummern der Times bringen leitende Artikel, die diesen von dem englischen Ministerium eingeschlagenen Weg deutlich genug vertreten. X Berlin, 7. Mai. Aus Dresden nur Gerüchte. Es sollte eine Barrikade in der Schloßgasse vom Militär genommen sein. 1000 Preußen wären von Görlitz in Dresden eingerückt, der Kampf habe gestern Morgen um 3 Uhr wieder ernstlich begonnen u. dgl. m. Andererseits wurde erzählt, das zweite Bataillon Preußen sei bis Burgsdorf gekommen, habe dort aber die Schienen aufgerissen und Alles von Bewaffneten erfüllt gefunden, welche die Waggons umdrängten und die darin eingeschlossenen Soldaten, welche sich natürlich nicht gut vertheidigen konnten, zu massakriren droheten, wenn sie ausstiegen. Der Zug sollte nun zurück, aber schon waren die Schienen auch hinter ihm aufgerissen. Das Bataillon war also festgebannt, bis es versprochen hatte, nicht vorzurücken. Es soll nach Berlin gemeldet haben, ohne Kavallerie und Artillerie könne man nichts machen. Es sollen demnach die Kürassiere aus Brandenburg und die Husaren aus Weißenfels und Merseburg in Sachsen einrücken. Der Zug, welcher sonst direkt von Dresden, jetzt nur von Röderau oder Jüterbogk in der Nacht kommt, wurde mit noch größerer Spannung von vielen Menschen erwartet. Aber der Bahnhof

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 294. Köln, 10. Mai 1849, S. 1667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz294_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.