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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 298. Köln, 15. Mai 1849.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 298. Köln, Dienstag, den 15. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. -- Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. -- Nur frankirte Briefe werden angenommen. -- Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Die Wiener Post ist ausgeblieben.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Vorfälle in Düsseldorf. -- Mordthaten. -- Aufhetzung des Militärs). Elberfeld. (Ein Wideruf. -- Amtlicher Bericht). Hagen. (Die Landwehr. -- Die 17er. -- Wegnahme von Kriegsmunition). Iserlohn. (Verbarrikadirung der Stadt. -- Bewaffnete Zuzüge. -- Kampfentschlossenheit). Soest. (Erklärung der Landwehr. -- Bewaffnung. -- Guerillas). Berlin. (Klatsch). Breslau. (Weitere Russentransporte. -- Inquisition auf den Bahnhöfen). Ratibor. (Russentransporte). Prag. (Der Belagerungszustand proklamirt). Dresden. (Die Gefangenen. -- Zahl der preußischen Hülfstruppen). Leipzig. (Scharmützel mit den Insurgenten. -- Steckbriefe. -- Die Insurgenten nach Chemnitz). Braunschweig. (Ein preußischer Euphemismus). Frankfurt. (National-Versammlung. -- Geist unter den baierischen Soldaten). Mannheim. (Kongreß und Volksversammlung in Offenburg). Ludwigshafen. (Vermehrung der pfälzischen Streitkräfte). Kempten. (Volksversammlung).

Italien. Rom. (Maßregeln wieder die Franzosen und Neapolitaner. -- Adresse des römischen Volkes an die Pariser). Palermo. (Neue Erhebung des Volkes). Turin. (Ministerwechsel. -- Romarino). Mestre (Beschießung von Malghera).

Französische Republik. Paris. (St. Veitstanz der Bourgeois. -- Vermischtes. -- National-Versammlung).

Großbritannien. London. (Englands auswärtige Politik).

Deutschland.
* Köln, 12. Mai.

Wir erhalten fortwährend neue Berichte über die Düsseldorfer Ereignisse, aus denen wir noch folgende Schilderung des Kampfes selbst mittheilen:

Als am 10. d., Abends 8 Uhr, sich die Nachricht verbreitete, daß die nach Elberfeld gesendeten Truppen am Nachmittag daselbst ruhig eingezogen, dann aber auf dem Neumarkt plötzlich vom Volk eingeschlossen worden seien, bemächtigte sich die wüthendste Aufregung der hiesigen (Düsseldorfer) Bevölkerung. Man sprach davon, die Eisenbahn aufzureißen, um alle fernern Militärzuzüge nach Elberfeld abzuhalten. Einige Ueberspannte aber, ohne an den gänzlichrn Mangel an Waffen in der offenen Stadt zu denken, begannen sofort in den Hauptstraßen Barrikaden zu bauen.

An der Neustraßer-Ecke wurde mit Blitzesschnelle eine riesige, überaus starke Barrikade errichtet, auf welcher sich höchstens 10 Bewaffnete befanden. Die Artillerie rasselte heran und feuerte zweimal mit Kartätschen. Der erste Schuß that uns keinen sonderlichen Schaden; bei dem zweiten fielen meine beiden Nebenmänner, zwei Arbeiter, welche eben ihre abgeschossenen Gewehre wieder geladen hatten.

An dieser Barrikade stand der tapfere Pole Mielefsky, welcher mit jedem Schuß seinen Mann traf, und dannn mit dem Rufe: "A bas les Prussiens!" seine kleine polnische Mütze schwang. Der Kampf hatte hier noch nicht lange gewährt, als von der untern Neustraße eine starke Patrouille mit einem Führer ankam. Man konnte nicht erkennen, ob es Freunde oder Feinde seien, da es einestheils an Licht gebrach, anderntheils die Preußen ihre Pickelhauben abgenommen hatten. Mielefsky rief sie mit den Worten an: "Seid ihr Bürger oder Feinde!" Die Truppen antworteten: "Bürger!" Mielefsky lud darauf unbesorgt seine Büchse wieder, als plötzlich das Kommandowort: "Feuer!" erscholl, und die elenden Feiglinge eine volle Salve gaben. Mielefsky fiel von zwei Kugeln durch bohrt mit dem Rufe: "Es lebe Polen! Es lebe Deutschland!"

Die übrigen Kämpfer zogen sich nach der zweiten Barrikade zurück, welche bei dem Wirth Heinrich Baursch an der Bolckerstraßen-Ecke stand, dessen Haus bereits zu einem wahren Lazareth geworden war, wo die Verwundeten mit der größten Aufopferung von dem wackern Wirth gepflegt wurden.

Durch das Sturmläuten kamen von Gerresheim, Ratingen und andern Orten Zuzüge an. Die Gerresheimer Bürgerwehr war nur schwach, stellte sich aber augenblicklich auf die Barrikade und eröffnete ein unermüdliches Feuer, in welchem 19 preußische Croaten fielen. Auf Seite der Gerresheimer wurden der Chef und vier Bürger schwer verwundet. Von Düsseldorfern zählte man 13 Todte und 4 schwer Verwundete, die bereits am andern Morgen amputirt werden mußten. Nur drei von ihnen sind indeß auf den Barrikaden gefallen, die übrigen nach Aufhören des Kampfes meuchlings gemordet worden. Die Drei sind der Pole Mielefsky und meine beiden Nachbarn von der ersten Barrikade, welche durch den zweiten Kartätschenschuß fielen.

Die zehn Bürger hat man des Morgens, wie Alles vorüber war, folgendermaßen gemeuchelt. Den Kaufmann Friedrich Hartmann, als er des Morgens aus der Restauration der Wwe. Breidenbach nach seinem Hause gehen wollte; den Fuhrmann Schwieger, als er sich auf der Ratingerstraße seine Karre wieder holen wollte, die man zum Barrikadenbau benutzt hatte; den Fuhrmann Schwerdts ebenso; einen Bürger, der mit einer Kaffeekanne zu seinem Nachbar ging; einen Greis von 66 Jahren, als er seine Fensterläden öffnen wollte, u. s. w. u. s. w.; endlich wurde noch um 10 Uhr Morgens ein Mädchen, welches über den Rathhausplatz ging, von einem Unteroffizier, der mit 4 Mann hier stand, mit der teuflischsten Kaltblütigkeit erschossen.

Ich will das Gerücht nicht unerwähnt lassen, wonach der Unteroffizier standrechtlich erschossen werden sollte; bei dem bekannten Gerechtigkeitssinn militärischer Mordhöfe schenke ich aber dieser Nachricht eben keinen großen Glauben. Auf Seiten des Militärs sind 89 Todte, 4 Offiziere, 6 Unteroffiziere und 79 Gemeine. In der Residenz-Mühlenstraße hat man 48 der getödteten Soldaten auf einem Leiterwagen nach der Holzheimer Haide gefahren und dort unter starker Militärbegleitung verscharrt. In derselben Weise sind auf dem Jesuitenhofe ebenfalls 31 Soldaten weggeschafft worden. Ich kann Ihnen die Augenzeugen für Wahrheit dieser Mittheilung schaffen.

Der Pole Mielefsky liegt in einem mit rothem Sammt ausgeschlagenen Sarg, den die Frauen Düsseldorf's ausgeschmückt haben."

095 Düsseldorf, 12. Mai.

Die Hetzjagd der Soldaten auf wehrlose Bürger scheint noch nicht zu Ende; um halb vier Uhr Nachmittags wurde ein Mann von einem berittenen Uhlanen an der Kaserne niedergestochen und sterbend in's Thor getragen. Die Ursache dieses brutalen Mordes konnte der Augenzeuge nicht ermitteln.

Die Offiziere scheinen eine wahre Lust an der Ausübung solch' nobler Passionen zu finden. Wie Sie wissen, wurde vorgestern ein Dienstmädchen auf der Straße von einer Schildwache erschossen. Ein Bürger, der es sah, stürzte außer sich über diese Gräuelthat in sein Haus, und schlug entsetzt die Hände über seinem Haupte zusammen. Als der anwesende Lieutenant von Fürth die Ursache seines Schreckens erfahren, bemerkte er lächelnd: Um so besser, wenigstens setzt diese Dirne keine so abscheuliche Brut in die Welt!

Die hier und in der Umgegend stehenden Infanteristen sind meist ganz junge Leute, und es befremdete mich, daß sie sich zu blinden Mordwerkzeugen gegen ihre Brüder gebrauchen lassen. So eben hatte ich ein kleines Pröbchen, auf welche infame Weise Offiziere bemüht sind, diesen unnatürlichen Haß hervorzurufen und anzuschüren. Ein Viertel vor 7 Uhr tritt ein Offizier in den Bahnhof, fordert ein Billet und erzählt den Herumstehenden: die Elberfelder hätten zwei zurückgelassene kranke Soldaten in kleine Stücke zerschnitten. -- Der Bemerkung eines Zuhörers, daß die Nachricht augenscheinlich erdichtet sein müsse, erwidert er in militärischem Tone, daß er die Richtigkeit verbürge, -- tritt sofort hinaus auf die Plattform, woselbst ungefähr 15 Soldaten mit geladenen Gewehren und gespanntem Hahn Wache halten, und erzählt jedem einzelnen dieselbe Lüge, indem er achselzuckend fragte: Na, was sagt ihr dazu, wie eure Kameraden von den Revolutionären zerschnitten werden?

* Elberfeld, 13. Mai.

Die hiesige Zeitung bringt in Folgendem einen Widerruf dessen, was sie gestern fälschlich zum Nachtheil des Elberfelder Aufstandes behauptet hatte. Sie sagt:

"In einem gestrigen Privatartikel wurde berichtet, daß hie und da gewaltthätige Eingriffe ins Eigenthum stattgefunden haben sollen. Von guter Seite wird uns hingegen versichert, daß dieses nicht der Fall gewesen. Wir berichten dieses um so lieber, als jede Plünderung, jede Gewaltthat an Personen der Bewegung den Charakter der Ehrlosigkeit aufdrücken würde. Auf Elberfeld sind in diesem Augenblicke die Augen Deutschlands gerichtet, das Vaterland verlangt von ihm, daß Bürger- und Landwehr gemeinschaftlich ihre Kräfte vereinen, die Sache der deutschen Nation vor dem Schmutze gemeiner Vergehen und Verbrechen zu bewahren. So weit wir selbst beobachten konnten, müssen wir gestehen, daß eine musterhafte Ordnung und Ruhe in der Stadt geherrscht hat (vergleiche die Infamien der "Kölnischen Zeitung"); wären die Barrikaden weggeräumt und sähe man nicht die Massen der Bewaffneten, würde Jeder glauben, daß die gewohnte Ruhe nicht aus Elberfeld gewichen sei. Es kommen noch immer bewaffnete Zuzüge aus der Umgegend herein und diesen Morgen langte noch eine Abtheilung Solinger an, die wohlbewaffnet und nach der Haltung zu urtheilen, größtentheils aus Landwehrmännern zu bestehen schien. Die Solinger sollen, wie berichtet wird, das Landwehrzeughaus zu Gräfrath gestürmt, und aus demselben außer einer Anzahl Pistolen und Säbel, 1500 Flinten genommen haben; an den letztern fehlten zwar die Pistons und an mehreren auch die Schlösser, die Solinger Waffenschmiede haben diesem Mangel aber bald abgeholfen und in diesem Augenblicke scheinen alle Waffen dienstfähig zu sein. Unsere Bürgerwehr zeichnet sich in ihren verschiedenen Korps durch zahlreiche Theilnahme, durch unverdrossene Wachsamkeit und energisches Handeln aus. Die in Essen zusammengezogenen Landwehrmänner sind auf Urlaub entlassen worden und diese Nacht zogen etwa 80 Mann in Uniform aber ohne Waffen in Elberfeld ein."

Amtlicher Bericht des Sicherheits-Ausschusses über die Vorfälle zu Elberfeld am 9. und 10. Mai 1849.

Gestern (9.) Nachmittags gegen 3 Uhr rückten ein Bataillon des 16. Infanterie-Regiments, 2 Stück Geschütze und eine Schwadron Ulanen hier ein, obwohl ein Theil des Gemeinderaths, der Ober-Bürgermeister an der Spitze, dem das Detachement begleitenden Civil-Commissar, Ober-Regierungsrath von Spankern, die dringendsten Gegen-Vorstellungen gemacht hatte. Herr v. Spankern hatte dieselben in einer nichtssagenden Weise abgewiesen, und trotzdem, daß auf das nachdrücklichste und von allen Seiten versichert worden war, daß die Ordnung der Stadt nicht im Geringsten gefährdet und eine Störung derselben nur, wenn Militär einrücke, zu besorgen sei, ließ er den Einzug desselben vor sich geben.

Das auf das freundlichste empfangene Militär kehrte nach einigen Hin- und Herzügen nach dem Königsplatze zurück, rückte aber gegen 7 Uhr wieder in das Innere der Stadt, wo sich nun ein Kampf vor mehreren inzwischen erbauten Barrikaden entspann. In demselben wurden ein Infanterie-Kapitän und ein Arbeiter getödtet, auf beiden Seiten wurden Mehrere verwundet. Die Zahl derselben ist noch nicht zuverlässig ermittelt. Zwei Bürger sind diesen Morgen an ihren Wunden gestorben, die verwundeten Militärs aber bei dem um 1/2 4 Uhr erfolgten Rückzuge mit weggenommen worden. Auch einige unserer Mitbürger haben als Gefangene diesen Rückzug mitmachen müssen. Fünf Kanonenschüsse wurden auf die Barrikaden abgefeuert.

Nachdem heute (10.) Morgens der Ober-Bürgermeister so wie das gesammte Personal der Polizei und des Landrath-Amtes aus der Stadt verschwunden war und sich ein vorläufiger Sicherheits-Ausschuß gebildet hatte, wurde derselbe von dem Gemeinderath genehmigt und aus seiner Mitte und der Bürgerschaft ergänzt. Er hat sich unausgesetzt mit der Sicherheit der Stadt nach innen und außen beschäftigt. Die Stadt gleicht einer Festung, Barrikaden reihen sich an Barrikaden, und mehrere Lazarethe sind eingerichtet. Zuzug aus der Umgegend von nah und fern haben den ganzen Tag zahlreich Statt gefunden.

In der ganzen Bewegung spricht sich nur der Gedanke aus, daß man ein einiges freies Deutschland, selbst im Widerspruch mit den Fürsten, haben und die Reichs-Verfassung unbedingt anerkennen will, daß man mit Vertrauen auf die National-Versammlung in Frankfurt blickt, daß man entschlossen ist, mit allen Mitteln sich vor einem Angriff des Militärs sicher zu stellen, desselben aber auch nicht für die innere Sicherheit der Stadt bedarf.

So zahlreich und verschiedenartig auch die Bewohnerschaft unserer sonst so friedlichen Stadt ist, Alle sind sich der Größe und des Ernstes der ihnen gestellten Aufgabe, den übereinstimmenden Willen eines zur Freiheit erwachten Volkes klar auszusprechen und mit männlichem Muthe zu bethätigen, bewußt. Die Tausende, die bewaffnet oder unbewaffnet zu uns gezogen, sind bereitwillig von unseren Mitbürgern ins Quartier aufgenommen worden; sie haben, von den Anstrengungen des gestrigen und heutigen Tages erschöpft, sich zur Ruhe begeben, mit Ausnahme der in Gemeinschaft mit unserer Bürgerwehr zu Posten und Patrouillen bestimmten Mannschaft, und hört man jetzt, 10 Uhr, in den Straßen unserer Stadt nur die Schritte und Rufe der Wachtposten zwischen den haushohen Barrikaden schallen. Der entschlossene Bürgersinn will Freiheit und Ordnung; letztere wird erhalten werden, wenn durch bewaffnete Macht erstere nicht gefährdet wird.

Hagen, 11. Mai.

Die Bewegung für die deutsche Reichsverfassung ist auch im Herzen der "treuen" Grafschaft Mark zur That geworden. Die verkehrte Maßregel der Einberufung der Landwehr hat dieses zur Thatwerden beschleunigt. Gestern sollte das Iserlohner Bataillon hier zur Einkleidung in Empfang genommen werden; die Leute erklärten jedoch fast einstimmig, daß sie sich nur der Reichsversammlung in Frankfurt zur Disposition stellten. Der Major mußte sich mit diesem Bescheide entfernen. In dem benachbarten Iserlohn ist man auf einen ernsthaften Kampf gerüstet. Barrikade über Barrikade ist in der Stadt. Gestern marschirten 2 Kompagnieen vom 17. Inf.-Reg., sowie eine halbe Schwadron Ulanen hierdurch, um gegen Iserlohn verwandt zu werden. Die Iserlohner, die die Waffen des Zeughauses, so wie mehrere Geschütze in Händen haben, sind darauf vorbereitet. Zuzüge von allen Seiten gehen nach Iserlohn; auch von Hagen und Umgegend zog diesen Morgen eine gut bewaffnete Schaar von 7-800 Mann den Iserlohnern zu Hülfe. Greift das Militär an, so wird viel Blut fließen; man glaubt aber noch nicht an ein ernsthaftes Einschreiten des Militärs. In Hagen selbst ist ein Sicherheitscomite zur Aufrechthaltung der Ordnung gegen anarchische Bestrebungen eingerichtet. Die Begeisterung für die deutsche Bewegung ist allgemein und man bestrebt sich, sie von unreinen Elementen fern zu halten. Vielleicht hat die Grafschaft Mark noch den Triumph, dem Ministerium Brandenburg-Manteuffel die Augen über die Stimmung des Volkes geöffnet und es zum Abtreten genöthigt zu haben.

(E. Z.)
34 Hagen, 12. Mai.

Hier in Westphalen stehen wir Alle unter Waffen. In Iserlohn wird bei einem etwaigen Bombardement der Kampf in diesen Tagen beginnen. Die 17ner weigern sich auf das Volk zu schießen. Gestern Abend und diesen Morgen haben wir einen Wagen voll Pulver und Patronen und einen Wagen voll Kartätschen in Beschlag genommen. In allen Büschen und Schluchten steht das Landvolk bewaffnet und bereit, gegen die zum Bombardement von Iserlohn beorderte Artillerie den Kampf zu versuchen.

078 Iserlohn, 11. Mai.

Gestern sollte das Einkleiden der Landwehr beginnen. Da wurden auf einmal Barrikaden gebaut, um die im Anrücken begriffene 13er, angeblich 500 Mann, abzuwehren. Es waren jedoch nur 100 Mann, die auch wieder umkehrten. Jetzt wuchsen die Barrikaden aus der Erde. Es gibt deren jetzt circa 35. Um 11 Uhr wurde das Zeughaus gestürmt und Alles bewaffnete sich. Dadurch sind außer den 600 Gewehren der Bürgerwehr noch 1000 Landwehrflinten, viele Carabiner, Pistolen, Säbel und Lanzen vertheilt worden. Jeder ist bis zu den Zähnen bewaffnet. Außerdem hat Iserlohn wenigstens 1000 Privatflinten, worunter circa 300 Büchsen. Gestern Abend sollte ein Kommando von Hagen, 250 Mann 17er Infanterie, und 360 Ulanen einrücken. Diese wurden aber vom Landwehr-Major zurückbeordert, und liegen in Limburg. Der Stadtrath trat zusammen und sandte eine Deputation nach Münster. Der Landwehr-Major, der die Landwehr bereits auseinander gehen hieß oder für aufgelöst erklärte, hat seinen Abschied eingereicht und sich vor ein Kriegsgericht gestellt.

Alex Loebecke übernahm gestern das Oberkommando, säuberte die Insurgenten-Reihen von Besoffenen und Kindern und während der Nacht blieb alles ruhig. Heute hat die Stadt ein äußerst kriegerisches Ansehen. Kein waffenfähiger Mann darf heraus. Jeder muß Theil nehmen, so habe ich auch meine Büchse erhalten. Augenblicklich sind in Iserlohn 2500 bewaffnete Bürger, alle fest entschlossen, kein feindlich gesinntes Militär in die Stadt zu lassen. Die Schützen halten alle Berge und Pässe besetzt.

So eben kömmt bewaffneter Zuzug aus der ganzen Umgegend von Menden 150, von Hagen 600 von Schwerte, Altena, Lüdenscheid etc. Jetzt sind schon 3500 Bewaffnete hier. Die Kanonen von Limburg und Nachrodt hatte man gestern schon geholt. Wir können jetzt mit Geschützen antworten. Die Bauern wollten den ermüdeten Soldaten (100 Mann) 13ner nicht einmal was zu essen geben. Die so eben zurückgekehrte Deputation bringt mit, daß während der nächsten 48 Stunden gegen die Stadt nichts vorgenommen werden soll, bis die Antwort von Berlin zurück sei. Die Barrikaden werden nicht fortgeräumt.

Es trifft dagegen fortwährend neuer Zuzug ein. Die in Limburg stehenden Soldaten haben bereits mehrfach erklärt, daß sie nicht aufs Volk schießen würden. Alle Postwagen sind zu Barrikaden benutzt. Beinahe alle Verbindung ist gehemmt. So eben ist Volksversammlung.

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 298. Köln, Dienstag, den 15. Mai. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Die Wiener Post ist ausgeblieben.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Die Vorfälle in Düsseldorf. — Mordthaten. — Aufhetzung des Militärs). Elberfeld. (Ein Wideruf. — Amtlicher Bericht). Hagen. (Die Landwehr. — Die 17er. — Wegnahme von Kriegsmunition). Iserlohn. (Verbarrikadirung der Stadt. — Bewaffnete Zuzüge. — Kampfentschlossenheit). Soest. (Erklärung der Landwehr. — Bewaffnung. — Guerillas). Berlin. (Klatsch). Breslau. (Weitere Russentransporte. — Inquisition auf den Bahnhöfen). Ratibor. (Russentransporte). Prag. (Der Belagerungszustand proklamirt). Dresden. (Die Gefangenen. — Zahl der preußischen Hülfstruppen). Leipzig. (Scharmützel mit den Insurgenten. — Steckbriefe. — Die Insurgenten nach Chemnitz). Braunschweig. (Ein preußischer Euphemismus). Frankfurt. (National-Versammlung. — Geist unter den baierischen Soldaten). Mannheim. (Kongreß und Volksversammlung in Offenburg). Ludwigshafen. (Vermehrung der pfälzischen Streitkräfte). Kempten. (Volksversammlung).

Italien. Rom. (Maßregeln wieder die Franzosen und Neapolitaner. — Adresse des römischen Volkes an die Pariser). Palermo. (Neue Erhebung des Volkes). Turin. (Ministerwechsel. — Romarino). Mestre (Beschießung von Malghera).

Französische Republik. Paris. (St. Veitstanz der Bourgeois. — Vermischtes. — National-Versammlung).

Großbritannien. London. (Englands auswärtige Politik).

Deutschland.
* Köln, 12. Mai.

Wir erhalten fortwährend neue Berichte über die Düsseldorfer Ereignisse, aus denen wir noch folgende Schilderung des Kampfes selbst mittheilen:

Als am 10. d., Abends 8 Uhr, sich die Nachricht verbreitete, daß die nach Elberfeld gesendeten Truppen am Nachmittag daselbst ruhig eingezogen, dann aber auf dem Neumarkt plötzlich vom Volk eingeschlossen worden seien, bemächtigte sich die wüthendste Aufregung der hiesigen (Düsseldorfer) Bevölkerung. Man sprach davon, die Eisenbahn aufzureißen, um alle fernern Militärzuzüge nach Elberfeld abzuhalten. Einige Ueberspannte aber, ohne an den gänzlichrn Mangel an Waffen in der offenen Stadt zu denken, begannen sofort in den Hauptstraßen Barrikaden zu bauen.

An der Neustraßer-Ecke wurde mit Blitzesschnelle eine riesige, überaus starke Barrikade errichtet, auf welcher sich höchstens 10 Bewaffnete befanden. Die Artillerie rasselte heran und feuerte zweimal mit Kartätschen. Der erste Schuß that uns keinen sonderlichen Schaden; bei dem zweiten fielen meine beiden Nebenmänner, zwei Arbeiter, welche eben ihre abgeschossenen Gewehre wieder geladen hatten.

An dieser Barrikade stand der tapfere Pole Mielefsky, welcher mit jedem Schuß seinen Mann traf, und dannn mit dem Rufe: «A bas les Prussiens!» seine kleine polnische Mütze schwang. Der Kampf hatte hier noch nicht lange gewährt, als von der untern Neustraße eine starke Patrouille mit einem Führer ankam. Man konnte nicht erkennen, ob es Freunde oder Feinde seien, da es einestheils an Licht gebrach, anderntheils die Preußen ihre Pickelhauben abgenommen hatten. Mielefsky rief sie mit den Worten an: „Seid ihr Bürger oder Feinde!“ Die Truppen antworteten: „Bürger!“ Mielefsky lud darauf unbesorgt seine Büchse wieder, als plötzlich das Kommandowort: „Feuer!“ erscholl, und die elenden Feiglinge eine volle Salve gaben. Mielefsky fiel von zwei Kugeln durch bohrt mit dem Rufe: „Es lebe Polen! Es lebe Deutschland!“

Die übrigen Kämpfer zogen sich nach der zweiten Barrikade zurück, welche bei dem Wirth Heinrich Baursch an der Bolckerstraßen-Ecke stand, dessen Haus bereits zu einem wahren Lazareth geworden war, wo die Verwundeten mit der größten Aufopferung von dem wackern Wirth gepflegt wurden.

Durch das Sturmläuten kamen von Gerresheim, Ratingen und andern Orten Zuzüge an. Die Gerresheimer Bürgerwehr war nur schwach, stellte sich aber augenblicklich auf die Barrikade und eröffnete ein unermüdliches Feuer, in welchem 19 preußische Croaten fielen. Auf Seite der Gerresheimer wurden der Chef und vier Bürger schwer verwundet. Von Düsseldorfern zählte man 13 Todte und 4 schwer Verwundete, die bereits am andern Morgen amputirt werden mußten. Nur drei von ihnen sind indeß auf den Barrikaden gefallen, die übrigen nach Aufhören des Kampfes meuchlings gemordet worden. Die Drei sind der Pole Mielefsky und meine beiden Nachbarn von der ersten Barrikade, welche durch den zweiten Kartätschenschuß fielen.

Die zehn Bürger hat man des Morgens, wie Alles vorüber war, folgendermaßen gemeuchelt. Den Kaufmann Friedrich Hartmann, als er des Morgens aus der Restauration der Wwe. Breidenbach nach seinem Hause gehen wollte; den Fuhrmann Schwieger, als er sich auf der Ratingerstraße seine Karre wieder holen wollte, die man zum Barrikadenbau benutzt hatte; den Fuhrmann Schwerdts ebenso; einen Bürger, der mit einer Kaffeekanne zu seinem Nachbar ging; einen Greis von 66 Jahren, als er seine Fensterläden öffnen wollte, u. s. w. u. s. w.; endlich wurde noch um 10 Uhr Morgens ein Mädchen, welches über den Rathhausplatz ging, von einem Unteroffizier, der mit 4 Mann hier stand, mit der teuflischsten Kaltblütigkeit erschossen.

Ich will das Gerücht nicht unerwähnt lassen, wonach der Unteroffizier standrechtlich erschossen werden sollte; bei dem bekannten Gerechtigkeitssinn militärischer Mordhöfe schenke ich aber dieser Nachricht eben keinen großen Glauben. Auf Seiten des Militärs sind 89 Todte, 4 Offiziere, 6 Unteroffiziere und 79 Gemeine. In der Residenz-Mühlenstraße hat man 48 der getödteten Soldaten auf einem Leiterwagen nach der Holzheimer Haide gefahren und dort unter starker Militärbegleitung verscharrt. In derselben Weise sind auf dem Jesuitenhofe ebenfalls 31 Soldaten weggeschafft worden. Ich kann Ihnen die Augenzeugen für Wahrheit dieser Mittheilung schaffen.

Der Pole Mielefsky liegt in einem mit rothem Sammt ausgeschlagenen Sarg, den die Frauen Düsseldorf's ausgeschmückt haben.“

095 Düsseldorf, 12. Mai.

Die Hetzjagd der Soldaten auf wehrlose Bürger scheint noch nicht zu Ende; um halb vier Uhr Nachmittags wurde ein Mann von einem berittenen Uhlanen an der Kaserne niedergestochen und sterbend in's Thor getragen. Die Ursache dieses brutalen Mordes konnte der Augenzeuge nicht ermitteln.

Die Offiziere scheinen eine wahre Lust an der Ausübung solch' nobler Passionen zu finden. Wie Sie wissen, wurde vorgestern ein Dienstmädchen auf der Straße von einer Schildwache erschossen. Ein Bürger, der es sah, stürzte außer sich über diese Gräuelthat in sein Haus, und schlug entsetzt die Hände über seinem Haupte zusammen. Als der anwesende Lieutenant von Fürth die Ursache seines Schreckens erfahren, bemerkte er lächelnd: Um so besser, wenigstens setzt diese Dirne keine so abscheuliche Brut in die Welt!

Die hier und in der Umgegend stehenden Infanteristen sind meist ganz junge Leute, und es befremdete mich, daß sie sich zu blinden Mordwerkzeugen gegen ihre Brüder gebrauchen lassen. So eben hatte ich ein kleines Pröbchen, auf welche infame Weise Offiziere bemüht sind, diesen unnatürlichen Haß hervorzurufen und anzuschüren. Ein Viertel vor 7 Uhr tritt ein Offizier in den Bahnhof, fordert ein Billet und erzählt den Herumstehenden: die Elberfelder hätten zwei zurückgelassene kranke Soldaten in kleine Stücke zerschnitten. — Der Bemerkung eines Zuhörers, daß die Nachricht augenscheinlich erdichtet sein müsse, erwidert er in militärischem Tone, daß er die Richtigkeit verbürge, — tritt sofort hinaus auf die Plattform, woselbst ungefähr 15 Soldaten mit geladenen Gewehren und gespanntem Hahn Wache halten, und erzählt jedem einzelnen dieselbe Lüge, indem er achselzuckend fragte: Na, was sagt ihr dazu, wie eure Kameraden von den Revolutionären zerschnitten werden?

* Elberfeld, 13. Mai.

Die hiesige Zeitung bringt in Folgendem einen Widerruf dessen, was sie gestern fälschlich zum Nachtheil des Elberfelder Aufstandes behauptet hatte. Sie sagt:

„In einem gestrigen Privatartikel wurde berichtet, daß hie und da gewaltthätige Eingriffe ins Eigenthum stattgefunden haben sollen. Von guter Seite wird uns hingegen versichert, daß dieses nicht der Fall gewesen. Wir berichten dieses um so lieber, als jede Plünderung, jede Gewaltthat an Personen der Bewegung den Charakter der Ehrlosigkeit aufdrücken würde. Auf Elberfeld sind in diesem Augenblicke die Augen Deutschlands gerichtet, das Vaterland verlangt von ihm, daß Bürger- und Landwehr gemeinschaftlich ihre Kräfte vereinen, die Sache der deutschen Nation vor dem Schmutze gemeiner Vergehen und Verbrechen zu bewahren. So weit wir selbst beobachten konnten, müssen wir gestehen, daß eine musterhafte Ordnung und Ruhe in der Stadt geherrscht hat (vergleiche die Infamien der „Kölnischen Zeitung“); wären die Barrikaden weggeräumt und sähe man nicht die Massen der Bewaffneten, würde Jeder glauben, daß die gewohnte Ruhe nicht aus Elberfeld gewichen sei. Es kommen noch immer bewaffnete Zuzüge aus der Umgegend herein und diesen Morgen langte noch eine Abtheilung Solinger an, die wohlbewaffnet und nach der Haltung zu urtheilen, größtentheils aus Landwehrmännern zu bestehen schien. Die Solinger sollen, wie berichtet wird, das Landwehrzeughaus zu Gräfrath gestürmt, und aus demselben außer einer Anzahl Pistolen und Säbel, 1500 Flinten genommen haben; an den letztern fehlten zwar die Pistons und an mehreren auch die Schlösser, die Solinger Waffenschmiede haben diesem Mangel aber bald abgeholfen und in diesem Augenblicke scheinen alle Waffen dienstfähig zu sein. Unsere Bürgerwehr zeichnet sich in ihren verschiedenen Korps durch zahlreiche Theilnahme, durch unverdrossene Wachsamkeit und energisches Handeln aus. Die in Essen zusammengezogenen Landwehrmänner sind auf Urlaub entlassen worden und diese Nacht zogen etwa 80 Mann in Uniform aber ohne Waffen in Elberfeld ein.“

Amtlicher Bericht des Sicherheits-Ausschusses über die Vorfälle zu Elberfeld am 9. und 10. Mai 1849.

Gestern (9.) Nachmittags gegen 3 Uhr rückten ein Bataillon des 16. Infanterie-Regiments, 2 Stück Geschütze und eine Schwadron Ulanen hier ein, obwohl ein Theil des Gemeinderaths, der Ober-Bürgermeister an der Spitze, dem das Detachement begleitenden Civil-Commissar, Ober-Regierungsrath von Spankern, die dringendsten Gegen-Vorstellungen gemacht hatte. Herr v. Spankern hatte dieselben in einer nichtssagenden Weise abgewiesen, und trotzdem, daß auf das nachdrücklichste und von allen Seiten versichert worden war, daß die Ordnung der Stadt nicht im Geringsten gefährdet und eine Störung derselben nur, wenn Militär einrücke, zu besorgen sei, ließ er den Einzug desselben vor sich geben.

Das auf das freundlichste empfangene Militär kehrte nach einigen Hin- und Herzügen nach dem Königsplatze zurück, rückte aber gegen 7 Uhr wieder in das Innere der Stadt, wo sich nun ein Kampf vor mehreren inzwischen erbauten Barrikaden entspann. In demselben wurden ein Infanterie-Kapitän und ein Arbeiter getödtet, auf beiden Seiten wurden Mehrere verwundet. Die Zahl derselben ist noch nicht zuverlässig ermittelt. Zwei Bürger sind diesen Morgen an ihren Wunden gestorben, die verwundeten Militärs aber bei dem um 1/2 4 Uhr erfolgten Rückzuge mit weggenommen worden. Auch einige unserer Mitbürger haben als Gefangene diesen Rückzug mitmachen müssen. Fünf Kanonenschüsse wurden auf die Barrikaden abgefeuert.

Nachdem heute (10.) Morgens der Ober-Bürgermeister so wie das gesammte Personal der Polizei und des Landrath-Amtes aus der Stadt verschwunden war und sich ein vorläufiger Sicherheits-Ausschuß gebildet hatte, wurde derselbe von dem Gemeinderath genehmigt und aus seiner Mitte und der Bürgerschaft ergänzt. Er hat sich unausgesetzt mit der Sicherheit der Stadt nach innen und außen beschäftigt. Die Stadt gleicht einer Festung, Barrikaden reihen sich an Barrikaden, und mehrere Lazarethe sind eingerichtet. Zuzug aus der Umgegend von nah und fern haben den ganzen Tag zahlreich Statt gefunden.

In der ganzen Bewegung spricht sich nur der Gedanke aus, daß man ein einiges freies Deutschland, selbst im Widerspruch mit den Fürsten, haben und die Reichs-Verfassung unbedingt anerkennen will, daß man mit Vertrauen auf die National-Versammlung in Frankfurt blickt, daß man entschlossen ist, mit allen Mitteln sich vor einem Angriff des Militärs sicher zu stellen, desselben aber auch nicht für die innere Sicherheit der Stadt bedarf.

So zahlreich und verschiedenartig auch die Bewohnerschaft unserer sonst so friedlichen Stadt ist, Alle sind sich der Größe und des Ernstes der ihnen gestellten Aufgabe, den übereinstimmenden Willen eines zur Freiheit erwachten Volkes klar auszusprechen und mit männlichem Muthe zu bethätigen, bewußt. Die Tausende, die bewaffnet oder unbewaffnet zu uns gezogen, sind bereitwillig von unseren Mitbürgern ins Quartier aufgenommen worden; sie haben, von den Anstrengungen des gestrigen und heutigen Tages erschöpft, sich zur Ruhe begeben, mit Ausnahme der in Gemeinschaft mit unserer Bürgerwehr zu Posten und Patrouillen bestimmten Mannschaft, und hört man jetzt, 10 Uhr, in den Straßen unserer Stadt nur die Schritte und Rufe der Wachtposten zwischen den haushohen Barrikaden schallen. Der entschlossene Bürgersinn will Freiheit und Ordnung; letztere wird erhalten werden, wenn durch bewaffnete Macht erstere nicht gefährdet wird.

Hagen, 11. Mai.

Die Bewegung für die deutsche Reichsverfassung ist auch im Herzen der „treuen“ Grafschaft Mark zur That geworden. Die verkehrte Maßregel der Einberufung der Landwehr hat dieses zur Thatwerden beschleunigt. Gestern sollte das Iserlohner Bataillon hier zur Einkleidung in Empfang genommen werden; die Leute erklärten jedoch fast einstimmig, daß sie sich nur der Reichsversammlung in Frankfurt zur Disposition stellten. Der Major mußte sich mit diesem Bescheide entfernen. In dem benachbarten Iserlohn ist man auf einen ernsthaften Kampf gerüstet. Barrikade über Barrikade ist in der Stadt. Gestern marschirten 2 Kompagnieen vom 17. Inf.-Reg., sowie eine halbe Schwadron Ulanen hierdurch, um gegen Iserlohn verwandt zu werden. Die Iserlohner, die die Waffen des Zeughauses, so wie mehrere Geschütze in Händen haben, sind darauf vorbereitet. Zuzüge von allen Seiten gehen nach Iserlohn; auch von Hagen und Umgegend zog diesen Morgen eine gut bewaffnete Schaar von 7-800 Mann den Iserlohnern zu Hülfe. Greift das Militär an, so wird viel Blut fließen; man glaubt aber noch nicht an ein ernsthaftes Einschreiten des Militärs. In Hagen selbst ist ein Sicherheitscomite zur Aufrechthaltung der Ordnung gegen anarchische Bestrebungen eingerichtet. Die Begeisterung für die deutsche Bewegung ist allgemein und man bestrebt sich, sie von unreinen Elementen fern zu halten. Vielleicht hat die Grafschaft Mark noch den Triumph, dem Ministerium Brandenburg-Manteuffel die Augen über die Stimmung des Volkes geöffnet und es zum Abtreten genöthigt zu haben.

(E. Z.)
34 Hagen, 12. Mai.

Hier in Westphalen stehen wir Alle unter Waffen. In Iserlohn wird bei einem etwaigen Bombardement der Kampf in diesen Tagen beginnen. Die 17ner weigern sich auf das Volk zu schießen. Gestern Abend und diesen Morgen haben wir einen Wagen voll Pulver und Patronen und einen Wagen voll Kartätschen in Beschlag genommen. In allen Büschen und Schluchten steht das Landvolk bewaffnet und bereit, gegen die zum Bombardement von Iserlohn beorderte Artillerie den Kampf zu versuchen.

078 Iserlohn, 11. Mai.

Gestern sollte das Einkleiden der Landwehr beginnen. Da wurden auf einmal Barrikaden gebaut, um die im Anrücken begriffene 13er, angeblich 500 Mann, abzuwehren. Es waren jedoch nur 100 Mann, die auch wieder umkehrten. Jetzt wuchsen die Barrikaden aus der Erde. Es gibt deren jetzt circa 35. Um 11 Uhr wurde das Zeughaus gestürmt und Alles bewaffnete sich. Dadurch sind außer den 600 Gewehren der Bürgerwehr noch 1000 Landwehrflinten, viele Carabiner, Pistolen, Säbel und Lanzen vertheilt worden. Jeder ist bis zu den Zähnen bewaffnet. Außerdem hat Iserlohn wenigstens 1000 Privatflinten, worunter circa 300 Büchsen. Gestern Abend sollte ein Kommando von Hagen, 250 Mann 17er Infanterie, und 360 Ulanen einrücken. Diese wurden aber vom Landwehr-Major zurückbeordert, und liegen in Limburg. Der Stadtrath trat zusammen und sandte eine Deputation nach Münster. Der Landwehr-Major, der die Landwehr bereits auseinander gehen hieß oder für aufgelöst erklärte, hat seinen Abschied eingereicht und sich vor ein Kriegsgericht gestellt.

Alex Loebecke übernahm gestern das Oberkommando, säuberte die Insurgenten-Reihen von Besoffenen und Kindern und während der Nacht blieb alles ruhig. Heute hat die Stadt ein äußerst kriegerisches Ansehen. Kein waffenfähiger Mann darf heraus. Jeder muß Theil nehmen, so habe ich auch meine Büchse erhalten. Augenblicklich sind in Iserlohn 2500 bewaffnete Bürger, alle fest entschlossen, kein feindlich gesinntes Militär in die Stadt zu lassen. Die Schützen halten alle Berge und Pässe besetzt.

So eben kömmt bewaffneter Zuzug aus der ganzen Umgegend von Menden 150, von Hagen 600 von Schwerte, Altena, Lüdenscheid etc. Jetzt sind schon 3500 Bewaffnete hier. Die Kanonen von Limburg und Nachrodt hatte man gestern schon geholt. Wir können jetzt mit Geschützen antworten. Die Bauern wollten den ermüdeten Soldaten (100 Mann) 13ner nicht einmal was zu essen geben. Die so eben zurückgekehrte Deputation bringt mit, daß während der nächsten 48 Stunden gegen die Stadt nichts vorgenommen werden soll, bis die Antwort von Berlin zurück sei. Die Barrikaden werden nicht fortgeräumt.

Es trifft dagegen fortwährend neuer Zuzug ein. Die in Limburg stehenden Soldaten haben bereits mehrfach erklärt, daß sie nicht aufs Volk schießen würden. Alle Postwagen sind zu Barrikaden benutzt. Beinahe alle Verbindung ist gehemmt. So eben ist Volksversammlung.

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 298. Köln, Dienstag, den 15. Mai. 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
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        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2014; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2014; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2014; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer</hi>; in Düsseldorf bei F. W. <hi rendition="#g">Schmitz</hi>, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <p> <hi rendition="#b">Die Wiener Post ist ausgeblieben.</hi> </p>
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        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Die Vorfälle in Düsseldorf. &#x2014; Mordthaten. &#x2014; Aufhetzung des Militärs). Elberfeld. (Ein Wideruf. &#x2014; Amtlicher Bericht). Hagen. (Die Landwehr. &#x2014; Die 17er. &#x2014; Wegnahme von Kriegsmunition). Iserlohn. (Verbarrikadirung der Stadt. &#x2014; Bewaffnete Zuzüge. &#x2014; Kampfentschlossenheit). Soest. (Erklärung der Landwehr. &#x2014; Bewaffnung. &#x2014; Guerillas). Berlin. (Klatsch). Breslau. (Weitere Russentransporte. &#x2014; Inquisition auf den Bahnhöfen). Ratibor. (Russentransporte). Prag. (Der <hi rendition="#g">Belagerungszustand</hi> proklamirt). Dresden. (Die Gefangenen. &#x2014; Zahl der preußischen Hülfstruppen). Leipzig. (Scharmützel mit den Insurgenten. &#x2014; Steckbriefe. &#x2014; Die Insurgenten nach Chemnitz). Braunschweig. (Ein preußischer Euphemismus). Frankfurt. (National-Versammlung. &#x2014; Geist unter den baierischen Soldaten). Mannheim. (Kongreß und Volksversammlung in Offenburg). Ludwigshafen. (Vermehrung der pfälzischen Streitkräfte). Kempten. (Volksversammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. Rom. (Maßregeln wieder die Franzosen und Neapolitaner. &#x2014; Adresse des römischen Volkes an die Pariser). Palermo. (Neue Erhebung des Volkes). Turin. (Ministerwechsel. &#x2014; Romarino). Mestre (Beschießung von Malghera).</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (St. Veitstanz der Bourgeois. &#x2014; Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Englands auswärtige Politik).</p>
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        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar298_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 12. Mai.</head>
          <p>Wir erhalten fortwährend neue Berichte über die Düsseldorfer Ereignisse, aus denen wir noch folgende Schilderung des Kampfes selbst mittheilen:</p>
          <p>Als am 10. d., Abends 8 Uhr, sich die Nachricht verbreitete, daß die nach Elberfeld gesendeten Truppen am Nachmittag daselbst ruhig eingezogen, dann aber auf dem Neumarkt plötzlich vom Volk eingeschlossen worden seien, bemächtigte sich die wüthendste Aufregung der hiesigen (Düsseldorfer) Bevölkerung. Man sprach davon, die Eisenbahn aufzureißen, um alle fernern Militärzuzüge nach Elberfeld abzuhalten. Einige Ueberspannte aber, ohne an den gänzlichrn Mangel an Waffen in der offenen Stadt zu denken, begannen sofort in den Hauptstraßen Barrikaden zu bauen.</p>
          <p>An der Neustraßer-Ecke wurde mit Blitzesschnelle eine riesige, überaus starke Barrikade errichtet, auf welcher sich höchstens 10 Bewaffnete befanden. Die Artillerie rasselte heran und feuerte zweimal mit Kartätschen. Der erste Schuß that uns keinen sonderlichen Schaden; bei dem zweiten fielen meine beiden Nebenmänner, zwei Arbeiter, welche eben ihre abgeschossenen Gewehre wieder geladen hatten.</p>
          <p>An dieser Barrikade stand der tapfere Pole Mielefsky, welcher mit jedem Schuß seinen Mann traf, und dannn mit dem Rufe: «A bas les Prussiens!» seine kleine polnische Mütze schwang. Der Kampf hatte hier noch nicht lange gewährt, als von der untern Neustraße eine starke Patrouille mit einem Führer ankam. Man konnte nicht erkennen, ob es Freunde oder Feinde seien, da es einestheils an Licht gebrach, anderntheils die Preußen ihre Pickelhauben abgenommen hatten. Mielefsky rief sie mit den Worten an: &#x201E;Seid ihr Bürger oder Feinde!&#x201C; Die Truppen antworteten: &#x201E;Bürger!&#x201C; Mielefsky lud darauf unbesorgt seine Büchse wieder, als plötzlich das Kommandowort: &#x201E;Feuer!&#x201C; erscholl, und die elenden Feiglinge eine volle Salve gaben. Mielefsky fiel von zwei Kugeln durch bohrt mit dem Rufe: &#x201E;Es lebe Polen! Es lebe Deutschland!&#x201C;</p>
          <p>Die übrigen Kämpfer zogen sich nach der zweiten Barrikade zurück, welche bei dem Wirth Heinrich Baursch an der Bolckerstraßen-Ecke stand, dessen Haus bereits zu einem wahren Lazareth geworden war, wo die Verwundeten mit der größten Aufopferung von dem wackern Wirth gepflegt wurden.</p>
          <p>Durch das Sturmläuten kamen von Gerresheim, Ratingen und andern Orten Zuzüge an. Die Gerresheimer Bürgerwehr war nur schwach, stellte sich aber augenblicklich auf die Barrikade und eröffnete ein unermüdliches Feuer, in welchem 19 preußische Croaten fielen. Auf Seite der Gerresheimer wurden der Chef und vier Bürger schwer verwundet. Von Düsseldorfern zählte man 13 Todte und 4 schwer Verwundete, die bereits am andern Morgen amputirt werden mußten. Nur drei von ihnen sind indeß auf den Barrikaden gefallen, die übrigen nach Aufhören des Kampfes meuchlings gemordet worden. Die Drei sind der Pole Mielefsky und meine beiden Nachbarn von der ersten Barrikade, welche durch den zweiten Kartätschenschuß fielen.</p>
          <p>Die zehn Bürger hat man des Morgens, wie Alles vorüber war, folgendermaßen gemeuchelt. Den Kaufmann Friedrich Hartmann, als er des Morgens aus der Restauration der Wwe. Breidenbach nach seinem Hause gehen wollte; den Fuhrmann Schwieger, als er sich auf der Ratingerstraße seine Karre wieder holen wollte, die man zum Barrikadenbau benutzt hatte; den Fuhrmann Schwerdts ebenso; einen Bürger, der mit einer Kaffeekanne zu seinem Nachbar ging; einen Greis von 66 Jahren, als er seine Fensterläden öffnen wollte, u. s. w. u. s. w.; endlich wurde noch um 10 Uhr Morgens ein Mädchen, welches über den Rathhausplatz ging, von einem Unteroffizier, der mit 4 Mann hier stand, mit der teuflischsten Kaltblütigkeit erschossen.</p>
          <p>Ich will das Gerücht nicht unerwähnt lassen, wonach der Unteroffizier standrechtlich erschossen werden sollte; bei dem bekannten Gerechtigkeitssinn militärischer Mordhöfe schenke ich aber dieser Nachricht eben keinen großen Glauben. Auf Seiten des Militärs sind 89 Todte, 4 Offiziere, 6 Unteroffiziere und 79 Gemeine. In der Residenz-Mühlenstraße hat man 48 der getödteten Soldaten auf einem Leiterwagen nach der Holzheimer Haide gefahren und dort unter starker Militärbegleitung verscharrt. In derselben Weise sind auf dem Jesuitenhofe ebenfalls 31 Soldaten weggeschafft worden. Ich kann Ihnen die Augenzeugen für Wahrheit dieser Mittheilung schaffen.</p>
          <p>Der Pole Mielefsky liegt in einem mit rothem Sammt ausgeschlagenen Sarg, den die Frauen Düsseldorf's ausgeschmückt haben.&#x201C;</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>095</author></bibl> Düsseldorf, 12. Mai.</head>
          <p>Die Hetzjagd der Soldaten auf wehrlose Bürger scheint noch nicht zu Ende; um halb vier Uhr Nachmittags wurde ein Mann von einem berittenen Uhlanen an der Kaserne niedergestochen und sterbend in's Thor getragen. Die Ursache dieses brutalen Mordes konnte der Augenzeuge nicht ermitteln.</p>
          <p>Die Offiziere scheinen eine wahre Lust an der Ausübung solch' nobler Passionen zu finden. Wie Sie wissen, wurde vorgestern ein Dienstmädchen auf der Straße von einer Schildwache erschossen. Ein Bürger, der es sah, stürzte außer sich über diese Gräuelthat in sein Haus, und schlug entsetzt die Hände über seinem Haupte zusammen. Als der anwesende Lieutenant von Fürth die Ursache seines Schreckens erfahren, bemerkte er lächelnd: Um so besser, wenigstens setzt diese Dirne keine so abscheuliche Brut in die Welt!</p>
          <p>Die hier und in der Umgegend stehenden Infanteristen sind meist ganz junge Leute, und es befremdete mich, daß sie sich zu blinden Mordwerkzeugen gegen ihre Brüder gebrauchen lassen. So eben hatte ich ein kleines Pröbchen, auf welche infame Weise Offiziere bemüht sind, diesen unnatürlichen Haß hervorzurufen und anzuschüren. Ein Viertel vor 7 Uhr tritt ein Offizier in den Bahnhof, fordert ein Billet und erzählt den Herumstehenden: die Elberfelder hätten zwei zurückgelassene kranke Soldaten in kleine Stücke zerschnitten. &#x2014; Der Bemerkung eines Zuhörers, daß die Nachricht augenscheinlich erdichtet sein müsse, erwidert er in militärischem Tone, daß er die Richtigkeit verbürge, &#x2014; tritt sofort hinaus auf die Plattform, woselbst ungefähr 15 Soldaten mit geladenen Gewehren und gespanntem Hahn Wache halten, und erzählt jedem einzelnen dieselbe Lüge, indem er achselzuckend fragte: Na, was sagt ihr dazu, wie eure Kameraden von den Revolutionären zerschnitten werden?</p>
        </div>
        <div xml:id="ar298_003" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Elberfeld, 13. Mai.</head>
          <p>Die hiesige Zeitung bringt in Folgendem einen Widerruf dessen, was sie gestern fälschlich zum Nachtheil des Elberfelder Aufstandes behauptet hatte. Sie sagt:</p>
          <p>&#x201E;In einem gestrigen Privatartikel wurde berichtet, daß hie und da gewaltthätige Eingriffe ins Eigenthum stattgefunden haben sollen. Von guter Seite wird uns hingegen versichert, daß dieses nicht der Fall gewesen. Wir berichten dieses um so lieber, als jede Plünderung, jede Gewaltthat an Personen der Bewegung den Charakter der Ehrlosigkeit aufdrücken würde. Auf Elberfeld sind in diesem Augenblicke die Augen Deutschlands gerichtet, das Vaterland verlangt von ihm, daß Bürger- und Landwehr gemeinschaftlich ihre Kräfte vereinen, die Sache der deutschen Nation vor dem Schmutze gemeiner Vergehen und Verbrechen zu bewahren. So weit wir selbst beobachten konnten, müssen wir gestehen, <hi rendition="#g">daß eine musterhafte Ordnung und Ruhe in der Stadt geherrscht hat</hi> (vergleiche die Infamien der &#x201E;Kölnischen Zeitung&#x201C;); wären die Barrikaden weggeräumt und sähe man nicht die Massen der Bewaffneten, würde Jeder glauben, daß die gewohnte Ruhe nicht aus Elberfeld gewichen sei. Es kommen noch immer bewaffnete Zuzüge aus der Umgegend herein und diesen Morgen langte noch eine Abtheilung Solinger an, die wohlbewaffnet und nach der Haltung zu urtheilen, größtentheils aus Landwehrmännern zu bestehen schien. Die Solinger sollen, wie berichtet wird, das Landwehrzeughaus zu Gräfrath gestürmt, und aus demselben außer einer Anzahl Pistolen und Säbel, 1500 Flinten genommen haben; an den letztern fehlten zwar die Pistons und an mehreren auch die Schlösser, die Solinger Waffenschmiede haben diesem Mangel aber bald abgeholfen und in diesem Augenblicke scheinen alle Waffen dienstfähig zu sein. Unsere Bürgerwehr zeichnet sich in ihren verschiedenen Korps durch zahlreiche Theilnahme, durch unverdrossene Wachsamkeit und energisches Handeln aus. Die in Essen zusammengezogenen Landwehrmänner sind auf Urlaub entlassen worden und diese Nacht zogen etwa 80 Mann in Uniform aber ohne Waffen in Elberfeld ein.&#x201C;</p>
          <p><hi rendition="#g">Amtlicher Bericht</hi> des Sicherheits-Ausschusses über die Vorfälle zu Elberfeld am 9. und 10. Mai 1849.</p>
          <p>Gestern (9.) Nachmittags gegen 3 Uhr rückten ein Bataillon des 16. Infanterie-Regiments, 2 Stück Geschütze und eine Schwadron Ulanen hier ein, obwohl ein Theil des Gemeinderaths, der Ober-Bürgermeister an der Spitze, dem das Detachement begleitenden Civil-Commissar, Ober-Regierungsrath von Spankern, die dringendsten Gegen-Vorstellungen gemacht hatte. Herr v. Spankern hatte dieselben in einer nichtssagenden Weise abgewiesen, und trotzdem, daß auf das nachdrücklichste und von allen Seiten versichert worden war, daß die Ordnung der Stadt nicht im Geringsten gefährdet und eine Störung derselben nur, wenn Militär einrücke, zu besorgen sei, ließ er den Einzug desselben vor sich geben.</p>
          <p>Das auf das freundlichste empfangene Militär kehrte nach einigen Hin- und Herzügen nach dem Königsplatze zurück, rückte aber gegen 7 Uhr wieder in das Innere der Stadt, wo sich nun ein Kampf vor mehreren inzwischen erbauten Barrikaden entspann. In demselben wurden ein Infanterie-Kapitän und ein Arbeiter getödtet, auf beiden Seiten wurden Mehrere verwundet. Die Zahl derselben ist noch nicht zuverlässig ermittelt. Zwei Bürger sind diesen Morgen an ihren Wunden gestorben, die verwundeten Militärs aber bei dem um 1/2 4 Uhr erfolgten Rückzuge mit weggenommen worden. Auch einige unserer Mitbürger haben als Gefangene diesen Rückzug mitmachen müssen. Fünf Kanonenschüsse wurden auf die Barrikaden abgefeuert.</p>
          <p>Nachdem heute (10.) Morgens der Ober-Bürgermeister so wie das gesammte Personal der Polizei und des Landrath-Amtes aus der Stadt verschwunden war und sich ein vorläufiger Sicherheits-Ausschuß gebildet hatte, wurde derselbe von dem Gemeinderath genehmigt und aus seiner Mitte und der Bürgerschaft ergänzt. Er hat sich unausgesetzt mit der Sicherheit der Stadt nach innen und außen beschäftigt. Die Stadt gleicht einer Festung, Barrikaden reihen sich an Barrikaden, und mehrere Lazarethe sind eingerichtet. Zuzug aus der Umgegend von nah und fern haben den ganzen Tag zahlreich Statt gefunden.</p>
          <p>In der ganzen Bewegung spricht sich nur der Gedanke aus, daß man ein einiges freies Deutschland, selbst im Widerspruch mit den Fürsten, haben und die Reichs-Verfassung unbedingt anerkennen will, daß man mit Vertrauen auf die National-Versammlung in Frankfurt blickt, daß man entschlossen ist, mit allen Mitteln sich vor einem Angriff des Militärs sicher zu stellen, desselben aber auch nicht für die innere Sicherheit der Stadt bedarf.</p>
          <p>So zahlreich und verschiedenartig auch die Bewohnerschaft unserer sonst so friedlichen Stadt ist, Alle sind sich der Größe und des Ernstes der ihnen gestellten Aufgabe, den übereinstimmenden Willen eines zur Freiheit erwachten Volkes klar auszusprechen und mit männlichem Muthe zu bethätigen, bewußt. Die Tausende, die bewaffnet oder unbewaffnet zu uns gezogen, sind bereitwillig von unseren Mitbürgern ins Quartier aufgenommen worden; sie haben, von den Anstrengungen des gestrigen und heutigen Tages erschöpft, sich zur Ruhe begeben, mit Ausnahme der in Gemeinschaft mit unserer Bürgerwehr zu Posten und Patrouillen bestimmten Mannschaft, und hört man jetzt, 10 Uhr, in den Straßen unserer Stadt nur die Schritte und Rufe der Wachtposten zwischen den haushohen Barrikaden schallen. Der entschlossene Bürgersinn will Freiheit und Ordnung; letztere wird erhalten werden, wenn durch bewaffnete Macht erstere nicht gefährdet wird.</p>
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          <head>Hagen, 11. Mai.</head>
          <p>Die Bewegung für die deutsche Reichsverfassung ist auch im Herzen der &#x201E;treuen&#x201C; Grafschaft Mark zur That geworden. Die verkehrte Maßregel der Einberufung der Landwehr hat dieses zur Thatwerden beschleunigt. Gestern sollte das Iserlohner Bataillon hier zur Einkleidung in Empfang genommen werden; die Leute erklärten jedoch fast einstimmig, daß sie sich nur der Reichsversammlung in Frankfurt zur Disposition stellten. Der Major mußte sich mit diesem Bescheide entfernen. In dem benachbarten Iserlohn ist man auf einen ernsthaften Kampf gerüstet. Barrikade über Barrikade ist in der Stadt. Gestern marschirten 2 Kompagnieen vom 17. Inf.-Reg., sowie eine halbe Schwadron Ulanen hierdurch, um gegen Iserlohn verwandt zu werden. Die Iserlohner, die die Waffen des Zeughauses, so wie mehrere Geschütze in Händen haben, sind darauf vorbereitet. Zuzüge von allen Seiten gehen nach Iserlohn; auch von Hagen und Umgegend zog diesen Morgen eine gut bewaffnete Schaar von 7-800 Mann den Iserlohnern zu Hülfe. Greift das Militär an, so wird viel Blut fließen; man glaubt aber noch nicht an ein ernsthaftes Einschreiten des Militärs. In Hagen selbst ist ein Sicherheitscomite zur Aufrechthaltung der Ordnung gegen anarchische Bestrebungen eingerichtet. Die Begeisterung für die deutsche Bewegung ist allgemein und man bestrebt sich, sie von unreinen Elementen fern zu halten. Vielleicht hat die Grafschaft Mark noch den Triumph, dem Ministerium Brandenburg-Manteuffel die Augen über die Stimmung des Volkes geöffnet und es zum Abtreten genöthigt zu haben.</p>
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          <head><bibl><author>34</author></bibl> Hagen, 12. Mai.</head>
          <p>Hier in Westphalen stehen wir Alle unter Waffen. In Iserlohn wird bei einem etwaigen Bombardement der Kampf in diesen Tagen beginnen. Die 17ner weigern sich auf das Volk zu schießen. Gestern Abend und diesen Morgen haben wir einen Wagen voll Pulver und Patronen und einen Wagen voll Kartätschen in Beschlag genommen. In allen Büschen und Schluchten steht das Landvolk bewaffnet und bereit, gegen die zum Bombardement von Iserlohn beorderte Artillerie den Kampf zu versuchen.</p>
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          <p>Gestern sollte das Einkleiden der Landwehr beginnen. Da wurden auf einmal Barrikaden gebaut, um die im Anrücken begriffene 13er, angeblich 500 Mann, abzuwehren. Es waren jedoch nur 100 Mann, die auch wieder umkehrten. Jetzt wuchsen die Barrikaden aus der Erde. Es gibt deren jetzt circa 35. Um 11 Uhr wurde das Zeughaus gestürmt und Alles bewaffnete sich. Dadurch sind außer den 600 Gewehren der Bürgerwehr noch 1000 Landwehrflinten, viele Carabiner, Pistolen, Säbel und Lanzen vertheilt worden. Jeder ist bis zu den Zähnen bewaffnet. Außerdem hat Iserlohn wenigstens 1000 Privatflinten, worunter circa 300 Büchsen. Gestern Abend sollte ein Kommando von Hagen, 250 Mann 17er Infanterie, und 360 Ulanen einrücken. Diese wurden aber vom Landwehr-Major zurückbeordert, und liegen in Limburg. Der Stadtrath trat zusammen und sandte eine Deputation nach Münster. Der Landwehr-Major, der die Landwehr bereits auseinander gehen hieß oder für aufgelöst erklärte, hat seinen Abschied eingereicht und sich vor ein Kriegsgericht gestellt.</p>
          <p>Alex Loebecke übernahm gestern das Oberkommando, säuberte die Insurgenten-Reihen von Besoffenen und Kindern und während der Nacht blieb alles ruhig. Heute hat die Stadt ein äußerst kriegerisches Ansehen. Kein waffenfähiger Mann darf heraus. Jeder muß Theil nehmen, so habe ich auch meine Büchse erhalten. Augenblicklich sind in Iserlohn 2500 bewaffnete Bürger, alle fest entschlossen, kein feindlich gesinntes Militär in die Stadt zu lassen. Die Schützen halten alle Berge und Pässe besetzt.</p>
          <p>So eben kömmt bewaffneter Zuzug aus der ganzen Umgegend von Menden 150, von Hagen 600 von Schwerte, Altena, Lüdenscheid etc. Jetzt sind schon 3500 Bewaffnete hier. Die Kanonen von Limburg und Nachrodt hatte man gestern schon geholt. Wir können jetzt mit Geschützen antworten. Die Bauern wollten den ermüdeten Soldaten (100 Mann) 13ner nicht einmal was zu essen geben. Die so eben zurückgekehrte Deputation bringt mit, daß während der nächsten 48 Stunden gegen die Stadt nichts vorgenommen werden soll, bis die Antwort von Berlin zurück sei. Die Barrikaden werden nicht fortgeräumt.</p>
          <p>Es trifft dagegen fortwährend neuer Zuzug ein. Die in Limburg stehenden Soldaten haben bereits mehrfach erklärt, daß sie nicht aufs Volk schießen würden. Alle Postwagen sind zu Barrikaden benutzt. Beinahe alle Verbindung ist gehemmt. So eben ist Volksversammlung.</p>
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[1695/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 298. Köln, Dienstag, den 15. Mai. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. — Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. — Nur frankirte Briefe werden angenommen. — Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Die Wiener Post ist ausgeblieben. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Vorfälle in Düsseldorf. — Mordthaten. — Aufhetzung des Militärs). Elberfeld. (Ein Wideruf. — Amtlicher Bericht). Hagen. (Die Landwehr. — Die 17er. — Wegnahme von Kriegsmunition). Iserlohn. (Verbarrikadirung der Stadt. — Bewaffnete Zuzüge. — Kampfentschlossenheit). Soest. (Erklärung der Landwehr. — Bewaffnung. — Guerillas). Berlin. (Klatsch). Breslau. (Weitere Russentransporte. — Inquisition auf den Bahnhöfen). Ratibor. (Russentransporte). Prag. (Der Belagerungszustand proklamirt). Dresden. (Die Gefangenen. — Zahl der preußischen Hülfstruppen). Leipzig. (Scharmützel mit den Insurgenten. — Steckbriefe. — Die Insurgenten nach Chemnitz). Braunschweig. (Ein preußischer Euphemismus). Frankfurt. (National-Versammlung. — Geist unter den baierischen Soldaten). Mannheim. (Kongreß und Volksversammlung in Offenburg). Ludwigshafen. (Vermehrung der pfälzischen Streitkräfte). Kempten. (Volksversammlung). Italien. Rom. (Maßregeln wieder die Franzosen und Neapolitaner. — Adresse des römischen Volkes an die Pariser). Palermo. (Neue Erhebung des Volkes). Turin. (Ministerwechsel. — Romarino). Mestre (Beschießung von Malghera). Französische Republik. Paris. (St. Veitstanz der Bourgeois. — Vermischtes. — National-Versammlung). Großbritannien. London. (Englands auswärtige Politik). Deutschland. * Köln, 12. Mai. Wir erhalten fortwährend neue Berichte über die Düsseldorfer Ereignisse, aus denen wir noch folgende Schilderung des Kampfes selbst mittheilen: Als am 10. d., Abends 8 Uhr, sich die Nachricht verbreitete, daß die nach Elberfeld gesendeten Truppen am Nachmittag daselbst ruhig eingezogen, dann aber auf dem Neumarkt plötzlich vom Volk eingeschlossen worden seien, bemächtigte sich die wüthendste Aufregung der hiesigen (Düsseldorfer) Bevölkerung. Man sprach davon, die Eisenbahn aufzureißen, um alle fernern Militärzuzüge nach Elberfeld abzuhalten. Einige Ueberspannte aber, ohne an den gänzlichrn Mangel an Waffen in der offenen Stadt zu denken, begannen sofort in den Hauptstraßen Barrikaden zu bauen. An der Neustraßer-Ecke wurde mit Blitzesschnelle eine riesige, überaus starke Barrikade errichtet, auf welcher sich höchstens 10 Bewaffnete befanden. Die Artillerie rasselte heran und feuerte zweimal mit Kartätschen. Der erste Schuß that uns keinen sonderlichen Schaden; bei dem zweiten fielen meine beiden Nebenmänner, zwei Arbeiter, welche eben ihre abgeschossenen Gewehre wieder geladen hatten. An dieser Barrikade stand der tapfere Pole Mielefsky, welcher mit jedem Schuß seinen Mann traf, und dannn mit dem Rufe: «A bas les Prussiens!» seine kleine polnische Mütze schwang. Der Kampf hatte hier noch nicht lange gewährt, als von der untern Neustraße eine starke Patrouille mit einem Führer ankam. Man konnte nicht erkennen, ob es Freunde oder Feinde seien, da es einestheils an Licht gebrach, anderntheils die Preußen ihre Pickelhauben abgenommen hatten. Mielefsky rief sie mit den Worten an: „Seid ihr Bürger oder Feinde!“ Die Truppen antworteten: „Bürger!“ Mielefsky lud darauf unbesorgt seine Büchse wieder, als plötzlich das Kommandowort: „Feuer!“ erscholl, und die elenden Feiglinge eine volle Salve gaben. Mielefsky fiel von zwei Kugeln durch bohrt mit dem Rufe: „Es lebe Polen! Es lebe Deutschland!“ Die übrigen Kämpfer zogen sich nach der zweiten Barrikade zurück, welche bei dem Wirth Heinrich Baursch an der Bolckerstraßen-Ecke stand, dessen Haus bereits zu einem wahren Lazareth geworden war, wo die Verwundeten mit der größten Aufopferung von dem wackern Wirth gepflegt wurden. Durch das Sturmläuten kamen von Gerresheim, Ratingen und andern Orten Zuzüge an. Die Gerresheimer Bürgerwehr war nur schwach, stellte sich aber augenblicklich auf die Barrikade und eröffnete ein unermüdliches Feuer, in welchem 19 preußische Croaten fielen. Auf Seite der Gerresheimer wurden der Chef und vier Bürger schwer verwundet. Von Düsseldorfern zählte man 13 Todte und 4 schwer Verwundete, die bereits am andern Morgen amputirt werden mußten. Nur drei von ihnen sind indeß auf den Barrikaden gefallen, die übrigen nach Aufhören des Kampfes meuchlings gemordet worden. Die Drei sind der Pole Mielefsky und meine beiden Nachbarn von der ersten Barrikade, welche durch den zweiten Kartätschenschuß fielen. Die zehn Bürger hat man des Morgens, wie Alles vorüber war, folgendermaßen gemeuchelt. Den Kaufmann Friedrich Hartmann, als er des Morgens aus der Restauration der Wwe. Breidenbach nach seinem Hause gehen wollte; den Fuhrmann Schwieger, als er sich auf der Ratingerstraße seine Karre wieder holen wollte, die man zum Barrikadenbau benutzt hatte; den Fuhrmann Schwerdts ebenso; einen Bürger, der mit einer Kaffeekanne zu seinem Nachbar ging; einen Greis von 66 Jahren, als er seine Fensterläden öffnen wollte, u. s. w. u. s. w.; endlich wurde noch um 10 Uhr Morgens ein Mädchen, welches über den Rathhausplatz ging, von einem Unteroffizier, der mit 4 Mann hier stand, mit der teuflischsten Kaltblütigkeit erschossen. Ich will das Gerücht nicht unerwähnt lassen, wonach der Unteroffizier standrechtlich erschossen werden sollte; bei dem bekannten Gerechtigkeitssinn militärischer Mordhöfe schenke ich aber dieser Nachricht eben keinen großen Glauben. Auf Seiten des Militärs sind 89 Todte, 4 Offiziere, 6 Unteroffiziere und 79 Gemeine. In der Residenz-Mühlenstraße hat man 48 der getödteten Soldaten auf einem Leiterwagen nach der Holzheimer Haide gefahren und dort unter starker Militärbegleitung verscharrt. In derselben Weise sind auf dem Jesuitenhofe ebenfalls 31 Soldaten weggeschafft worden. Ich kann Ihnen die Augenzeugen für Wahrheit dieser Mittheilung schaffen. Der Pole Mielefsky liegt in einem mit rothem Sammt ausgeschlagenen Sarg, den die Frauen Düsseldorf's ausgeschmückt haben.“ 095 Düsseldorf, 12. Mai. Die Hetzjagd der Soldaten auf wehrlose Bürger scheint noch nicht zu Ende; um halb vier Uhr Nachmittags wurde ein Mann von einem berittenen Uhlanen an der Kaserne niedergestochen und sterbend in's Thor getragen. Die Ursache dieses brutalen Mordes konnte der Augenzeuge nicht ermitteln. Die Offiziere scheinen eine wahre Lust an der Ausübung solch' nobler Passionen zu finden. Wie Sie wissen, wurde vorgestern ein Dienstmädchen auf der Straße von einer Schildwache erschossen. Ein Bürger, der es sah, stürzte außer sich über diese Gräuelthat in sein Haus, und schlug entsetzt die Hände über seinem Haupte zusammen. Als der anwesende Lieutenant von Fürth die Ursache seines Schreckens erfahren, bemerkte er lächelnd: Um so besser, wenigstens setzt diese Dirne keine so abscheuliche Brut in die Welt! Die hier und in der Umgegend stehenden Infanteristen sind meist ganz junge Leute, und es befremdete mich, daß sie sich zu blinden Mordwerkzeugen gegen ihre Brüder gebrauchen lassen. So eben hatte ich ein kleines Pröbchen, auf welche infame Weise Offiziere bemüht sind, diesen unnatürlichen Haß hervorzurufen und anzuschüren. Ein Viertel vor 7 Uhr tritt ein Offizier in den Bahnhof, fordert ein Billet und erzählt den Herumstehenden: die Elberfelder hätten zwei zurückgelassene kranke Soldaten in kleine Stücke zerschnitten. — Der Bemerkung eines Zuhörers, daß die Nachricht augenscheinlich erdichtet sein müsse, erwidert er in militärischem Tone, daß er die Richtigkeit verbürge, — tritt sofort hinaus auf die Plattform, woselbst ungefähr 15 Soldaten mit geladenen Gewehren und gespanntem Hahn Wache halten, und erzählt jedem einzelnen dieselbe Lüge, indem er achselzuckend fragte: Na, was sagt ihr dazu, wie eure Kameraden von den Revolutionären zerschnitten werden? * Elberfeld, 13. Mai. Die hiesige Zeitung bringt in Folgendem einen Widerruf dessen, was sie gestern fälschlich zum Nachtheil des Elberfelder Aufstandes behauptet hatte. Sie sagt: „In einem gestrigen Privatartikel wurde berichtet, daß hie und da gewaltthätige Eingriffe ins Eigenthum stattgefunden haben sollen. Von guter Seite wird uns hingegen versichert, daß dieses nicht der Fall gewesen. Wir berichten dieses um so lieber, als jede Plünderung, jede Gewaltthat an Personen der Bewegung den Charakter der Ehrlosigkeit aufdrücken würde. Auf Elberfeld sind in diesem Augenblicke die Augen Deutschlands gerichtet, das Vaterland verlangt von ihm, daß Bürger- und Landwehr gemeinschaftlich ihre Kräfte vereinen, die Sache der deutschen Nation vor dem Schmutze gemeiner Vergehen und Verbrechen zu bewahren. So weit wir selbst beobachten konnten, müssen wir gestehen, daß eine musterhafte Ordnung und Ruhe in der Stadt geherrscht hat (vergleiche die Infamien der „Kölnischen Zeitung“); wären die Barrikaden weggeräumt und sähe man nicht die Massen der Bewaffneten, würde Jeder glauben, daß die gewohnte Ruhe nicht aus Elberfeld gewichen sei. Es kommen noch immer bewaffnete Zuzüge aus der Umgegend herein und diesen Morgen langte noch eine Abtheilung Solinger an, die wohlbewaffnet und nach der Haltung zu urtheilen, größtentheils aus Landwehrmännern zu bestehen schien. Die Solinger sollen, wie berichtet wird, das Landwehrzeughaus zu Gräfrath gestürmt, und aus demselben außer einer Anzahl Pistolen und Säbel, 1500 Flinten genommen haben; an den letztern fehlten zwar die Pistons und an mehreren auch die Schlösser, die Solinger Waffenschmiede haben diesem Mangel aber bald abgeholfen und in diesem Augenblicke scheinen alle Waffen dienstfähig zu sein. Unsere Bürgerwehr zeichnet sich in ihren verschiedenen Korps durch zahlreiche Theilnahme, durch unverdrossene Wachsamkeit und energisches Handeln aus. Die in Essen zusammengezogenen Landwehrmänner sind auf Urlaub entlassen worden und diese Nacht zogen etwa 80 Mann in Uniform aber ohne Waffen in Elberfeld ein.“ Amtlicher Bericht des Sicherheits-Ausschusses über die Vorfälle zu Elberfeld am 9. und 10. Mai 1849. Gestern (9.) Nachmittags gegen 3 Uhr rückten ein Bataillon des 16. Infanterie-Regiments, 2 Stück Geschütze und eine Schwadron Ulanen hier ein, obwohl ein Theil des Gemeinderaths, der Ober-Bürgermeister an der Spitze, dem das Detachement begleitenden Civil-Commissar, Ober-Regierungsrath von Spankern, die dringendsten Gegen-Vorstellungen gemacht hatte. Herr v. Spankern hatte dieselben in einer nichtssagenden Weise abgewiesen, und trotzdem, daß auf das nachdrücklichste und von allen Seiten versichert worden war, daß die Ordnung der Stadt nicht im Geringsten gefährdet und eine Störung derselben nur, wenn Militär einrücke, zu besorgen sei, ließ er den Einzug desselben vor sich geben. Das auf das freundlichste empfangene Militär kehrte nach einigen Hin- und Herzügen nach dem Königsplatze zurück, rückte aber gegen 7 Uhr wieder in das Innere der Stadt, wo sich nun ein Kampf vor mehreren inzwischen erbauten Barrikaden entspann. In demselben wurden ein Infanterie-Kapitän und ein Arbeiter getödtet, auf beiden Seiten wurden Mehrere verwundet. Die Zahl derselben ist noch nicht zuverlässig ermittelt. Zwei Bürger sind diesen Morgen an ihren Wunden gestorben, die verwundeten Militärs aber bei dem um 1/2 4 Uhr erfolgten Rückzuge mit weggenommen worden. Auch einige unserer Mitbürger haben als Gefangene diesen Rückzug mitmachen müssen. Fünf Kanonenschüsse wurden auf die Barrikaden abgefeuert. Nachdem heute (10.) Morgens der Ober-Bürgermeister so wie das gesammte Personal der Polizei und des Landrath-Amtes aus der Stadt verschwunden war und sich ein vorläufiger Sicherheits-Ausschuß gebildet hatte, wurde derselbe von dem Gemeinderath genehmigt und aus seiner Mitte und der Bürgerschaft ergänzt. Er hat sich unausgesetzt mit der Sicherheit der Stadt nach innen und außen beschäftigt. Die Stadt gleicht einer Festung, Barrikaden reihen sich an Barrikaden, und mehrere Lazarethe sind eingerichtet. Zuzug aus der Umgegend von nah und fern haben den ganzen Tag zahlreich Statt gefunden. In der ganzen Bewegung spricht sich nur der Gedanke aus, daß man ein einiges freies Deutschland, selbst im Widerspruch mit den Fürsten, haben und die Reichs-Verfassung unbedingt anerkennen will, daß man mit Vertrauen auf die National-Versammlung in Frankfurt blickt, daß man entschlossen ist, mit allen Mitteln sich vor einem Angriff des Militärs sicher zu stellen, desselben aber auch nicht für die innere Sicherheit der Stadt bedarf. So zahlreich und verschiedenartig auch die Bewohnerschaft unserer sonst so friedlichen Stadt ist, Alle sind sich der Größe und des Ernstes der ihnen gestellten Aufgabe, den übereinstimmenden Willen eines zur Freiheit erwachten Volkes klar auszusprechen und mit männlichem Muthe zu bethätigen, bewußt. Die Tausende, die bewaffnet oder unbewaffnet zu uns gezogen, sind bereitwillig von unseren Mitbürgern ins Quartier aufgenommen worden; sie haben, von den Anstrengungen des gestrigen und heutigen Tages erschöpft, sich zur Ruhe begeben, mit Ausnahme der in Gemeinschaft mit unserer Bürgerwehr zu Posten und Patrouillen bestimmten Mannschaft, und hört man jetzt, 10 Uhr, in den Straßen unserer Stadt nur die Schritte und Rufe der Wachtposten zwischen den haushohen Barrikaden schallen. Der entschlossene Bürgersinn will Freiheit und Ordnung; letztere wird erhalten werden, wenn durch bewaffnete Macht erstere nicht gefährdet wird. Hagen, 11. Mai. Die Bewegung für die deutsche Reichsverfassung ist auch im Herzen der „treuen“ Grafschaft Mark zur That geworden. Die verkehrte Maßregel der Einberufung der Landwehr hat dieses zur Thatwerden beschleunigt. Gestern sollte das Iserlohner Bataillon hier zur Einkleidung in Empfang genommen werden; die Leute erklärten jedoch fast einstimmig, daß sie sich nur der Reichsversammlung in Frankfurt zur Disposition stellten. Der Major mußte sich mit diesem Bescheide entfernen. In dem benachbarten Iserlohn ist man auf einen ernsthaften Kampf gerüstet. Barrikade über Barrikade ist in der Stadt. Gestern marschirten 2 Kompagnieen vom 17. Inf.-Reg., sowie eine halbe Schwadron Ulanen hierdurch, um gegen Iserlohn verwandt zu werden. Die Iserlohner, die die Waffen des Zeughauses, so wie mehrere Geschütze in Händen haben, sind darauf vorbereitet. Zuzüge von allen Seiten gehen nach Iserlohn; auch von Hagen und Umgegend zog diesen Morgen eine gut bewaffnete Schaar von 7-800 Mann den Iserlohnern zu Hülfe. Greift das Militär an, so wird viel Blut fließen; man glaubt aber noch nicht an ein ernsthaftes Einschreiten des Militärs. In Hagen selbst ist ein Sicherheitscomite zur Aufrechthaltung der Ordnung gegen anarchische Bestrebungen eingerichtet. Die Begeisterung für die deutsche Bewegung ist allgemein und man bestrebt sich, sie von unreinen Elementen fern zu halten. Vielleicht hat die Grafschaft Mark noch den Triumph, dem Ministerium Brandenburg-Manteuffel die Augen über die Stimmung des Volkes geöffnet und es zum Abtreten genöthigt zu haben. (E. Z.) 34 Hagen, 12. Mai. Hier in Westphalen stehen wir Alle unter Waffen. In Iserlohn wird bei einem etwaigen Bombardement der Kampf in diesen Tagen beginnen. Die 17ner weigern sich auf das Volk zu schießen. Gestern Abend und diesen Morgen haben wir einen Wagen voll Pulver und Patronen und einen Wagen voll Kartätschen in Beschlag genommen. In allen Büschen und Schluchten steht das Landvolk bewaffnet und bereit, gegen die zum Bombardement von Iserlohn beorderte Artillerie den Kampf zu versuchen. 078 Iserlohn, 11. Mai. Gestern sollte das Einkleiden der Landwehr beginnen. Da wurden auf einmal Barrikaden gebaut, um die im Anrücken begriffene 13er, angeblich 500 Mann, abzuwehren. Es waren jedoch nur 100 Mann, die auch wieder umkehrten. Jetzt wuchsen die Barrikaden aus der Erde. Es gibt deren jetzt circa 35. Um 11 Uhr wurde das Zeughaus gestürmt und Alles bewaffnete sich. Dadurch sind außer den 600 Gewehren der Bürgerwehr noch 1000 Landwehrflinten, viele Carabiner, Pistolen, Säbel und Lanzen vertheilt worden. Jeder ist bis zu den Zähnen bewaffnet. Außerdem hat Iserlohn wenigstens 1000 Privatflinten, worunter circa 300 Büchsen. Gestern Abend sollte ein Kommando von Hagen, 250 Mann 17er Infanterie, und 360 Ulanen einrücken. Diese wurden aber vom Landwehr-Major zurückbeordert, und liegen in Limburg. Der Stadtrath trat zusammen und sandte eine Deputation nach Münster. Der Landwehr-Major, der die Landwehr bereits auseinander gehen hieß oder für aufgelöst erklärte, hat seinen Abschied eingereicht und sich vor ein Kriegsgericht gestellt. Alex Loebecke übernahm gestern das Oberkommando, säuberte die Insurgenten-Reihen von Besoffenen und Kindern und während der Nacht blieb alles ruhig. Heute hat die Stadt ein äußerst kriegerisches Ansehen. Kein waffenfähiger Mann darf heraus. Jeder muß Theil nehmen, so habe ich auch meine Büchse erhalten. Augenblicklich sind in Iserlohn 2500 bewaffnete Bürger, alle fest entschlossen, kein feindlich gesinntes Militär in die Stadt zu lassen. Die Schützen halten alle Berge und Pässe besetzt. So eben kömmt bewaffneter Zuzug aus der ganzen Umgegend von Menden 150, von Hagen 600 von Schwerte, Altena, Lüdenscheid etc. Jetzt sind schon 3500 Bewaffnete hier. Die Kanonen von Limburg und Nachrodt hatte man gestern schon geholt. Wir können jetzt mit Geschützen antworten. Die Bauern wollten den ermüdeten Soldaten (100 Mann) 13ner nicht einmal was zu essen geben. Die so eben zurückgekehrte Deputation bringt mit, daß während der nächsten 48 Stunden gegen die Stadt nichts vorgenommen werden soll, bis die Antwort von Berlin zurück sei. Die Barrikaden werden nicht fortgeräumt. Es trifft dagegen fortwährend neuer Zuzug ein. Die in Limburg stehenden Soldaten haben bereits mehrfach erklärt, daß sie nicht aufs Volk schießen würden. Alle Postwagen sind zu Barrikaden benutzt. Beinahe alle Verbindung ist gehemmt. So eben ist Volksversammlung.

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 298. Köln, 15. Mai 1849, S. 1695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz298_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.