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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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gern ben Krieg des Kaisers mit den Ungarn; als aber erstrer
den Sieg davon zu tragen schien, nahm er schlau die Gele-
genheit wahr, Boßnien der Lehnshoheit Ungarns wieder zu
entreißen. Dann wendete er sich nach Dalmatien, unter-
jochte die noch übrigen unabhängigen Shupanen, half den na-
rentanischen Staat zerstören, und belagerte Ragusa, das
den vertriebnen Fürsten von Setsk Schuh und Zuflucht ver-
lieh. Zudem er auf diese Weise sein Reich bedeutend ver-
größerte, vermied er nicht, das byzantinisch-dalmatische Gebiet
zu verletzen. Aber es bedurfte nur des Kaisers persönlicher
Erscheinung, um ihn zu der demüthigsten Reue, zu dem er-
1180niedrigsten Flehen um Verzeihung zu bringen. Erst nach
Manuels Tode wagte er es, seine Waffen entschieden gegen
das griechische Reich zu wenden. Er schloß ein Bündniß mit
den Walachen, und indem ein Aufstand der Bulgaren seine
Unternehmung begünstigte, nahm er Prisren, Nißa, und
eine beträchtliche Menge andrer Städte, in einem spätern
Kriege Scupi. Eben so thätig war er, der Gründer der ser-
bischen Hierarchie, im Innern des Landes. Mehrere der
frühern Fürsten hatten sich der römischen Kirche zugeneigt. Ste-
phan Nemanja schloß sie wenigstens von seinen Verfolgungen
aus, die er desto eifriger gegen die Sekten der Manichäer und
Bogomilen richtete. Er stiftete viele Kirchen und Klöster,
und zuletzt, nachdem er einige Jahre vor seinem Tode seinen
Söhnen das Reich übergeben, und Mönch geworden war,
das reiche Kloster Chilindar auf dem Berge Athos, welches
in unsern Liedern mehrere Mal erwähnt wird. Obwohl im
griechischen Gebiet gelegen, erlangte er vom Kaiser das Pa-
tronatsrecht für die serbischen Fürsten, und lebte hier unter
dem Namen Simeon, bis an seinen Tod in vollkommner Ab-
geschiedenheit.

Noch wollen wir bemerken, daß im Jahr 1182 Hein-
reich der Löwe von Sachsen durch Serbien nach Palästina

gern ben Krieg des Kaisers mit den Ungarn; als aber erstrer
den Sieg davon zu tragen schien, nahm er schlau die Gele-
genheit wahr, Boßnien der Lehnshoheit Ungarns wieder zu
entreißen. Dann wendete er sich nach Dalmatien, unter-
jochte die noch übrigen unabhängigen Shupanen, half den na-
rentanischen Staat zerstören, und belagerte Ragusa, das
den vertriebnen Fürsten von Setsk Schuh und Zuflucht ver-
lieh. Zudem er auf diese Weise sein Reich bedeutend ver-
größerte, vermied er nicht, das byzantinisch-dalmatische Gebiet
zu verletzen. Aber es bedurfte nur des Kaisers persönlicher
Erscheinung, um ihn zu der demüthigsten Reue, zu dem er-
1180niedrigsten Flehen um Verzeihung zu bringen. Erst nach
Manuels Tode wagte er es, seine Waffen entschieden gegen
das griechische Reich zu wenden. Er schloß ein Bündniß mit
den Walachen, und indem ein Aufstand der Bulgaren seine
Unternehmung begünstigte, nahm er Prisren, Nißa, und
eine beträchtliche Menge andrer Städte, in einem spätern
Kriege Scupi. Eben so thätig war er, der Gründer der ser-
bischen Hierarchie, im Innern des Landes. Mehrere der
frühern Fürsten hatten sich der römischen Kirche zugeneigt. Ste-
phan Nemanja schloß sie wenigstens von seinen Verfolgungen
aus, die er desto eifriger gegen die Sekten der Manichäer und
Bogomilen richtete. Er stiftete viele Kirchen und Klöster,
und zuletzt, nachdem er einige Jahre vor seinem Tode seinen
Söhnen das Reich übergeben, und Mönch geworden war,
das reiche Kloster Chilindar auf dem Berge Athos, welches
in unsern Liedern mehrere Mal erwähnt wird. Obwohl im
griechischen Gebiet gelegen, erlangte er vom Kaiser das Pa-
tronatsrecht für die serbischen Fürsten, und lebte hier unter
dem Namen Simeon, bis an seinen Tod in vollkommner Ab-
geschiedenheit.

Noch wollen wir bemerken, daß im Jahr 1182 Hein-
reich der Löwe von Sachsen durch Serbien nach Palästina

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[XI/0031] gern ben Krieg des Kaisers mit den Ungarn; als aber erstrer den Sieg davon zu tragen schien, nahm er schlau die Gele- genheit wahr, Boßnien der Lehnshoheit Ungarns wieder zu entreißen. Dann wendete er sich nach Dalmatien, unter- jochte die noch übrigen unabhängigen Shupanen, half den na- rentanischen Staat zerstören, und belagerte Ragusa, das den vertriebnen Fürsten von Setsk Schuh und Zuflucht ver- lieh. Zudem er auf diese Weise sein Reich bedeutend ver- größerte, vermied er nicht, das byzantinisch-dalmatische Gebiet zu verletzen. Aber es bedurfte nur des Kaisers persönlicher Erscheinung, um ihn zu der demüthigsten Reue, zu dem er- niedrigsten Flehen um Verzeihung zu bringen. Erst nach Manuels Tode wagte er es, seine Waffen entschieden gegen das griechische Reich zu wenden. Er schloß ein Bündniß mit den Walachen, und indem ein Aufstand der Bulgaren seine Unternehmung begünstigte, nahm er Prisren, Nißa, und eine beträchtliche Menge andrer Städte, in einem spätern Kriege Scupi. Eben so thätig war er, der Gründer der ser- bischen Hierarchie, im Innern des Landes. Mehrere der frühern Fürsten hatten sich der römischen Kirche zugeneigt. Ste- phan Nemanja schloß sie wenigstens von seinen Verfolgungen aus, die er desto eifriger gegen die Sekten der Manichäer und Bogomilen richtete. Er stiftete viele Kirchen und Klöster, und zuletzt, nachdem er einige Jahre vor seinem Tode seinen Söhnen das Reich übergeben, und Mönch geworden war, das reiche Kloster Chilindar auf dem Berge Athos, welches in unsern Liedern mehrere Mal erwähnt wird. Obwohl im griechischen Gebiet gelegen, erlangte er vom Kaiser das Pa- tronatsrecht für die serbischen Fürsten, und lebte hier unter dem Namen Simeon, bis an seinen Tod in vollkommner Ab- geschiedenheit. 1180 Noch wollen wir bemerken, daß im Jahr 1182 Hein- reich der Löwe von Sachsen durch Serbien nach Palästina

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/31>, abgerufen am 25.04.2024.