[0505]
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No. 101. Köln, Mittwoch den 13. September. 1848.
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Beschwerden, welche unsere Abonnenten der Stadt Köln zu führen haben, bitten wir rechtzeitig in der Expedition unter Hutmacher Nr. 17 zu machen.
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Uebersicht.
Deutschland.Köln. (Die Krisis. ‒ Neue Heldenthaten der preußischen Soldateska). Frankfurt. (Die Ausschüsse. ‒ Herr Stedtmann. ‒ Die Abstimmung über den Waffenstillstand). Berlin. (Die Krisis. ‒ Abstimmung über den Stein'schen Antrag). Wien. (Die ungarische Deputation. ‒ Ungarn und Kroatien. ‒ Doblhoff's Erklärung. ‒ Die ungarische Legion. ‒ Bechthold abgedankt. ‒ Die kroatische Armee. ‒ Waffen an Jellachich. ‒ Lombardisch-venetianische Kongregation. ‒ Vertrag zwischen den Oestreichern und Lorlatelli). Schleswig-Holstein. (Der Herzog von Glücksburg).
Italien.(Unruhen in Modena. ‒ Verhaftungen in Genua. ‒ Sardinischer Protest gegen den Herzog von Parma. ‒ Eine Republik. ‒ Turiner Adresse nach Paris. ‒ Das sardinische Parlament. ‒ Reaktionäre Plakate in Palermo. ‒ Neuer Aufstand in Livorno).
Französische Republik. Paris. (Journalschau.‒ Vermischtes).
Schweiz. Bern. (Geschäftsbericht des Vororts).
Großbritannien.London. (Exportliste 1845 und 1847).
Dänemark. Kopenhagen. (Die Parteien).
Deutschland.
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Edition: [Karl Marx: Die Krisis. In: MEGA2 I/7. S. 695.]
[ ** ] Köln, 12. Sept..
Während das neue Reichsministerium, wie wir es gestern mittheilten, auch von andern Seiten her bestätigt wird und wir vielleicht schon heute Mittag die Nachricht von seiner definitven Konstituirung bekommen, dauert in Berlin die Ministerkrise fort.
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[ * ] Köln, 12. Sept.
Gestern Abend haben wir hier Scenen erlebt, wie sie seit dem 3. August 1846 nicht in unsern Mauern vorgekommen sind. Auf dem Neumarkt verfolgten Soldaten vom 27. Regiment (Sachsen) ein Mädchen; dies begab sich in den Schutz von mehreren jungen Leuten, die ebenfalls mit Frauenzimmern unter den Bäumen spazieren gingen. Es entstanden Reibungen, die Soldaten wurden übermüthig, man antwortete ihnen wie sichs gebührte, und die Soldaten eilten in die am Neumarkt gelegene Kaserne ihres Regiments und riefen: Siebenundzwanziger heraus! Auf diesen Ruf stürzten mehrere hundert Soldaten im Hausanzuge mit blanker Waffe in der Hand heraus, fielen über die wehrlose Menge her, hieben blind um sich, verfolgten die Bürger bis in die Thieboldsgasse, demolirten mehrere Läden, namentlich einen Bäckerladen, desgleichen ein Bierhaus und waren trotz des Zuredens mehrerer Offiziere nicht eher zurück zu bringen, bis die Bürgerwehr anrückte, die sich ziemlich entschieden benommen haben soll. Die wüthenden Soldaten trotzten allen Befehlen ihrer Offiziere, die, auf ihre eigenen Leute ohne Einfluß, zuletzt dem Volk zuredeten, nach Hause zu gehen. Die in der Kaserne gebliebenen Soldaten sollen dort aufmarschirt sein und mehrere Offiziere sollen Luft gehabt haben, ausrücken zu lassen; nur die Energie eines Dragoneroffiziers, der ihnen den Weg versperrte, soll sie zurückgehalten haben. ‒ Später in der Nacht soll der Lärm nochmals losgegangen sein.
Es sind bedeutende Verwundungen gegen Leute beiderlei Geschlechts vorgekommen; ein hiesiger Bürger u. A. ist mit Wunden bedeckt, er hat mindestens 6-7 Säbelhiebe erhalten.
Wir hören eben, daß der Stadtrath selbst, der bekanntlich wenig „ wühlerischer “ Natur ist, dennoch eben eine Adresse wegen Entfernung des 27. Regiments aus Köln beräth. Das Volk steht in diesem Augenblick vor dem Rathhaus und verlangt mit lautem Geschrei die sofortige Entfernung des Regiments, ‒ „ wenn nicht die Straßen mit Leichen bedeckt werden sollen!“
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[ 30 ] Frankfurt, 10. Sept.
In den diesen Vormittag stattgefundenen Ausschußberathungen über den preußisch-dänischen Waffenstillstands-Skandal haben die Stimmen ßch 9 gegen 9 gegenüber gestanden. Anfangs 11 gegen 8 und heut schon 9 gegen 9. Hr. Stedmann aus Koblenz, Mitglied des Ausschusses, hat, als es sich um die einstweilige Sistirung handelte, noch Muth genug gehabt, für dieselbe zu stimmen; heute hat er bereits unter den Apostaten gestanden! Hr. Stedmann gehört zur Würtembergerhofpartei, und wenn seine Feigheit sich Geltung zu verschaffen weiß, so wird nicht viel dazu gehören, um die neuliche Majorität von 17 Stimmen zu annulliren. Gleichzeitig erfährt man, daß Hr. Camphausen, „Excellenz“, ein neues Schreiben hat ergehen lassen, worin er zur Besonnenheit mahnt und zu verstehen giebt, daß „Modifikationen“ sich Dänemark wohl nicht absolut abgeneigt zeigen werde. Also: erst heißt es „die Sache ist abgemacht“, „ein Beschluß, selbst nur auf einstweilige Sistirung, wäre gleichbedeutend mit einem vollständigen Bruch des Vertrags“ und [Spaltenumbruch]nun: „Modifikationen sind wohl möglich.“ Das ist die Sprache der feilen und feigen Diplomatenbrut; weil man wenigstens Miene gemacht hat, ihnen entgegenzutreten, geben sie nach; hätte man aber den Muth, wirklich und ernst ihrem Verrath sich entgegen zu stellen: die ganze Bande ließe ihr Machwerk im Stiche und zög andere Seiten auf. Aber ‒ geben Sie Acht! ‒ die Nationalversammlung wird die europäische Diplomatie an Feigheit noch zu übertreffen wissen.
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@facs0505
[ * ] Frankfurt, 11. Sept.
Nach den soeben erschienenen stenographischen Berichten über die Sitzung v. 5. denunciren wir dem Publikum folgende rheinische und westphälische Abgeordnete, welche gegen die Sistirung des entehrenden Waffenstillstandes gestimmt haben:
Adams aus Koblenz, Beckerath aus Crefeld, Beesgen aus Ahrweiler, Breuning aus Aachen, Bürgers aus Köln, Deiters aus Bonn, Dieringer aus Bonn, Ebmeier aus Paderborn, Flottwell aus Münster, Hartmann aus Münster, Junkmann aus Münster, Lang aus Verden, Marcks aus Duisburg, Mevissen aus Köln, Münch aus Wetzlar, Mylius aus Jülich, Pagenstecher aus Elberfeld, Reichensperger aus Trier, Schlüter aus Paderborn, Schreiber aus Bielefeld, Widenmann aus Düsseldorf.
Für die Sistirung stimmten:
Becker aus Trier, Böcking aus Trarbach, Cetto(!) aus Trier, Clemens (!) aus Bonn, Compes (!) aus Köln, Dahlmann aus Bonn, Dietzsch aus Saarbrücken, Knoodt (!) aus Bonn, Osterdorf (!) aus Soest, Simon aus Trier, Stedmann(!!) aus Besselich, Venedey aus Köln, Werner (!) aus Koblenz, Wesendonck aus Düsseldorf, Zell aus Trier, Ziegert aus Minden.
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[ 103 ] Berlin, 10. September.
Man hat noch nichts Gewisses über ein neues Ministerium. Der Präsident der Vereinbarungs-Versammlung, Herr Grabow, war zwar gestern zum Könige eingeladen und den ganzen Tag in Sanssouci anwesend, aber man glaubt nicht, daß er sich dazu verstanden hat, in das neue Ministerium einzutreten oder solches zu bilden; es wäre dies auch dem konstitutionellen Prinzipe nach ganz unmöglich, weil Hr. Grabow gegen den Stein'schen Antrag gestimmt hat.
Alles sieht der morgenden Sitzung der Vereinbarer-Versammlung mit der größten Spannung entgegen. Viele behaupten, daß der König der Versammlung seine Erklärung über den am 7. dfs. gefaßten Beschluß wird zugehen lassen; viele sprechen sogar von einer Schließung der Versammlung, welche der König in eigener Person aussprechen werde. Das wäre der Anfang des Endes.
Daß der Erfolg der Berathungen des 7. September in der Vereinbarer-Versammlung ein ganz anderer war, als man in den reaktionären Kreisen erwartete, und daß man demnach Maßregeln ergriffen hatte, die diesem ehrlosen Beschluß die Krone aufsetzen sollten, ‒ das stellt sich immer mehr und mehr heraus. So erzählt uns ein Augenzeuge, daß am 7. dfs. die Offiziere des 12. Regiments jedem Unteroffizier des Regiments eine Flasche Wein, und den Soldaten Bier, Branntwein und Cigarren zum Besten gaben und einige Offiziere hielten in den verschiedenen Haufen der Soldaten Anreden ungefähr des Inhaltes: „daß nur die Soldaten die rechten Kinder des Königs wären, die besseren, die der König Alle mit Armen der Liebe umfaßt; “ sie wurden ferner ermahnt, nicht so feig zu sein, wie die Garden am 18. u. 19. März und sich so hundsföttisch aus Berlin treiben zu lassen, sondern ihren Offizieren treu zur Seite zu stehen. ‒ Aus dieser Anrede läßt sich ermessen, was man am 7. beabsichtigte, wenn sich in Folge einer erwarteten Niederlage der Linken, die Bevölkerung Berlins erhoben hätte. Der Erfolg wäre am 7. zweifelhaft gewesen, weil sich in der Bürgerwehr eine Partei gefunden hätte, die den Majoritätsbeschluß der Versammlung, wie er auch sein mochte, aufrecht zu erhalten gesucht; aber heute wird sich auch nicht eine Compagnie finden, die den Beschluß der Vereinbarer-Versammlung vom 7. nicht mit ihrem Leben aufrecht erhalten würde. Einige Bataillone, die zum größten Theil aus den siegreichen Kämpfern der großen Barrikade bestehen, an welcher am 18. die Macht des Absolutismus gebrochen wurde, ‒ lassen sich die rothe Fahne vortragen.
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[ * ] Berlin, 10. September.
Unter den rheinischen Abgeordneten haben für den Stein'schen Antrag, also für Aufrechthaltung des Beschlusses vom 9. August, folgende gestimmt: Arntz, v. Berg, Bloem, Dr. Carl Boost, Borchardt, Broich, Elkemann (Pfarrer), D'Ester, Euler (Notar), Gladbach, Graeff, Guitienne, Hesse, Kaul (Friedensrichter), Körfgen, Kyll, Meßrich, Raffauf, Schlinck. (19 Stimmen.)
Gegen Stein's Antrag stimmten: Bauerband, Bredt, Dahmen, Daniels, Diesterweg (Justizrath), Forstmann, Hambloch, Hansemann, Haugh, Herrmann, Jungbluth, Kochs, Peltzer, Rei- [0506] [Spaltenumbruch] chensperger, Ritz, Sames, Simons, Stupp, Walter und Herr Zweiffel. (20 Stimmen.)
Es fehlten bei der Abstimmung: Aldenhoven, Nik. Bauer, Lensing, Pauls.
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@facs0506
Wien, 6. Sept.
Das Ministerium hat auf dem Grunde der vorigen Congregationen, jetzt einen konstituirenden Landtag für die Lombardei und Venedig in Verona zusammenberufen. Derselbe soll die künftige Verfassung dieser Provinzen berathen, deren Verwaltung durchaus italienisch sein solle. ‒ Wird da wohl unter dem Schwerte der östreichischen Armee eine freie Berathung möglich sein?
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@facs0506
Wien.
Aus sehr verläßlicher Quelle theilen wir folgendes mit: Das Volk von Wien befand sich in großem Irrthum, als es glaubte, die auf der Südbahn und überhaupt nach dem Süden abgehenden Transporte von Munition, Armatur etc. seien für das östreichische Heer in Italien gewesen. Sie wurden zwar nicht unter der Adresse des ritterlichen und loyalen Banus Jellachich abgeschickt, waren aber dennoch für Niemand anderen besorgt worden. Auch den Artilleriepark zu Triest hat man nach dem Verschwinden des italienischen Geschwaders freundlichst dem Banus zur Verfügung überlassen. Nächstens werden die Wiener aus den Glocken ihrer Kirchen Kanonen gießen, sie dem Banus überschicken und ihn stehentlich ersuchen, er möchte doch recht bald über Pesth nach Wien kommen um die aufrührerische Stadt ein wenig zu bombardiren.
‒ Die Forderungen der Deputation vom ungarischen Reichstage bestehen im Wesentlichen darin:
1. Die ungarischen Regimenter aus den östreichischen Garnisonen nach Hause zu senden.
2. An alle aufständischen Offiziere die Aufforderung zu erlassen, bei Strafe sich dem ungarischen Ministerium zu fügen.
3. Fiume und die andern widerrechtlich besetzten Gegenden vom Baron Jellachich zurück zu vindiciren.
4. Die Personen, welche nicht ermüden, in der unmittelbaren Nähe des Monarchen reaktionäre Verschwörungen gegen Volk und Thron zu schmieden, wolle Se. Majestät aus seiner Nähe entfernen und endlich
5. wolle Se. Majestät, um das Gewicht seiner Meinung in die Wagschale des Rechts zu legen, auf einige Tage nach Osen kommen.
Die Verantwortung der Dinge, die da im Ablehnungsfalle dieser Bitten sich ereignen könnten, lehnt die Deputation von sich ab.
Beim Schluß unseres Blattes war der Deputation noch keine Audienzstunde bestimmt.
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[ 61 ] Wien, 7. Sept.
Das Ministerium scheint sich ungeachtet der Stöße, die es von zwei Seiten empfangen, behaupten zu wollen. Man erwartete heute seinen gewissen Sturz und siehe da, es steht noch. Die Kombination Stadion-Bach, wozu der letztere Apostat sich hergegeben, scheint vorläufig mißlungen zu sein. Die gestrige Demonstration war der Erklärung des Reichstags gegenüber auch viel zu plump, als daß Dobblhoff nicht hätte einsehen müssen, worauf es abgezielt war. Bach scheint sich nun auch wieder Dobblhoff zu fügen, wie er bereit war, mit Stadion als dessen unterwürfigster Knecht zusammen zu laufen. An Dobblhoffs Stelle würde ein energischer Charakter dies Individuum, das von Natur aus immer zum Verrath geneigt ist, aus dem Ministerrathe ausstoßen.
Gestern Mittag langte eine Deputation von 200 Magyaren, hiervon 50 aus dem Oberhause, hier an, welche mit dem ungarischen Ministerium gemeinsam sich zum König Ferdinand V. verfügen wird, um ihn zu bitten, daß er die eingeforderten Gesetze über die ungarische Armee und das neu herauszugebende Papiergeld bestätige und, seinen öftern Versprechen gemäß in das Land komme. Die Deputation soll sich ihren Aufträgen gemäß in keine lange Verhandlungen in Wien einlassen, und, wenn sie binnen 24 Stunden keine Antwort bekäme, es so ansehen, als ob sie eine abschlägige Antwort erhalten hätte, in welchem Falle sich die ungarische Nation selbst werde helfen müssen.
Diese Deputation ist aus Grund eines Beschlusses des ungarischen Repräsentantenhauses hier angelangt, den Kossuth vorgestern durchgesetzt hat. Danach soll das Kommando der Truppen in solche Hände gegeben werden, in welche die ungarische Nation vollkommenes Vertrauen setzen könne. Der König soll bei der Besetzung der Stellen also nicht mehr gefragt werden. (Welcher Unsinn, es jemals geduldet zu haben!) Ein Manifest soll verfaßt werden, worin getreu dargestellt werde, in welcher bedrängten Lage die ungarische Nation sei, indem sie ihre auf gesetzlichem Wege errungene Freiheit gegen die Reaktion vertheidigen müsse. Das Manifest soll an die Völker Europas und an die Ungarn selbst gerichtet werden. Endlich wird eine Deputation im Einverständniß mit dem Ministerium die Punkte bezeichnen, auf deren Grundlage man mit den Kroaten einen ehrenvollen Frieden schließen solle. ‒ Wenn die Deputation nichts erreicht, wird das Haus der Repräsentanten einen Diktator ernennen.
Ihr Blatt brachte vor einiger Zeit die Nachricht, die Ungarn hätten bei Weißkirchen eine Schlacht verloren. Nach einem antiungarischen Blatte modifizirt sich diese Niederlage auf einen Verlust von 40 Mann, wogegen die Serben 100 einbüßten.
Am 4. machte der Minister des Innern in Budapesth bekannt, daß die ungarischen Truppen des Perlasser Lager im Banat eingenommen hätten.
Wer die ungarisch-kroatischen Verhältnisse richtig beurtheilen will, der wird vom Standpunkte der Freiheit und Unabhängigkeit aus niemals irren, wenn er im Kampfe irgend welcher Völker gegen Ungarn nichts als Aufhetzen der Kamarilla erblickt, um Freiheit und Selbstständigkeit unmöglich zu machen. Ungarn ist jetzt eine zweite Lombardei, wo das Wiener Ministerium Russen und Türken für den Moment der Gefahr hinbeordert hat. Frankreich und Deutschland, wenn letztes seit einem Jahrtausend nicht allzuerbärmlich wäre, verdienen selbst wieder geknechtet zu werden, wenn sie den östreichischen Dalai-Lama-Absolutismus in Europa wieder zu Kräften kommen lassen. Sie thun es, wenn sie Italien und Ungarn nicht zu Hülfe eilen.
Die hiesige demokratische Presse gebährdet sich nunmehr theilweise zwar rasend, ist aber noch lange nicht genießbar. Die „Konstitution“ sprach gestern noch von einem Gesammtöstreich, während der „Freimüthige“ vorgestern über die Ungarn schimpfte, um sie gestern wieder in Schutz zu nehmen. Die sancta simplicitas der Herrn ist noch fast ebenso allmächtig, als der östreichische Absolutismus. ‒ Die Straßenecken sind voll Plakate wider Ungarn und Frankreich. Man fürchtet den Krieg, wie den wirklichen Untergang. Der demokratische Verein hält permanente Sitzungen. Der Abgeordnete Barrosch, einer von den wenigen Böhmen, die auf deutscher Seite, welches hier die der Freiheit ist, stehen, erhielt gestern einen glänzenden Fackelzug. Dafür macht die „Presse“ ihn heute auch niederträchtig schlecht.
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@facs0506
[ 61 ] Wien, 8. September.
Niemand als der literarische Blödsinn der sogenannten Demokraten Wiens konnte über die Erklärung der Minister auf Borrosch's Interpellation in der gestrigen Reichstagssitzung im Zweifel sein. Nachdem dieser Reichstag, da er am 6ten in seinem Schoße den Verräther Bach mit Stadion hatte siegen lassen, sich in der That tief unter das Ministerium zurückgeschleudert hatte, mußte man es noch als einen Akt überflüssiger Freisinnigkeit betrachten, wenn das Ministerium durch Vater Doblhoff ihm folgende Camphausen'sche Theorie offenbaren ließ: „Wir Minister verwahren uns wider jede Verdächtigung, als ob wir eine volksfeindliche Stellung eingenommen hätten; als ob wir den Reichstag für unmündig erklären oder gar erdrücken wollten. (Nr. 1 ist eine gewöhnliche Lüge der Unverschämtheit, Nr. 2 wird Stadion, Nr. 3 aber Jellachich seiner Zeit besorgen.) Wir halten aber fest an den Rechten der Krone und werden namentlich gegen republikanische Tendenzen einschreiten. Wir stehen auf konstitutionell-monarchischem (östreichischem) Boden, (demokratisch ist als überflüssig weggelassen) den Se. Majestät frei zugestanden hat und können daher auch nur konstitutionelle Prinzipien für maßgebend halten, obwohl wir durchaus nicht gewillt sind, der Konstitution, deren Feststellung Se. Majestät zufolge der Manifeste vom 3. und 6. Juni keine Schranken stellt, vorzugreifen. Es ist somit das freie, wechselseitige Einvernehmen, was wir unter Vereinbarung verstehen.“
Wessenberg, dessen Genie in Abwesenheit besteht, hatte es gar nicht der Mühe werth gehalten, zum Kunststück Doblhoff's zugegen zu sein, er war auch hier in cavaignac-rothschild-, radetzky-albertschen, ganz besonders aber in Angelegenheiten Jellachich's abwesend. Er, Latour und Stadion harren der baldigen Ankunft der eigentlichen Minister entgegen; Montekukoli, Windisch-Grätz und besonders Benjamin Jellachich.
Die Tagespresse beschäftigt sich mit dem Borrosch gebrachten Fackelzuge, worüber sie in Rührung vergeht; einige Genien z. B. der große literarische Jude Jellinek aus Berlin, in dessen Aufsätzen niemals der Name, immer aber der Geist vergessen wird, ergehen sich in berlinisch-klugem Schimpfen wider Ungarn, seitdem der italienische Stoff ihnen dazu ausgegangen. ‒ Solche Schacher-Pflanzen nennt man irrthümlich hier Demokraten. Sie erlassen in Zeitungen, demokratischen Vereinen, Fackelzügen u. s. w. unbeirrt ein unausstehliches Gesalbader. Ich sage Ihnen, Oestreich, ja Deutschland bedürfen noch einer Umwälzung, um den Feudalismus vollends zu Boden zu werfen, sie bedürfen noch einiger, um das Juden-Bourgeoisthum zu vernichten, und vielleicht noch einer, um die christlichen und jüdischen literarischen Wanzen, welche an dem Bourgeoisthum kleben, zu vertilgen.
Unter der Aufschrift: „Ungarn muß siegen“ wurde gestern ein Maueranschlag angeheftet, worin angezeigt wird, daß die Einreihung in Szeredy's Freikorps auf Ansuchen des Comité's an der hiesigen Universität geschehe.
Mit beredten, geistvollen Worten werden Ungarns Verdienst um die Freiheit und die Folgen geschildert, welche sein Untergang auch für Wien haben muß. ‒ Der Kampf wird furchtbar, aber auch entscheidend werden; gestern soll er dadurch begonnen haben, daß die Horden des Jellachich die Drau überschritten.
Und da schimpft diese Juden-Demokraten-Presse à la Jellinek aus Berlin, Kolisch, Samiel Deutsch, Löbenstein, Silberstein u. s. w. noch über Ungarn! Hätte Deutschland nicht fast lauter Demokraten-Gesindel, es hätte eine andere Demokratie!
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@facs0506
Wien, 8. Sept.
Gestern Nachmittag kam eine zahlreiche Deputation des ungarischen Reichstages hier an. Ihr Auftrag geht dahin, den Kaiser und König zu bitten, derselbe wolle sich für eine Zeit lang nach der Hauptstadt Ungarns begeben und vor allen Dingen eine Ausgleichung der ungarisch-kroatischen Zerwürfnisse bewirken. Die Deputation ist in corpore vom Kaiser nicht empfangen worden. Sie kehrt heute nach Pesth zurück. Feldmarschall-Lieutenant Bechtold ist von seinem ganzen, größtentheils aus Magyaren bestehenden Armeekorps, als er bei St. Thomas angreifen wollte, verlassen worden. So mußte Bechtold seine Entlassung nehmen. Unter solchen Umständen traf die ungarische Deputation hier ein. Der Minister des Aeußeren, Fürst Esterhazy, sobald er die Nachricht von den neuesten Beschlüssen des ungarischen Reichstages, der mit einem offenen Abfall drohte, erhielt, hat gestern seine Entlassung genommen. Der Palatin, Erzherzog Stephan, weigerte sich die Deputation hierher zu begleiten. Eben eingehenden Nachrichten aus Agram vom 5. zufolge, ist das Vorrücken der Armee unwiderruflich auf den 7. festgesetzt; 56,000 Mann treten den Marsch über Warasdin und Csakaturn an. Das Manifest des Banus wird am 6. in Agram publizirt.
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@facs0506
[ * ] Wien, 8. Septbr.
Die hiesige amtliche Zeitung bringt heute den am 2. September zu Ferrara zwischen Welden und dem Prolegaten Lovatelli abgeschlossenen Vertrag. Es sind 8 Artikel, in welchen die Auslieferung der beiderseitigen Gefangenen und Waffen, die Räumung des päpstlichen Gebietes durch die Oestreicher, mit Ausschluß Ferrara's, festgesetzt wird. Es ist auch verlangt, daß die östreichische Besatzung von Ferrara alle 14 Tage „aus Sanitätsrücksichten“ (?!!) gewechselt werde. Der Prolegat verspricht aber nur, daß dies höchstens alle sechs Wochen werde stattfinden dürfen. Die Ratifikation des Vertrags wird erwartet. ‒ ‒ Das Unterrichtsministerium hat vier Lehrer nach der Schweiz und dem übrigen Deutschland abgesandt, damit sie zur Verbesserung unseres Schulwesens die nöthigen Studien machen.
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@facs0506
[ 33 ] Düsseldorf, 14. Septbr.
Angeregt durch die hiesigen demokratischen Vereine hat gestern vor den Thoren der Stadt Neuß im Freien eine Volksversammlung stattgefunden, wie sie am Niederrheine noch nicht gesehen wurde. Gegen 10,000 Menschen waren aus Düsseldorf, Neuß, Crefeld, Gladbach, Wevelinghoven und den benachbarten Ortschaften zusammengeströmt. Es war ein gewaltiger Anblick, doppelt erhebend in einem Augenblicke, wo die Reaktion alles aufbietet, die demokratischen Bestrebungen als von einer kleinen Zahl Ehrgeiziger und Verblendeter ausgehend zu verdächtigen und gewaltsam zu unterdrücken, diese dicht gedrängte Menschenmasse in den begeistertsten Jubel ausbrechen zu sehen, als ihr von der Tribüne herab verkündet wurde, daß endlich auch in den Versammlungen der Volksrepräsentanten, zu Berlin ebenso wie zu Frankfurt, die Forderungen der Demokratie anfingen, zur Anerkennung und Bethätigung zu gelangen. Mit einem unbeschreiblichen Beifallssturme wurde eine Adresse gegen den schleswig-holsteinischen Waffenstillstand aufgenommen und beschlossen. Außer dieser Adresse, die wir unten folgen lassen, wurde noch eine zweite, ebenfalls an die Frankfurter Versammlung, beschlossen, welche dem drohenden preußischen Bürgerwehrgesetz gegenüber die schleunigste Organisation einer allgemeinen deutschen Volkswehr beantragt. ‒ Die Adresse gegen den Waffenstillstand lautet:
An die deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt.
Zum ersten Male hat sich die Versammlung, in deren Hände Deutschland seine Geschicke gelegt hat, zu einer That erhoben; zum ersten Male haben die Vertreter des deutschen Volkes die Ehre und Freiheit desselben dem schimpflichsten Verrath gegenüber zu wahren gewußt.
Auf Grund einer unkontrasignirten Vollmacht ‒ deren Aufstellung jene Männer mit Schaam über ihre Kurzsichtigkeit erfüllen möge, welche voll überfließenden Vertrauens eine Unverantwortlichkeit bewilligten und so den unverantwortlichsten Handlungen Thür und Thor geöffnet haben ‒ hat das preußische Ministerium einen Waffenstillstand geschlossen, welcher Deutschlands materielle Interessen preisgibt gegenüber dem Auslande, Deutschlands Ehre und die Sache der Freiheit prinzipiell an die Reaktion und den Absolutismus verräth und eine doppelte Verletzung der Verfassung enthält, welche Sie angefangen haben Deutschland zu geben.
Das preußische Ministerium hat einen Waffenstillstand geschlossen auf Grund einer unkontrasignirten Vollmacht und gewagt, die Bedingungen, welche diese Vollmacht enthielt, in ihren wesentlichsten Grundzügen zu verletzen. Während die Vollmacht bestimmt, daß alle bis zur Abschließung des Waffenstillstandes von der provisorischen Regierung erlassenen Gesetze in Kraft bleiben sollen, erklärt Preußen alle diese Gesetze für aufgehoben die einzige revolutionären Regierung in Deutschland, anerkannt sogar vom Bundestage, anerkannt von der Centralgewalt, wird nachträglich verläugnet, ihre ganze Wirksamkeit für ungültig erklärt, mit der ganzen revolutionären Vergangenheit aufs schamloseste gebrochen, und während ein Moltke an die Spitze der neuen Regierung gestellt wird, die ausdrückliche prinzipielle Bestimmung getroffen, daß kein Mitglied der provisorischen Regierung in die neue erwählt werden dürfe.
Das ist der Verrath gegen eine bereits von allen gesetzlichen Autoritäten Deutschlands, von der Nationalversammlung, der Centralgewalt und den Einzelregierungen anerkannte, schon legitim gewordene revolutionäre Bewegung.
Das der Waffenstillstand statt auf drei auf sieben Monate geschlossen wird und so für Deutschland absichtlich die Zeit verloren geht, innerhalb welcher die dänische Seemacht in ihren Operationen gehemmt und der wirksamste Angriff von deutscher Seite möglich ist, daß gegen die ausdrückliche Vorschrift die schleswig-holsteinischen Truppen getrennt und statt unter den deutschen Oberbefehlshaber zur Disposition der neuen, ihrer Majorität nach dänischen Regierung gestellt werden ‒ das ist der Verrath der materiellen Interessen Deutschlands.
In der Annahme einer uncontrasignirten Vollmacht von Seiten Preußens liegt ein Angriff auf die erste Lebensbedingung konstitutioneller Staaten und indem den Bestimmungen dieser vom Reichsverweser ertheilten Vollmacht in jedem Punkte Hohn gesprochen wurde, hat sich die preußische Regierung eines schweren Attentats gegen die deutsche Verfassung schuldig gemacht, gegen jenes von Ihnen erlassene Gesetz, welches die Vertretung Deutschlands dem Auslande gegenüber einzig und allein in die Hände der Centralgewalt legt.
Sie haben den nächsten von Ihrer Pflicht und Ehre vorgeschriebenen Schritt zu erfüllen gewußt und die Maßregeln zur Ausführung des Waffenstillstandes sistirt.
Man hat Sie mit der Bedenklichkeit eines Konflikts zwischen Deutschland und Preußen zu schrecken gesucht. Aber das ist es, was die Mitglieder der unterzeichneten Volksversammlung Ihnen zuzurufen sich verpflichtet fühlen: Hinter jenem Ministerium steht kein Volk! Der Sturz dieses feilen Ministeriums ist von jetzt ab eine Ehrensache des preußischen Volkes und seiner Vertreter geworden. Sollte das preußische Kabinet beharren in seinem übermüthigen und strafbaren Ungehorsam gegen die Centralgewalt, so werden die unterzeichneten Bürger des Rheinlandes mit Gut und Blut zu derselben halten und die errungene Verfassung zu schützen wissen. Nicht wir, nicht Sie, das preußische Kabinet ist es, welches, wenn es in seiner Widersetzlichkeit beharrt, die bestehende Verfassung gebrochen und die Revolution proklamirt hat.
Sie werden auf der Bahn, die Sie betreten, fortzuschreiten wissen. Umsonst giebt sich die Reaktion der thörigten Hoffnung hin, den Waffenstillstand definitiv von Ihnen gebilligt zu sehen. Sie werden, Sie können dies nicht ohne die Ehre Deutschlands zu verrathen, ohne die Reichsregierung, die Sie geschaffen, der Anmaßung der Sonderstaaten preiszugeben und zu einem ohnmächtigen Schattenbilde herabzusetzen, ohne sich selbst eines Bruches des von Ihnen proklamirten Gesetzes über die Centralgewalt schuldig zu machen, ohne endlich durch eine so offene Zurücknahme eines Beschlusses, welchen Sie so eben gefaßt, sich der Achtung des deutschen Volkes auf immer zu begeben und das Unheil über Deutschland zu bringen, daß es gewaltsam sich genöthigt sehe, die Wahrung seiner Freiheit und Würde außerhalb Ihrer Versammlung zu suchen. Die gerechte Verachtung Deutschlands, der Umsturz des mühsam begonnenen Werkes, der Appell jedes freien Mannes an die eigene Kraft wäre die Folge eines so namenlosen Verraths.
Und so stellen wir denn an Sie das Ersuchen:
Sich weder durch Rücksicht auf Verwickelungen mit auswärtigen Nationen noch durch die erheuchelten Befürchtungen eines Zerwürfnisses mit Preußen, erheuchelt, weil man nur zu wohl weiß, wie Preußens Volk zu Ihnen steht und hält, abhalten zu lassen, jenen Waffenstillstand zu verwerfen und den einzigen Krieg, welchen Deutschland im Namen des Volkes und der Freiheit unternommen hat, zu einem glorreichen Ende zu führen.
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@facs0506
Schleswig-Holstein, 5. Sept.
Der Herzog von Glücksburg, der bis zum Ausbruch des Kriegs in Kiel residirt hat, soll gewilligt sein, auf 2 Jahre ins Ausland (man sagt nach England) sich zu begeben. Wohin die Fürsten von Augustenburg, die der König von Preußen in seinem Briefe seine lieben Vettern nannte, weil sie dem geheimen Verbannungsartikel willfahren sollten, sich begeben werden, weiß man noch nicht; zum „lieben Vetter“ wird's wohl schwerlich sein. ‒ In Potsdam konspirirt man mit den Russen, in Oestreich mit den Czechen und Kroaten, in Schleswig-Holstein mit den Dänen. Fünf Monate nach dem März 1848 kehrt der Urheber des, Einheit und Recht Schleswig-Holsteins zerreißenden offenen Briefes triumphirend in das von 40,000 Mann unbesiegter deutscher Truppen besetzte Schleswig-Holstein, in Folge zwischen Dänemark und Preußen abgeschlossener Bedingungen, zurück. Das ist nicht weniger bezeichnend, als daß Radetzky, gleichzeitig mit dem hannover'schen Orden und der Adresse der rechten Seit der deutschen Nationalversammlung, einen russischen Orden erhält, den nur ein russischen General, der für Rußland eine Schlacht gewonnen, bekommen kann. [(F. J.)]
Italien.
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@facs0506
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 13. September 1848. In: MEGA2 I/7. S. 701.]
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[0507] [Spaltenumbruch]
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@facs0507
Edition: [Friedrich Engels: Italien. 13. September 1848. In: MEGA2 I/7. S. 701.]
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Französische Republik.
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@facs0507
[ 16 ] Paris, 9.Septbr.
Mit unendlicher Wuth heult bereits ein Theil der legitimistischen Presse der Provinzen gegen Cavaignac. Der dem General keineswegs geneigte, demokratische „ National de l' Ouest“ in Nantes sagt:„ Das Gebelfer der henry-orleanistischen Schooß- und Schweißhunde gegen den Mann, dem sie den Hals verdanken, (er wäre bei Gott! ihnen von den fliegenden Junimännern amputirt worden) ist bezeichnend; die lieben Herren glauben sich schon geborgen, seit sie die legitimistischen Stadtrathswahlen in zwei Drittel von Frankreich durchgesetzt. Sie werden aber nochmals sich kompromittiren, und diesmal waschen wir schon jetzt unsere Hände in Unschuld, wir ahnden ein namenloses, ein unerhörtes Volksgericht über die bestreßten und pomadirten Volksverhöhner und Volksbetrüger, ein Gottesgericht vor Ablauf des Jahrzehends, gegen das 1793 ein Puppenspiel. Wir ahnden eine allgemeine Hatzjagd (un laisser-courre) derjenigen, die bis anher das Wildpret gewesen, auf die bisherigen Herren Jäger. Die unverschämte Bande, die 1792 vor den Mistgabeln ihrer Bauern floh und die flammenden-Familienschlösser im Stiche ließ, sich in Koblenz einnistete und den französischen Namen in dem damals noch so befangenen Deutschland durch Lüderlichkeit und Verrücktheit vollends zum Abscheu machte, diese legitimistische Brut, die die Guillotine vergessen haben, hat einen Bund mit den zahllosen Sprößlingen des greisen Schuftes Louis Philipp geschlossen; man hofft, nein, man schwört Stein und Bein bereits auf recht baldige Restaurirung; man will wieder einmal, wie 1816 zu Toulouse und an der Rhone, Kegel schieben mit abgehackten Republikanerköpfen und nach abgehauenen Händen Scheibenschießen treiben, wieder baarfuß Kirchenbuße thun, und Kindesmörderinnen und Kirchendiebe hinrichten, wieder die Herren im schwarzen langen Rock anbeten u. s. w. “ Das Landvolk in den Pyrenäen ist ganz gut organisirt, und setzte gegen 6000 Linien-und Nationalgardesoldaten durch, daß die neun Sous Uebersteuer nicht erhoben wurde; 7000 Bäuerinnen sogar marschirten zur Schlacht, wohl bewaffnet, und es waren legitimistische Chefs kenntlich. Die„Democratie pacifique“ ruft: „Ihr wollt also den Staatshaushalt stets durch neue Steuern führen? Narren, was wollt Ihr machen, wenn einst Frankreich Euch zuruft, wir zahlen keinen Liard mehr! Ihr thätet besser, statt durch Uebersteuern den Bauer zum Rebell zu machen, die Reichen zu belasten, nicht mit albernen Luxusabgaben, worüber sie nur lachen und wofür sie sich rächen, indem sie gar nicht mehr Luxusarbeit bestellen; sondern zwingt sie, indem Ihr z. B. die Eisenbahnen ihnen unter den Beinen wegzieht, oder die Versicherungsanstalten, die Roulage, die Courtage, die Agiotage; ihnen das geschäftige, einträgliche Vermitteln zwischen Produzent und Konsument verbittert und endlich ganz ihnen abgewöhnt, sei's auf gemüthliche, sei's auf energische Weise; durch die Agrikulturagentschaften, die Landschulen, deren Ihr seit Flocon's Ministerium 400 habt, könntet Ihr dem Bauer so viel helfen, als den Blutigeln des Bauers schaden. Die Thorheit der Absolutisten ist, dem Bauer goldene Berge zu verheißen, und nachher ihm nicht einmal satt essen zu geben; wir haben das Flugblatt in Händen mit der Liste der henry-philippistischen Minister: Genoude, Minister des Innern; Berryer, des Aeußern; Odilon-Barrot, Justiz u. s. w. Fluch den Dummköpfen, die da mit ködern wollen. Wir sagen noch heute, der 24. Februar kam einige Jahre zu früh, aber wer jetzt die Republik attakirte, den würden wir persönlich bekämpfen.“
Selbst in Mans, einer größeren Stadt, ist am Freiheitsbaum ein Zettel zu lesen mit den gröbsten Schmähungen auf die Republik und Lobessprüchen auf „den guten Henri, der Frankreich's Wunden heilen wird. “ Cavaignac hat erklärt, er werde sein Leben preisgeben, aber nie mit dem Royalismus unterhandeln. Worauf die „Liberte“ von Lyon sagt: „Er weiß nicht, was er spricht; er hat 16 Jahre nichts thun können als Löwen und Beduinen jagen; dabei lernt man weder Sozialismus noch sogar Kriegskunst. Kommt es zum Kampfe, so möge er nur nicht aus Ruhmsucht das Oberkommando nehmen; er steht nicht mehr den Kabylen gegenüber. Uebrigens, wenn man jahrelang immer Tacitus und Plutarch im Feldlager gelesen hat, so ist man zwar wohl ein guter Republikaner, aber ein stehengebliebener, kurz gerade einer wie die edeln Kameraden Senard und Marrast ihn brauchen. Senard ist nebenher Spion des kleinen Thiers, der vermuthlich nebst Odilon Barrot die Sendung hat, die französische Bourgeoisklasse zum Höhepunkt und Fallpunkt zu bringen, und zwar in Jahresfrist, wonach denn ein Riesengrab das ganze Gelichter verschlingt, Todte nebst Todtengräbern, und das neue Geschlecht, das Proletariat, tritt auf die Bühne. Uns scheint Barrot der greise Tartüff, Thiers der dreiste Sünder, Hauranne der feierliche Falschmünzer, und Dupin der kühne Gelehrte berufen zu sein die Bourgeoisie zu Grabe zu geleiten. Wir wollen die Glocke ziehen.“ Dieses Blatt bemerkt zugleich, in Lyon seien 381 Jesuiten flüchtig angelangt, und bereits korrespondirten sie auf's Eifrigste nach Oestreich, Urschweiz, Belgien, Rom; es verlangt sofortiges Austreiben dieser „unheiligen“ Väter, die offenbar bald den zweiten Sonderbundskrieg in der Schweiz anfachen werden, wie wir nach positiven Anzeigen wissen. Möge die Republik des Herrn Senard und Bastide nicht dümmer, nicht jesuitenfreundlicher sein als die absoluten Könige des letzten Jahrhunderts; doch wir fürchten… “ ‒ Die deutschen Demokraten werden von den Pariser und Provinzialblättern oft rühmend anerkannt; der „National de l'Ouest“ brachte eine umständliche Schilderung des Frankfurter Parlaments vom demokratischen Standpunkt aus; die Herren Lychnowski, Soiron, Höfken, Senff und Konsorten werden gebührlich geschlagen, dagegen die Linke belobt und ermuthigt; Benedey (M. Jakobus Benedey genannt) wird als „sehr sanft und matt “ geschildert, und„warum der König ihn so lange verbannt gehalten, ist ein Räthsel; Herr Jakobus Benedey ist ein stets ungefährlicher Mensch gewesen.“ Auch über Oestreich sind mehrere Artikel der„Neuen Rhein. Ztg.“ in die Departementspresse gegangen.
Die Ansichten über die dänischen Verhältnisse aufzuklären, ist aber bisher mißlungen; die Dänen hatten zu gut vorgearbeitet. ‒ Die Misere ist so groß, daß die zwölf Maires von Paris im Hotel de Ville delibrirten und als„vorläufig einziges Heilmittel die sofortige Uebersiedelung nach Algier“ bei der Kammer beantragen. Der Prozeß der Maigefangenen wird, um Aufregung in Paris zu meiden, wie der Babens'sche im vorigen Jahrhundert, in Bendome oder Beauvais statt finden; zugleich umgibt die Herrscherklasse Paris mit einem vierfachen Ringe von Garnisonen und Feldlagern bis auf 80 Lieues; was nicht verhindert, daß nicht wieder so eben hart an seiner Ringmauer in den Batignolles eine Feldstation von 8960 Infanteristen formirt wird; macht fünf im Ganzen.
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@facs0507
Paris, 10.Sept.
Der Sturz des deutschen Reichsministeriums und die Gährung in Berlin, von wo die Exekutivgewalt wichtige Depeschen erwartet, erregen hier das größte Aufsehen. Leider sieht man in den deutschen Angelegenheiten nicht klar; sie [Spaltenumbruch] sind für unsere Journalschreiber ein Labyrinth, aus dem sich Wenige herausfinden.
‒ General Lamvrieiere, Kriegsminister, hat dem betreffenden Ausschuß der Nationalversammlung versprochen, seinen berüchtigten Kolonisationsplan für die bewußten 10,000 Arbeiter sowohl als für die Juniräuber morgen, Montag, vorzulegen.
‒ In einigen Pyrenäen-Departements, namentlich im Thale von Arros waren wegen der 45 Centimensteuer heftige Unruhen ausgebrochen. Indessen zeigt der Moniteur heute das Ende derselben amtlich an.
Großbritannien.
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[ * ] London, 10. Sept.
Der Economist gibt einen Auszug aus den kürzlich veröffentlichten Exportlisten des britischen Handels, woraus hervorgeht, daß sich die Ausfuhr von Manufakturwaaren, nach fast allen Theilen der Welt, von 1845 bis 1847 sehr verringert hat. Eine Ausnahme machen Neu-Süd-Wales und die Australischen Kolonieen, namentlich aber die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, welche statt für 6,830,460 L. in 1846: für 10,974,161 L. in 1847 an englischen Manufakturwaaren einführten. Die großen nach England gemachten Kornsendungen stehen natürlich mit dieser steigenden Einfuhr von Manufakturwaaren in genauem Zusammenhange.
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@facs0507
[ 27 ] London, 9. Sept.
Der Schluß der diesjährigen Session veranlaßt F. O'Connor zu einem leitenden Artikel im „Northern-Star“, dessen wesentlichste Stellen folgende sind: Das Parlament ist geschlossen und seine Handlungen werden ein dauerndes Brandmal sein für die, welche ihnen ihre Sanktion verliehen. Ich darf behaupten, daß niemals ein Parlament, so lange es ein solches gegeben, den Interessen der arbeitenden Klasse wüthender und feindlicher entgegengetreten, als das gegenwärtige. Die blutdürstigen Gesetze, die fast einstimmig angenommen worden, liefern den Beweis, wie weit die Mittelklassen zu gehen bereit sind, um jede Bewegung zu unterdrücken, die Verminderung ihrer Profite zum Ziel hat. Sobald es sich zeigte, daß die französische Republik alle Hoffnungen derer, welche sie begründet hatten, vernichtete: da beschloß die englische Regierung aus Furcht, der Geist in den Kontinentalstaaten könnte das englische Volk anstecken, Gesetz und Verfassung hintansetzen und mit dem Schwert zu regieren. Zu diesem Zweck wurde der Generalstab der Müssiggänger vermehrt, während die Hülfsquellen des Volkes zu ihrer Fütterung sich verminderten. Vom ersten Minister der Krone bis herab zum gemeinsten Polizeispion (detective) sind alle Klassen zu einer großen Verschwörung gegen den Armen organisirt. Dagegen wird jeder Versuch des Volkes, sein Auskommen durch Arbeit zu gewinnen, als Hochverrath und Aufruhr bezeichnet und bestraft. Nichts war natürlicher, als daß die Veränderung in Frankreich, die der arbeitenden Klasse so viele Vortheile verhieß, die englischen Arbeiter mit ähnlichen Hoffnungen in Betreff ähnlicher Veränderungen erfüllte. So lange die Verwirklichung dieser Hoffnungen des französischen Volks zweifelhaft blieb, duldete die englische Regierung eine der stärksten politischen Agitationen, die in unserm Lande vorgekommen. Doch als in Frankreich die Herrschaft der Mittelklasse aufs Neue mittelst des Schwerts errichtet, als die Hoffnung auf Besserstellung des Volks verschwunden war: da suchte unsere Regierung, durch die Vorgänge in Frankreich ermuthigt, Rache zu nehmen an denjenigen, deren Enthusiasmus bis dahin geduldet worden. So aufregend auch die Sprache vieler Deputirten bei der Nationalkonvention, so stark und bedrohlich die Reden in einer Menge von Londoner Meetings lauteten: so wurde doch kein einziges gerichtliches Verfahren gegen jene Redner eingeleitet, bis die Mittelklasse in Frankreich abermals die Oberhand gewonnen. In derselben Weise, wie das französische Volk behandelt worden, wurde jetzt auch am englischen Rache genommen. Die Regierung ergriff die tyrannischsten Maßregeln und wurde von der Mittelklasse des Unterhauses aufs wärmste unterstützt. Nachdem die Parlamentssession vorüber, will die Mittelklasse, unter Leitung der Herren Cobden, Hume und Konsorten, abermals das Gaukelspiel einer Reformbewegung erneuern. Feargus O'Connor weist aus der Geschichte des Chartismus nach, daß letzterer sich von den Männern der Scheinreform weder 1839, nach 1841, 42 und 45 hat irre führen lassen und daß er eben so wenig im Jahre 1848 von seinem Wege abzubringen sein wird.
‒ In einem zweiten Artikel überschrieben:„ Arbeit, die Quelle allen Reichthums“ wird gezeigt, daß die Arbeitsfrage, weil völlig unbegriffen, Könige entthront und für Kapitalisten wie Regierungen zum schreckenerregenden Gespenst wird. In Folge des Uebergewichts, das die Maschinen und durch letztere die Mittelklasse erlangt hat, beschäftigt sich das Parlament alltäglich mit Beschützung des Eigenthums, der Rechte und Vorrechte der Geldklasse, während Hume und Cobden und die Anhänger der Manchester-Schule dem Parlament aufs heftigste das Recht bestreiten, sich in die Arbeitsfrage zu mischen. Dem Parlament wird zugerufen: „Rüstet uns mit der nöthigen Macht aus, die Mißvergnügten niederzuhalten, das Elend der Armen zu unserm Profit auszubeuten. Dafür wollen wir Euch Geldmittel bewilligen, um Eure Polizeimacht auf den Beinen zu halten, Eure Spione zu bezahlen, die Truppen hin und her marschiren zu lassen, Feldlager zu errichten, Flotten zu bemannen, Eure Opfer aus allen Winkeln hervorzuhetzen und Eure Hochverräther zu deportiren. Nur laßt Euch nicht einfallen, durch Einmischung in die Arbeiterfrage an unsern Geldbeutel zu rühren, sonst stürzen wir Euch vom Sitz der Gewalt und heben Eure Feinde über die Trümmer Eurer Macht empor.“
Dänemark.
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@facs0507
Kopenhagen, 2.Sept.
Statt daß hier bisher nur eine Partei hervortrat, deren Feldgeschrei war:„Dänemark bis zur Eider“, hat sich neuerdings auch eine zweite Partei geltend gemacht, die wir als die rein demokratische bezeichnen möchten. Von ihr geht das Programm für die bevorstehenden Wahlen zur dänischen Reichsversammlung aus, und halten wir dafür, daß diese Partei gar bald an die Spitze der Verwaltung des Staats treten werde, zumal wenn es ihr gelingen sollte, tüchtige Leiter zu gewinnen, woran es ihr bisher noch zu gebrechen scheint. Nebenbei ist übrigens auch die zwar nicht offen hervortretende Partei der Aristokratie, die nicht gern Alles verlieren möchte, mit der alten Bureaukratie, namentlich der höheren, verbunden, ganz in der Stille nicht unthätig, und wirkt gleichfalls nach Kräften unbemerkt auf den Sturz des Ministeriums hin, das schon ohnehin nicht mehr sich sattelfest fühlt, da es einsieht, sein Programm nicht innehalten zu können. Der Sturz desselben kann indeß, wenigstens auf die Dauer, nur der reinen Demokratie zum Siege verhelfen. Wenn dies aber auch nicht der Fall sein sollte, so würden wir den Sturz des Ministeriums doch immer nur mit Freuden begrüßen, da eine größere Despotie, verbunden mit Espionage, Denunciation und Kalumnie, wie sie das jetzige Ministerium ausübt, überall kaum denkbar ist, und selbst die Rückkehr unter die frühere absolute Alleinherrschaft der Fortdauer des jetzigen Zustandes vorzuziehen sein möchte. Dies fühlt auch das dänische Volk in immer größeren Kreisen, wenn auch zur Zeit nur noch dunkel. Aber vielleicht werden schon die nächsten Wochen Licht in dies Dunkel bringen, und dann wehe Denen, die das Volk in die jetzige Kalamität hineingeführt haben.
[(Börf.-H.)]
[Spaltenumbruch]
Schweiz.
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@facs0507
[ * ] Bern, 5. Sept.
Nach dem gestern erfolgten Wiederzusammentritt der Tagsatzung wurde der vorörtliche Bericht über die Geschäftsführung verlesen. Darin kamen auch die italienischen Angelegenheiten zur Sprache. Es ging aus den Mittheilungen namentlich hervor, daß Karl Albert verlangt habe, und übereingekommen sei mit Oestreich direkt und ohne Vermittelung zu unterhandeln, und die Stadt Verona als Vereinigungspunkt der Bevollmächtigten ausgewählt sei, wozu Oestreich den Militärgouverneur von Mailand, Fürsten v. Schwarzenberg, ernannt habe, der auf dem Punkte seiner Abreise stehe. (Ist abgereist.)
Nachtrag.
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@facs0507
[ * ] Köln, 12. Sept.
1 Uhr Mittags. In Folge der gestrigen Exzesse hat sich das Volk heute Mittag immer stürmischer um das Rathhaus geschaart. Reden wurden gehalten, eine Deputation, von zahlreichen Schaaren begleitet, begab sich zu dem Regierungspräsidenten und Bürger-Kommandanten Wittgenstein um denselben aufs Rathhaus zu holen. Hr. Wittgenstein erschien, und das Volk drang in den Rathhaussaal.
Ein Redner verlangte hier die sofortigeEntfernung des 27. Regiments. Hr. Wittgenstein suchte die Aufregung zu beschwichtigen, und erklärte, die sofortige Entfernung sei nicht möglich; er selbst sei erst vor 2 Stunden hier angekommen, habe sich sofort zu dem General Kaiser begeben und von diesem die Zusicherung erhalten, daß das Regiment sogleich in die Forts gezogen werden solle.
Das Volk antwortete dieser Nachricht mit dem Geschrei:„Nicht in die Forts! Auf die Haide mit dem Regiment!“
Einzelne Redner riefen dem Hrn. Wittgenstein zu, daß er in seiner doppelten Stellung als Regierungspräsident und Bürgerkommandant sich zweideutig zeige, und kein Vertrauen von den Bürgern verdiene.
Das Volk gab seinen Beifall mit dem stürmischen Ruf:„Abdanken! Abdanken! “ zu erkennen.
Hr. Wachter und Advokat Schneider II verlangten zur Beruhigung des Volkes, daß sofort Generalmarsch geschlagen werde, und die Bürgerwehr unter die Waffen trete.
Als Hr. Wittgenstein die immer steigende Aufregung sah, holte er den General Kaiser herbei und erklärte in dessen Gegenwart: „General Kaiser sehe ein, daß die preußische Soldateska grobe Excesse begangen habe; er wolle durch den Telegraphen sogleich in Koblenz anfragen, welche Richtung das Regiment nehmen solle; in 2 Stunden könne die Antwort eintreffen, bis dahin aber mögen die Bürger sich beruhigen! “
Die Menge antwortete mit dem einstimmigen Ruf: „Keine Minute! Hinaus auf die Haide mit den Soldaten!“
Zuletzt erklärte sich Hr. Wittgenstein damit einverstanden, daß bis zum Eintreffen der Antwort aus Coblenz, die Bürgerwehr unter die Waffen treten solle.
So eben schlägt man in allen Straßen Generalmarsch. Die Bürgerwehr tritt unter die Waffen.
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@facs0507
Der Rheinische Demokratenkongreß zu Köln.
In Ausführung der Beschlüsse des Frankfurter Demokratenkongreßes vom 14-17. Juni und in Folge Aufrufs des Rheinischen Kreißausschusses vom 4. August fand am 13. und 14. August der erste Rheinische Demokratenkongreß statt. Es haben an demselben Theil genommen:
  • 1. Der demokratische Verein in Köln.
  • 2. Der Arbeiter-Verein in Köln.
  • 3. Der Verein der Arbeiter und Arbeitgeber in Köln.
  • 4. Der politische Klub in Solingen.
  • 5. Der Volksklub in Düsseldorf.
  • 6. Der Verein für demokratische Monarchie in Düsseldorf.
  • 7. Der Arbeiter-Verein in Krefeld.
  • 8. Der Volksverein in Kettwig.
  • 9. Der demokr. Verein in Trier.
  • 10. Der Volksverein in Dortmund.
  • 11. Der Arbeiterverein in Hamm.
  • 12. Der demokr. Verein in Rochem.
  • 13. Der Arbeiterverein in Mülheim am Rhein.
  • 14. Der demokr.Verein in Mülheim an der Ruhr.
  • 15. Der demokr. Verein in Bonn.
  • 16. Der politische Klub in Barmen.
  • 17. Der Rheinisch-Westphalische Verein in Berlin, welche im Ganzen durch 40 Abgeordnete vertreten werden. An den Berathungen haben außerdem mehrere andere Demokraten Theil genommen, die nicht Kraft besonderen Auftrages erschienen waren.
In der ersten Sitzung, am 13. August Vormittags 10-1Uhr, im kleinern Saale bei Stollwerk, wurden zunächst gewählt zum Vorsitzenden, der Präsident des demokr. Vereins in Köln, Adv. Schneider II, zum Stellvertreter den Präsidenten des Bonner demokr. Vereins Professer Kinkel, zu Schriftfuhrern Adv. Schily aus Trier und Lehrer Imandt aus Krefeld. Sodann wurde die Frage wegen des Stimmrechts dahin erledigt, daß nur Abgeordnete stimmen können, daß aber nicht nach Vereinen sondern nach Köpfen gestimmt werden solle und zwar, weil nicht von dem Interesse der einzelnen Vereine sondern von dem Gesammtinteresse der Demokraten die Rede sein konne. Auf die fernere Frage ob die westphälischen Deputirten zugelassen werden sollen, wurde beschlossen, daß da in Frankfurt Rheinland und Westphalen zu Einem Kreise verbunden, der Centralausschuß in Berlin als wesentlich vollziehende Behörde, Westphalen nicht wider den Willen der dortigen Vereine abtrennen könne, daß eine Wechselwirkung bei den Provinzen aufeinander wichtig und besonders auf die Entwicklung der Demokratie in Westphalen von Einfluß sei, eine Trennung Preußens nach seinen einzelnen Provinzen nur das specifische Preußenthum fördere, den Westphälischen Vereinen vollkommenes Stimmrecht zustehe.
Als Gegenstand der Kongreßverhandlungen wurde die Organisation des Kreisverbandes und die auf das äußere Bestehen bezughabenden formellen Maßregeln erklärt, die materiellen Maßnahmen einem späteren Kongresse vorbehalten, für die Berichterstattung der einzelnen Vereine eine öffentliche Sitzung auf den Nachmittag angesetzt.
Als besondere Vorlagen wurden vom Kreisausschusse die Fragen überreicht:
1. Wege und Mittel zu finden, um die einzelnen Vereine mit einander und dem Vororte in Verbindung zu setzen und wie die Bildung von Vereinen befördert werden könne.
2. Wie die Vereine nach außen zu wirken haben.
3. Wie und in welchem Maße die Geldmittel zu beschaffen seien.
Der Kongreß empfahl hierauf einstimmig den ununterbrochenen Briefwechsel als das nächste Mittel des gegenseitigen Verkehrs so wie die Veröffentlichungen durch die demokratischen Blätter, und machte jedem Ortsverein die monatliche Einsendung von Berichten an den Kreisausschuß und Letzterem die Zusammenstellung und auszugsweisen Mittheilung der Berichte an die einzelnen Vereine zur Pflicht.
Für die Wirksamkeit nach Außen wurde zunächst die Presse empfohlen und darauf aufmerksam gemacht wie dringend nothwendig es sei demokratische Blätter nach Kräften zu unterstützen, die reaktionären aber überall zu verdrängen. Mündliche Propaganda wurde ferner als wirksames Mittel, namentlich für das Landvolk empfohlen. In Betreff der näheren Ausführung wurde auf die Nützlichkeit von Emissären, besonders aber von den auf dem Lande zu haltenden Volksversammlungen aufmerksam gemacht, es wurde namentlich hervorgehoben, wie das Land der Demokratie näher stehe, als die Städte, in denen, die Reaktion hauptsächlich ihren Sitz und ihre Stärke habe, wie der Bauerstand unter dem fortwährenden Drucke der Steuern und Feudallasten und der Beamtenvormundschaft wesentlich radikal geworden und der Demokratie, wenn er sähe, daß diese für ihn in die Schranken träte, ganz zufallen werde Adressen und Proteste gegen Regierungsübergriffe im ausgedehntesten Maße wurden als nützlich anerkannt und in Betreff derselben beschlossen, daß die Adressen und Proteste der einzelnen Vereine wegen allgemeinen Maßregeln oder Zustände dem Vororte mitzutheilen und von diesem nach Befinden der einzelnen Vereinen zur Verbreitung und Unterschriftsammlung zu übersenden seien und daß wenn der Kreisausschuß oder ein einzelner Verein die Beförderung einer derartigen Manifestation ablehne, dies nur unter Angabe der Gründe geschehen dürfe.
In Betreff der Geldmittel, mit denen der Kreisausschuß zu versehen sei,
[0508] stellte ein Abgeordneter den Antrag: daß jeder Verein monatlich die Hälfte seiner Einnahmen an den Ausschuß einsenden solle. Da sich hierüber eine weitläufige Debatte in Aussicht stellte, so wurde diese Frage auf den andern Morgen vertagt.
Bürger Giolina, Schiffsarzt aus Cincinatti ersuchte die Versammlung, einen Ausschuß zu ernennen, mit dem er einen regelmaßigen Verkehr zwischen den amerikanischen und europäischen Deutschen einleiten konne. Es wurde ihm anheimgestellt, sich hierzu an den Kreisausschuß zu wenden.
Nachdem auf den Abend eine gesellige Zusammenkunft im Pfälzerhofe verabredet worden, Schluß der Sitzung.
Nachmittags 2 Uhr öffentliche Sitzung im Eiserschen Saale.
Schurz, vom demokratischen Verein zu Bonn, berichtet über das rasche Steigen der dortigen Demokraten-Partei, welche anfangs scheinbar gar keinen Boden gehabt habe.
Geisenheimer, vom demokratischen Verein zu Düsseldorf. Gleich nach den Märzereignissen gründete sich ein schnell wachsender demokratischer Verein. Als die Wahlen herankamen, zeigte sich schon die Moglichkeit, mit der zahlreichen Beamten-und Geldherrschaft den Kampf aufzunehmen, und namentlich strömten kurz vor der Wahl die Leute so stark herbei, daß schon in den ersten Stunden der Sieg (auf 80 Wahlmänner 75 keine Demokraten) entschieden war. Nachmittags waren bereits die meisten Gegner zu uns übergegangen. Seitdem ist ein Wendepunkt eingetreten, indem die Reaktion stark wurde. Man gründete nämlich einen konstitutionellen Verein, in welchem sich 25 Offiziere, 3 Prinzen, 3 oder 4 Geistliche, 6 bis 8 Gensdarmen, 20 Steueraufseher zusammenthaten, die ubrigen Bourgeois. Wir haben, hier nicht so entschieden gesiegt, aber haben die Fahne oben gehalten. Man ließ sich in Masse in diesen Verein einschreiben, tampste gegen eine Adresse zu Gunsten der Rechten zu Frankfurt. Hierbei sind wir unterlegen, aber das Resultat war, daß die Mehrzahl der Burger einsah, welcher Verein das Wohl des Volkes wolle. Die Demokraten traten aus dem Konstitutionellen wieder aus, der jetzt langweilig zwischen seinen vier Wanden sitzt. In den letzten Tagen beschäftigten sich die Demokraten mit einer Adresse zu Gunsten Brentano's.
Rockmann, vom Volksklub in Düsseldorf, berichtet; Im demokratischen Vereine zu dort ist nach Wesendonks Wahl eine Erschlaffung eingetreten, welche fremdartige Elemente aufkommen ließ. Da bildeten etwa zwanzig einen neuen Verein, der so schnelle Anerkennung fand, daß er jetzt schon 300 Mitglieder zählt. Uebrigens gehen beide Vereine Hand in Hand.
Imandt aus Crefeld: In Crefeld besteht nur ein unbedeutender Mittelstand, aber eine große Masse Proletarier und reicher Fabrikherren. Die Bourgeoisie jubelte bei den ersten Ereignissen. Man hielt Volksversammlungen, aber dies schien nach der funften Versammlung gefahrlich. Der Vorstand trat ab, und es bildete sich ein constitutioneller Verein, in welchem die inzwischen sehr zahm gewordenen Demagogen Platz nahmen. Da brachte ein unerwartetes Ereigniß einen Umschwung hervor. Die Stadt zählt doppelt so viel Katholiken wie Evangelische. Als die Bourgois den 6. August nicht feiern wollten, fühlten sich die Katholiken beleidigt. Jetzt regten sich die Demokraten. Es wurde ein glänzendes Fest gefeiert und am andern Tage ein demokratischer Verein gebildet. Daneben kann der Arbeiterverein und die 800 Mann zählende Weberinnung in Aufnahme. Alle werden künftig einen gemeinsamen Verein bilden. Der Kampf ist schwierig, indem die Fabrikanten ihre Arbeiter ganz in der Gewalt haben und viele den Clubmitgliedern keine Arbeit geben. Ja man hat den Arbeitern sobald die Bürgerwehr organisirt war, die zwei Monate lang gewahrten höhern Löhne wieder entzogen. Man spricht mit Recht gegen die Volksjustiz, aber gräuliche Ungerechtigkeiten haben erst aufgehort, nachdem einige Fensterscheiben gebrochen waren. Endlich zwingen die Bourgois den Webermeister ihre Gesellen in den constit. Verein zu führen.
Schilly aus Trier. Die Schicksale der dortigen Demokratie unterscheidet sich kaum von dem anderer Vereine. Deshalb berichtet er vorzugsweise über die Feier des 6. August, die der Centralgewalt nicht so sehr galt, als sie eine Demonstration gegen Preußen war. Die Centralgewalt, so wenig sie uns genugen kann, ist aus dem Volke hervorgegangen und deshalb mussen ihr die Fursten gehorchen. Neben dem demokratischen Verein giebt es einen Landwehr-und einen Arbeiterverein. Ersterer ruckte am 6. August an 600 Mann stark aus unter selbst gewählten Fuhrern. Auch diese Leute haben die Faust geballt gegen das Preußenthum und ein Kreutz an der Mutze getragen mit der Aufschrift: „Mit Gott fur ein einiges Deutschland.“ (Rauschender Beifall und Hoch der Trierschen Landwehr.) Man muß vor Allem auf die Landwehr wirken.
v. Mirbach aus Dortmund: Unser Land gilt als ein guter Boden für den Pumpernickel, als übler Boden für die Demokratie. An der Spitze unserere Burgerwehr trat eine liebenswürdige Reaktion von stark pleristischer Farbung, welche auch zwei Monate lang die Volksversammlungen leitete. Nachdem der Ausschuß sammt seinem „Euer“ Prastoene, wie er zu unterschreiben pflegt, bei Menzende einige Unannehmlichkeiten erfahren, wurde er etwas stiller. Unterdessen entstand der Volksverein, der jetzt 40 Mitglieder zahlt, obgleich uns Hr. Hoffken neulich bange machen wollte, indem er erzahlte, die Linke in Frankfurt zähle nur 25 und die 660 starke Rechte hatte kein anderes Mittel, als diese todt zu schlagen. ‒ In Westphalen kommt es vor allem darauf an, die Macht der Geistlichkeit zu brechen.
Becker aus Hamm: Der Arbeiterverein zählt 300 Mitglieder. Neulich war ich bei Rempel in Bielefeld. Ein Bauer kam ins Zimmer und erklärte, er wolle mit Rempel über die Freiheit sprechen. Rempel verwies ihn auf den „Volksfreund,“ den er herausgiebt und an dem der Bauer sofort Freude fand. Nun fragt der Bauer, ob er auch einmal bei einer großen Gesellschaft, wie er sich ausdrückte, sein dürfte. Rempel erwiederte, heute Abend 7 Uhr sei eine solche, er solle nur bleiben. Er meinte, er konnte bis dahin zurück sein. Um 7 Uhr kam der Mann auf der Eisenbahn zurück und hatte 40 andere Bauern geholt.
Jellinghaus aus Solingen: Unser politischer Klub hat schon viel erlebt trotz seiner Jugend. Anfangs schloß sich die Aristokratie an und stieß damit die Arbeiter von sich und nachher verbot sie denselben, unter Drohung, die Arbeit zu entziehen, die Theilnahme. Das große Mißgeschick haben wir mit den Berliner Wahlen. Wir wählen den geheimen gehorsamsten Finanzrath Hesse, ohne ihn zu kennen und dann den Strumpfwi[unleserlicher Text], der uns schrieb, er sei früher Republikaner gewesen, sitze jetzt aber mit Ueberzeugung auf der äußersten Rechte.
Roß aus Crefeld: Bei uns gilt republikanische Gesinnung für ein Verbrechen.
Keirenheim aus Bochum: In der Stadt hat die Demokratie Bedeutung, auf dem Lande aber steht es bei uns schlecht, wo Pfaffen, Adel und Beamte den Bauern so bearbeiten, daß Leute wie Reichensperger gewählt wurden. Gleichwohl sind tüchtige demokratische Elemente im Landvolk und Mosel und Eifel werden stets für die Freiheit des Volks sein. (Der Mosel ein Hoch! im Publikum).
Becker aus Köln: Als die Preßfreiheit durch Hrn. Dumont proklamirt wurde, da war allgemeiner Jubel, da war Alles liberal. Indessen ließen die Heuler nicht lange auf sich warten. Das Zusammentreffen des Kongresses mit dem Domfest ist auf perfide Weise ausgebeutet worden. Wir bauen hier auch an einem Dome, dem Dome der Freiheit. Auch wir sind Werkleute. Möge unser Dom nicht ebenso Ruine werden, wie der auf der Litsch.
Schapper aus Köln: Der Arbeiterverein besteht aus 7000 Mitgliedern. Seine Häupter sitzen im Kerker. Der Verein hat sich an den in [unleserlicher Text] Wahlen nicht betheiligt. Gegen den Verein wird furchtbar geheult. Die Verhaftungen schaden ihm nichts. Ein Präsident wird sich immer finden, und man muß 7000 Menschen einkerkern, ehe ein solcher fehlt. Der Verein hat gegen den Handwerkerkongreß in Frankfurt protestirt. Er wirkt unter andern durch die Filialvereine und die Arbeiter-Zeitung, welche auch starken Absatz aufs Land findet. Auf dem Lande ist die Demokratie stark.
Bengel aus Mulheim a. Rh.: Bei uns haben die Lohnlisten, wie in Crefeld, eine Revolution gemacht. Wir haben Gladbach bei der Wahl durchgesetzt.
Als die Berichte somit erschöpft waren, trat Elsner, Deputirter der Vereinbarer zum Domfeste, auf: Ich trete vor Sie in zweideutiger Stellung als Vereinbarer. Aber ich will das wieder gut machen als Mitglied des demokratischen Vereins in Breslau. Das Einzige, was die Berliner Vereinbarer geleistet haben ist, daß sie sich für unverletzlich erklärt haben. In allen Fragen bleibt die Demokratie in der Minorität. Aber die Majorität des Volkes ist für uns. Sehen sie jetzt auf die vielfachen Vorgänge wegen der Huldigungsfeier. Die alte Schmach tritt wieder ein. Jetzt droht uns wieder ein Zweikammersystem, das hoffentlich nicht lange dauern soll. In Schlesien hat das Land viele Bauern zu Abgeordneten gewählt. Diese sitzen im Centrum, stimmen mit uns gegen Feudalwesen, gegen uns in allen andern Fragen. Sonst sind die s. g. „kleinen Leute“ in Schlesien demokratisch.
Auf eine Frage aus dem Publikum, wie man sich dem Feste gegenüber benehmen solle, wird aus dem Publikum geantwortet: man solle nichts dagegen thun, namentlich nichts gegen Persönlichkeiten.
Kinkel aus Bonn: Das Schlechste ist die Sonderbündelei. Deshalb hüte man sich vor Sonderbunds-Republickchen, die gleich sonderbundlerische Vendeen auf der andern Seite hervorrufen würden. Man warte bis die Gesammt-Republik reif ist.
Wolff aus Köln: Vom jetzigen Frankreich ist nichts für uns zu hoffen. Dort muß erst eine neue Revolution siegen. Das heutige Domfest hat nichts mit Deutschlands Einheit zu thun, das ist eine Kölner Geldsacksfrage. Die Kölner haben ganz Recht.
Giolina aus Cinncinati: Die deutschen Demokraten in Amerika geben den Ausschlag bei der Präsidentenfrage. Amerikas Freiheit beruht auf der Trennung von Kirche und Staat und auf den Proletariern.
Engels aus Köln: Der Charakterzug der Rheinlande ist Haß gegen das Beamten-und Stockpreußenthum; diese Gesinnung wird hoffentlich fortdauern.
Sitzung am 14. August, Morgens 10 Uhr.
Tagesordnung: Beschaffung der Geldmittel.
Auf die Bemerkung eines westphalischen Abgeordneten, daß mehrere Vereine in Westphalen bereits Beiträge an die Kreiskasse in Bielefeld abgeführt, wurde die Frage über die Zulassung der Westphalen wiederaufgegriffen und zur Berathung gestellt. Nach längern Debatten, worin die westph. Abgeordneten sich für den Anschluß an die Rheinprovinz aussprachen, vorausgesetzt, daß die übrigen westph. Vereine nicht widersprächen, wurden 2 Anträge zur Abstimmung gebracht:
1. Der hier versammelte Rheinisch-Westphälische Demokratenkongreß erklärt, daß der Beschluß des exekutiren Centralausschusses in Berlin, wodurch Rheinland und Westphalen getrennt sind, dem Frankfurter Beschlüsse widerspricht und daß es im Interesse der Demokratie liegt, daß beide vereint bleiben.
2. Der rheinische Demokratenkongreß so wie die hier anwesenden Abgeordneten aus Westphalen drücken den Wunsch aus, daß es bei dem Frankfurter Beschlusse verbleibe, indem es im Interesse der Demokraten liegt, daß Rheinland und Westphalen nicht getrennt werden.
Die Mehrzahl war für die 2. Fassung. Als nun zur Geldfrage selbst geschritten wurde, sprach sich von vornherein die Mehrzahl gegen den früher schon gestellten Antrag, die Hälfte der Vereinseinnahmen auszuliefern, aus. Es wurde besonders geltend gemacht, daß dieses die Vereine zu stark drücken würde, da meistens kaum die Ausgaben durch die gewöhnlichen Einnahmen gedeckt werden, und deshalb vorgeschlagen, nur den Ertrag einer Sammlung freiwilliger Beiträge zur Kreiskasse einzusenden.
(Schluß folgt).
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Civilstand der Stadt Köln.
Geburten.
Den 8. Cath., T. v. Wilh. Heinr. Pütz, Schreinermeister, Hosengasse.
Den 9. Cath., T. v. Nicol. Himmel, Kammacher, Schartg. ‒ Reg., T. v. Heinrich Nolden, Schiffzieher, Kostg. ‒ Sophia, T. v. Thom. Urbach, Karrenschieber, Follerstr. ‒ Cath., T. v. Servat. Bergs, Tagl., gr. Spitzeng. ‒ Anna Maria Henr., T. v. Ant. Curis, Kleiderm., Mühlenbach. ‒ Zwei unehel. Knaben.
Sterbefälle.
Anton Krudwig, Gastw., 38 J. alt, verh. gr. Sandkaul. ‒ Carl Hub. Adolph Hack, 4 J. 2 M. alt, Bechergasse.
Heirathen.
Den 8. Pet. Jos. Walber, Bedienter, v. Gemünd, und Maria Hel. Schröder v. Medebach.
Den 9. Theod. Küpper, Nagelsch. v. Brühl, mit Soph. Hammermann v. Fischenich.
Anzeigen.
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Schifffahrts-Anzeige.
Köln, 12. September 1848.
Angekommen: Fr Kühnle und H. Bechert von Heilbronn. Kapt. Willms von Rotterdam mit 5324 St. Kapt. Baumann von Amsterdam mit 4517 Ctr.
Abgefahren: L. Tillmann nach Koblenz: M. J. Deis nach der Saar. Jac. Schaaf nach Wesel.
In Ladung: Nach Antwerpen G. Verwaayen. Nach Rotterdam W. Hagewegh. Nach Ruhrort bis Emmerich H. Lübbers. Nach Düsseldorf bis Mülheim an der Ruhr I. Budberg. Nach Andernach und Neuwied H. Schumacher, B. Schilowski. Nach Koblenz, der Mosel und der Saar L. Tillmann. Nach der Mosel, und Trier und der Saar M. J. Deiß. Nach Bingen Nach Mainz J. Hirschmann. Nach dem Niedermain Geb. Schulz. Nach dem Mittel-und Obermain F C Schneider. Nach Worms und Mannheim Wb. W. Dunk. Nach Heilbronn G. Goob. Nach Kannstadt und Stuttgardt L. Bühler. Ferner nach Rotterdam Capt Demmer Köln Nr. 25.
Ferner nach Amsterdam Capt Scholwerth, Nr. 3
Ferner nach Stettin Capt Range, Bark „Fortschritt.“
Rheinhöhe am 12. Sept. 6′ 2″
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Erwiederung auf die gestrige Aufforderung.
Wir finden den Protest für ganz gerecht, und zur weiteren Besprechung laden wir sämmtliche Metzger heute Mittwoch den 13. d. M., bei Hrn. Jüsgen, Hochstraße, zur General-Versammlung ein, um sich zahlreich präzis Abends 6 Uhr einzufinden,
Die Kommission der Metzger.
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Bekanntmachung.
In hiesiger Packkammer lagert seit einiger Zeit ein Paket sign. B. [ 103 ] 13 Wesel; 4 Pfd. schwer, ohne Adresse.
Der Absender wird davon hierdurch mit der Aufforderung benachrichtiger: die Adresse an das hiesige Ober-Post-Amt oder an die Post-Anstalt des Aufgabe-Orts, baldigst abzugeben.
Köln, den 9. September 1848.
Der Ober-Post-Direktor, Rehfeldt
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Für franz. Handelscorrespondenz eröffnete ich Montag den 11. d. Mts. einen Cursus.
J. Lehwest, Lehrer, Hohestraße Nr. 104.
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Bei W. A. Rosenkranz (Weberstraße Nr. 24) ist zu haben:
Die Weissagung
des
97 jährigen Benediktiner Mönchs
Paola
in seiner Todesstunde.
Aufgezeichnet von seinem Beichtvater dem Pater Clemens.
Dritte Auflage.
Preis 6 Pf.
Dieses Schriftchen hat schon 3 Auflagen erlebt (jede von 2000 Exempl.), und ist vorzüglich wegen der vielen eingetroffenen Vorhersagungen um so mehr zu empfehlen.
Wer möchte es läugnen, daß wir in einer großen Zeit leben. Ein eigenthümlicher revolutionärer Geist durchzieht fast ganz Europa von Westen nach Osten, überall Aufruhr und Empörung. Auf allen Punkten hat die von Gott eingesetzte Ordnung aufgehört und mit bangem Zagen sieht der wohlgesinnte, der gottesfürchtige Mann in die Zukunft, da er jeden Augenblick fürchtet, den Zorn des Allmächtigen über die verdorbenen Menschen hereinbrechen zu sehen. In solcher Zeit der tiefsten Bekümmerniß muß es gewiß jedem gottesfürchtigen Herzen wohlthuend sein, aus dem Munde eines wahrhaft formmen Mönchs in seiner Sterbestunde, die ihm von den Engeln des Herrn eingegebenen Worte der Prophezeihung zu vernehmen. Der Herr unser Gott scheint die Gottlosen und Pflichtvergessenen schwer züchtigen zu wollen, ehe er sie auf den Weg des Lichts zurückführt.
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Im Verlage von W. A. Rosenkranz (Weberstraße Nr. 24 in Köln) ist erschienen:
Der fromme Christ
im
Gebete und in der Unterhaltung
mit
Gott.
Ein vollständiges Gebet-und Andachtsbuch
für
katholischen Christen.
Mit einer erbauenden Vorrede
von
einem katholischen Geistlichen.
Mit hochwürdiger erzbischöflicher Approbation
Preisinschönem farbigenTitel15 Sgr.
PreisinbronzirtemTitel10 Sgr.
Preisinschwarz. DruckTitel7 1/2 Sgr.
Dieses Gebetbuch hat besonders viel Anklang gefunden, und da die hochwürdigste Geistlichkeit Westphalens dasselbe mit einem passenden Vorwort ausgestattet hat, so verdient dieses Buch besonders empfohlen zu werden, zumal dem betenden Christ dadurch manche heilsame Lehre und Ermahnung geboten wird, seinen Gott und Herrn im Geiste und in der Demuth anzubeten, sich von irdischen Gedanken zu entfernen, und den wahren Weg des Heils, vorzüglich aber Trost und Linderung zu finden in diesen so gewitterschweren und unruhigen Zeiten. Moge der Inhalt in dem Herzen eines jeden römisch-katholischen Christen eine gute Aufnahme finden, alsdann ist der Verfasser auf's beste belohnt.
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Hr. Rolinger, Lehrer in Lüttich, rue de la régence Nr. 18, wünscht einige junge Leute in Kost und Unterricht zu nehmen.
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Gebrauchte Dachziegeln und Laien
werden zu kaufen gesucht, die Expedition sagt wo.
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Freie Volksblätter.
Die „Freien Volksblätter“ erfreuen sich, als erste Früchte der Revolution, bis jetzt eines fünfmonatlichen Bestehens. ‒ Sie haben offen gekämpft für die Sache der Demokratie, für die des Volkes, in dem Streben nach einer Befestigung der verheißenen breitesten demokratischen Basis.
Nachdem dieser Satz von der einen Seite eine Lüge, von der andern nichts als eine leere Phrase geworden, steht uns die Reaktion der Throne drohender gegenüber, als vor dem 18. und 19. März. ‒ Allerdings ist es zur Wahrheit geworden, daß man dem Volke die errungene Freiheit vorenthalten will, daß man seine Souveränität verhöhnt; ‒ und obgleich ein Ministerium nach dem andern zum Sturze gekommen, greift man, hartnäckig genug, wieder von neuem zu Männern, die allerdings das Vertrauen der Regierung, aber nicht das des Volkes besitzen. ‒ Es geht daraus hervor, daß die bisherigen Minister nicht Männer des Volkes, sondern Organe des Thrones waren. In einer Monarchie aber, die nicht auf freie Institutionen begründet ist, deren Stützen nicht im Sinne der Wahrheit im Herzen des Volkes wurzeln, stehen die Interessen der Regierung denen des Volkes schnurstracks entgegen; das beweisen alle Revolutionen. Es waren die bisherigen Ministerien demnach volksfeindlicher Natur!
Bei dieser Sachlage bleibt uns nichts Anderes übrig, als dem volksfeindlichen Streben von dieser Seite, das Streben nach äußerster Freiheit entgegenzusetzen. Wir wollen demnach den Kampf, mit der Wahrheit gewappnet, der Lüge gegenüber von neuem beginnen; wir wollen zunächst, als Mitglieder des preußischen Staates, in unserm Kreise zu wirken suchen, indem wir nur in der Befreiung der einzelnen deutschen Staaten eine Einigung Deutschlands für möglich halten und eine deutsche Centralgewalt so lange ohnmächtig sein wird, bis die Macht der Fürsten gebrochen. Dies ist die Richtung, die unsere Blätter bis jetzt verfolgt haben, die sie mit neuer Kraft verfolgen werden und bitten wir unsere Freunde uns in diesem Streben zu unterstützen.
Köln, im September 1848.
Die Redaktion,Bernh. Dietz.
Die Blätter werden vom 1. Oktober an in Köln erscheinen, wodurch etwa vorgekommene Unregelmäßigkeiten in der Versendung aufhören.
Briefe bittet man schon jetzt dahin zu adressiren.
Für Köln und Mülheim beträgt der Pränumerationspreis 15 Sgr., auswärts durch die Postanstalten bezogen jetzt nur 18 1/4 Sgr. ‒ Insertionsgebühren die Zeile 1 Sgr.
Zu zahlreichem Abonnement wird freundlich eingeladen.
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Im Verlage von W. A. Rosenkranz (Weberstraße Nr.24 in Köln) ist erschienen:
Der
Gang nach Golgatha oder der heil. Kreuzweg.
Unter diesem Titel ist das heilige Abendmahl und der ganze Leidensweg Christi in 14 bildlichen Darstellungen vorgestellt; aber auch ist jedem Bildnisse eine passende und erbauende Schrift beigefügt, die auch das verstockteste Herz zur Neue antreiben muß, wenn er hier betrachtet, was der Heiland, unser göttlicher Erlöser ihm zu Liebe gelitten hat.
Groß Plakat auf Schreibpapier 2 1/2 Sgr. auf seinem Berlinpapier 2 Sgr
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Bei W. A. Rosenkranz (Weberstraße Nr. 24) ist zu haben:
Das von Sr. erzbischöfischen Gnaden, Johannes v. Geissel angeordnete Gebet, mit einem Anhange:
Gebet und Anliegen
in der jetzt so hart bedrängten Zeit und
Kriegsgefahren.
Um kurz dieses so ansprechende Gebet zu empfehlen, bedarf es nur der Anzeige, daß bereits eine Auflage von 73,000 Exempl. in kurzer Zeit vergriffen wurde.
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Aufforderung.
Wer von dem verstorbenen Kunst-Conservator, Herrn Christ. Geerling, Gelder, Kunst-oder andere Gegenstände in Händen, oder irgend eine Verpflichtung gegen dessen Erbmasse zu erfüllen, oder Ansprüche an dessen Masse zu machen hat, wende sich an den unterzeichneten Bevollmächtigten der Geschwister und Geschwisterkinder des Verstorbenen.
Köln, den 11. September 1848.
Pet. Steph Riphahn.
Gr. Sandkaul Nr. 26.
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Gerichtlicher Verkauf.
Am 15. September 1848, Vormittags 11 Uhr, sollen durch den Unterzeichneten auf dem Waidmarkte zu Köln, ein Wagen, Tische, Stühle, ein Sopha etc. gegen baare Zahlung öffentlich meistbietend verkauft werden.
Der Gerichtsvollzieher, Simons.
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In der gestrigen Aufforderung mehrerer Metzger an die bestehende Kommission der Metzger in Köln und Deutz soll es heißen:
„und verlangen auf den 13. dieses Monats (statt 27.) längstens eine unwiederrufliche General-Versammlung etc.“
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Ein fleißiger mit guten Zeugnissen versehener Handlungs-Gehülfe sucht eine Stelle. Die Exp. sagt das Nähere.
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Es sind wieder ganz frische Austern vorräthig bei G. Bettger Comp.
Kl. Bauerngasse Nr. 6.
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Theater-Anzeige.
Mittwoch den 13. Sept.: (Zum Erstenmal):
Gasthaus-Abenteuer.
Posse in drei Akten von Th. Oswald.
Vorher:
Der Ehrgeiz in der Küche.
Lustspiel in einem Akt nach dem Französischen von W. Remhart.
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Der Gerant: Korff.
Druck von J. W Dietz, unter Hutmacher Nro. 17.