[0697]
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 137. Köln, Mittwoch den 8. November.
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Uebersicht.
Deutschland. Köln. (Arbeiterdeputation an Kyll. ‒ Heckers Erhöhung).
Wien. (Bericht der „A. O.-Z.“ über die Wiener Ereignisse vom 25. Okt. bis 1. Nov. ‒ Zwei Proklamationen von Windisch-Grätz). Prag. (Die Croaten in Wien). Grätz. (Der liberale Verein. ‒ Dahlen). Breslau. (Windisch-Grätz). Dortmund. (Handwerkerverein. ‒ v. Möller. ‒ Die Köln-Mindener Eisenbahndirektion). Erfurt. (Verwandlung preußischer und sächsischer Truppen in Reichstruppen). Bamberg. (Reichsthaten). Flensburg. (Politische Quarantaine bei Alsen).
Polen. Aus Galizien. (Die städtischen Behörden. ‒ Die Nationalgarde. ‒ Zaluski).
Ungarn. Pesth. (Die Siebenbürger Walachen. ‒ Errichtung eines Pionierkorps).
Italien. Genua. (Unruhen. ‒ Aufruf Manzini's).
Franz. Republik. Paris. (Vermischtes. ‒ Die „Presse“ über die „Kölnische Zeitung“).
Großbritannien. London. (Die Seeschlange. ‒ Zur irischen Statistik).
Persien. (Esser-ad-Deen-Shah).
Frankfurt. (Bericht der Kommission über Oesterreich. [Schluß.])
Deutschland.
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[ * ] Köln, 7. Okt.
Eine Deputation des hiesigen Arbeiter-Vereines begab sich gestern zu dem Abgeordneten der Berliner Versammlung, Herrn Kyll, um ihm die Sympathie der hiesigen Arbeiter an den Tag zu legen. Herr Kyll empfing diese Deputation mit großer Herzlichkeit und erwiderte einige Worte, aus denen deutlich hervorging, wie sehr es ihn freut, seine politische Thätigkeit auch von der Arbeiterwelt anerkannt zu sehen. Bemerkenswerth ist, daß die aus sieben Arbeitern bestehende Deputation zwölf Polizei-Beamte in den Straßen aufgepflanzt fand, die in Folge einer durch den Arbeiter-Verein veröffentlichten Anzeige, den Hinweg und die Rückkehr der Deputation zu überwachen schienen.
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Köln, 7. Novbr.
Der Preußische Staats-Anzeiger bringt die Nachricht, daß Se. Majestät der König Allergnädigst geruht haben: „Den Prokurator Köster von Kösteritz zu Elberfeld in gleicher Eigenschaft an das Landgericht zu Düsseldorf zu versetzen und den Staatsprokurator Hecker zu Köln zum Oberprokurator bei dem Landgerichte zu Elberfeld zu ernennen.“
Wir brauchen unsern Lesern nicht zu versichern, daß es uns ungemein schmerzt, Herrn Hecker als Mitarbeiter an unserm Blatte zu verlieren. Dagegen ist es ein Trost, daß die Empfehlung der „Neuen Rheinischen Zeitung“ so guten Erfolg gehabt hat.
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Wien.
Auch die „Wiener Zeitung“ ist uns nicht zugekommen. Sie scheint also von Windischgrätzen's Interdiktion nicht ausgenommen zu sein. Von unsern beiden Wiener Korrespondenten haben wir zwei Zettel erhalten, worin sie uns anzeigen, daß sie in diesem Augenblicke nicht in der Lage sind, schreiben zu können, sobald als thunlich aber ihre Korrespondenz wieder aufnehmen werden. Wir sind daher genöthigt, für jetzt die Schilderung der Tage vom 25. Okt. bis 1. Nov. der „Allgemeinen Oderzeitung“ zu entnehmen.
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Wien, 25. Okt.
Abends 8 Uhr. Seit dem Abgang meines heutigen Schreibens erschienen wieder Proklamationen, Reichstagsbeschlüsse, Kundmachungen und Aufrufe aller Art, die die Volkswehren auf den höchsten Grad enthusiasmiren, und die energischen, sehr umsichtigen Vertheidigungs-Anstalten des General Bem wesentlich fördern helfen.
Vor zwei Stunden ist Windischgrätz von Ollmütz zurückgekehrt und wird in Hetzendorf mit Minister Kraus und dem ihn begleitenden Reichstagsdeputirten Brestl vor Beginn der angedrohten Belagerung Wien's, die nach Windischgrätz morgen um zwölf Uhr Mittags, nach Oberkommandant Messenhauser heute Abend 9 Uhr erfolgen soll, noch eine letzte pacificirende Unterredung, von welcher jedoch allen Anzeichen nach kein erfreuliches oder günstiges Resultat zu gewärtigen ist, pflegen.
Den ganzen Tag dauern die Angriffe und Vertheidigungen der Linienwälle und der in der Nähe befindlichen Privatgebäude fort, von beiden Seiten, besonders aber dort wo böhmische Truppen zum Angriffe kommen, wird mit außerordentlicher Erbitterung gekämpft und nichts geschont. Die große Maschinenfabrick von Specker und Comp. wurde durch Granaten vor einer Stunde in Brand gesteckt, das Feuer röthet den Horizont der ganzen Stadt. Kanonendonner und Kleingewehrfeuer von drei Batterien hört man seit zwei Stunden unausgesetzt.
26. Okt. Zum Dienst und zur Ueberwachung des Barrikadenbaues der in allen an den Linien Wien's zunächst liegenden Straßen mit großer Umsicht und rastloser Thätigkeit betrieben wird, aufgefordert, konnte ich den gestern Abend angefangenen Bericht über den Zustand unserer Stadt nicht weiter fortsetzen und trage heute die wesentlichen Ereignisse nach.
Der gestern in der Brigittenau stattgefundene Kampf zwischen einem Jäger-Bataillon und einer Abtheilung Legionärs war sehr blutig, ohngeachtet die Zahl der Jäger, denen der Legion um vieles überlegen war, haben die Letzteren doch den Platz behauptet und die Soldaten zurückgetrieben, wobei die Akademiker, meistens Studenten, 65 Verwundete, darunter die Hälfte an Todten, zu beklagen haben. Die Jäger, welche sich in dem dort befindlichen Universum zu befestigen und zu sichern suchten, mußten, da solches durch Brandraketen in Flammen aufging, sich zu retten suchen, und da sich das bezeichnete Gebäude in der Nähe der Specker'schen Maschinenfabrik befindet, so gab es Veranlassung, daß man in der Stadt der Meinung wäre, es stehe diese in Flammen.
General Bem inspicirte gestern die in Wien befindlichen Garden und überhaupt die bewaffnete Macht und fand deren Zahl nahe bei 40,000, ein Beweis, daß sich wenigstens 1/3 der Garden von Wien entfernt haben und versteckt halten.
Seit sechs Uhr früh hat wieder Kanonendonner begonnen auf der Schmelz zwischen der Mariahilfer Linie, in Schönbrunn ist schon zwei Stunden fortwährendes Plänkeln und Kleingewehrfeuer, die an Windischgrätz abgeschickte Reichstags-Deputation, bestehend aus dem Minister Kraus, den Deputirten Pillersdorf, Brestel u. m. kann bereits zurück sein, ‒ ob es ihren Bemühungen gelungen ist, Windischgrätz zu einer friedlichen Ausgleichung zu bestimmen und ihm begreiflich zu machen, daß in Wien keine Anarchie herrsche, bezweifelt man, ‒ sonst würde das Kanonenfeuer, welches immer heftiger wird, auch schon aufgehört haben. Vor Abgang der Post werde ich darüber auch nichts mehr erfahren können. Die Adresse des Reichstags an den Kaiser, worin die Zumuthung, den Reichstag aufzuheben und sich bis 15. November d. J. in Cremsier zu versammeln, als unmöglich zurückgewiesen wird, kann nicht früher als heute Nachmittag nach Ollmütz befördert werden Eben wird wieder allarmirt und ich muß die Musquete ergreifen.
Den 27. Okt., früh 6 Uhr. Der gestrige Nachmittag hat noch viele blutige Angriffe, die größtentheils durch das nähere Anrücken der kaiserlichen Truppen und die Besetzung des Praters und der daran stoßenden Auen herbeigeführt wurden, gezählt, die dabei gebrauchten Geschütze haben große Verheerungen angerichtet, in der Nähe des Praters am Donaukanal, die große Dampfmehlmühle, die Mack'sche Zuckerraffinerie, einen großen Zimmerplatz mit vielem Bauholz, Kohlenmagazine eingeäschert, auch in der Gegend des Augarten ein bedeutendes Brennholzdepot in Brand gelegt.
Die Kroaten, welche in der Gegend von Simmering (eine halbe Stunde außer Wien) über die Donau übersetzten und dadurch in den Prater gelangten, befanden sich ganz unvermuthet in der Leopoldstadt, zunächst der Nordbahngebäude, und nahmen zuerst von der Dampfmehlmühle Besitz, wo sie nach mehreren heftigen Angriffen der Legionäre, der mobilen und freiwilligen Garde auch hinausgetrieben wurden, nachdem sie die Gebäude in Brand gesteckt hatten. Heute in der Nacht ist es auch unseren, den größten Muth beweisenden Bewaffneten gelungen, die Kroaten (größtentheils Rothmäntel, Sereszaner) ganz aus den Pratergehölzen zu vertreiben, und seit 5 Uhr hat die Kanonade so wie das Kleingewehrfeuer wieder aufgehört, und man sieht den Ereignissen des heutigen Tages mit banger Erwartung entgegen.
Bis Abend wird die mit der an den Kaiser abgesandten Adresse betraute Reichstagsdeputation: Pillersdorf, Potocki, Fischhof und Prato, welchen sich auch Minister Kraus angeschlossen, von Ollmütz zurückerwartet.
11 Uhr Vormittag. Außer der Wiener Zeitung, die aber auch nicht das mindeste Neue enthält, als den Aufruf des Landesgouverneurs von Tyrol, sind weder gestern Abend noch heute die Tagesblätter erschienen, da einige Druck-Offizinen wegen Mangel an Papier, andere wegen mangelndem Arbeitspersonale nichts zum Druck befördern konnten. ‒ Von den Provinzen und dem Ausland wissen wir gar nichts, indem weder Reisende noch Korrespondenz-Nachrichten zu uns gelangen können.
Die Dampfmehlmühle hat nur wenig Schaden gelitten, da ihre sehr großen Mehlvorräthe seit einigen Tagen schon in Sicherheit gebracht waren (daher Wien auf 14 Tage noch hinlänglich mit Mehl versehen), und die Körnerfrüchte zu gleicher Zeit in die feuer- und bombenfesten Zollgebäude, die sich in der Nähe dieses Etablissements befinden, geschafft worden sind. Außer der großen Zucker-Raffinerie von Mack wurde auch die etwas näher dem Nordbahnhofe liegende Zuckerraffinerie des Bankier Zinner ein Raub der Flammen. An allen diesen großen Brandschaden tragen die plünderungssüchtigen Kroaten die Schuld. Nach den Ihnen gleichzeitig zukommenden Erlassen des Fürsten Windischgrätz, die heute nur sehr sparsam an den Straßenecken der innern Stadt zu lesen und daher auch nur mit Mühe und größern Auslagen aus den Druckereien zu haben sind, werden Sie ersehen, daß die Kapitulationsfrist gestern Abend neun Uhr abgelaufen war, da aber seit dieser Zeit kein ernstlicher Kampf erfolgte, so scheint die früher erwähnte Pacificirung auf der Rückkehr der Reichstagsdeputation, oder der erfolgten Ankunft eines Abgesandten des deutschen Parlaments, Wahrscheinlichkeit zu erhalten.
General Bem, Oberkommandant Messenhauser, Fenneberg, Tausenau, Schütte u. m. A. will Windischgrätz ausgeliefert haben. Heute früh hat ein Garde einen Diener des Latour, welcher sich bewaffnet im Lager des General Bem aufhielt und des Spionirens verdächtig gewesen, festgenommen.
Neuerdings kommen Zusicherungen von der ungarischen Armee an der österreichischen Grenze, die dahin lauten, daß es bis jetzt nicht möglich war die starken Verschanzungen und Stellungen der kaiserlichen Armee zu durchdringen, man aber gewiß sehr bald dem bedrängten tapfern Wien Hülfe schaffen und bringen werde.
Windischgrätz hat aus der Haase'schen Buchdruckerei in Prag eine Schnellpresse und das dabei zu benöthigende Arbeitspersonal bei seinem Hauptquartier in Benützung.
Den 28. Oktober, 7 Uhr früh. Seit 24 Stunden ist in unserer belagerten und so hart bedrängten Stadt einige Ruhe eingetreten, man weiß hiefür verschiedene Ursachen anzugeben, von denen mir die wahrscheinlichste ist, daß das ungarische Heer endlich doch einen Angriff auf die stark verschanzt gewesenen Jellachich's Truppen gemacht, welcher eine Concentrirung der Belagerungsarmee, die sich aus der unmittelbaren Nähe von der Stadt wieder zurückgezogen hat, veranlaßt. Nur der Prater wird noch von Kroaten und auch regulärem Militair stark besetzt gehalten, und heute soll noch ein forcirter Angriff auf diese Stellung, die die Vorstädte Leopoldstadt und einen Theil der Rossau gefährdet, [Fortsetzung]
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Windisch-Grätz an den Kaiser.
[(Nach Victor Hugo).]
Feuer, Feuer, Blut, Blut und Verwüstung! Corte Real, die Belagerung von Diu.
Die Flamme strahlt und frißt! Ich folgte dem Gebote,
Das du mir gabst, o Herr! Hinfährt sie mit dem Sturm,
Und überheult dein Volk! Gleich dunklem Morgenrothe
Glüht sie die Dächer an, und tanzt von Thurm zu Thurm!
Aufspringt, wie ein Gigant, der Mord mit tausend Armen;
Die Schlösser sprühn empor, und werden Gräber nun;
Was athmet, wird gewürgt; der Stahl kennt kein Erbarmen ‒
Schon freut der Rabe sich, und schon das Leichenhuhn.
Die Mütter schauderten! Wohl haben weinen müssen
Die Jungfrau'n, gütiger Fürst: ‒ Schaumtriefend,
langgeschweift,
Hat die Geschändeten, von Hieben wund und Küssen,
Der wilde Berberhengst von Thor zu Thor geschleift.
Dem Säugling auch, o Herr, bereiteten wir Qualen:
Die blonden Köpfchen sind bis vor dein Zelt gerollt!…‒
Anbetend küßt dein Volk den Staub von den Sandalen,
Die an die Sohlen dir festhakt ein Reif von Gold!
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@facs0697
Die Beine der Frau Martin-Zimmann.
Wir haben bisher noch nichts über das Kölner Theater gesagt. Aber mein lieber Hr. Gerlach, wie können Sie auch erwarten, daß wir ihre Prima-Donnen und Ihre Soubretten bewundern, wenn wir uns Tag für Tag mit einem Jellachich, mit einem Windischgrätz und mit ähnlichen groben Ungeheuern herumschlagen müssen?
Sie sind gerecht und Sie werden uns entschuldigen.
Trotz Jellachich und trotz Windischgrätz sind uns indeß Ihre vielfachen Bemühungen für das hiesige Theater nicht entgangen. Sie haben geleistet, was ein Theaterdirektor in Köln leisten kann.
Das Wetter wird schlechter und das Geld wird häufiger. Hoffen wir, daß die Zahl Ihrer Besucher sich mehrt, und daß Sie für Ihre Anstrengungen besser belohnt werden.
So weit unsere alltäglichen Bemerkungen. Jetzt zu den Beinen der Frau Martin-Zimmann.
Sie, Hr. Gerlach sind zweibeinig und ich bin zweibeinig und viele andere Menschen haben zwei Beine. Niemand wird dies läugnen und nichts ist natürlicher.
Unsere Beine haben sogar auffallende Aehnlichkeit mit denen der Frau Martin-Zimmann; sie sind gerade gewachsen, die meinigen und die ihrigen wenigstens, und wir können darauf gehen und laufen und springen, aber was meinen Sie, Hr. Gerlach, wenn wir darauf tanzen wollten, wie Frau Martin-Zimmann?
Ja, wahrhaftig, die Buben auf der Gallerie würden sich krank lachen, und das Parterre würde uns auspfeifen und alle kleinen Frauenzimmer würden unserwegen erröthen, ja, erröthen bis über den Busen.
Frau Martin-Zimmann wurde weder ausgelacht noch ausgepfiffen, als sie zuerst bei uns auftrat. Die Lust ihrer reizenden Beine spiegelte sich auf allen Gesichtern wieder. Verständlich war die Musik ihrer Schenkel für Gamin und Dandy. Ja, wären Türken und Samojeden zugegen gewesen, beide würden sie verstanden haben, denn verständlich tanzt dieses Weib für alle Völker.
Es ist als ob sie hebräisch spräche mit ihren Beinen, und griechisch und italienisch und französisch, denn Juden und Griechen und Italiener und Franzosen verstehen die Sprache dieser Beine. Wissen Sie weßhalb? Frau Martin-Zimmann tanzt Wahrheit mit ihren Beinen, reine lautere Wahrheit, die süße Wahrheit der Wollust. Da haben Sie das ganze Räthsel.
Die Sprache dieser Tänzerin war auch die Sprache aller schönen Weiber, von Erschaffung der Welt an, bis auf den heutigen Tag. Die Sprache einer Rahel, einer Esther, einer Helena, einer Agrippa, einer Nino, einer Lola, die Sprache aller schönen Babylonierinnen, die Sprache ihrer Lippen, ihrer Locken, ihrer Augen, ihrer seligen Schenkel ‒ den letztern Dialekt spricht Frau Martin-Zimmann natürlich am geläufigsten.
Rhythmus sitzt in den Beinen dieser Frau. Jamben tanzt sie, Daktylen und Trochäen. In Hexametern springt sie und regungslos staunen wir zu ihr hinüber und denken nicht mehr an Jellachich und Windischgrätz ‒ vergessen ist der 24. Februar und der 18. März, vergessen die Revolution.
Wir sehen Frau Martin-Zimmann gestern in dem Scribe-Auber'schen Stücke: „Der Gott und die Bajadere.“ Ein frivoler Setzer der „Neuen Rheinischen Zeitung“ hatte in der Theater-Annonce schlichtweg „Gott und die Bajadere“ drucken lassen.
Hr. Scribe hat das Göthesche Gedicht nach Kräften verhunzt; Hr. Auber fabrizirte eine entsprechende Musik dazu.
Olifur, Oberrichter im Lande Kaschmir, ein alter verliebter Satan, mit abscheulichem Barte, recht ein Mann von dessen Männlichkeit eben nichts übrig geblieben ist, als der Bart, sitzt im Vordergrunde der Scene, umringt von Tschobedars, Wachen und Sclaven. Da nahen Bajaderen und unter ihnen Zoloé, eine Fremde, die der Sprache des Landes nicht recht mächtig, auf alle [0698] Fragen durch die Sprache der Augen antwortet, der Hände und der reizenden Beine.
Olifur fühlt sich zu Zoloén hingezogen. Aber wie es alten Leuten leider oft zu gehen pflegt, findet er die Schöne bereits anderweitig engagirt. Ja, wahrhaftig, Zoloé liebt Niemand anders als Brama, den Gott, der sich gerad inkognito auf der Erde herumtreibt und eben mit den übrigen Bajaderen herzutritt.
„Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,
Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,
Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn.“
Brama fühlt sich natürlich durch die Liebe der Bajadere geschmeichelt; Olifur nicht so sehr und Gott und Oberrichter gerathen daher in die schlimmste Kollision. Zoloé muß hier aushelfen. Und sie thut es.
„Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen,
Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,
Sie neigt sich und biegt sich, und reicht ihm den Strauß.“
Olifur läßt sich besänftigen. Brama wird nicht gehängt und gescheidt wie Götter sind, benutzt er den Augenblick, wo Zoloé in einem bebaldachinten Thronsessel hinweggetragen wird, um mit hinein zu springen und so aller neuen Gefahr zu entrinnen.
Im zweiten Akte treffen wir Gott und Bajadere in der Hütte der letztern.
„Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.
Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden
Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.“
Da treten Ninka und Fatmé, die Gespielinnen Zoloés durch die Thür der Hütte und der Unsterbliche entspinnt sofort, nach seinem unerforschlichen Rathschluße, die entsetzlichste Eifersüchtelei unter ihnen.
„Aber sie schärfer und schärfer zu prüfen,
Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
Lust und Entsetzen und grimmige Pein.“
Arme Zoloé, sie zittert, sie schluchzt. Sie springt ihre schönsten Entrechats, sie läßt ihren üppigen Körper in den reizendsten Wellenlinien dahinfließen und faltet ihre Hände zu der bittendsten Geberde. Aber Alles ist umsonst. Brama blickt nur auf Ninka und Fatmé. Lange erträgt sie's, als der Göttliche aber der Gespielinnen eine zu sich aufs Lager zieht, da reißt ihr die Geduld, wie ein angeschossenes Reh springt sie empor und mit der Majestät eines beleidigten Weibes tritt sie zwischen Gott und Fatmé und trennt sie mit weißen Händen. Die Gespielinnen entweichen und allein bleibt Zoloé mit ihrem Brama.
„Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier
Bereiten den dunkeln behaglichen Schleier
Die nächtlichen Stunden das schöne Gespinnst.“
Brama erklärt dem schönen Kinde, daß er sie nur der Prüfung wegen geängstigt habe. Sie versöhnen sich und schon wollen sie in Kuß und Umarmung schwelgen, da weicht Hr. Scribe plötzlich sehr bedeutend von dem Goethe'schen Gedichte ab und hereintritt: „der weißbärtige Satan“ Olifur mit Tschobedaren, Wachen und Sklaven.
Brama macht sich aus dem Staube. Zoloé wird aber für ihr früheres Entrinnen zum Tode verurtheilt und besteigt den Holzstoß, um verbrannt zu werden.
„Es singen die Priester: Wir tragen die Alten,
Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,
Wir tragen die Jugend, noch eh' sie's gedacht.“
Der Holzstoß flammt und Zoloé stürzt jammernd zusammen.
„Doch der Götter-Jüngling hebet
Aus der Flamme sich empor,
Und in seinen Armen schwebet
Die Geliebte mit hervor.
Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;
Unsterbliche heben verlorene Kinder
Mit feurigen Armen zum Himmel empor.“
Der Vorhang fällt und Alles jubelt: Es lebe Zoloé, die Bayadere!
[Deutschland]
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@facs0698
gemacht werden, um den Feind, welcher so viele und große Gebäude in Brand gelegt, aus den Pratergehölzen, den Nordbahngebäuden, und anderen großen Häusern, worunter auch die sechs Stockwerk hohe Dampfmehlmühle gehört, hinaus zu treiben. Dies wird eine sehr blutige Arbeit werden, und wenn unsere tapferen höchst muthigen Mobilen, Freiwilligen und Garden nicht siegen, so muß die schöne Leopoldstadt noch größeren Verwüstungen Preis gegeben und das Eindringen des rachedürstenden Feindes, durch die Wälle der innern Stadt, durch die Demolirung sämmtlicher Brücken, welche über den Donaukanal führen, zu verhindern gesucht werden.
So eben wird mit Trommelschlag in den Vorstädten alarmirt, und alle wehrfähigen Männer aufgeboten, sich bis früh neun Uhr zu einem Hauptangriff gegen Windischgrätz und Jellachich zu rüsten. ‒ Dies beweist daß es der in der Nacht rückgekehrten Deputation nicht gelungen ist, den Kaiser zu bewegen, den Vorstellungen des Reichstages Gehör zu schenken.
Daß die ungarische Armee mit 30,000 Mann Kerntruppen seit dem 24. d. M. sich auf österreichischem Boden befindet, und bei zweimaliger Action gegen Jellachich's und Auersperg's Truppen nicht näher an Wien rückten, sich daher zurückziehen mußte, bestätigt sich; man glaubt, daß sich das Gros der Armee mit der mittlerweile nachgerückten Reserve, die bei 20,000 Mann stark ist und am 26. schon in Wieselburg lagerte, verbinden und dann auf Jellachich's gut und stark verschanztes Lager einen Hauptangriff machen werde, was aber morgen, wenn Wien Hülfe von dieser Stelle kommen soll, geschehen mußte.
Ueber den gestörten Postenverkehr wurden die mannigfaltigsten Vorstellungen an Minister Kraus und Wessenberg gemacht, die bis heute, wie aus dem beiliegendem Erlaß des Hofpostamts zu ersehen, bis jetzt unerledigt geblieben sind.
Windischgrätz hat heute früh dem Gemeinderath bekannt gegeben, daß noch Vormittag der Angriff der Stadt schonungslos erfolgen werde, daß bei seinem Einzug und der Besitznahme der Stadt alle Hausthore sogleich geschlossen und diejenigen Häuser, aus welchen seinen Truppen eine feindliche Demonstration zu Theil wird, unnachsichtlich mit Demolirung und schonungsloser Plünderung bestraft werden.
Diese Zeilen, es ist 10 Uhr, schreibe ich bereits unter heftigem Kanonendonner. ‒ Der regelmäßige Abgang der Posten soll vor einer halben Stunde beschlossen worden sein. Außer der Wiener Zeitung mit den entstellten lügenhaften Berichten der flüchtigen czechischen Reichstagsdeputirten ist keine Zeitung erschienen. Diesmal wird entschieden, ob die Freiheit und die gute Sache siegt, und damit die Habsburg-Lothringsche Dynastie zu Grabe getragen wird.
In diesem Augenblick erläßt der türkische Botschafter, der unter allen fremden Diplomaten am längsten in Wien geblieben, und heftig und energisch gegen die Belagerung protestirte, mit seinem ganzen Gesandtschaftspersonale und den reichsten hier befindlichen türkischen Unterthanen, die hier domiciliren, unter einer starken Eskorte der berittenen Nationalgarde die Residenz, es sind 16 Wagen. ‒ Das Kanoniren wird immer stärker, ich muß auf den Sammelplatz und von da auf den Linienwall nach Mariahilf.
Den 28. Oktober, 8 Uhr Abends. Von 10 Uhr früh bis 7 Uhr Abends dauerte der bei allen Barrieren Wiens zu gleicher Zeit geschehene Angriff der kaiserlichen Truppen und die wirklich heldenmülhige Vertheidigung unserer Volkswehr unausgesetzt und unter dem heftigsten Kanonendonner, Kartätschen und Kleingewehrfeuer fort; in der Leopoldstadt, das ist von der Seite der Brigittenau und des Praters, die von dem Militair schon seit drei Tagen besetzt gewesen, war der Andrang am heftigsten, da auch die Straßen in dieser Gegend am besten verbarrikadirt und von den mobilen Garden gegen die andringenden Soldaten, größtentheils Böhmen und Jäger, heldenmuthig vertheidigt wurden. Die fortwährende Verstärkung, welche das Militair durch seine Reserven erhielt, mußte den Muth unserer schon 8 Stunden in unausgesetztem Kampfe stehenden Freiheitskämpfer lähmen, und da ihnen auch die Munition für die Artillerie-Geschütze mangelte, so waren sie genöthigt, sich zurückzuziehen und aus den Häusern ein gutes Tiralleurfeuer zu unterhalten, konnten aber doch nicht das weitere Vordringen des erbitterten Feindes abhalten, so daß sich derselbe gegenwärtig fast ganz im Besitze der Leopoldstadt befindet und von der inneren Stadt nur durch den Donaukanal getrennt ist. Dies war auch die Ursache, daß der General Bém den Befehl gab, die zum Rothenthurmthor führende Ferdinandsbrücke abzubrennen und die Bastionen und Stadtwälle mit vielem Geschütz zu besetzen. Von der Belvedere-Linie und der zu St. Marx, welche erstere zu den Bahnhöfen der Südbahn, letztere auf die ungarische Commerciell-Hauptstraße führt, mußten unsere Garden wegen Mangel an Artillerie-Munition ebenfalls abziehen und den Belagerern freigeben, die solche aber nur zur Vorschiebung eines deutschen Grenadier-Bataillons benutzten, was seit einer halben Stunde wieder mit einer Batterie Sechspfünder und etwas Wurfgeschütz in dem Schwarzenbergschen Sommerpalais, vor wenigen Tagen das Hauptquartier Messenhauer's, am 9. Oktober das von Auersperg gewesene, campirt. ‒ Alle übrigen Punkte der Linienwälle und Barrieren werden mit außerordentlichem Muth und Aufbietung aller dem General Bém und Messenhauser zu Gebote stehenden Mittel vertheidigt; in den Hauptstraßen der Vorstädte sind treffliche und zahlreiche Barrikaden aufgeführt, und wenn es dem Gemeinderathe nicht gelingen sollte, eine ehrenvolle Capitulation mit Windischgrätz zu Stande zu bringen, so haben wir eine grauenhafte Belagerung der inneren Stadt und einen fürchterlich blutigen Straßenkampf zu gewärtigen. ‒ Der ganze nächtliche Horizont ist von den in den Vorstädten aufwirbelnden thurmhohen Flammen geröthet. Das Feuer macht schreckliche Verheerungen, das Sturmgeläute, das wieder beginnende Kleingewehrfeuer, die Kartätschenkugeln, die dicht vor meiner Wohnung auf dem Granitpflaster platzen, zwölfpfündige Kanonenkugeln, die die Dachstühle der nebenstehenden Häuser zerschmettern, ist nicht mit Worten zu beschreiben, und wird wahrscheinlich das Grabgeläute der Habsburg-Lothringschen Dynastie sein, die sich durch diese grausame Handlungsweise für Oesterreich eben so unmöglich, wie für die Lombardei, die venetianischen Staaten und Ungarn gemacht hat. Ich bezweifle, daß Kaiser Ferdinand je mehr sein schönes Wien und die auf das Aeußerste gereizte Bevölkerung der Hauptstadt sehen wird.
Ein Akademiker sprengt durch die Straßen und bittet nur noch 12 Stunden muthig im Kampfe auszuharren, da der Angriff der ungarischen Armee gegen Jellachich's Truppen auf 2 Seiten stattfindet, und die Husaren gewiß bald den kaiserlichen Truppen im Rücken und in die Flanke kommen werden. ‒ Dies wird den Muth unserer braven Kämpfer neuerdings beleben, obgleich diese schon so oft gehegten Hoffnungen und Erwartungen bisher immer getäuscht wurden.
Man bringt die Nachricht, daß auf die Garden, welche bei dem auf den Bastionen der inneren Stadt aufgestellten Artilleriegeschütz die Wache halten und den Dienst versehen, aus den Häusern geschossen wird, wahrscheinlich um die an die Wälle aufstoßenden Gebäude vor dem Belagerungsgeschütz zu wahren. ‒ Diese schändliche Hinterlist und Treulosigkeit würde der reaktionären Partei, deren Zahl noch, ohngeachtet sich ein großer Theil flüchtete, bedeutend ist, den Todesstoß versetzen und eine gräßliche Metzelei herbeiführen.
Die großen Gebäude der Gloggnitzer und Brucker Eisenbahn mit den ausgedehnten Bahnhöfen, Magazinen, mechanischen Werkstätten etc., die von unserer Volkswehr seit sechs Tagen als Vorwerk benutzt und zwölf Kanonen in treffliche Verschanzungen darin aufgeführt wurden, stehen in Flammen und wird der Aktiengesellschaft einen unersetzlichen Schaden verursachen. Der große Gasmeter in der Vorstadt Erdberg, welcher einen Theil der Vorstädte und des westlichen Stadttheiles mit Leuchtgas versieht, ist auch zerstört, daher die innere Stadt ganz in Dunkel gehüllt und die gestern schon angeordnete Beleuchtung der Fenster des ersten Stockwerkes höchst nöthig. ‒ Der Schaden der beiden Zuckerraffinerien, welche bis auf den Grund ausgebrannt sind, und von den Kroaten durch Pechkränze in Asche gelegt wurden, beträgt bei einer Mill. Gulden, wovon den jetzigen Besitzer der Mack'schen Raffinerie, in welcher große Vorräthe von raffinirtem und Rohzucker lagerten, beinahe zwei Drittel treffen. Die großen in der Nähe befindlich gewesenen Bau- und Brennholz-Vorräthe wurden auch ein Raub der Flammen und hatten einen sehr großen Werth. Nach der Versicherung der hiesigen Postbeamten wurden die sich seit drei Tagen gesammelten Briefe und Zeitungen heute früh von hier durch das Windischgrätz Lager expedirt; ob dies mit den späteren Briefen und mit der morgenden Post noch geschehen kann, bezweifle ich. Jedenfalls setze ich meine Berichte regelmäßig fort.
Kraus und Pillersdorf haben Minister Wessenberg erklärt, daß die dem Kaiser nach Olmütz überbrachte Adresse keiner Antwort bedürfe, da der Kaiser in seinem Manifeste vom 19. Oktober ohnehin den in Wien tagenden Reichstag in allen, diese Völker-Repräsentation zustehenden Rechten anerkannt und bestätigt habe.
Außer Eier und Milch fühlt Wien noch kein wesentliches Bedürfniß an Lebensmitteln. Frisches Fleisch wird noch für acht Tage genügen, mittlerweile wird sich doch wieder Alles geordnet haben. Zeitungen und Flugschriften erscheinen keine. Diejenigen Offizinen, welche noch Papier und Personal haben, fürchten die Diktatur und Strenge von Windischgrätz.
Den 29. Okt., Mittags 12 Uhr. Noch immer kann man über die Absichten und Beschlüsse, welche Windischgrätz über das Schicksal Wiens verhängt, nichts Gewisses erfahren. Um 9 Uhr wurde von dem Gemeinderath eine Deputation von sechs Mitgliedern in das Hauptquartier des Fürsten abgesandt, um mit demselben über die Besetzung der Stadt und die dafür zu bestimmende Garnison zu kapituliren; ob diese Mission von wünschenswerthem Erfolg sein wird, bezweifelt man, da sich der Feldmarschall seit gestern Abend im fast ausschließlichen Besitz der großen Vorstädte Landstraße, Wieden und Leopoldstadt befindet, und seine Soldaten, bestehend aus deutschen, italienischen, böhmischen und kroatischen Truppen, darin vertheilt hat. „Die Deputation erklärte sich im Namen der akademischen Legion mit deren Auflösung, ebenso wie mit der Entwaffnung der Arbeitsleute, mobilen Garde und des Proletariats, einverstanden, wollen die Wiener Kasernirung und Verpflegung von 12,000 Mann deutschen Militärs übernehmen, verweigern aber die Auslieferung der bezeichneten Geißel um so mehr, da General Bém kein polnischer Emissär sei und sich nicht unberufen in die Wiener Angelegenheiten eingemischt habe, sondern in Lemberg geboren, in der dortigen Nationalgarde eingereiht und von den hiesigen Behörden zur Vertheidigung der Stadt Wien aufgefordert wurde, auch sei es den Völker- und Menschenrechten nach den jetzigen Begriffen der Freiheit ganz zuwider, in einem civilisirten Staate Geißel zu geben oder zu fordern. ‒Der ungarische Staatssekretär Pulsky habe schon seit acht Tagen Wien verlassen, Dr. Schütte habe erst gestern die Erklärung gegeben, daß er sich zu jeder Zeit, wenn es der Gemeinderath für nöthig erachte, zu seiner Verfügung stellen werde, indem er sich gar nichts zu Schulden kommen ließ. Die Entwaffnung der Garden und ihre Reorganisirung könnte der Gemeinderath durchaus nicht zusichern, eben so unbillig wäre es, die Freiheit der Presse auf eine so strenge Weise zu beschränken, und diese letzte Anforderung allein könnte die größten und traurigsten Folgen herbeiführen und die ohnehin für eine Revolution sich zeigenden Elemente in volle Gährung bringen. “ Die kaiserlichen Truppen haben in dem Schwarzenbergischen Palais zwei Batterien Kanonen aufgeführt, ihre Vorposten ziemlich weit ausgestellt und beobachten die größte Strenge gegen die ihre Posten passirenden Menschen. Seit heute früh wurden drei Personen, die in Gardeuniform und bewaffnet in die Nähe kamen, erschossen und erstochen; 5 bis 6 Personen, die etwas Pulver und Blei bei sich hatten, gefänglich eingezogen. Diese Soldatenwillkhür und Grausamkeit ist auf der Vorstadt Landstraße, wo die kaiserlichen Truppen in dem neuen Zollgebäude kampiren, noch hervortretender; es wird von den Kroaten geplündert und gemordet.
Nachmittags 6 Uhr. Große Quantitäten Waffen, besonders von den Garden und Proletariern der Vorstädte Leopoldstadt, Landstraße und Wieden werden auf den verschiedenen Sammelplätzen der Volkswehr abgelegt, durch die Aufsteckung der weißen Fahne, welche zuerst an den Gebäuden des Polytechnikums sichtbar gewesen, wurde das Signal gegeben, in den meisten Häusern der genannten Vorstädte ein Gleiches zu thun, während die übrigen Barrieren, besonders die von Mariahilf, Lerchenfeld, Hernals, Nußdorf sich um 5 Uhr noch heftig vertheidigten und das Eindringen der Soldaten muthig zurückschlugen; in diesen großen Bezirken wurde die rothe Fahne aus sehr vielen Häusern ausgesteckt; und deren Vertrauensmänner, welche nach dem dringenden Aufruf des Ober-Kommandanten, sich um vier Uhr zur Abgebung ihrer unumschränkten Vollmacht, ob die Stadt kapituliren oder den Kampf fortsetzen soll, einfinden sollten, haben gegen die Uebergabe der Stadt Protest eingelegt, und es ist bis jetzt unentschieden, ob sich die Mehrzahl der Stimmen für die Uebergabe der Stadt oder für die Vertheidigung derselben ausgesprochen hat.
Bei der Hernalser Linie beginnt seit einer Viertelstunde abermals eine heftige Kanonade. Die Besatzung des Schwarzenberg'schen Palastes hat nun 18 Feuerschlünde gegen die innere Stadt gerichtet, noch ein paar Tausend Soldaten an sich gezogen und alle Straßen in der nächsten Umgebung des Lagers abgesperrt. Mit banger Erwartung sieht Alles der Mitternachtsstunde entgegen, kömmt es zu einem Bombardement der innern Stadt, so muß der Schaden, der dadurch herbeigeführt wird, ein unermeßlicher werden.
In der Nacht vom 28. auf den 29. October kam die vom Reichstag nach Ollmütz gesandte Deputation, an deren Spitze sich Pillersdorf befand, zurück; nach vielem Drängen und Vorstellungen bei Wessenberg und Lobkowitz konnten die Deputirten die Adresse des Reichstags dem Kaiser übergeben. Pillersdorf stellte in den beredtesten Worten den schrecklichen Zustand, in welchem sich die Hauptstadt des Reiches befinde, vor, der Kaiser hörte diese Vorstellung, die alle Anwesenden zu Thränen rührte, theimahmslos an und verlas von einem Blatt Papier, welches er aus der Tasche zog, „daß sein Feldmarschall, Fürst Windischgrätz, mit unbeschränkten Vollmachten versehen, nichts verabsäumen werde, um die in Wien ausgebrochene Anarchie zu dämpfen, Ruhe und Ordnung in der empörten Stadt herzustellen und das Eigenthum des rechtlich- und gutgesinnten Bürgers zu schützen. Er habe diese wichtigen Befehle in die Hände des Fürsten gelegt, da er sich überzeugt halte, daß der Feldmarschall nur im äußersten Nothfalle seine Zuflucht zu strengen Maßregeln nehmen werde, und erwarte von allen in Wien noch anwesenden und ausübenden Behörden, daß sie in diesen guten und loyalen Absichten, die nur das Glück und das Wohl seiner Völker fördern sollen, den Fürsten kräftig unterstützen werden. ‒ Ueber die weiters vorgetragene Bitte, den Reichstag in Wien forttagen zu lassen, werde die Deputation ehestens eine schriftliche Antwort erhalten. Von den am 19. October in seinem Manifeste diesfalls gemachten Zugeständnissen müßte es sein Abkommen haben, da seine wohlwollenden und väterlichen Gesinnungen, die er darin ausgesprochen ‒ offenbar nicht beachtet worden und er dadurch genöthigt sei, andere Maßregeln vorzuschreiben.“
Welche Aufregung und welcher Grad der Erbitterung gegen den Kaiser, seine Umgebung und alle in seiner Nähe befindlichen Rathgebern nun unter der hiesigen Bevölkerung herrscht, ist nicht mit Worten zu schildern, dies muß man sehen und hören, ‒ auf die Stimmung der Provinzen und des Auslandes ist man hier im höchsten Grade gespannt.
30sten October. Vormittags 11 Uhr.Die Aufregung, welche seit einer Stunde, wo die Nachricht auf die Aula kam, daß das ungarische Heer mit bedeutenden Streitkräften ganz nahe bei Wien sei ‒ in allen Klassen der Bevölkerung herrscht, ist nicht zu schildern. Alles, was noch unbewaffnet war, oder in vorzeitiger Angst die Schießgewehre gestern Nachmittag abgegeben, strömt nach Waffen in das Zeughaus und in die verschiedenen Bezirke der Vorstadt. Allarm und Sturmgeläute in der Stadt und denen noch von Truppen unbesetzten Vorstädten. Schon hört man Kanonendonner an der Hernalser und Mariahilfer Linie die Offiziere können die auf den Wällen der Stadt befindlichen Mobilen und Nationalgarden mit Mühe zurückhalten, das Geschütz auf die beim Schwarzenberg'schen Palais gelagerten, sich immer mehr verschanzenden Truppen spielen zu lassen, und auf das 1000 Schritte von der Stadt entfernte Lager einen Ausfall zu machen. Eben sehe ich vom Fenster bei 80 bewaffnete Mädchen und Weiber, von einem kräftigen starken Mann angeführt, die Wachen beziehen und die dort befindlichen Garden für den äußern Dienst abzulösen und mobil zu machen. Von der Hernalser Linie wird der Bericht erstattet, daß die auf dem Linienwall gewesenen Reserven der Mobilen und der bewaffneten Arbeiter einen Ausfall gemacht habe, bei welchem die Belagerer eine halbe Stunde vor der Barriere der Alservorstadt zurückgedrängt und ein Hauptmann mit 16 Jägern gefangen genommen wurden. Eben so tampfer vertheidigt sich die an der Mariahilfer Linie aufgestellte Mannschaft. Was jetzt mit den bereits abgeschlossenen Kapitulationsbedingungen, nach welchen die Stadt an Windischgrätz zu übergeben ist, geschehen wird, mag Gott wissen. Die Aufregung in der innern Stadt wird immer größer, vorzüglich unter dem bewaffneten Proletariat und den Arbeitern, welche von Verrath, den der Gemeinderath und der Oberkommandant begangen, schreien und die Verräther mit dem Strange bedrohen. Es ist nicht möglich, daß ich meinen heutigen Bericht weiter fortsetze, da vom Oberkommandanten die Nachricht gegeben wird, daß nach den Beobachtungen vom St. Stephansthurme der Kampf mit der ungarischen Armee, zwei Stunden von Wien entfernt, begonnen hat, wodurch die Kampfbegierde und die Erbitterung gegen Windischgrätz den höchsten Grad erreicht. Die gestern bei den meisten Häusern ausgesteckten weißen Friedenzeichen mußten in der Stadt und den Vorstädten augenblicklich eingezogen werden, wo es nicht geschah, wurden die Fenster zertrümmert; wer waffenfähig ist und sich mit einem Cylinder (französischer Hut) auf der Straße blicken läßt, wird insultirt und unter die bewaffnete Menge gesteckt und mit fortgeschleppt.
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4 Uhr Nachmittags. Alle Vorstädte, die von den Windischgrätz-Jellachichschen Truppen und Räuberhorden noch unbesetzt sind, werden neuerdings in Vertheidigungsstand gesetzt, die Stadtthore befestigt und die großen Straßen der Vorstädte neuerdings mit sehr guten und ausgedehnten Barrikaden versehen. Vor einer Stunde gab Oberkommandant Messenhauser wieder eine Berichterstattung vom Stephansthurm, welche ich meinen heutigen verworrenen Berichterstattungen beilege. (Fehlt.) Der über die Stadt und die ganze Umgegend ausgebreitete Nebel macht die weitere Beobachtung der kämpfenden Armeen unmöglich. Daß wir heute noch ein Näheres über den Ausgang der Schlacht erfahren werden, ist nicht wahrscheinlich. Jedenfalls haben uns die Ungarn durch die späte Hülfe einen schlechten Dienst erwiesen, und werden, auch wenn sie über die Windischgrätz-Jellachich-Truppen gesiegt haben, die Stellung des Gemeinderaths und des Oberkommandanten gegenüber dem Feldmarschall außerordentlich schwierig machen, da unter den vorwaltenden Umständen und Verhältnissen die Unterwerfung und Uebergabe der Stadt unter des Fürsten Dictatur doch nicht zu vermeiden sein wird.
10 Uhr Abends. Fürst Windischgrätz läßt an alle Hauseigenthümer eine gedruckte Kundmachung vertheilen, worin er bekannt macht, daß ein Korps ungarischer Insurgenten gewagt habe, die östreichische Grenze zu überschreiten, daß es ihm aber vereint mit dem Banus gelungen sei, diese ungarischen Truppen in wilde Flucht zu jagen, und ein Theil noch mit der Verfolgung der Flüchtlinge beschäftigt sei. Was der Fürst aus seinem Hauptquartier in Hetzendorf zum Troste aller Gutgesinnten, zur Warnung der Schlechtdenkenden bekannt machen läßt, um die abgeschlossene Uebergabe der Stadt nicht länger zu verzögern u. s. w.
Den 31. 9 Uhr. Die ungarische Armee, die in allem 40,000 Mann stark gewesen, soll total geschlagen worden sein, das Infanterieregiment Alexander durch die Kavallerie in die Donau gesprengt, mehr als 1500 Gefangene gemacht und die Kriegskasse erbeutet sein
Der Gemeinderath bittet, die Uebergabe der Stadt und Vorstädte, die bis zwölf Uhr Mittag geschehen muß, nach Möglichkeit zu beschleunigen. Auf dem Stephansthurme muß zu dieser Stunde die kaiserliche Fahne ausgesteckt werden; die früher gestellten Kapitulationsbedingungen genau erfüllt werden etc., wenn es thunlich ist, schicke ich noch mit der heutigen Post die Kundmachung des Feldmarschalls, den Aufruf des Gemeinderathes, die an den öffentlichen Plätzen und Straßenecken angeschlagen und augenblicklich unter den größten Insulten der sich dagegen Sträubenden abgerissen wurden.
Die bewaffneten Proletarier und Arbeiter weigern sich fortwährend die Waffen abzulegen, die Stadt zu übergeben. Ohngeachtet Windischgrätz fortwährend dabei bleibt, daß wenn die gemachte Kapitulation nicht genau bis zur Mittagstunde erfolgt, Stadt und Vorstädte durch Brand verheert werden sollen, ist bis jetzt wenig Hoffnung, daß die bewaffnete Macht diesem diktatorischen Befehle Folge leistet. Denn jemehr sich von den entlegenen Vorstädten die Nachrichten über die von den Kroaten verübten Grausamkeiten, Mord, Plünderung, Verwüstung verbreiten, desto größer wird die Erbitterung.
Wieder hört man Kanonendonner von der Mariahilfer und Lerchenfelder Linie. Das Olnitkömmer Amt, unter welchem die Burgbauten und die Sammlungen stehen, hat neuerdings um eine Verstärkung von zweihundert Garden gebeten, ebenso die Nationalbank, da man wiederholte Drohungen, die Residenz des Kaisers in Brand zu legen, die Statue des Kaisers Franz zu zertrümmern u. s. w. gemacht hat.
1 Uhr Mittags. In diesem Augenblick hört der Geschützdonner und das Sturmläuten auf, das mit Schlag 12 Uhr begonnen hat, ohne daß man im Innern der Stadt beurtheilen kann, ob es von Seite der Truppen wegen Veränderung der Position oder wegen einer Unterhandlung eingestellt wurde.
Die Parteien stehen sich für und gegen die Kapitulation schroff gegenüber. Es müßte ein Bürgerkrieg gegen die Schwarzgelben geführt werden, der allen Besitz vernichtet. Von Anfang des Bombardements hat sich auf der Mariahilfer Linie schon ein ähnlicher Straßenkampf zwischen jenen, die für, und jenen, die gegen Kapitulation stimmten, angesponnen.
Den 31. Oktober, Nachmittags halb 4 Uhr. Welche weitere Unterhandlungen durch den Oberkommandanten Messenhauser und den Gemeinderath wegen der Uebergabe der innern Stadt gepflogen und von welchem Erfolg solche sein werden, muß uns die nächste Stunde zeigen. Nach der in der schönen und völlig verödeten Stadt herrschenden Stimmung ist das schrecklichste nämlich, ein Parteienkampf zwischen den friedlichen, für die Regierung gutgesinnten Bürgern und den bewaffneten Freiheitskämpfern, die ihre Errungenschaften auf das Aeußerste zu vertheidigen gesonnen sind, zu erwarten.
Der Gemeinderath, so wie Messenhauser werden des Verraths an der Freiheit, wie ich glaube mit Unrecht, von der bewaffneten Menge beschuldigt, sonst könnten sie nicht den tyrannischen und starren Anforderungen, die der Feldmarschall gestellt, und noch mit drückenden Bedingungen in letzter Zeit vermehrt hat, mit solcher Hast und Bereitwilligkeit nachgegeben haben.
Diese Beschuldigung veranlaßte den Oberkommandanten, welcher gestern seine Stelle niedergelegt, sich wieder an die Spitze der bewaffneten Volkswehr zu stellen, und die Hauptleute Redel und Fenneberg, die das volle Vertrauen der akademischen Legion und der Mobilen besitzen, zu seinen Kriegsräthen und Stellvertretern zu ernennen, und ohne deren Beistimmung die Stadt und die sich bis jetzt noch höchst muthig vertheidigenden Vorstädte nicht zu übergeben. Ein Theil der Stadt- und Bürgergarden hatte bereits Vormittags auf ihren Sammelplätzen die Waffen abgelegt, die aber in derselben Stunde wieder an andere Kämpfer vertheilt wurden.
In diesem Augenblicke wird die innere Stadt mit Kanonenschüssen und Congreveraketen, von dem Schwarzenbergschen Palais, von dem Wiedner Freihause in der Nähe des Politechnikums und von der Mariahilfer Hauptstraße heftig beschossen und beworfen, wogegen nur wenig Kanonenschüsse aus der belagerten Stadt zurückgemacht ‒ da, wie ich mir die persönliche Ueberzeugung schaffte, durch den sehr starken Wind die Raketen vertragen werden, ‒ nicht an den Ort ihrer Bestimmung gelangen, und größtentheils am Glacis oder in den Wallgraben liegen bleiben. Es ist 4 Uhr vorüber und das Beschießen der Stadt wird von den obenbezeichneten Punkten unausgesetzt unterhalten, ohne daß man noch irgend eine Flamme ausbrechen sieht. Aber so eben wird mir die Nachricht hinterbracht, daß eine zu weit an das Kärnthnerthor gerückte Avantgarde mit einer Kartätschenladung eines dort aufgestellt gewesenen 18pfünder regalirt wurde, und außer einem dabei befindlich gewesenen General und seinem Adjutanten noch bei 40 Todte und Verwundete, meistens Kroaten, ihr Leben eingebüßt haben. Von Kartätschenmunition ist in der Stadt noch der größte Vorrath, und den werden die Belagerten für die herannahenden Soldaten wohl am sichersten und zweckmäßigsten zu benützen suchen. ‒ Nun ertönt der Ruf, es brennt die Burg, der Reichstagssaal; dabei das fortdauernde kanoniren und das Hineinwerfen der Raketen, durch welche eben wieder das große und schöne Palais des Grafen Kollowrath (früherer Minister des Innern), in Flammen geräth ‒ nun sieht man das Feuer, welches am Josephsplatz nächst der Burg zum Himmel lodert von hoch gelegenen Häusern ganz deutlich, und verflucht das empörte Volk, das sich durch Vernichtung unersetzlicher Kunstschätze an der Tyrannei des Feldmarschalls zu rächen sucht.
Der Thurm der Augustinerkirche, die zwischen dem Naturalienkabinet, der kaiserlichen Bibliothek und des Erzherzogs Albrecht Palais liegt, steht in vollem Brand, nebenhin alle Gebäude in lichterloher Flamme, die auch an zwei andern Orten heftig wüthet, und bei dem starken Nordwestwinde und der bereits eingebrochenen Dunkelheit die ganze Stadt zu verheeren droht.
Die Beschießung der Stadt hört auf, ohne daß man sich in den Vorstädten die Ursache dieses Stillstandes zu erklären weiß, und der Meinung ist, daß Fürst Windischgrätz die Erlaubniß ertheilte, der so hart bedrängten Stadt durch Löschungswerkzeuge aus den Vorstädten zu Hülfe zu kommen. Doch bald erfuhr man, daß die am Glacis und den Brücken aufgestellten Soldaten weder eine Feuerspritze noch irgend Jemand passiren lassen ‒ und neue Verhandlungen über die Uebergabe der Stadt im Zuge sind. Da alle Straßen der Vorstädte, die zum Glacis führen, durch das Militär abgeschlossen sind, so muß ich meinen weitern Bericht über dieses fürchterliche Ereigniß, durch welches der Kaiser seiner Hauptstadt und Residenz unheilbare Wunden schlägt, für den morgenden Tag verschieben und nur noch beifügen, daß am verflossenen Sonnabend auch das Odeon, in welchem sich einige hundert mobiler Garden befanden, die auf die eindringenden Kroaten ein Kleingewehrfeuer unterhielten, durch Letztere in Brand gesteckt wurde, und durch das einstürzende Dach und Gewölbe Alles was sich darin befand, nach einigen Mittheilungen bei 600 Menschen zusammenschmetterte. Jede Verbindung mit der Leopoldstadt, der Stadt und den übrigen Vorstädten ist seit vier Tagen gänzlich unterbrochen, und man kann außer den von der Ferne herausragenden kolossalen Brandstätten über die sonstigen Verwüstungen und Greuelscenen, welche von den kroatischen Räuberhorden des Jelachich an schwachen Weibern, Kindern und Greisen begangen wurden, noch nichts Bestimmtes erfahren und keine verläßlichen und sicheren Nachrichten geben. Die prachtvolle Villa mit den herrlichen großen Gartenanlagen und Glashäusern des Fürsten Liechtenstein (vormals das Roßumowsky-Palais) an dem Donau-Kanal gegenüber dem Prater liegend und von diesem nur durch die schöne Kettenbrücke getrennt, ist auch, besonders die Gartenanlagen, in welchen die Geschütze der mobilen Garde aufgeführt waren, und mit welchen man den von der Dampfmahlmühle und dem Prater herüberstürmenden Feind zu wiederholten Malen zurückdrängte ‒ gänzlich ruinirt, eben so auf der rechten Donauseite die nebenanstehenden Gebäude des Banquiers Walters, das Karpfenbad, die durch seine alljährig ausgestellten Blumenfluren berühmt gewordenen Treibhäuser und Wohngebäude des Apotheker Rochleder; stark gelitten haben noch das in dieser Gegend befindliche Eisengußwerk des Landgrafen Salm, die Farben-Entroit-Fabrik des Kaufmann Dietz, das Sophienbad ‒ an dem andern Donauufer, wo die große Zucker-Raffinerie gewesen, die ausgedehnten Kohlenmagazine und Bau- und Brennholzvorräthe lagerten, ist diese Verwüstung noch bei Weitem größer. Von den Bahnhofgebäuden der Nordbahn soll auch Vieles abgebrannt und verwüstet worden sein ‒ die Eisenbahnbrücke gänzlich abgebrannt, eine weite Strecke der Bahn, nach Einigen bis Lundenburg unfahrbar gemacht worden sein ‒ wird wohl den regelmäßigen Lauf und Benützung dieser ausgedehnten Bahnstrecke hemmen und für längere Zeit unbrauchbar machen. Aehnliches ist auch in den Bahnhoflokalitäten der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn geschehen ‒ und was noch mehr zu beklagen ist, wurden dort die für Wien und zum Transport eingelagerten Waarenvorräthe geplündert und fast gänzlich verschleppt, ein ungeheuerer Verlust, für welchen der Beschädigte keinen Ersatz zu gewärtigen hat. ‒ Auch heute wurde keine Wiener Zeitung wegen Mangel an offiziellen Nachrichten ausgegeben ‒ ob Windischgrätz während des Belagerungszustandes ausländische Zeitungsblätter einführen läßt, steht sehr in Zweifel, und so wird das alte Regime Sedlnitzky wieder an die Tagesordnung kommen.
Den 1. November. Gestern Nachmittag um halb 6 Uhr sind die ersten Truppen durch das Burgthor über den Kohlenmarkt und Graben, wo aus allen Fenstern die weiße Fahne ausgesteckt zu sehen war, eingezogen. Kanonen wurden auf den Hauptplätzen aufgeführt und mit brennenden Lunten bis zum Anbruch des Tages, wo die weiße Fahne auf dem Stephansthurme aufgesteckt wurde, bewacht. Heute um 9 Uhr konzentrirten sich in der Stadt große Truppenmassen, lösten alle noch von National- und Mobilgarden besetzte Wachtposten ab, und ließen nach 9 Uhr Niemand mehr aus, noch in die Stadt passiren, um das Verschleppen der Waffen zu verhindern. ‒ In den Vorstädten fahren die Wagen von Haus zu Haus, Kommissäre ermahnen, die Waffen sogleich auf die Wagen oder binnen zwölf Stunden in die Gemeindehäuser abzugeben, Privateigenthum zu bezeichnen, welches dann protollirt und in einiger Zeit, wenn der Belagerungszustand aufgehoben, die Garde reorganisirt worden ist, wieder zugestellt werden soll. Nach 24 Stunden wird noch einmal Haussuchung gehalten und bei vorfindenden Waffenvorräthen kriegs- und standrechtlich verfahren. Auf ähnliche Weise wird man wohl auch in der innern Stadt vorgehen und auf diese Weise das kaiserl. Zeughaus wieder vollständig füllen. Ein großer Mißgriff des Hrn. Marschall Windischgrätz war es, die kroatischen Horden zuerst nach Wien einrücken zu lassen. Diese roh-zügellose, schlecht bekleidete, mit Prügeln und Stangen bewaffnete Soldateska hat viele Grausamkeiten, vorzüglich in der Vorstadt Landstraße, verübt und die Erbitterung gegen Jellachich und Windischgrätz noch mehr gesteigert. Daß sich Wien und die innere Stadt nicht so wie es der Gemeinderath zugesichert hatte, bis 12 Uhr Mittags ergab, war größtentheils das Verlangen Windischgrätz, die gelbe und schwarze Fahne auf dem Thurme von St. Stephan aufzupflanzen, Schuld. Diese gewiß für immer verhaßten Farben erbitterten und reizten das Volk der Art, daß auf dem Stephansplatz zwei Kanonen Sechspfünder mit der Drohung aufgeführt wurden, den Dom und den Thurm in Trümmer zu schießen, wenn die Aufsteckung dieser Fahne stattfinden würde.
Abends 6 Uhr. Niemand außer Militär darf seit 10 Uhr die innere Stadt betreten, ebensowenig von dort in die Vorstadt gehen; um vor die Barrieren zu gelangen, muß man von dem in jeder Vorstadt kommandirenden General einen Geleitschein erbetteln, und dann beim Hinausgehen oder Fahren sich gefallen lassen, bis auf das Hemd visitirt zu werden. Die so strenge Absperrung der Stadt scheint keinen andern Zweck zu haben, als von Haus zu Haus die Waffen einzusammeln, die entwaffneten Arbeitsleute und Proletarier in sichern Gewahrsam zu bringen und solche unschädlich zu machen, seit acht Stunden hat man bereits mehr als 1200 zusammengefangen und durch die Kroaten, die mit den abgenommenen Waffen armirt wurden und auch Munition erhielten, in das Arbeitshaus und mehrere Kasernen transportiren lassen. Nach einigen unverbürgten Nachrichten soll sich ein großer Theil des übergegangenen Militärs mit Studenten und Akademikern in das Universitätsgebäude geflüchtet haben, verweigern die Ablieferung der Waffen und verlangen für die übergetretenen Soldaten vollkommene Amnestie ‒ und da sich der Feldmarschall dies Verlangen nicht abtrotzen lassen wird, so befürchtet man einen tollkühnen verzweifelten Ausfall oder die Ausführung der gemachten Drohung, sich in die Luft zu sprengen. Ob an der Sache etwas Wahres ist, kann ich heute noch nicht ermitteln, so viel aber ist gewiß, daß viele Familien, die in den Vorstädten wohnen und Söhne bei der akademischen Legion haben, über deren Schicksal und Ausbleiben in der größten Unruhe sind.
In der Vorstadt Mariahilf wurde durch die vor den Barrieren aufgestellten Truppen mit großem Wurfgeschütz an vielen Bauten ein sehr bedeutender Schaden zugefügt, das Sommerpalais des Fürsten Esterhazy, welches eine ausgezeichnete Bildergallerie enthält, wurde unausgesetzt mit Kanonen und Bomben bedrängt; in dem großen immensen Gebäude ist auch nicht eine Fenstertafel ganz geblieben. In der Mariahilfer Hauptkirche und deren Thürme flogen mehrere Kugeln und Bomben mit 60 Pfund, zerplatzten in der Kirche und steckten einige Kirchstühle in Brand. Der Ingenieur und Maschinist Angely aus Berlin, dessen mechanische Fabril von den Kroaten zerstört wurde, verlor auch dabei sein Leben, durch vier auf ihn gerichtete Gewehrschüsse. Auch der Kaffeesieder Stierböck in der Leopoldstadt wurde von den Kroaten erschossen. Erst heute konnte man der Plünderung, die man an den auf den Bahnhöfen liegenden zum Versandt bestimmt gewesenen Waarengütern vornahm, Einhalt thun. Der Schaden muß sehr bedeutend sein. Das neue Zollgebäude, wo jetzt drei Kompagnien Soldaten bivouakiren, hat ebenfalls großen Schaden erlitten, die dort aufbewahrten Waaren haben einen ungeheuern Werth Ein kroatischer Offizier erzählte heute, daß die ungarischen Truppen, die zurückgedrängt wurden, nicht über 6000 Mann stark waren, und mit dem Regimente Alexander, welches lange Jahre in Wien stationirt gewesen, die Bestimmung hatte, Jellachichs Truppen im Prater aufzureiben; das gedachte Regiment wurde auf drei Dampfschiffen von Preßburg in die Nähe Wiens gebracht, was verrathen war, und durch die an dem Donau-Ufer aufgestellte Artillerie in ganz kurzer Zeit durch Zusammenschießen der drei Dampfschiffe, die der Donau-Dampfschifffahrtgesellschaft gehören, in Grund geschossen wurde. Windischgrätz scheint noch einen weit stärkeren Angriff der Ungarn zu erwarten und konzentrirt die Mehrzahl seiner Truppen gegen die ungarische Gränze. Auf allen Vorstadthäusern, in welchen Kroaten hausen, sieht man folgende geschriebene und gedruckte Zettel angeklebt: Saldvemo-na Suprewal General Zeisberg, das heißt: Heilig ist das Eigenthum. Da aber unter diesen Horden von hundert nur wenige lesen können oder das Gelesene verstehen werden, so wird das Eigenthum in den Augen dieser entmenschten Soldateska wenig respektirt werden. ‒ Cigarren und Silbergeld steht bei den Kroaten in besonderm Werth und durch Tabak und Cigarren, die sie den Vorübergehenden aus dem Mund herausnehmen, kann man sich noch am ersten von diesen Raubvögeln befreien.
Den 1. Nov., 10 Uhr Morgens. Die heutige Nacht war für die Bewohner Wiens nach langen gefahrvoll durchlebten Tagen wieder eine ruhige ‒ für Denjenigen, der seine Angehörigen und seine Habe fern von der Stadt und den dieser zunächst liegenden Vorstädten wußte. Ein ziemlich starker Regen, der vor Mitternacht begonnen und noch fortdauert, hat die Brandstätten, welche in der innern Stadt noch immer fortlodern, durch das Aufhören des Windes, nicht weiter ausgebreitet. Schon um 7 Uhr früh sahen wir am St. Stephansthurme die weiße Fahne wehen und hatten dadurch Hoffnung, in die, so unersetzlichen Schaden erlittene Stadt hineinzukommen. Von allen Thoren war nur ein einziges, nämlich das Franzensthor, für Fußgänger geöffnet, wir fanden den größten Theil der Thorwachen, die der Gesandtschafts-Hotels und der ärarischen und Dicasterialgebäude noch mit Nationalgarden besetzt, in den Straßen und kleinern Gassen aber Waffen aller Art in großer und bedeutender Menge herumliegen. Die erste Frage war, ob der Parteienkampf zu Ende? wer dabei gesiegt? und wie lange die Brandlegung und Plünderung gedauert habe? mein Erstaunen war daher auch groß, als ich zur Antwort erhielt, daß die Ablegung der Waffen, sowohl von der arbeitenden Klasse, dem Proletariat, ebenso von der mobilen Garde, wenig Umstände verursacht habe, daß sich die gesammte Volkswehr, den klugen, gemäßigten und beruhigenden Vorstellungen des Gemeinderathes und den der Kommandanten (die ich hier gedruckt beilege) unterwarf, und sich an der Rettung der durch die kaiserliche Artillerie in Brand gesteckten Gebäude thätig, unermüdet und in musterhafter Ordnung betheiligten; nur den Bemühungen der gewandten Arbeitsleute konnte es gelingen, von den vorhandenen Feuerlöschungs-Requisiten, wobei auch noch Wassermangel war, da die Wasserleitungen, wie ich schon früher berichtete, größtentheils zerstört waren, einen schnellen und zweckmäßigen Gebrauch zu machen, wodurch nicht allein die Verbrennung der kostbaren, weltberühmten kaiserlichen Bibliothek und des daran anstoßenden Naturalienkabinets verhindert wurde, sondern auch die Burg, das Theater, die Säle des Reichtages und alle in der Nähe befindlichen Palläste vor einer gänzlichen Verheerung bei dem so stark wehenden Winde gerettet wurden. Die schöne Augustinerhofkirche mit dem herrlichen Denkmal Canovas (an der Grabstätte der Erzherzogin Christine) wurde durch die angestrengtesten Bemühungen der bewaffneten Garden und Arbeiter, denen sich die Proletarier anschlossen, vor dem Einsturz gerettet, der hohe Kirchthurm mit seinem großen und schönen Glockengeläute wurde ein Raub der Flammen. Die entsetzlichen Feuermassen, das herabfließende schmelzende Erz und das fortwährende Kanonieren konnte die Anstrengungen der braven Leute in ihren Bemühungen nicht hemmen. Die Kirchenschätze wurden in Sicherheit gebracht, die dicht an die Kirche anstoßende Kupferstichsammlung des Erzherzog Albrecht (eine der werthvollsten in Europa) durch dieselben Leute, die man noch wenige Stunden vorher als Brandstifter und Plünderer bezeichnete, gerettet, und sie waren noch um 8 Uhr früh, also nach 13 Stunden, so thätig und unermüdet, daß auch bei dem herrlichen Bibliothekgebäude nur die schöne Kuppel und das Dach abbrannte und der größte Theil des Naturalienkabinets, in welchem die mit Spiritus gefüllten Gefäße eine verheerende Flamme verursachten, gerettet werden konnte. Dennoch entstand unberechenbarer Verlust, da die in der Nähe der Bastionen und Wälle liegenden Gebäude, bis inmitten der Kärntnerstraße, des Josephsplatzes, der Staatskanzlei, Löwenstraße u. s. w., durch Kanonen, Raketen und Granaten schrecklich verwüstet sind und durch den noch in Flammen stehenden Kolowrattschen Palast allein ein Schaden von 300,000 Fl. entstanden ist.
2. Nov., 12 Uhr Mittags. Um in die Stadt zu gelangen, mußte ich mir es 2 Dukaten kosten lassen. Sie können sich daher denken, wie streng Windischgrätz den Belagerungszustand beobachten läßt. Das Militär bivouaquirt auf allen Hauptstraßen und Plätzen der innern Stadt, was einen eigenen Anblick der nicht mehr zu kennenden Stadt darbietet. Heute Nacht wurde der Gaßkandelaber, an welchem Latours Leiche aufgehangen war, von dem Militär herausgerissen und zertrümmert.
Eben höre ich, daß sämmtliche Posten angelangt und auch heute mit Ausnahme der ungarischen abgehen, ich muß mir nur noch die in der Staatsdruckerei seit gestern erschienenen Kundmachungen zu verschaffen suchen, was auch nur durch besondere Lokalkenntniß zu erzielen ist, um Sie mit den neuesten Vorfällen bekannt zu machen. Sämmtliche in Wien befindliche Druckerpressen sind unter Aufsicht gestellt, ob wir Zeitungen von fremden Plätzen erhalten, bezweifle ich, Gewisses weiß ich hierüber nicht zu sagen.
Die Universität ist bereits von Militär besetzt ‒ sonst Alles ruhig. Die Stadt gleicht einem Lager. Alle Läden gesperrt, an den meisten Lebensmitteln mangelt es bereits in der Stadt und Vorstädten. Morgen ein Mehreres.
[(A. O. Z.)]
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Wien.
Absichtliche Entstellungen und Verdrehungen aller Thatsachen sind gegenwärtig so sehr an der Tagesordnung, daß es den Freunden der Wahrheit willkommen sein muß, nachstehend eine getreue Darstellung der Vorgänge bei der Einnahme der Stadt Wien durch die k. k. Truppen zu erhalten.
Am 23. Oktober Abends war der mit außerordentlichen Vollmachten versehene k. k. Herr Feldmarschall Fürst Windisch Grätz zu Hetzendorf nächst Wien eingetroffen. Se. Durchlaucht erließen eine Aufforderung an die Be- [0700] völkerung der Stadt, die Waffen abzuliefern und sich unbedingt dem kais. Befehle zu unterwerfen, widrigenfalls die Stadt mit Gewalt der Waffen dazu gezwungen werden würde. Zur Bekanntmachung der gestellten Forderungen wurden der Stadt 24 Stunden, und zur Ausführung derselben weitere 48 Stunden, nämlich bis zum 26. Oktober Abends eingeräumt. Obschon dieser Termin nicht nur erfolglos verstrichen, sondern auch am 26. während der vollendeten Einschließung der äußern Umgebungen der Stadt aus derselben ohne Anlaß auf die k. k. Truppen gefeuert wurde, ließen Se. Durchlaucht der Feldmarschall auch noch den 27. Oktober ohne Anwendung von Gewaltmaßregeln verstreichen. Einigen Deputationen aus der Stadt, welche mit dem Fürsten über seine gestellten Forderungen verhandeln und Konzessionen erlangen wollten, konnten diese nicht gewährt werden.
Obwohl mittlerweile die Nachricht von dem Anmarsche eines ungarischen Heeres zur Unterstützung der Wiener Rebellen eingetroffen war, welche den Fürsten nöthigte, einen Theil seiner Truppen gegen selbes zu entsenden, so wurde dennoch mit den übrigen für die Verwendung gegen die Stadt schon im Voraus bestimmten Truppen am 28. Oktober der Angriff gegen dieselbe unternommen.
Während nämlich alle Zugänge der Stadt mit Geschützfeuer beschäftiget wurden, lag es blos in der Absiche des Feldmarschlls, an diesem Tage die Vorstädte Landstraße usd Leopoldstadt einzunehmen. Diese Aufgabe wurde auch bis zum Abende dieses Tages nach Erstürmung der äußeren Linienthore, vieler Barrikaden und Eroberung von 4 Kanonen von den von Muth und Zuversicht durchdrungenen Truppen ohngeachtet der verzweifelten Gegenwehr der Insurgenten so vollständig gelöst, daß sie noch vor dem Eintritte der Nacht auf dem Glacis vor der innern Stadt und am Donauarme standen, der diese von der Leopoldstadt scheidet, und das Invalidenhaus, das Münzgebäude, die neue Hauptmauth, die Heumarktkaserne und den fürstlich Schwarzenbergschen Sommerpallast besetzten und behaupteten.
Allenthalben wurden die Truppen von den friedlichen Bewohnern dieser Vorstädte als Erretter und Befreier von dem Terrorismus der Anarchisten und ihrer Werkzeuge, der bewaffneten Proletarier, mit Jubel empfangen.
Seine Durchlaucht der Feldmarschall gaben sich der Hoffnung hin, daß die Stadt nach solchen Erfahrungen von der Ueberlegenheit einer wohldisciplinirten Streitmacht über zahlreichere Insurgentenschaaren die Ueberzeugung erlangt haben mußte, rechnete daher auf ihre nunmehrige Unterwerfung und ließ den 29. Oktober, um ihr Zeit zu lassen, zur Besinnung zu kommen, ohne Anwendung weiterer Gewaltmaßregeln, ruhig vorübergehen. Es kam auch wirklich in der Nacht vom 29. auf den 30 Oktober eine Deputation des Gemeinderathes der Stadt mit der schriftlichen Erklärung zum Feldmarschall, daß sie sich unbedingt unterwerfen und den auferlegten Belagerungszustand annehmen wolle, wonach somit am 30. Oktober die Stadt und die Vorstadte von den Truppen besetzt werden sollten.
Es wurde demnach eine Kommission zusammengesetzt, welche die Modalitäten über die Ausführung dieser Maßregeln genauer bestimmen sollte. Mittlerweile bestätigte sich am 29. Morgens die Nachricht von dem Anmarsche der ungarischen Rebellen, gegen welche sich nunmehr der Feldmarschall zu wenden genothiget war. Er fand den Feind in einer günstigen Aufstellung hinter der Schwechat, 2 Meilen von Wien, ließ denselben sogleich durch das Armcekorps des Banus von Croatien und die ihm beigegebene zahreiche Kavallerie des 3. Korps angreifen, warf ihn noch an diesem Tage bis über die Fischa zurück, und ließ ihn am 31. bis an die Gränze von Ungarn verfolgen.
Durch das von der Höhe des Stephansthurmes beobachtete Anrücken der ungarischen Bundesgenossen, ließen sich die Wiener Aufrührer zu neuen Hoffnungen und zum treulosen Bruche der eingegangenen Kapitulation verleiten. Der Oberkommandant der Nationalgarden, Messenhauser, erließ von dem hohen Observatorium herab zwei Aufrufe, in welchen er die k. k. Truppen von den Ungarn geschlagen erklärte und zur wiederholten Ergreifung der Waffen aufforderte.
Es wurden demnach auch von Seite der Stadt in dem Augenblicke die Feindseligkeiten wieder begonnen, in welchem die eingegangene Kapitulation in Erfullung gehen sollte.
Dieser Treubruch mußte somit auch durch das Wiedereröffnen des Bombardements einiger, wegen ihrer feindlichen Gesinnung bekannten Vorstädte bestraft werden, mit welchem bis zum Abende des 30. Oktober fortgefahren wurde.
Die Stadt erklärte hierauf zum zweiten Male ihre Unterwerfung, die somit am 31. Oktober zur Wahrheit werden sollte.
Aber schon am Morgen dieses Tages erschienen Abgeordnete des Gemeinderathes mit der Erkärung, daß die Mehrzahl der Bürger zwar den besten Willen habe, alle Bedingungen des Feldmarschalls ohne Weigerung einzugehen, daß sie aber gegen die zur Schreckensherrschaft angewachsene Macht des demokratischen Clubbs, des Studenten-Comites und ihrer Werkzeuge, der bewaffneten Proletarier, viel zu machtlos seien, um ihrem Willen nur einige [unleserlicher Text] zu verschaffen, daß sie demnach selbst den Schutz des Feldmarschalls für ihre Personen und ihr bedrohtes Eigenthum anflehen müßten, nachdem die Rotte gesonnen sei, sich unter den Trümmern der durch sie in Brand zu steckenden Stadt zu begraben.
Der Feldmarschall ließ nunmehr am 31. Oktober Nachmittags noch mehr Truppen durch die Vorstädte einrücken, welche bei ihrem Erscheinen auf dem Glacis von den Wällen der innern Stadt lebhaft beschossen wurden, und diese, in welche sich die Aufrührer alle zurückgezogen hatten, eng umschließen. Abends noch wurde das stark verbarrikadirte Burgthor eingeschossen, sodann von zwei Bataillons erstürmt, und acht Kanonen erobert. Die Proletarier hatten bereits Feuer in das kaiserliche Bibliothekgebäude gelegt, von dem das Dach abbrannte, der übrige Theil dieses Gebäudes aber, so wie die ganze Burg wurden durch das Einrücken unserer Truppen gerettet.
Das Militär hat nunmehr die ganze Stadt besetzt, deren vollständige Unterwerfung ‒ nachdem sie jeden mildern Ausweg mit Hartnäckigkeit, und selbst mit Hintansetzung von Treu und Glauben von sich wies ‒ mit Gewalt der Waffen vollendet worden ist.
Aus dem Hauptquartier Hetzendorf, den 1. November 1848.
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@facs0700
Wien, 1. November.
Proklamation.
Indem ich die unter meinem Befehle stehenden k. k. Truppen in die Hauptstadt Wien einrücken lasse, finde ich mich im Nachhange meiner Proklamation vom 23. Oktober d. J. bestimmt, jene Maßregeln allgemein bekannt zu machen, deren Ausführung ich zur Wiederherstellung des auf das Tiefste erschütterten öffentlichen Rechtszustandes für unerläßlich halte.
Die Stadt hat zwar am 30. v. M. ihre Unterwerfung angezeigt, die darüber geschlossenen Bestimmungen wurden jedoch durch den schändlichsten Verrath wieder gebrochen, daher ich ohne Rücksicht auf diese Unterwerfungsacte hiermit folgende Anordnungen treffe:
Erstens. Die Stadt Wien, ihre Vorstädte und Umgebungen in einem Umkreise von 2 Meilen werden in Belagerungsstand erklärt, das ist: alle Lokalbehörden für die Dauer dieses Zustandes nach der im §. 9 enthaltenen Bestimmung der Militärbehörde unterstellt.
Zweitens. Die akademische Legion und Nationalgarde, letztere jedoch mit Vorbehalt ihrer Reorganisirung, sind aufgelöst.
Drittens. Die allgemeine Entwaffnung, falls sie noch nicht vollständig durchgeführt worden wäre, ist durch den Gemeinderath binnen 48 Stunden von der Kundmachung gegenwärtiger Ploclamation an gerechnet, zu beendigen. Nach Verlauf dieser Frist wird die zweite und letzte Aufforderung zur Ablieferung der Waffen erlassen, und 12 Stunden nach Affigirung derselben eine Hausdurchsuchung vorgenommen, dann aber jeder Besitzer von was immer für Waffen eingezogen und der standrechtlichen Behandlung unterzogen werden.
Von dieser Entwaffnung sind blos die Sicherheitswache, die Militär-Polizeiwache, die Finanzwache, welche in ihrer bisherigen Wirksamkeit verbleiben, dann jene Beamten, die nach ihrer persönlichen Eigenschaft zur Tragung von Seitengewehren zur Uniform berechtigt sind, ausgenommen.
Waffen, welche Privateigenthum sind, werden mit den Namen der Eigenthümer bezeichnet, abgesondert aufbewahrt werden.
Viertens. Alle politischen Vereine werden geschlossen, alle Versammlungen auf Straßen und öffentlichen Plätzen von mehr als 10 Personen sind untersagt, alle Wirths- und Kaffehäuser sind in der innern Stadt um 11 Uhr, in den Vorstädten und Umgebungen aber um 10 Uhr Abends zu schließen.
Die dawider Handelnden werden verhaftet, und vor ein Militärgericht gestellt.
Fünftens. Die Presse bleibt vorläufig nach der Bestimmung des Punktes 4 der Proklamation vom 23. Oktober d. J. beschränkt und der Druck, Verkauf und die Affigirung von Plakaten, bildlichen Darstellungen und Flugschriften nur insoferne gestattet, als hierzu die vorherige Bewilligung der Militärbehörde eingeholt und ertheilt worden sein wird.
Gegen die Uebertreter dieser Anordnung tritt die im vorigen Absatze angedrohte Behandlung ein.
Sechstens. Die im §. 5 der Proklamation vom 23. October d. J. enthaltene Verfügung, wonach die sich in der Residenz ohne legale Nachweisung der Ursache ihrer Anwesenheit aufhaltenden Ausländer auszuweisen sind, wird auf alle in gleicher Lage befindlichen nach Wien nicht zuständigen Inländer ausgedehnt.
Die Ausführung dieser Maßregel wird der Stadthauptmannschaft übertragen, welche sich durch nominative Eingaben der Hauseigenthümer über ihre Inwohner die Ueberzeugung von der Zahl der in die eben bezeichnete Kathegorie gehörigen Personen verschaffen wird
Der Hauseigenthümer, welcher vorsätzlich einen seiner Inwohner verschweigt, oder den Zuwachs eines solchen nicht innerhalb der in den Polizei-Vorschriften festgesetzten Termine anzeigt, wird eingezogen und vor das Militär-Gericht gestellt.
Siebentes. Wer überwiesen wird:
a) unter den k. k. Truppen einen Versuch unternommen zu haben, dieselben zum Treubruch zu verleiten,
b) wer durch Wort oder That zum Aufruhr aufgereizt, oder einer solchen Aufforderung werkthätige Folge leistet,
c) wer bei einer etwaigen Zusammenrottung auf die erste Aufforderung der öffentlichen Behörde sich nicht zurückzieht, und
d) wer bei einer aufrührischen Zusammenrottung mit Waffen in der Hand ergriffen wird ‒ unterliegt der standrechtlichen Behandlung.
Achtens. Alle Barrikaden in der Stadt und den Vorstädten sind durch den Gemeinderath allsogleich spurlos wegräumen, und das Pflaster herstellen zu lassen.
Neuntens. Während der Dauer des Belagerungszustandes bleiben zwar alle öffentlichen Behörden in der Ausübung ihrer Functionen ungestört; nachdem aber die Militär-Behörde für diese Zeitperiode alle jene Geschäfte übernehmen wird, welche auf die Aufrechthaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit der Hauptstandt und ihrer Umgebung abzielen, so haben von nun an der mit diesen Geschäften bisher betraute Gemeinderath und die Stadthauptmannschaft dazu nur in jener Weise mitzuwirken, welche die Militär-Behörde für zweckmäßig erachtet wird.
Zehntens. Um den Zweck des Belagerungszustandes zu erreichen, der kein anderer sein kann, als den Uebergang von der Annarchie zu dem geregelten constitutionellen Rechtszustande vorzubereiten, wird eine gemischte Central-Commission unter dem Vorsitze des Herrn General-Majors Baron Cordon, welchen ich gleichzeitig zum Stadt-Commandanten ernenne, die oberste Leitung der durch den Belagerungszustand bedingten Geschäfte führen, und sowohl die niederösterreichische Landes-Regierung als auch die Stadthauptmannschaft an ihre Anordnungen gewiesen.
Hauptquartier Hetzendorf am 1. November 1848.
Fürst zu Windisch-Grätz, k. k. Feldmarschall.
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@facs0700
Prag, 2. November. 5 Uhr Nachmittags.
Die Häuser in jenen Vorstädten, welche gestürmt wurden, sollen fürchterlich zugerichtet seyn, alles Bewegliche und Werthvolle wurde aus den Wohnungen hinweggenommen, Möbel und andere Effekten, die nicht fortzubringen waren, wurden von den Stürmenden zertrümmert und zu Grunde gerichtet. Besonders arg sollen die Kroaten gehaust haben; alles Zurückhalten und Abmahnen der Offiziere war vergebens, es soll sogar, um den Gräueln ein Ende zu machen, das Standrecht unter ihnen publicirt und mehre Individuen wegen Insubordination erschossen worden seyn. Ein Grenadier, der plünderte, und von seinem Hauptmann deshalb zur Rede gestellt wurde, soll auf diesen letzteren das Gewehr angeschlagen haben. Der Hauptmann kam dem Wüthenden aber zuvor und spaltete ihm den Schädel. ‒ Ein Herr, dessen Wohnung in der Franzensallee liegt, und der mit dem heutigen Nachmittagstrain hier ankam, erzählte, daß, als er vorgestern seine Wohnung besuchte, er dieselbe vollkommen ausgeraubt gefunden habe, nur ein Kroatenhemd, ein Frauenrock und ein kleines Paquetchen, wahrscheinlich irgendwo anders gestohlen und hier von den Plündernden verloren, lagen am Boden.
[(C. Bl. a. B.)]
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Grätz, 28. Okt.
Wir hatten heute eine unruhige Nacht, der gestern ein bewegter Tag vorausgegangen. Die sogenannten „liberalen“ Vereine hielten im ständischen Redoutensaale eine „Volksversammlung,“ in welcher eine Adresse an den Kaiser, dann, ein Manifest an den Fürsten Windischgrätz mit der Weisung erlassen werden sollte, die Belagerung Wiens sogleich aufzuheben, widrigenfalls dieser gewärtig sein müsse, von 30,000 steierischen Scharfschützen „mit Adleraugen“ auf's Korn genommen zu werden. Eine gemischte Deputation verlangte später die Entwaffnung des Militärs, dann ein erneuertes Aufgebot in Masse mit obligatem Sturmgeläute u. m. dgl. Mehre Kompagnien der Garde, sowie auch das Militär, waren consignirt; indeß verlief die Nacht ungestört.
[(D. Z.)]
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Grätz, 29. Oktober.
Feldmarschalllieutenant Dahlen hat bereits ein Corps von 16,000 Mann regulären Gränzern beisammen, mit denen er verläßlicher Nachricht zufolge heute die sogenannte Murinsel zwischen der Drau und Mur besetzen, und dann vielleicht im Vereine mit dem Corps des Feldzeugmeisters Nugent, das gleichfalls schon über 8000 Mann zählt, weiter gegen Pesth operien wird.
[(Gr. Z.)]
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Breslau, 3. November.
Die „Breslauer Zeitung“ berichtet unter diesem Datum:
Reisende, welche mit dem eben angelangten Wiener Postzuge angekommen sind, berichten, daß sich Windischgrätz bei der Einnahme Wien's mit tyrannischer Strenge benommen habe. Er soll hinter seinen eignen Truppen, um deren Zurückweichen zu hindern, Geschütze mit Kartätschen geladen haben auffahren lassen. Ja, diese Reisende wollen auch erfahren haben, daß er diese Geschütze auch wirklich habe abfeuern lassen, so daß dadurch eine Menge Soldaten daniedergeschmettert worden seien. Windischgrätz und Jellachich sollen die kaiserliche Burg bezogen haben. Vier junge Männer sollen auf Ersteren geschossen, ihn aber verfehlt haben; sie sind ergriffen worden. Ein großer Theil der Nationalgarde weigert sich noch hartnäckig, die Waffen abzuliefern.
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[ 105 ] Dortmund, 5. Nov.
In Folge des Ihnen neulich mitgetheilten Arbeiter-Aufstandes gegen 14stündige Arbeit und 13 Sgr. Lohn, haben die hiesigen Maschinenarbeiter einen Verein gebildet, um eine Handwerker-Unterstützungskasse zu gründen. Nebenbei sollen auch die Freuden und Leiden des Handwerkers in äußerster „Ruhe und Ordnung“ besprochen werden. Das Wort Politik darf in dem Vereine gar nicht genannt werden. Auch der Name Arbeiter ist verpönt, die guten Lente wollen Handwerker heißen.
Die zahmen Ideen und frommen Wünsche dieses Handwerkervereins sind hier allgemein bekannt geworden durch eine vor 8 Tagen öffentlich abgehaltene Versammlung. In dieser Versammlung, wozu die Fabrikarbeiter des naheliegenden Städtchens Hörde und Abgeordnete der Eisenbahnarbeiter von Deutz und Minden erschienen waren, wurde von nichts gesprochen, als von „Ruhe und Ordnung“, Gehorsam gegen die Direktionen, Verbesserung der Lage des Handwerkers durch gegenseitige Unterstützung, Vereinigung und friedliche Besprechung, „Bruderliebe“, vor allem keine Gewalt, keine Widersetzlichkeit. Nach breitester Abhandlung dieses frommen Themas tranken die Arbeiter auf „Brüderlichkeit und Vereinigung“ und gingen friedlich-still nach Hause.
Gestern am Sitzungstage des Handwerkervereins erschienen plötzlich, von Münster kommend, 101 Mann Infanterie und 45 Mann Kavallerie. 25 Mann Kavallerie gingen gleich nach Hörde ab.
Der Regierungspräsident v. Möller, zugleich königl. Kommissar der Köln-Mindener-Eisenbahn, hat dieses Militair auf Veranlassung der Direktion requirirt unter dem Vorwande, daß in Dortmund ernstliche Ruhestörungen zu befürchten seien. Die guten Bürger Dortmunds erstaunten höchlich und weigerten die Aufnahme der Soldaten. Die Eisenbahn-Direktion habe sie unnützerweise requirirt, die Eisenbahn-Direktion möge sie also auch verpflegen. Nicht minder überrascht war die Stadtbehörde, die erst am Tage des Truppeneinmarsches erfuhr, welches Unglück der guten Stadt bevorstände, und wie liebend Herr v. Möller und die Köln-Mindener-Direktion ihrer gedachte. Der Magistrat soll bereits gegen diese Ueberzärtlichkeit des Hrn. v. Möller protestirt haben.
Wir überlassen diese löbliche Direktion ihren bösen Träumen und ihrer bleichen Furcht. Den Herrn Regierungs-Präsidenten v. Möller fragen wir aber, mit welchem Rechte und aus welchem Grunde er eine so schreiend ungesetzliche Truppen-Requisition ohne Wissen und Willen des Dortmunder Magistrates und Bürgerwehr-Kommandos veranlassen durfte.
Wir fragen Hrn. v. Möller, ob er auf dem, auch vor dem 18. März, gesetzlichen Wege veranlassen will, daß die lügenhaften Gerüchtfabrikationen der Köln-Mindener Eisenbahndirektion ans Licht gezogen werden.
Wir fragen Hrn. v. Möller, ob er die Direktion zum Kostenersatze dieser muthwillig frech veranlaßten Truppenversendung anzuhalten gedenkt.
Die Ruhe ist hier trotz der Provokation des Regierungspräsidenten nicht gestört worden. Man vergleiche diesen Akt unverschämter Willkühr mit den zahlreichen Provokationen ähnlicher Art in Preußen und dem übrigen Deutschland.
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@facs0700
Erfurt, 3. Nov.
Ich beeile mich, Ihnen die wichtige Nachricht mitzutheilen, daß die hiesige (preußische) Gränzfestung von königl. sächsischen Truppen besetzt worden ist, während die unsrigen nach Altenburg beordert worden sind.
[(Fr. J.)]
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@facs0700
Bamberg, 31. Okt.
Heute Morgen ist von hier eine Kompagnie Infanterie nach dem 6 Stunden entfernten Landgerichte Ebermannstadt abgegangen, wo die Bauern sich mehrfache Widersetzlichkeiten gegen die Behörden schuldig gemacht haben. Es soll dort eine bedeutende Aufregung herrschen und der Holz- und Wildfrevel auf eine beispiellose Weise überhand genommen haben. In Hof ist wegen einer zu Anfang dieses Monats daselbst stattgefundenen Volksversammlung, auf der aufregende republikanische Reden gehalten wurden, gegen eine Anzahl Personen eine Kriminaluntersuchung eingeleitet und die Stadt selbst mit einer militärischen Besatzung bedacht worden. Das benachbarte reußische Gebiet ist durch und durch republikanisirt.
[(M. J.)]
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@facs0700
Flensburg, 2. Nov.
Wenn auch mit Alsen noch keine Postverbindung hergestellt ist, so kommen uns doch von da täglich Nachrichten herüber. Um die Verbindung zwischen Alsen und dem Festlande zu erschweren und Unwillkommene gar nicht hinüber zu lassen, haben die Dänen die Cholera als Vorwand genommen und einen Gesundheitskordon zwischen Alsen und dem Festlande und fünftägige Quarantäne für mißliebige Personen, angeordnet. Diesseits des Sundes, ganz gegen Recht und Waffenstillstand, haben sie ein Truppenpiket von circa 30 Mann aufgestellt und ihnen einen Kommissar, Niels Ochse, zur Seite gestellt, der alle Ankommenden zu erproben, namentlich ihre Legitimationspapiere abzunehmen, und nach Belieben zurückzugeben oder zu behalten hat. Nach den Briefen ist die dänische Einquartirung auf Alsen vermehrt worden in den letzten Tagen und zwar durch 2- bis 300 Mann Jäger, welche von Kopenhagen gekommen sind. Doch soll die gegenwärtige Truppenstärke auf Alsen nicht 1000 Mann übersteigen.
Polen.
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@facs0700
Aus Galizien.
Kurz vor der Abreise des galizischen Gouverneurs aus Krakau wurden die neuen Aenderungen bekannt, in denen man die Reorganisation der dortigen Behörden suchen muß. Das Krakauer Kreisamt erhielt seine frühere Benennung: Administrationsrath, die Polizeidirektion heißt jetzt Stadtrath. Präses des Administrationsrathes ist Peter Michalowski, Eigenthümer der Herrschaft Krzysztosowice. Das übrige Personal ist mit Ausnahme der beiden Senatoren Kopff, der resignirt hat, und Macewski, der pensionirt wurde, das nämliche geblieben. Vorsteher des Stadtrathes ist der Advokat Krzyzanowski, welchem der ehemalige Krakauer Polizeidirektor Kroebl in der Eigenschaft eines Generalsekretärs beigegeben ist. Kroebl hat sicherem Vernehmen nach diesen Posten nur provisorisch und nur über vieles Bitten und Drängen des Gouverneurs angenommen. Zwei Kommissäre aus dem Gremium der ehemaligen Polizeidirektion, Morawski und Strzelechi, ernannte der Gouverneur zu galizischen Kreiskommissären; er nimmt beide nach Lemberg, um sie in Krakauer Angelegenheiten beim Gubernium zu verwenden. ‒ Die östreichischen Beamten, d. h. jene, die gleich im Jahre 1846 nach Krakau delegirt worden sind, enthob man ihres dortigen Dienstes, ohne über sie weiter zu verfügen. Die Krakauer Kommissäre Nowak, Tuszynski und Pinkas wurden quiescirt. Im Punkte der Errichtung der Nationalgarde sind alle Versprechungen zu Wasser geworden und die Erwartungen der Krakauer getäuscht. Sas Ministerium des Innern hat die Errichtung dieses Instituts in Krakau für jetzt nicht bewilligt, und man schreibt die negative Erledigung dieser Frage vornehmlich dem Einflusse des Gouverneurs zu. Die hierdurch hervorgerufene mißfällige Stimmung gab sich allgemein und unverhohlen kund, und mag die Ursache gewesen sein, daß Zaleski ohne alle Vorbereitung und bloß vom Kreiskommissär Terlecki begleitet, Krakau mit seiner Familie am 20. Oct. verließ. Etwa 10 Minuten vor der Abreise des Gouverneurs, die jedoch nicht unmittelbar von Krakau, sondern von Podgorze aus geschah, lustrirte ein Kavallereipiket die Chaussee von Podgorze nach Wieliczka und Gelow. Ingleichen bemerkte man ein Kavalleriepiket in der Entfernung einer kleinen Viertelmeile hinter den Wagen des Gouverneurs. ‒ Dieser Abreise Zaleski's legte man das Epitheton heimlich bei, und da man hierzu keinen offenen Grund fand, so wurde in einer Sitzung, welche der Stadtrath und die Administrationsbehörde gemeinschaftlich noch an dem nämlichen Tage bis gegen Mitternacht abhielt, beschlossen, den Stadtrathpräsidenten Krzyzanowski dem Gouverneur nachzuschicken, um ihn um die Ursache seiner heimlichen Entfernung aus Krakau und der unter so großen Vorsichten unternommenen Weiterreise zu befragen.
[(C. B. a. B.)]
Ungarn.
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@facs0700
Pesth, 29. Oct.
Es fragt sich, ob wir nicht bald die siebenbürgischen Walachen mehr zu fürchten haben werden, als die Raizen und Kroaten. An Raub- und Mordsucht geben jene den letzteren gar nichts nach, und wehe dem Magyaren, der in ihre Hände fällt, selbst über den Tod hinaus verfolgt ihn noch die fanatische Wuth der entmenschten Horden und kühlt sich den Blutdurst an scheußlichen Mißhandlungen des Leichnams. Die Szekler haben sich bei M. Vasarhely 30,000 Mann stark versammelt, um die walachischen Insurgenten zu zerstreuen, leider nicht früh genug, um zahllose Opfer des nationalen Hasses zu retten.
Im Angesichte des Mißgeschickes, das unsere Sache trifft, gewähren die warmen Sympathien der Polen uns einigen Trost. Die rada narodowa des Neumarker Distrikts in Galizien hat an den Landesvertheidigungsausschuß ein Manifest erlassen, worin sie sich offen gegen Jellachich ausspricht, der nichts weniger als Slawe, nur ein Freund des Absolutismus ist, welchen er durch die Aufregung nationaler Eifersucht wieder zu Ehren bringen will, und ihre Theilnahme an dem Kampfe der Magyaren bekundete.
Hier wird ein Pionierkorps errichtet und dazu die fähigen Handwerker aus der Armee einberufen. Ein Bataillon Zanini-Infanterie soll sich geweigert haben, gegen uns zu fechten, und vielmehr alle schwarzgelben Offiziere aus seiner Mitte entfernt haben. Zwei Uebelstände machen sich in unseren Armeen sehr fühlbar: die Avancementsluft aller Soldaten, die sich den Uebertritt durch Beförderung zu höheren Chargen bezahlen lassen wollen, und das stete Wandern der Freiwilligen von einem Korps zum andern, je nachdem es ihnen bald hier bald dort besser gefällt.
[(C. Bl. a. B.)]
Italien.
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@facs0700
[ * ] Genua, 30. Okt.
Die Emeute ron gestern (S.„N. Rh. Z.“ vom 5. Nov.) hat heute Abend in neuen Unruhen ihre Fortsetzung gefunden. Den Tag über war alles ruhig, Abends jedoch versammelten sich zahlreiche Grupprn vor dem Pallast Turfi,
(Hierzu eine Beilage.)