[0971]
Beilage zu Nr. 180 der Neuen Rheinischen Zeitung
Organ der Demokratie.
Donnerstag 28. Dezember 1848.
[Deutschland]
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diesen versammelten sich tobende Rotten, insonderheit Ziegelarbeiter, welche schon seit geraumer Zeit durch gewisse Individuen gegen die angeblichen Königsfeinde hierselbst aufgereizt und zu Excessen gedungen, an 8 bis 10 verschiedenen Orten, sogar in dem nicht zum Stadtterrain gehörigen Gute Althof-Lötzen, sämmtliche nicht illuminirte Fenster mit Steinen einwarfen, durch die Würfe Menschenleben gefährdeten, Personen auf der Straße mit Schimpfreden und Thätlichkeiten insultirten, in die Häuser drangen, selbige demolirten und die gefährlichsten Drohungen ausstießen. Insonderheit soll ein bei der hiesigen Festungs-Ziegelei beschäftigtes Individuum die Tumultuanten zu weitern Excessen durch die Worte: „das ist recht, wer nicht illuminirt, ist ein Feind des Königs“ aufgemuntert haben. Durch ein kraftiges Einschreiten der Orts-, Kreis-, Polizei- und Militärbehörden hätte diesem vierstündigen Unwesen zeitig genug entgegengewirkt, und namentlich die nach und nach erfolgte Zertrümmerung diverser Fenster abgewendet werden können. Es geschah aber, daß die Wachtmannschaft des hiesigen Militär-Kommandos den Bürgermeister nicht kannte und jede Assistenz verweigerte, daß der Kommando-Offizier auf die Requisition des Bürgermeisters äußerte: „er könne diese Hilfe ohne Anweisung des Hauptmann Westphal nicht leisten,“ daß dieser militärische Hilfe nicht für nöthig hielt, daß der hiesige Landrath der Aufforderung ungeachtet und obschon der Bürgermeister augenblicklich nicht zur Stelle war, sich weigerte, das Haus eines Bürgers vor dem weitern Zertrümmern der Fenster zu schützen, und während der ganzen Dauer des Scandals im Handwerkerverein mit den daselbst versammelten Personen ruhig die Verfassungs-Urkunde besprach und aus Bowlen trank, die man den Handwerkern und Kleinbürgern zu präpariren für gut befunden hatte, daß kein thätiger Gensdarm sichtbar war.
Erwägt man neben dieser Passivität, das sonstige Verhalten des Herrn Landraths, daß er vor einiger Zeit eine Adresse an den König zur Unterschrift im ganzen Kreise verbreitet hat, daß stupide Menschen aus Veranlassung dieser Adresse gegen Personen auf dem Lande, welche die Adresse nicht mit unterschrieben und deshalb als Königsfeinde und Verräther verschrieen wurden, massenhaft die gröbsten Excesse verübt haben, daß der Landrath früher einmal zu dreien Ziegelarbeitern geäußert hat: „wer auf den König schimpft, den könnt ihr ins Gesicht schlagen,“ und dem hiesigen Rektor am 9. d. M. den Rath gegeben hat: „Erleuchten Sie, sonst werden Ihnen die Fenster eingeschlagen,“ daß ferner ein hiesiger für Volks-Justiz schwärmender Offizier dem Handwerker-Vereine ein Klubmitglied als einen solchen Mann bezeichnet hat, der den König nicht wolle, daß andere Klubmitglieder von Fanatikern ähnlicher Sorte als Hochverräther geschildert worden sind, daß einer der Anstifter des Tumults den Beschädigten bereits Schadenersatz geleistet hat; so muß jeder Unbefangene erkennen, daß die Tumultuanten nicht proprio motu, sondern auf Anordnung und im Solde der Reaktionspartei gewirkt haben, und daß der ganze Scandal niemals eine solche Ausdehnung gewonnen hätte, wenn die Kreispolizei- und Militärbehörden den Willen gehabt hätten, mit Energie einzuschreiten. Es wird Sorge des Gerichts sein, die bei diesem Tumulte vorgefallene Ungesetzlichkeiten mit aller Strenge zu rügen.
Lötzen, den 16. December 1848.
Der constitutionelle Klub.
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Kremsier, 21. Dez.
Heute war eine interessante Reichstagssitzung. Die Grundrechte wurden zum ersten Mal in der Kammer verlesen. § 1 bestimmt: „Alle Staatsgewalten gehen vom Volk aus und werden auf die in der Constitution festgesetzte Weise geübt.“ Wir fürchten, man wird viel davon abzwacken. Der Antrag des Finanzausschusses, dem Ministerium 50 Mill. Fl. zu kreditiren, erregte eine derartige Debatte, daß erst gegen 8 1/2 Uhr Abends, nach nur einstündiger Mittagsrast, die Sitzung zum Schlusse kam. Alle Polen sprachen gegen den Kredit, darunter Abg. Borkowski sehr geistvoll; er sagte: wir sind keine konstituirende, sondern eine schuldenmachende Kammer. Unter denen, die dafür sprachen, ist Abg. Schuselka, der sich selbst als einen Schwarzgelben angab; allein er hoffe, daß zu den beiden östreichischen Farben auch das deutsche Roth kommen werde, als Freund und Bundesgenosse. Auch Minister Kraus sprach, und endlich wurden, statt des Antrags von 50 Mill. Fl., auf Antrag des Abg. Wiser die verlangten vollen 80 Mill. Fl. bewilligt. Die andern Punkte wurden unverändert nach dem Finanzausschußantrag angenommen. Dann vertagte sich die Versammlung bis zum 3. Jan.
[(D. A. Z.)]
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[ * ] R Dresden, 24. Dez.
Die Wahlschlachten sind größtentheils geschlagen und der Gesammtsieg verspricht trotz des offenen Wortes „ unseres Märzministerium“ ganz entschieden für die Partei der Demokratie auszufallen, von welcher sich das Ministerium, im blinden Glauben an das Michelthum des sächsischen Volkes, durch jenes offene Wort losgesagt hat. Will der Verfasser jenes offenen Wortes, Minister von der Pfordten, in der That nur mit der Majorität regieren, so muß er den entgegengesetzten Weg von dem des Ministerium Brandenburg in Berlin einschlagen, er muß sein Gesammtministerium auflösen und den Kammern weichen. Wir haben hier von dem eigentlichen Ministerpräsidenten Dr. Braun gänzlich geschwiegen, weil er in der That die Null hinter der Eins des talentvollen aber unpopulären Pfordten ist.
In Leipzig, wo die Wahlschlacht zuerst zu Ende ging, und welches zwei Abgeordnete in die erste Kammer zu wählen hatte, ist ein Kandidat der Konservativen und einer der Demokraten Prof. Dr. Steinacker und Bürgermeister Klinger gewählt worden; Beide gehen nicht in allen Punkten ganz mit dem Wahlmanifeste ihrer Parteien. In die zweite Kammer haben die Konservativen zwei Kandidaten (Stadtgerichtsrath Steche und Archidiakon Dr. Fischer), die Demokraten Einen (Literat Jaekel) durchgebracht, so daß die Wahl eine halbe genannt werden muß.
Dresdens 6 Plätze in die zweite Kammer haben 5 Demokraten: Adv. Th. Kell, Gardeoberl. Müller, Kürschnermeister Stadtrath Klette, Adv. Blöde und Dr. phil. H. Herz, und ein Kandidat der Konservativen, der nicht eben sehr geistreiche Kommissionsrath Spitzner, errungen. Letzterer eben auch nur, weil die überaus thätige Reaktionspartei den Umstand, daß der Kandidat der Demokraten, Dr. med. Hirschel ein Israelit ist, und die sehr reaktionäre Gesinnung des Regierungs-Kommissar vom 74. Wahlbezirk, Stadtrath Heydenreich, tüchtig ausbeuteten.
Man hat nämlich den Gewerbtreibenden vorgespiegelt, wenn Dr. Hirschel in die Kammer käme, so würde man die Juden „vollends emanzipiren,“ und dann würden alle Gewerbe ruinirt. Tzschirner ist sowohl in Budissin als in Pulsnitz gewählt; er wird die Budissiner Wahl annehmen, und die Pulsnitzer werden Hirschel gern wählen, weil dort die Wähler ein sehr demokratisches Völkchen sind. Ueberhaupt steht schon ziemlich fest, daß die Demokratie in der II. Kammer wenigstens zwei Drittel, in der I. wenigstens die volle Hälfte der Stimmen für sich haben wird. Wie tief im sächsischen Volke der Republikanismus schon wurzelt, darüber mag der Umstand Zeugniß geben, daß selbst unsere königl. Garde-Infanterie-Division so republikanisch gesinnt ist, daß man, um Aergerniß zu vermeiden, sie unter dem Vorwande der Sparsamkeit urplötzlich zum 1. Jan. 1849 auflöst. Die Bürgerwehr wird die Ehre haben in der Sylvesternacht das Residenzschloß zu bewachen. Am 1. Jan. selbst wird dann Linien-Infanterie einrücken.
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[ * ] Schwerin, 20. Dcbr.
In der gestrigen Landtagssitzung kam eine Petition aus Röbel zur Sprache, die von 2 Reaktionärs unterzeichnet, von der Kammer verlangt, sie solle „im Namen des mecklenburgischen Volkes dem Fürsten Windischgrätz erklären, daß er sich durch sein energisches Auftreten gegen die Anarchisten zu Wien um das deutsche Vaterland wohl verdient gemacht habe.“ Der Petitionsausschuß beantragt natürlich Tagesordnung. Der Abgeordnete Genzke bemerkt dabei: „Es sei Allen sattsam bekannt, daß in Röbel und dem Stuhr'schen Winkel zuerst in Mecklenburg die Croaten aufgetaucht seien, und wenn nun auch allerdings die Vermuthung nahe liege, daß sie mit den östreichischen Croaten in Meinungsübereinstimmung lebten, so hätten sie doch billig allein und auf eigne Faust ihre Adressen an die Kroatenführer Windischgrätz und Jellachich ablassen können. Wenn sie aber die Frechheit so weit getrieben, zu verlangen, daß auch diese Versammlung im Namen des mecklenburgischen Volks ein Anerkennungs-Schreiben an jenen rohen Kriegsknecht richten solle, so sei dies ein offener Hohn, den man als der Würde dieses Hauses zuwiderlaufend mit Entschiedenheit zurückweisen müsse. Denn wohin solle es führen, wenn man dies nicht thue? Da würde man nächsten Tags verlangen, daß auch für Wrangel ein ähnlicher Beschluß gefaßt werde. Abg. Otto Grabow stellte den Antrag: „Ohne weitere Debatte über diese Adresse zur Tagesordnung überzugehen;“ der Antrag wird angenommen.
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[ !!! ] Frankfurt, 23. Dezember.
Sitzung der National-Versammlung.
Tagesordnung.
1. Fortsetzung der Berathung über den vom Verfassungsausschuß vorgelegten Entwurf „der Reichstag,“ und zwar über Artikel VII. § 24 und folgende.
2. Ersatzwahlen in den völkerrechtlichen Ausschuß für den ausgetretenen Abgeordneten Stenzel und die zeitweise abwesenden Abgeordneten Heckscher und Raumer aus Berlin.
3. Berathung der von den Abgeordneten v. Trützschler, Marcks und Grumbrecht, Namens des Prioritäts- und Petitionsausschusses erstatteten drei Berichte über verschiedene an die verfassunggebende Reichsversammlung gelangte Petitionen und Eingaben.
4. Berathung über den vom Abgeordneten Carl, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses erstatteten Bericht über Anträge und Petitionen, das Eisenbahnwesen betreffend.
5. Berathung der Namens des Ausschusses für Wehrangelegenheiten erstatteten Berichte:
a. über zwei von dem Abgeordneten Heisterbergk gestellte Anträge — erstattet vom Abgeordneten Stavenhagen;
b. über mehrere Petitionen, Wehrangelegenheiten betreffend, erstattet vom Abgeordneten Teichert;
c. über die Petition der Schützengilde in Falkenberg, erstattet vom Abgeordneten Schleußing;
d. über die Eingabe des Centralvorstandes des allgemeinen Anhaltschen Schützenvereins in Dessau — erstattet vom Abgeordneten Schleußing.
6. Berathung des vom Abgeordneten Kirchgeßner, Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung, erstatteten Berichts über den Antrag des Abgeordneten Pinckert, die Präsidentenwahlen betreffend.
7. Berathung des vom Abgeordneten Höfken, Namens des völkerrechtlichen Ausschusses, erstatteten Berichts über ein Gesuch des Pfarrers F. W Schellenberg zu Cleeberg, Seelenverkäuferei betreffend.
Von der sehr fetten Tagesordnung wird wohl nicht viel drankommen. Die Bänke sind weidnachtsleer. Die Theilnahmlosigkeit allgemein.
Herr Thinnes zeigt an, daß er sich besonnen hat, und seine Person der National-Versammlung nicht entziehen will. (Er hatte vor einigen Tagen seinen Austritt angezeigt.) Nach einigem Disput wird Thinnes der Versammlung erhalten.
Reitter und Consorten beantragen: 100,000 Exemplare der deutschen Grundrechte abzudrucken und sie den Abgeordneten zur Vertheilung in ihren Wahlkreisen zu übergeben. — Man zankt einige Minuten über diesen Antrag und bringt ihn dann zur Abstimmung.
Die Majorität ist (meiner Meinung nach) entschieden dafür — aber Simson läßt die Gegenprobe machen d. h. nichts anderes, als er sagt den Centren: Meine Herren, ziehen Sie den Fall in genaue Erwägung. Bei der Gegenprobe ist die Annahme wirklich zweifelhaft, weil jetzt viele gegen den Antrag stimmen, die erst dafür stimmten, z. B. von Gagern. Man zählt die Stimmen, der Antrag wird mit 153 Stimmen gegen 146 angenommen. Die ganze rechte Seite stimmte dagegen.
Graf Deym findet nachträglich, daß die Nationalversammlung mit diesem Antrag überrascht worden ist. Man beschließt, das Reichsministerium mit Ausführung dieses Antrages (nun Beschlusses) zu beauftragen.
Hierauf geht man zur Tagesordnung über und erledigt Punkt 2 (S. o.)
Gewahlt wurden Schmerling und Evertsbusch.
ad 2 der Tagesordnung wurden folgende §§. des Entwurfs vom „Reichstag“ ohne Diskussion angenommen.
Artikel VII.
§. 24.
„Jedes der beiden Häuser wählt seinen Präsidenten und die Vicepräsidenten für sich, sowie die Schriftführer.“
(Die Dauer eines Präsidiums blieb offen.)
§. 25.
„Die Sitzungen beider Hauser sind öffentlich. Die Geschäftsordnung eines jeden Hauses bestimmt, unter welchen Bedingungen vertrauliche Sitzungen stattfinden können.“
(Zu §. 25) Minoritätserachten. Zusatz:
„Die Verhandlungen und Beschlüsse des Reichstags werden durch den Druck offentlich bekannt gemacht.“
Wigard. Schreiner. Römer.
wird verworfen.
§. 26.
„Jedes Haus prüft die Vollmachten seiner Mitglieder und entscheidet über ihre Zulassung.“
angenommen.
§. 27.
„Jedes Mitglied leistet bei seinem Eintritt den Eid: „Ich schwöre, die deutsche Reichsverfassung getreulich zu beobachten und aufrecht zu erhalten so wahr mir Gott helfe.“
angenommen.
§. 28.
„Jedes Haus hat das Recht, seine Mitglieder wegen unwürdigen Verhaltens im Hause zu bestrafen und äußersten Falls auszuschließen. Das Nähere bestimmt die Geschäftsordnung jedes Hauses; eine Ausschließung kann nur dann ausgesprochen werden, wenn die Hälfte sämmtlicher Mitglieder an der Abstimmung Theil nimmt, und eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen sich dafür entscheidet.“
angenommen.
§. 29.
„Weder Ueberbringer von Bittschriften, noch überhaupt Deputationen sollen in den Häusern zugelassen werden.“
§. 30.
„Jedes Haus hat das Recht, sich seine Geschäftsordnung selbst zu geben, mit Ausnahme derjenigen Punkte, welche die geschäftlichen Beziehungen beider Häuser zu einander betreffen. Diese werden durch Uebereinkunft beider Häuser geordnet.
Artikel VIII.
§ 31.
„Ein Mitglied des Reichstages darf während der Dauer der Sitzungsperiode ohne Zustimmung des Hauses, zu welchem es gehört, wegen strafrechtlicher Anschuldigungen weder verhaftet, noch in Untersuchung gezogen werden, mit alleiniger Ausnahme der Ergreifung auf frischer That.“
§ 32.
„In diesem letzteren Falle ist dem betreffenden Hause von der angeordneten Maßregel sofort Kenntniß zu geben. Es steht demselben zu, die Aufhebung der Haft oder Untersuchung bis zum Schluß der Sitzungsperiode zu verfügen.“
§ 33.
„Dieselbe Befugniß steht jedem Hause in Betreff einer Verhaftung oder Untersuchung zu, welche über ein Mitglied desselben zur Zeit seiner Wahl verhängt gewesen, oder nach dieser bis zu Eröffnung der Sitzungen verhängt worden ist.“
§ 34.
„Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerungen gerichtlich oder disciplinarisch (Amendement von Raveaux und Genossen angenommen) verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.“
Der Edle von Baumbach-Kirchheim hat zu § 34 amendirt:
„Den Fall der beleidigten Privatehre ausgenommen.“
Mit 162 gegen 157 wurde dies verworfen.
Artikel IX. § 35.
„Die Reichsminister haben das Recht, den Verhandlungen beider Häuser des Reichstags beizuwohnen, und von denselben gehört zu werden.“
§ 36.
„Die Reichsminister haben die Verpflichtung, auf Verlangen jedes der Häuser des Reichstages in demselben zu erscheinen und Auskunft zu ertheilen.“
Angenommen.
§ 37.
„Die Reichsminister können nicht Mitglieder des Staatenhauses sein.“
Angenommen.
§ 38.
„Wenn ein Mitglied des Volkshauses im Reichsdienst ein Amt oder eine Beförderung annimmt, so muß es sich einer neuen Wahl unterwerfen; es behält jedenfalls seinen Sitz im Hause, bis die neue Wahl stattgefunden hat.“
Angenommen.
Somit der Entwurf vom „Reichstag“ erledigt.
Hierauf schlägt Professor Beseler vor, die Sitzung zu schließen, und eine Vertagung bis zum 28. d. M. eintreten zu lassen, auch an jenem Tage noch eine unschuldige Tagesordnung festzustellen, da wohl noch sehr wenig Mitglieder bis dahin anwesend sein würden. Dieser menschenfreundliche Antrag, der mich mit Beseler versöhnt, wird angenommen.
Nach einer Protestation von Radowitz und Consorten gegen den Betreffs der Grundrechte gefaßten Beschluß, womit diese Herren sich dem deutschen Volk zum Neujahr empfehlen, wird die Session um 12 Uhr Mittag geschlossen.
Ungarn.
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@facs0971
[ 15 ] Klausenburg (in Siebenbürgen), 10. Dez.
Das liebe deutsche Volk ist in neuer und neuester Zeit von Abgesandten, Adressen und Zeitungsartikeln überschwemmt worden, um ihm zu beweisen, daß 200 Stunden von seinen Gränzen ein Hause Teutonen wohnt, der die Tugenden der Ur-Väter in einem solchen Grade bewahrt hat, daß auf ihn das Mutterland nicht nur mit Stolz, sondern auch mit thätiger Sympathie hinsehen soll. Nun, aus dieser Entfernung betrachtet, mögen diese Leutchen wirklich wie riesenhafte Teutonen erscheinen. Wer aber Gelegenheit gehabt hat, die Sachsen näher kennen zu lernen, wird dieses Völkchen mit ganz andern Augen ansehen.
Die Sachsen — die Sachsen sind nicht ein Theil unseres sächsischen Stammes, sondern nur eine bedeutende Anzahl von ausgewanderten Familien aus dem Reiche, die den Namen Sachsen angenommen haben, und die viel richtiger Vlamen heißen würden — also, die sogenannten Sachsen, vor ungefähr 800 Jahren vom Schicksale unter ein energisches und thatkräftiges Volk geworfen, hätten die beste Gelegenheit gehabt, die urdeutsche Festigkeit, Beharrlichkeit und Kraft, gepaart mit Offenheit, auf das Glänzendste zu beweisen. Aber sie scheinen diese Tugenden gar nicht mitgebracht zu haben, denn sonst wären sie wahrscheinlich längst ehrenvoll untergegangen, da von zwei gleich harten Körpern von verschiedener Größe, die sich fortwährend reiben, nothwendig der eine vernichtet werden muß. Was hat also die Sachsen erhalten? Ihre knechtische Gesinnung, die sie immer den Fürsten als die gehorsamsten Werkzeuge gezeigt hat. Für die loyalen Dienste wurden dann die Sachsen mit Privilegien, deren Ueberschreitung man nicht zu fürchten brauchte, überschüttet, und von den Fürsten gegen die Ungarn geschützt. Um sich von dieser knechtischen Gesinnung zu überzeugen, lese man die Adressen, die die Sachsen in diesem Jahre an den Kaiser und die österreichische Regierung gerichtet haben und man wird eine Sprache finden, die kaum eines Bedienten würdig ist. Können das wohl Deutsche sein?
Die Sachsen selbst unterscheiden sorgfältig Sachsen und Deutsche. Sachsen heißen die Nachkommen der zuerst Eingewanderten und Deutsche, die später aus Deutschland Nachgekommenen. Die Letzteren sind den Ersteren nicht ebenbürtig. Die Beamtenwelt (die Kamarilla der Sachsen) gleichviel ob geistlich oder weltlich, rekrutirt sich aus Ersteren und bildet eine hermetisch geschlossene Kaste. Bisweilen thun die Sachsen uns Deutschen die Ehre an, sich auch Deutsche zu nennen, aber nur, wenn sie deutsche Sympathien für sich in Anspruch nehmen wollen und wenn ihnen der deutsche Patriotismus nichts kostet. Wie sehr das Letztere wahr ist, werden mir alle Deutsche, namentlich alle deutschen Handwerker bestätigen, die je das Glück gehabt, die so oft ausposaunte Gastfreundschaft und Liebe der Sachsen für die Deutschen kennen zu lernen.
Die Sprache der Sachsen ist ein Idiom, welches mit der holländischen Sprache mehr Aehnlichkeit hat, als mit der deutschen. Deutsch spricht wohl ein jeder gebildete Sachse, aber er lernt es in der Schule, wie jeder Ausländer. Im Hause, und bis in die angesehnsten Häuser hinauf, selbst in den Kirchen auf dem Lande, wird das sogenannte sächsisch gesprochen. Mit der größten Hartnäckigkeit halten sie an diesem Kauderwelsch (denn Sprache kann man es füglich nicht nennen), weil sie mit dessem Verluste den Untergang ihrer Nationalität befürchten. Da dieses Idiom keiner Literatur fähig ist, so haben die Sachsen die deutsche Literatur adoptirt. Es gehen daher jährlich junge Sachsen nach Deutschland, um dort frische Milch zu saugen. So rühmlich dieses Streben auch ist, so wird dadurch den Sachsen gar wenig deutscher Geist eingeflößt. Denn ein Theil dieser jungen Leute kommt nach Hause, und bringt, wenn es hoch kommt, mit einem burschikosen Anstrich einige Studentenlieder mit, der andere, der wirklich deutsche Wissenschaft und deutsches Leben hat kennen lernen, erstickt in wenigen Jahren in dem Sumpfe der Philisterei und des hartnäckigen Sachsenthums.
In politischer Hinsicht ist bei dem Sachsen auch nicht der deutsche Geist zu erkennen. Waren leider die Deutschen in der Politik schwach, so waren sie doch nie hinterlistig, nie egoistisch.
Wie dem Sachsen im Leben ein offnes, ehrliches und kräftiges Auftreten fehlt, so auch in der Politik. Er tritt leise auf, ist sehr still und bedächtig, stellt anscheinend gar kein Hinderniß entgegen; dann aber ist er ungemein zäh im passiven Widerstande. Um das zu belegen, will ich das Verfahren der Sachsen in neuester Zeit kurz zusammenstellen. Als die Union Siebenbürgen's mit Ungarn ausgesprochen werden sollte, protestirten die Sachsen zwar, schickten aber doch ihre Deputirten zum Landtage nach Klausenburg. Die Deputirten nun, die in Siebenbürgen nur der Ausdruck ihrer Kommittenten sind, stimmten für die Union. Die Sachsen, namentlich die Hermannstädter, erklärten, die Deputirten hätten ihre Vollmachten überschritten, ließen es aber dabei bewenden. Darauf wurden Deputirte zum kombinirten Landtage nach Pesth geschickt. Später, als die Angelegenheiten der Ungarn, der kroatischen Händel wegen, mißlich standen, glaubten die klugen Sachsen, jetzt sicher gegen die [0972] Union protestiren zu können. Die Deputirten wurden unter einem sehr nichtigen Grunde von Pesth zurückgerufen. Jetzt, um der Perfidie die Krone aufzusetzen, stoßen sie, unter den Fittichen eines ohne jede gesetzliche Sanktion als Despot und zugleich als Partei handelnden General-Kommando's in Hermannstadt, sogar in die Kriegstrompete, hetzen auf jede Weise die armen, betrogenen Wallachen auf, um auch Siebenbürgen die Schrecken des Bürgerkrieges kosten zu lassen. Die galizischen Gräuel wiederholen sich in Siebenbürgen. Die österreichische Regierung und deren feile Schergen (wozu in Siebenbürgen besonders die Sachsen gehören) haben an der ersten Schandthat noch nicht genug gehabt, sie rufen jetzt, wie in Süd-Ungarn, auch hier Mord und Verwüstung hervor. Die Wallachen, die den Ungarn Alles zu verdanken haben, waren in ihren Versammlungen weit entfernt von jeder Gewaltthätigkeit.
Jetzt werden sie von Hermannstadt und dem perfiden General-Kommando, nachdem sie auf die nichtswürdigste Weise bearbeitet worden sind, direkt zum Aufstande aufgefordert und organisirt. Schon eine große Anzahl Ungarn, gleichviel welchen Standes und welchen Geschlechtes, sind eingefangen und gemordet. Die Herren circumspecti (so heißen die Sachsen in ihrer Urkunde) aber lassen sich wohlweislich von Kanonen und Soldaten bewachen, damit ihnen der gefürchtete Szekler nicht zu Leibe gehe. Der gerechte Lohn wird nicht ausbleiben. Doch abgesehen von diesem hinterlistigen Treiben, dient diese Politik dem deutschen Volke und ist sie eines deutschen Stammes würdig? Gewiß nicht. Der Panslavismus ist keine Chimäre. Den gutmüthigen Deutschen werden gewiß schon die Augen aufgegangen sein. Die Ungarn, die Deutschland's Vormauer gegen die Türken waren, sind es jetzt gegen die Slaven (darum das Wüthen der Czechen gegen die Ungarn). Also naturgemäß muß jeder Deutsche auf ungarischer Seite stehen. Das deutsche Element muß sich mit dem ungarischen verbrüdern, denn im slavischen kann es nur untergehen.
Fassen wir das Ganze zusammen, so ist, Sachsen, Deutsche nennen zu wollen, eben so absurd, als Amerikaner, Engländer oder Holländer, Deutsche. Das deutsche Volk möge daher nicht zu leichtgläubig sein und vor dem süßen, schmeichelnden Tone der Sachsen, die derbe, aber offene und ehrliche Rede der Ungarn überhören.
Hermannstadt und die Sachsen haben für Deutschland dieselbe Bedeutung, wie Flensburg und die ursprünglich deutschen Holländer, Elsässer und Schweizer.
Die meisten Nachrichten über Ungarn und Siebenbürgen erhält das deutsche Publikum durch die Augsburger Allgemeine Zeitung. Wir warnen das Publikum vor dieser Lügenzeitung, die von den Ungarn ihrer böswilligen Entstellung der Thatsachen wegen, die gemeine Zeitung genannt wird. Ist die Augsburger Allgemeine von andern Ländern ebenso unterrichtet wie von Ungarn, so heißt sie mit Recht die All Gemeine.
Italien.
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@facs0972
[ * ]
Zucchini, der Senator von Bologna, hat sich geweigert, Mitglied der Giunta Suprema zu werden. Der Circolo Nationale und der Circolo Popolare von Bologna haben darauf hin sofort eine Adresse an das römische Parlament erlassen, worin sie die Weigerung Zucchini's, als ein vereinzeltes Faktum, desavouiren und dem revolutionären Rom die unveränderten vollen Sympathien Bologna's ausdrücken. — Nach der zu Rom erscheinenden „Epoca“ hat der Pabst die folgenden Bedingungen seiner Rückkehr gestellt: Absetzung des Ministeriums, Auflösung der Kammer und der Civica, Suspension der Preßfreiheit, Unterdrückung der demokratischen Cirkel. Die „Alba“ von Florenz dagegen widerspricht dieser Nachricht, indem ihre gleichzeitigen römischen Correspondenzen auch nicht das Geringste mitgetheilt hätten, was dieselbe bestätigen könnte.
Der „Opinione“ zufolge hat das neue Turiner Ministerium, um in der auf dem Lande lastenden Geldnoth mit einem guten Beispiel voranzugehn, den Gehalt eines jeden seiner Mitglieder auf 15,000 Lire reducirt — In ihrer Sitzung vom 19 hat die Turiner Deputirtenkammer nach einer langen Diskussion eine monatliche Unterstützungssumme von 600,000 Lire zu Gunsten Venedigs beschlossen. Diese Unterstützung versteht sich für die ganze Zeit, welche Venedig noch in Krieg verwickeln sein wird Nachdem der Beschluß durchgegangen war, erhob sich die Kammer wie Ein Mann mit dem Rufe: Es lebe Venedig! Vincentino Tecchio dankte hierauf im Namen seiner Vaterstadt mit sichtlicher Bewegung für den Edelmuth der piemontesischen Brüder.
Minister Buffa hat am 19. die Offiziere der Nationalgarde zu Genua empfangen, und ihnen die Abstellung der durch die Behörden verschuldeten Mißstände versprochen. Die Truppen werden aus Genua entfernt werden, die Nationalgarde allein wird die Forts besetzt halten. Buffa's Proclamation ist mit Beifall aufgenommen worden.
Zu Venedig sind auf Befehl der provisorischen Regierung zwei neue Legionen gebildet worden: eine dalmatisch-istrische und eine Alpenjägerlegion.
— Il Nazionale (Florenz) vom 18. Dcbr. meldet, ohne indeß die Nachricht zu verbürgen, daß der Pabst sich entschlossen habe, in Civ“ta Vechia unter dem Schutze einer englisch-französischen Flotte seinen Wohnort aufzuschlagen. Sein Ministerium soll aus folgenden Gliedern bestehen: 1) Kardinal Antonelli, Conseilpräsident; 2) Montonari, Inneres u. Polizei; 3) Abbe Rosmini, öffentl. Unterricht; 4) Bevilacqua, Finanzen; 5) Ricci, Handel; 6) Zucchi, Krieg. Das Justizportofeuille ist noch unbestimmt.
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@facs0972
Ankona, 13. Dcbr.
Hier werden starke Lieferungen an Proviant für die französische Flotte ausgeschrieben.
Schweiz.
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@facs0972
Edition: [Friedrich Engels: Die Maßregeln gegen deutsche Flüchtlinge …, vorgesehen für: MEGA2, I/8. ]
[ ** ] Bern, 24. Decbr.
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Französische Republik.
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@facs0972
[ 12 ] Paris, 25. Dez.
Immer noch Bonaparte, aber gewiß nicht mehr lange! Bisheran hat der edle Prinz sich nur in der Toilette kundgethan. Die Lorbeeren seines Oheim's waren es weniger als der Hut, der ihn nicht schlafen ließ. Er hatte sich mehrere Male den Spaß gemacht, ihn anzuprobiren; aber man weiß, wie ihm dieser Spaß in Boulogne und Straßburg bekommen, und auf welche schmähliche Weise er „abgedeckelt“ worden. Aber jetzt; wie sich Alles anders gestaltet hat! Er darf alle Hüte, sammt Rock und Sporen und Stiefel in offner Parade anprobiren. Jetzt kann er seinem Ideale freien Lauf lassen, und sich des mannichfaltigsten Wechsels in der Uniformirung erfreuen, ganz wie ein preußischer Fähndrich, der zum ersten Male die Epauletten erhält. Das hat dann auch Napoleon in der großen Revue vom 23. gethan. Aber die Franzosen sind böse Leute; jetzt gönnen sie ihm nicht die Freude, und machen ihm den „Hut“ und die schönen Epauletten streitig, das Einzige, worauf Napoleon stolz ist. Napoleon, sagen sie, darf keine Uniform tragen; der Präsident der Republik hat keine Uniform; und Napoleon hat keinen Grad, weder in der Linie noch in der Nationalgarde. Wie durfte er sich erlauben, als General verkleidet zu erscheinen? Man sieht, wie unsere neulich aufgestellten Befürchtungen sich bestätigt haben. Aber das ist noch nicht Alles. Wer Auszeichnungen u. s. w. trägt, die ihm nicht zukommen, ist dem Correktionel verfallen und diesen Artikel des Code Napoleon will man jetzt auf den Präsidenten Napoleon in Anwendung bringen. Man hält ihm das Beispiel von Polk vor, dem ehemaligen Sattlergesellen und dem jetzigen Präsidenten von Amerika, der nie anders als im schwarzen Frack erscheint. Ich frage: wenn man dem Napoleon seine alte Marotte entzieht, was bleibt ihm dann übrig?
Ganz im Gegensatze mit Napoleon, der das neue Kostüm liebt, sehen wir Odillon-Barrot eine besondere Vorliebe zum Antiquenthum an den Tag legen. Er gehört halb der Mythologie, halb dem Plutarch an, halb Themis, halb Aristides. Wie großherzig weiß er zu verzeihen! gerade seinen alten Feinden, wie Bugeaud, bewilligt er die höchsten Stellen im Staate — und das Alles aus purer Hinopferung; den Jerome Bonaparte setzt er als Gouverneur in's Invalidenhaus ein, und motivirt diese Einsetzung auf wahrhaft heroisch-plutarchisch-klingende Weise. Das ist so recht die Rolle Barrot's. Aber wenn es einmal an die eigentlich bürgerlichen Verhältnisse geht, wie wird Barrot da abprallen mit seiner flachen Moral!
Die große Revue der Linien-Truppen und Nationalgarde ist der allgemeine Gegenstand der Besprechung in den verschiedenen Journalen. Alle treffen in einem Punkte zusammen: der Himmel, der anfangs verdeckt und regnerisch war, heiterte sich plötzlich auf und beleuchtete das Fest mit seinen schönsten Sonnenstrahlen. Das Journal des Debats, welches den alten Philipp immer mit neuem Vergnügen die Revue passiren ließ, findet, daß diese letzte Revue so ziemlich allen Revues geglichen habe, die seit 30 Jahren abgehalten worden seien. Nur ein einziger Zwischenfall zeichnet jedoch diese Revue von allen andern aus. Eine Gesellschaft von mehren jungen Leuten hatten einen ungeheuren Drachen aufsteigen lassen. Dieser Drache hatte ganz die Form eines Adlers, und da er in gehöriger Entfernung gehalten war, so traf es richtig ein, daß der Drachen senkrecht über dem Kopf Napoleon's schwebte. Die jungen Leute sind für dieses unschuldige Vergnügen verhaftet worden.
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@facs0972
Paris, 25. Dez.
Die Nationalversammlung verspricht morgen eine überaus interessante Sitzung. Die Minister werden darin ihr Programm vorlegen.
— Die ministeriellen Organe hüllen sich in absolutes Stillschweigen rücksichtlich der wichtigen gestrigen Artikel wegen einer Intervention gegen die Römer. Wir werden somit schwerlich vor morgen Mittag etwas Bestimmtes darüber mittheilen können. Die „Patrie“ allein widerlegt sie.
— (An den Redakteur der Liberté.)
„Mein Herr. Sie zeigen an, daß ich zum Obersten des Generalstabes der Pariser Bürgerwehr ernannt worden sei. Diese Nachricht entbehrt jedes Grundes. Ich bin seit dem 2. März angestellt und kann mithin gesetzlich keinen Posten in der hiesigen Bürgerwehr bekleiden.
Gruß und Brüderschaft!
(gez.) Peter Napoleon Bonaparte, Bataillons-Chef im 1. Reg. der Fremdenlegion.
Bugeaud hat folgende naive Proklamation an die Alpenarmee erlassen:
„Tagesbefehl. Paris, 24. Decbr. 1848. Soldaten der Alpenarmee! Der Präsident der Republik konnte meine lange militairische Laufbahn nicht besser ehren, als dadurch, daß er mich an Eure Spitze stellte! Dies heißt mir die Gewißheit geben, daß ich Frankreich neue und große Dienste erweisen könnte, wenn sich Umstände darböten, unter denen es einen Ruf an Eure Tapferkeit und Hingebung erlassen müßte. Sechs Kriegsjahre in Afrika haben mir gezeigt, daß unsere jungen Armeen nicht degenerirt sind und daß sie nöthigenfalls dem Beispiele der Armeen der Republik und des Kaiserreichs nachzuahmen wissen werden. Ihr seid zu gute Bürger, als daß Ihr den Krieg herbeiwünschtet; aber Ihr Alle würdet ihm entgegeneilen, wenn er ausbräche.
Einstweilen seid Ihr die festen Vertheidiger des Gesetzes. Ihr Alle seht ein, daß Ordnung die sicherste Bürgschaft der wahren Freiheit und des öffentlichen Wohlstandes ist. Ordnung ist den Arbeitermassen noch nothwendiger als jenen Klassen, die durch Arbeit zu Wohlstand gelangten. Es gibt nichts Populaireres als die Ordnung! Ihr seid, wir Alle sind Kinder des Volkes und wir werden ihm dies unschätzbare Gut zu garantiren wissen, ohne welches es keine der eroberten Freiheiten genießen könnte!
Wenn es meine Gesundheit erlaubte, so wäre ich schon in Eurer Mitte; denn ich fühle das Bedürfniß, diejenigen Regimenter zu kennen, die ich noch nicht sah, sowie meine Bekanntschaft mit denjenigen zu erneuern, deren Leistungen und Ruhm ich in Afrika mit ihnen theilte. Ich werde zu Euch kommen, sobald meine körperlichen Kräfte wiederkehren. Bis dahin verlasse ich mich mit vollem Vertrauen auf den guten Geist und die Gewohnheiten strenger Zucht, die unter Euch sprüchwörtlich geworden sind. Auch sind diese beiden Hauptelemente sorgfältig in Euren Reihen von dem ehrenvollen und geschickten Generale gepflegt worden, dem ich im Oberbefehl über die Alpenarmee folge und von welchem Ihr Euch — dessen bin ich sicher — mit Bedauern trenntet.
(gez.) Marschall Bngeaud d'Isly.
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Offene Erklärung gegen Trug und Hinterlist.
Das Comite des schlesischen Handwerker-Vereins faßte am Donnerstag Abend, den 14., den Beschluß:
eine Deputation nach Berlin zu senden, um durch eine Vorstellung sowohl bei dem Könige, als bei den höchsten Staatsbehörden dahin zu wirken, daß die in dem Grundgesetz vom 5. huj. vergessenen Gewerbe-Angelegenheiten zur verfassungsmäßigen Auseinandersetzung und Regelung kämen.
Zu Mitgliedern dieser Deputation wurden gewählt: Bäckermeister Ludewig, Schneidermeister Löschburg, Schmiedemeister Rother, Literat Möcke, Schornsteinfegergesell Hüllebrand, Tischlergesell Leuschner, Tapeziergesell Wunderlich und Tischlergesell Steeg.
Nachdem der Beschluß gefaßt und die Mitglieder der Deputation gewählt waren, stellte der hier unterzeichnete Steeg die Anfrage:
„ob die Grenzen ihres Auftrags genau bestimmt wären; ob sie nicht mehr und nicht weniger zu thun hätten, als die Beschwerden, resp. Forderungen, der Gewerke zu Gehör zu bringen?“
— Nicht mehr und nicht weniger — war der Bescheid des Comite's.
Damit reisten die Deputirten ab und trafen am Sonntag früh in Berlin ein. Nachmittags hatte eine gemeinschaftliche Sitzung statt, zu welcher sich auch Deputirte der Gewerke in Berlin und der Provinz Sachsen einfanden. Hier ward beschlossen, Sr. Majestät in der zu erbittenden Audienz eine Adresse zu überreichen und siehe! die deputirten Breslauer Meister hatten die Absicht: Eine Dank-Adresse für die verliehene Verfassung dem Könige zu überreichen.
Entrüstet über dieses Ansinnen, welches den Zweck unserer Sendung gänzlich verrücken mußte; denn wir waren nach Berlin geschickt, nicht um für die Verfassung zu danken, sondern uns darüber zu beschweren — frug Steeg, wer die Meister zu einer solchen Adresse bevollmächtigt habe. Auf diese Frage waren sie vorbereitet; sie zogen ein Attest der Altmeister ihrer resp. Gewerke aus der Tasche, worin gesagt war: „Wir etc. bevollmächtigen den N. N. im Namen des etc. Gewerkes Sr. Maj. eine Dank-Adresse zu überreichen.“
Der Vorwurf Steeg's, daß die Meister also dem genau begrenzten Mandat ihrer Committenten, zu dessen pünktlicher Erfüllung sie sich in der Comitesitzung ausdrücklich oder stillschweigend verpflichtet hatten, zuwider handeln wollten, so wie sein Einwand, daß die Altmeister in Sachen des Handwerker-Vereins zu einer solchen Vollmachtgebung gar nicht legitimirt seien, auch einer Berufung der resp. Gewerke, in deren Namen sie die Vollmacht ausgestellt, nicht stattgefunden habe; endlich der Einwurf, daß der Handwerker-Verein gleichmäßig aus Meistern und Gesellen zusammengesetzt sei, jeder Beschluß also, wenn er Geltung haben solle, gemeinschaftlich von Meistern und Gesellen gefaßt werden müsse, letztere aber den Auftrag zur Ueberreichung einer Dank-Adresse nicht gegeben hätten — diese Vorhaltungen brachten, zumal der Handwerker-Verein gleichmäßig aus Meistern und Gesellen zusammengesetzt sei, jeder Beschluß also von Meistern und Gesellen gemeinschaftlich gefaßt werden müsse, um Geltung zu erlangen, die Gesellen aber einen Auftrag zur Ueberreichung einer Dank-Adresse nicht gegeben hätten, die Herren Meister scheinbar zur Einsicht und bewog sie, auf ihre p[unleserlicher Text] Dankadresse zu verzichten.
Es ward eine neue Adresse berathen und angenommen, deren Eingang ungefähr folgendermaßen lautete:
„So dankbar es vom Lande anerkannt wird, daß Ew. Majestät dem Volk eine Verfassung verliehen, so wird es doch schmerzlich von uns empfunden, daß wir darin vergessen sind u. s. w. “
Diese Adresse sollte mundirt und am Morgen des nächsten Tages zur Unterschrift vorgelegt werden.
Inzwischen erhielten durch Vermittlung des Herrn Ludewig die vier Breslauer Gesellen am Sonntage Abends ein an den Schneidermeister Löschburg und Schmiedemeister Rother gerichtetes Billet des Grafen Brandenburg, worin angezeigt wurde, daß Se. Majestät die Deputation des Schlesischen Handwerker-Vereins zur Entgegennahme einer „Dankadresse“ empfangen werde u. s. w.
Diese Benachrichtigung, namentlich der darin gebrauchte Ausdruck „Dankadresse“ erregte Mißtrauen bei Allen um so mehr, als man vorher schon erfahren hatte, daß am Vormittage des Sonntags zwei deputirte Breslauer Meister dem Grafen Brandenburg ihre Aufwartung gemacht hatten.
Wie bereits berichtet, sollte die mundirte Adresse Montags früh in Berlin unterzeichnet werden, jedoch konnte wegen Kürze der Zeit die Unterschrift nicht von allen Interessenten vollzogen werden und wurden diese nunmehr darauf vertröstet, daß die Unterzeichnung in Potsdam erfolgen sollte. Natürlich mußten alle diese Winkelzüge und zweideutigen Manövers das Mißtrauen jedes schärfer Blickenden aufs Aeußerste reizen. Und leider sollte dieses Mißtrauen nur zu sehr gerechtfertigt werden; denn die auf dem Potsdamer Bahnhofe zur Unterzeichnung vorgelegte Adresse war nicht die Tags zuvor in Berlin berathene und beschlossene, sondern eine Dankadresse in bester Form, an welche sich zum Schlusse die Tags zuvor berathenen Anträge knüpften.
Ueber einen so schmählichen Bruch des Vertrauens, über eine so arglistige Intrigue aufs Aeußerste empört, ließ Steeg seine Mitdeputirten den ganzen Zorn eines in seiner Ehrlichkeit tief verletzten redlichen Mannes fühlen; hielt ihnen vor: daß sie gegen ihre Vollmacht und gegen ihr Gewissen, selbst gegen ihre vorgeschützte Loyalität handelten, wenn sie, als Deputirte einer bestimmten Corporation deren Willensausdruck dem Könige gegenüber nicht, wie ihnen aufgetragen, wiedergeben und Sr. Majestät daher über die Gesinnung ihrer Committenten nicht klaren Wein einschenken wollten; daß er nichts gegen eine Dank-Adresse habe, wenn solche von der Majorität beschlossen worden wäre, selbst wenn er persönlich sich nicht dabei betheiligt hätt; daß es aber schmählich sei, den Majoritätsbeschluß zu verfälschen — und sagte sich zugleich mit dem Schornsteinfeger-Gesellen Hüllebrand von einer Deputation los, welche, indem sie dem Könige eine Dank-Adresse übergab, nicht mehr die Deputation des Schlesischen Handwerker-Vereins war, sondern eine im eigenen Interesse handelnde Corporation der Herren Ludewig, Möcke und Genossen.
Mögett unsere Brüder des schlesischen Handwerksstandes über uns und über Jene richten.
Breslau, den 29. December 1848.
Hüllebrand, Schornsteinfegergesell.
Steeg, Tischlergesell.