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Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

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werden. Glaube mir, Leser! ich schreibe dies aus vielfältiger und höchsttrauriger Erfahrung. Unter den vielen Kindern reicher und üppiger Eltern, die ich zu beobachten und näher kennen zu lernen Gelegenheit hatte, fand ich nur wenige, welche nicht schon zwischen ihrem sechsten und zwölften Lebensjahre das Laster der Selbstschwächung gekannt und ausgeübt hätten. Wie könnte es auch anders seyn, da alles, was das Kind in feinen und üppigen Gesellschaften sieht, hört und genießt, recht eigentlich darauf abzweckt, seine Nerven reizbar, seine Säfte scharf zu machen, seine Einbildungskraft mit wollüstigen Bildern anzufüllen, und sein Herz mit unzüchtigen Begierden zu entflammen? Jch habe von dieser Pest der Menschheit schon an mehrern Orten geredet."

"2. Die gar zu frühe litterrarische Verfeinerung. Hier sehe ich vielen meiner Leser die Verwunderung an, mit der sie bei sich denken werden: wie, auch das Lernen unserer Kinder, auch die litterarischen Kenntnisse derselben sollen zur Unzucht führen? Gleichsam, als wenn die Bücher, die wir ihnen in die Hände geben, darauf abzielten, den Fortpflanzungstrieb zu erwecken! Es thut mir leid, diesen guten Leuten

werden. Glaube mir, Leser! ich schreibe dies aus vielfältiger und höchsttrauriger Erfahrung. Unter den vielen Kindern reicher und üppiger Eltern, die ich zu beobachten und näher kennen zu lernen Gelegenheit hatte, fand ich nur wenige, welche nicht schon zwischen ihrem sechsten und zwölften Lebensjahre das Laster der Selbstschwächung gekannt und ausgeübt hätten. Wie könnte es auch anders seyn, da alles, was das Kind in feinen und üppigen Gesellschaften sieht, hört und genießt, recht eigentlich darauf abzweckt, seine Nerven reizbar, seine Säfte scharf zu machen, seine Einbildungskraft mit wollüstigen Bildern anzufüllen, und sein Herz mit unzüchtigen Begierden zu entflammen? Jch habe von dieser Pest der Menschheit schon an mehrern Orten geredet.“

„2. Die gar zu frühe litterrarische Verfeinerung. Hier sehe ich vielen meiner Leser die Verwunderung an, mit der sie bei sich denken werden: wie, auch das Lernen unserer Kinder, auch die litterarischen Kenntnisse derselben sollen zur Unzucht führen? Gleichsam, als wenn die Bücher, die wir ihnen in die Hände geben, darauf abzielten, den Fortpflanzungstrieb zu erwecken! Es thut mir leid, diesen guten Leuten

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[125/0124] werden. Glaube mir, Leser! ich schreibe dies aus vielfältiger und höchsttrauriger Erfahrung. Unter den vielen Kindern reicher und üppiger Eltern, die ich zu beobachten und näher kennen zu lernen Gelegenheit hatte, fand ich nur wenige, welche nicht schon zwischen ihrem sechsten und zwölften Lebensjahre das Laster der Selbstschwächung gekannt und ausgeübt hätten. Wie könnte es auch anders seyn, da alles, was das Kind in feinen und üppigen Gesellschaften sieht, hört und genießt, recht eigentlich darauf abzweckt, seine Nerven reizbar, seine Säfte scharf zu machen, seine Einbildungskraft mit wollüstigen Bildern anzufüllen, und sein Herz mit unzüchtigen Begierden zu entflammen? Jch habe von dieser Pest der Menschheit schon an mehrern Orten geredet.“ „2. Die gar zu frühe litterrarische Verfeinerung. Hier sehe ich vielen meiner Leser die Verwunderung an, mit der sie bei sich denken werden: wie, auch das Lernen unserer Kinder, auch die litterarischen Kenntnisse derselben sollen zur Unzucht führen? Gleichsam, als wenn die Bücher, die wir ihnen in die Hände geben, darauf abzielten, den Fortpflanzungstrieb zu erwecken! Es thut mir leid, diesen guten Leuten

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Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/124>, abgerufen am 25.04.2024.