Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

einer Sache schädlich seyn könne. Jede Wahrheit, die wir einsehen lernen, ist ein Zuwachs unserer Kenntniß, und je mehr und richtigere Kenntnisse wir besitzen, je richtiger und besser können wir handeln. Unwissenheit und mangelhafte Kenntnisse veranlaßen Jrrthümer und Fehler. Sie sind die ersten Schritte zum Leichtsinn. Leichtsinn wird endlich Fertigkeit im Verkehrthandeln.

Eine Wahrheit kann die andere nicht aufheben, noch machen, daß unsere Ueberzeugung davon schwächer wird. Daß Unkeuschheit Sünde und schädlich sey, ist eine Wahrheit; daß der Mensch durch einen bestimmten Weg der Erzeugung seine Existenz erhält, ist auch eine Wahrheit. Diese beiden stehen mit einander nicht im Widerspruch; sondern in der letztern liegt der Grund der erstern. Schadet eine, so schadet sie nicht als Wahrheit, sondern als übelverstandene Wahrheit.

Jst es gewiß, daß die Jugend Kenntnisse von dem haben muß, was sie meiden soll, so muß sie auch Kenntnisse von der Unkeuschheit haben, so gut, wie vom Lügen, Stehlen und anderen Lastern. Jhre Kenntniß von der Unkeuschheit muß aber immer mangelhaft seyn,

einer Sache schädlich seyn könne. Jede Wahrheit, die wir einsehen lernen, ist ein Zuwachs unserer Kenntniß, und je mehr und richtigere Kenntnisse wir besitzen, je richtiger und besser können wir handeln. Unwissenheit und mangelhafte Kenntnisse veranlaßen Jrrthümer und Fehler. Sie sind die ersten Schritte zum Leichtsinn. Leichtsinn wird endlich Fertigkeit im Verkehrthandeln.

Eine Wahrheit kann die andere nicht aufheben, noch machen, daß unsere Ueberzeugung davon schwächer wird. Daß Unkeuschheit Sünde und schädlich sey, ist eine Wahrheit; daß der Mensch durch einen bestimmten Weg der Erzeugung seine Existenz erhält, ist auch eine Wahrheit. Diese beiden stehen mit einander nicht im Widerspruch; sondern in der letztern liegt der Grund der erstern. Schadet eine, so schadet sie nicht als Wahrheit, sondern als übelverstandene Wahrheit.

Jst es gewiß, daß die Jugend Kenntnisse von dem haben muß, was sie meiden soll, so muß sie auch Kenntnisse von der Unkeuschheit haben, so gut, wie vom Lügen, Stehlen und anderen Lastern. Jhre Kenntniß von der Unkeuschheit muß aber immer mangelhaft seyn,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0230" n="231"/>
einer Sache schädlich seyn könne. Jede Wahrheit, die wir einsehen lernen, ist ein Zuwachs unserer Kenntniß, und je mehr und richtigere Kenntnisse wir besitzen, je richtiger und besser können wir handeln. Unwissenheit und mangelhafte Kenntnisse veranlaßen Jrrthümer und Fehler. Sie sind die ersten Schritte zum Leichtsinn. Leichtsinn wird endlich Fertigkeit im Verkehrthandeln.</p>
          <p>Eine Wahrheit kann die andere nicht aufheben, noch machen, daß unsere Ueberzeugung davon schwächer wird. Daß Unkeuschheit Sünde und schädlich sey, ist eine Wahrheit; daß der Mensch durch einen bestimmten Weg der Erzeugung seine Existenz erhält, ist auch eine Wahrheit. Diese beiden stehen mit einander nicht im Widerspruch; sondern in der letztern liegt der Grund der erstern. Schadet eine, so schadet sie nicht als Wahrheit, sondern als übelverstandene Wahrheit.</p>
          <p>Jst es gewiß, daß die Jugend Kenntnisse von dem haben muß, was sie meiden soll, so muß sie auch Kenntnisse von der Unkeuschheit haben, so gut, wie vom Lügen, Stehlen und anderen Lastern. Jhre Kenntniß von der Unkeuschheit muß aber immer mangelhaft seyn,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0230] einer Sache schädlich seyn könne. Jede Wahrheit, die wir einsehen lernen, ist ein Zuwachs unserer Kenntniß, und je mehr und richtigere Kenntnisse wir besitzen, je richtiger und besser können wir handeln. Unwissenheit und mangelhafte Kenntnisse veranlaßen Jrrthümer und Fehler. Sie sind die ersten Schritte zum Leichtsinn. Leichtsinn wird endlich Fertigkeit im Verkehrthandeln. Eine Wahrheit kann die andere nicht aufheben, noch machen, daß unsere Ueberzeugung davon schwächer wird. Daß Unkeuschheit Sünde und schädlich sey, ist eine Wahrheit; daß der Mensch durch einen bestimmten Weg der Erzeugung seine Existenz erhält, ist auch eine Wahrheit. Diese beiden stehen mit einander nicht im Widerspruch; sondern in der letztern liegt der Grund der erstern. Schadet eine, so schadet sie nicht als Wahrheit, sondern als übelverstandene Wahrheit. Jst es gewiß, daß die Jugend Kenntnisse von dem haben muß, was sie meiden soll, so muß sie auch Kenntnisse von der Unkeuschheit haben, so gut, wie vom Lügen, Stehlen und anderen Lastern. Jhre Kenntniß von der Unkeuschheit muß aber immer mangelhaft seyn,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T10:30:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Bindestriche werden nicht als =, sondern als - transkribiert.
  • Das Anführungszeichen „ wird am Ende eines Zitats als “ transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/230
Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/230>, abgerufen am 25.04.2024.