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Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787.

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den sie mir gütigst verzeihen. Ein Lehrer - kaum werden Sie es glauben - der wegen seines guten Vortrages und wegen seines warmen Eifers für die Erhaltung der Rechtgläubigkeit, sowol als Lehrer, als auch als Prediger*) in dieser ganzen Gegend sehr beliebt ist, gewann mich unter allen seinen Privatschülern am liebsten; aber seine Liebe ward Ausschweifung, stieg bis zur lasterhaften Herablassung. - Jch Unerfahrner wußte nicht, daß mich dieses ins größte Verderben stürzen würde. Konnte ich dieses von meinem Lehrer, von meinem Wohlthäter, der mich, wie ich glaubte, als sein Kind liebte, denken - daß er mich hin zum Rande des schrecklichsten Abgrundes führen würde? Nun erst habe ich es erfahren; nun erst kenne ich das Laster, das ich sonst nicht einmal dem Nahmen nach kannte. Denn - Gott! du weißts, ob ich lasterhaft bin! Jch schreibe dieses noch dazu an meinem Beichttage, an

*) Gott im Himmel erbarme sich seiner armen Menschen, wenn es sogar unter den geistlichen Führern derselben solche Buben giebt! Campe.

den sie mir gütigst verzeihen. Ein Lehrer – kaum werden Sie es glauben – der wegen seines guten Vortrages und wegen seines warmen Eifers für die Erhaltung der Rechtgläubigkeit, sowol als Lehrer, als auch als Prediger*) in dieser ganzen Gegend sehr beliebt ist, gewann mich unter allen seinen Privatschülern am liebsten; aber seine Liebe ward Ausschweifung, stieg bis zur lasterhaften Herablassung. – Jch Unerfahrner wußte nicht, daß mich dieses ins größte Verderben stürzen würde. Konnte ich dieses von meinem Lehrer, von meinem Wohlthäter, der mich, wie ich glaubte, als sein Kind liebte, denken – daß er mich hin zum Rande des schrecklichsten Abgrundes führen würde? Nun erst habe ich es erfahren; nun erst kenne ich das Laster, das ich sonst nicht einmal dem Nahmen nach kannte. Denn – Gott! du weißts, ob ich lasterhaft bin! Jch schreibe dieses noch dazu an meinem Beichttage, an

*) Gott im Himmel erbarme sich seiner armen Menschen, wenn es sogar unter den geistlichen Führern derselben solche Buben giebt! Campe.
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[46/0045] den sie mir gütigst verzeihen. Ein Lehrer – kaum werden Sie es glauben – der wegen seines guten Vortrages und wegen seines warmen Eifers für die Erhaltung der Rechtgläubigkeit, sowol als Lehrer, als auch als Prediger *) in dieser ganzen Gegend sehr beliebt ist, gewann mich unter allen seinen Privatschülern am liebsten; aber seine Liebe ward Ausschweifung, stieg bis zur lasterhaften Herablassung. – Jch Unerfahrner wußte nicht, daß mich dieses ins größte Verderben stürzen würde. Konnte ich dieses von meinem Lehrer, von meinem Wohlthäter, der mich, wie ich glaubte, als sein Kind liebte, denken – daß er mich hin zum Rande des schrecklichsten Abgrundes führen würde? Nun erst habe ich es erfahren; nun erst kenne ich das Laster, das ich sonst nicht einmal dem Nahmen nach kannte. Denn – Gott! du weißts, ob ich lasterhaft bin! Jch schreibe dieses noch dazu an meinem Beichttage, an *) Gott im Himmel erbarme sich seiner armen Menschen, wenn es sogar unter den geistlichen Führern derselben solche Buben giebt! Campe.

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Zitationshilfe: Oest, Johann Friedrich: Versuch einer Beantwortung der pädagogischen Frage: Wie man Kinder und junge Leute vor dem Leib und Seele verwüstenden Laster der Unzucht überhaupt, und der Selbstschwächung insonderheit verwahren, oder, wofern sie schon davon angesteckt waren, wie man sie davon heilen könne? Wien, 1787, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/oest_kinder_1787/45>, abgerufen am 23.04.2024.