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Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909.

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I.

Die akademische Frauenbewegung macht denselben Gang
durch, wie viele andere Bewegungen: Zuerst Zeiten der
Stürme, der trotzigen Kraft, die die hemmenden Wider-
stände überwindet, Zeiten der Extreme, dann Perioden
der Verbreiterung, der Ruhe, der Nachgiebigkeit.

Wer schon ins Philisterium eingetreten ist, der kann
sich an wunderliche Geschichten aus seiner Studienzeit er-
innern. Von Studentinnen mit kurz geschorenen Haaren,
mit männlichem Auftreten, die alle gesellschaftlichen Sit-
ten mit Verachtung übergingen; wunderliche Geschichten
von Zusammenstößen mit Professoren, wechselnd in Sieg
und Niederlage; alles aber mit phantastischem Aufputz,
der den neugierigen Hörer von der Schauerlichkeit der
Sache noch mehr überzeugen soll.

Daß es Frauen in den letzten Jahrhunderten nicht
unmöglich gemacht wurde, sich wissenschaftlich zu betä-
tigen und zu akademischen Würden zu gelangen, zeigt uns
die Geschichte. Sie erzählt uns von einer Marianne von
Ziegler, die 1730 in der philosophischen Fakultät als
laurea poetica promovierte. Dorothea Exleben promo-
vierte sogar in der medizinischen Fakultät 1754 in Halle
und Dorothea Schlozer erwarb die Magisterwürde 1787
in Göttingen. Von einer akademischen Frauenbewegung

I.

Die akademische Frauenbewegung macht denselben Gang
durch, wie viele andere Bewegungen: Zuerst Zeiten der
Stürme, der trotzigen Kraft, die die hemmenden Wider-
stände überwindet, Zeiten der Extreme, dann Perioden
der Verbreiterung, der Ruhe, der Nachgiebigkeit.

Wer schon ins Philisterium eingetreten ist, der kann
sich an wunderliche Geschichten aus seiner Studienzeit er-
innern. Von Studentinnen mit kurz geschorenen Haaren,
mit männlichem Auftreten, die alle gesellschaftlichen Sit-
ten mit Verachtung übergingen; wunderliche Geschichten
von Zusammenstößen mit Professoren, wechselnd in Sieg
und Niederlage; alles aber mit phantastischem Aufputz,
der den neugierigen Hörer von der Schauerlichkeit der
Sache noch mehr überzeugen soll.

Daß es Frauen in den letzten Jahrhunderten nicht
unmöglich gemacht wurde, sich wissenschaftlich zu betä-
tigen und zu akademischen Würden zu gelangen, zeigt uns
die Geschichte. Sie erzählt uns von einer Marianne von
Ziegler, die 1730 in der philosophischen Fakultät als
laurea poetica promovierte. Dorothea Exleben promo-
vierte sogar in der medizinischen Fakultät 1754 in Halle
und Dorothea Schlozer erwarb die Magisterwürde 1787
in Göttingen. Von einer akademischen Frauenbewegung

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Zitationshilfe: Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/4>, abgerufen am 28.03.2024.