Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

mich vor Kunzen auf die Knie zu werfen, und ihn um Schutz und Schirm zu bitten; und dieser Gedanke gefiel mir so wohl, daß ich mich ganz in die Ausführung desselben hinein versetzte. Aber da durchblitzte die beängstigende Vorstellung meinen Geist, von der Heiligkeit des Gelübdes meiner Mutter, von meines Vaters Zorn, von meiner armen Seele Untergang, und von den Geisseln, womit die Geister der Hölle den züchtigen, der an der heiligen Kirche zum Schelm geworden ist. Darob entstand eine so große Finsterniß in meiner Seele, daß ich meiner unbewußt aus dem Bette kam, und mich, als ich mich wieder besonnen hatte, auf dem kalten Pflaster liegend, antraf. So rang ich die ganze Nacht mit Angst, Kummer und Verzweiflung, und weinte der Thränen so viele, daß mir die Augen hoch aufschwollen, und mein ganzes Lager durchfeuchtet war.

Ich suche mich nun beim Aufgange der Sonne meines Schmerzens zu entladen, indem ich dir, theure Mechthilde! schreibe. Bete für mich, daß mein Kummer mich nicht gar

mich vor Kunzen auf die Knie zu werfen, und ihn um Schutz und Schirm zu bitten; und dieser Gedanke gefiel mir so wohl, daß ich mich ganz in die Ausführung desselben hinein versetzte. Aber da durchblitzte die beängstigende Vorstellung meinen Geist, von der Heiligkeit des Gelübdes meiner Mutter, von meines Vaters Zorn, von meiner armen Seele Untergang, und von den Geisseln, womit die Geister der Hölle den züchtigen, der an der heiligen Kirche zum Schelm geworden ist. Darob entstand eine so große Finsterniß in meiner Seele, daß ich meiner unbewußt aus dem Bette kam, und mich, als ich mich wieder besonnen hatte, auf dem kalten Pflaster liegend, antraf. So rang ich die ganze Nacht mit Angst, Kummer und Verzweiflung, und weinte der Thränen so viele, daß mir die Augen hoch aufschwollen, und mein ganzes Lager durchfeuchtet war.

Ich suche mich nun beim Aufgange der Sonne meines Schmerzens zu entladen, indem ich dir, theure Mechthilde! schreibe. Bete für mich, daß mein Kummer mich nicht gar

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="44"/>
mich vor <hi rendition="#g">Kunzen</hi> auf die Knie zu werfen, und ihn um Schutz und Schirm zu bitten; und dieser Gedanke gefiel mir so wohl, daß ich mich ganz in die Ausführung desselben hinein versetzte. Aber da durchblitzte die beängstigende Vorstellung meinen Geist, von der Heiligkeit des Gelübdes meiner Mutter, von meines Vaters Zorn, von meiner armen Seele Untergang, und von den Geisseln, womit die Geister der Hölle <hi rendition="#g">den</hi> züchtigen, der an der heiligen Kirche zum Schelm geworden ist. Darob entstand eine so große Finsterniß in meiner Seele, daß ich meiner unbewußt aus dem Bette kam, und mich, als ich mich wieder besonnen hatte, auf dem kalten Pflaster liegend, antraf. So rang ich die ganze Nacht mit Angst, Kummer und Verzweiflung, und weinte der Thränen so viele, daß mir die Augen hoch aufschwollen, und mein ganzes Lager durchfeuchtet war.</p>
          <p>Ich suche mich nun beim Aufgange der Sonne meines Schmerzens zu entladen, indem ich dir, theure <hi rendition="#g">Mechthilde!</hi> schreibe. Bete für mich, daß mein Kummer mich nicht gar
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0048] mich vor Kunzen auf die Knie zu werfen, und ihn um Schutz und Schirm zu bitten; und dieser Gedanke gefiel mir so wohl, daß ich mich ganz in die Ausführung desselben hinein versetzte. Aber da durchblitzte die beängstigende Vorstellung meinen Geist, von der Heiligkeit des Gelübdes meiner Mutter, von meines Vaters Zorn, von meiner armen Seele Untergang, und von den Geisseln, womit die Geister der Hölle den züchtigen, der an der heiligen Kirche zum Schelm geworden ist. Darob entstand eine so große Finsterniß in meiner Seele, daß ich meiner unbewußt aus dem Bette kam, und mich, als ich mich wieder besonnen hatte, auf dem kalten Pflaster liegend, antraf. So rang ich die ganze Nacht mit Angst, Kummer und Verzweiflung, und weinte der Thränen so viele, daß mir die Augen hoch aufschwollen, und mein ganzes Lager durchfeuchtet war. Ich suche mich nun beim Aufgange der Sonne meines Schmerzens zu entladen, indem ich dir, theure Mechthilde! schreibe. Bete für mich, daß mein Kummer mich nicht gar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/48
Zitationshilfe: Pahl, Johann Gottfried: Bertha von Wöllstein. Eine Reihe von Briefen aus dem Mittelalter. Nördlingen, 1794, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_bertha_1794/48>, abgerufen am 28.03.2024.