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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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Heidelberg 1819-1820.

Von der Schönheit Heidelbergs hatte Klein, der einige Zeit dort gelebt, oft so poetische Beschreibungen gemacht, daß ich meinen Vater anlag, mich dort ein Jahr studiren zu lassen. Er gewährte es gern, und im September 1819 reiste ich mit Paul, der meinen Wunsch theilte, dahin ab. Wir nahmen unsern Weg über Weimar, wo wir Göthe zu sehn hofften. Mein Vater wollte eine neue Auflage von Mösers patriotischen Phantasien drucken lassen. Ueber dieses Werk und über Möser selbst hatte Göthe sich so anerkennend ausgesprochen, daß mein Vater ihn um Erlaubniß bat, die betreffenden Stellen in der Einleitung abdrucken zu dürfen. Diesen Brief sollte ich überbringen, und dabei den vielverehrten Mann von Angesicht kennen lernen. Es läßt sich denken, welchen rosigen Schimmer der Erwartung diese Perspektive über den ganzen Weg nach Weimar hin ausstrahlte. Allein meine Hoffnung ward vereitelt. Göthe befand sich noch in Karlsbad und sollte erst später zurückkehren.

So fuhren wir denn weiter bis Eisenach, wo wir uns am andern Morgen beim Besteigen der Wartburg ohne Führer im Walde verirrten. Dies erste romantische Reiseabentheuer gewährte viel Vergnügen. Es schien uns näm-

Heidelberg 1819–1820.

Von der Schönheit Heidelbergs hatte Klein, der einige Zeit dort gelebt, oft so poetische Beschreibungen gemacht, daß ich meinen Vater anlag, mich dort ein Jahr studiren zu lassen. Er gewährte es gern, und im September 1819 reiste ich mit Paul, der meinen Wunsch theilte, dahin ab. Wir nahmen unsern Weg über Weimar, wo wir Göthe zu sehn hofften. Mein Vater wollte eine neue Auflage von Mösers patriotischen Phantasien drucken lassen. Ueber dieses Werk und über Möser selbst hatte Göthe sich so anerkennend ausgesprochen, daß mein Vater ihn um Erlaubniß bat, die betreffenden Stellen in der Einleitung abdrucken zu dürfen. Diesen Brief sollte ich überbringen, und dabei den vielverehrten Mann von Angesicht kennen lernen. Es läßt sich denken, welchen rosigen Schimmer der Erwartung diese Perspektive über den ganzen Weg nach Weimar hin ausstrahlte. Allein meine Hoffnung ward vereitelt. Göthe befand sich noch in Karlsbad und sollte erst später zurückkehren.

So fuhren wir denn weiter bis Eisenach, wo wir uns am andern Morgen beim Besteigen der Wartburg ohne Führer im Walde verirrten. Dies erste romantische Reiseabentheuer gewährte viel Vergnügen. Es schien uns näm-

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[305/0313] Heidelberg 1819–1820. Von der Schönheit Heidelbergs hatte Klein, der einige Zeit dort gelebt, oft so poetische Beschreibungen gemacht, daß ich meinen Vater anlag, mich dort ein Jahr studiren zu lassen. Er gewährte es gern, und im September 1819 reiste ich mit Paul, der meinen Wunsch theilte, dahin ab. Wir nahmen unsern Weg über Weimar, wo wir Göthe zu sehn hofften. Mein Vater wollte eine neue Auflage von Mösers patriotischen Phantasien drucken lassen. Ueber dieses Werk und über Möser selbst hatte Göthe sich so anerkennend ausgesprochen, daß mein Vater ihn um Erlaubniß bat, die betreffenden Stellen in der Einleitung abdrucken zu dürfen. Diesen Brief sollte ich überbringen, und dabei den vielverehrten Mann von Angesicht kennen lernen. Es läßt sich denken, welchen rosigen Schimmer der Erwartung diese Perspektive über den ganzen Weg nach Weimar hin ausstrahlte. Allein meine Hoffnung ward vereitelt. Göthe befand sich noch in Karlsbad und sollte erst später zurückkehren. So fuhren wir denn weiter bis Eisenach, wo wir uns am andern Morgen beim Besteigen der Wartburg ohne Führer im Walde verirrten. Dies erste romantische Reiseabentheuer gewährte viel Vergnügen. Es schien uns näm-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/313>, abgerufen am 29.03.2024.