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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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ihm mehrere Kapitel, die er in seinem Herzens¬
kloster um so leichter aufgesetzt, da ihn Paßvo¬
gel noch immer auf den ersten Korrekturbogen war¬
ten ließ, so wie die Stadt ihn auf irgend ein No¬
tariats-Instrument, das ihn hätte stören und
bereichern können. Ihnen fügt er blos zwey Streck¬
verse bei:

I.

Meine ganze Seele weint, denn ich bin allein;
meine ganze Seele weint, mein Bruder!

II.

Ich sah dich, und liebte dich. Ich sah dich
nicht mehr, und liebte dich. So muß ich dich
immer lieben, ich mag nun frohlocken oder wei¬
nen tief im Herz.

Einen Tag darauf schickte ihm Vult die aus¬
gearbeitetsten Ausschweifungen zu, und gedachte
des Genußes kurz, den ihm jetzt Walts Hoppel¬
poppel oder das Herz zuführe, da jedes Kapitel
mit wahrer Kunstwärme erschaffen sey, und über¬
feilt -- und schrieb noch, er selber schreibe zwar
eifriger als je, dürfe aber nicht entscheiden, wie
glücklich -- und schrieb weiter nichts. "Nun

ihm mehrere Kapitel, die er in ſeinem Herzens¬
kloſter um ſo leichter aufgeſetzt, da ihn Paßvo¬
gel noch immer auf den erſten Korrekturbogen war¬
ten ließ, ſo wie die Stadt ihn auf irgend ein No¬
tariats-Inſtrument, das ihn haͤtte ſtoͤren und
bereichern koͤnnen. Ihnen fuͤgt er blos zwey Streck¬
verſe bei:

I.

Meine ganze Seele weint, denn ich bin allein;
meine ganze Seele weint, mein Bruder!

II.

Ich ſah dich, und liebte dich. Ich ſah dich
nicht mehr, und liebte dich. So muß ich dich
immer lieben, ich mag nun frohlocken oder wei¬
nen tief im Herz.

Einen Tag darauf ſchickte ihm Vult die aus¬
gearbeitetſten Ausſchweifungen zu, und gedachte
des Genußes kurz, den ihm jetzt Walts Hoppel¬
poppel oder das Herz zufuͤhre, da jedes Kapitel
mit wahrer Kunſtwaͤrme erſchaffen ſey, und uͤber¬
feilt — und ſchrieb noch, er ſelber ſchreibe zwar
eifriger als je, duͤrfe aber nicht entſcheiden, wie
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[105/0111] ihm mehrere Kapitel, die er in ſeinem Herzens¬ kloſter um ſo leichter aufgeſetzt, da ihn Paßvo¬ gel noch immer auf den erſten Korrekturbogen war¬ ten ließ, ſo wie die Stadt ihn auf irgend ein No¬ tariats-Inſtrument, das ihn haͤtte ſtoͤren und bereichern koͤnnen. Ihnen fuͤgt er blos zwey Streck¬ verſe bei: I. Meine ganze Seele weint, denn ich bin allein; meine ganze Seele weint, mein Bruder! II. Ich ſah dich, und liebte dich. Ich ſah dich nicht mehr, und liebte dich. So muß ich dich immer lieben, ich mag nun frohlocken oder wei¬ nen tief im Herz. Einen Tag darauf ſchickte ihm Vult die aus¬ gearbeitetſten Ausſchweifungen zu, und gedachte des Genußes kurz, den ihm jetzt Walts Hoppel¬ poppel oder das Herz zufuͤhre, da jedes Kapitel mit wahrer Kunſtwaͤrme erſchaffen ſey, und uͤber¬ feilt — und ſchrieb noch, er ſelber ſchreibe zwar eifriger als je, duͤrfe aber nicht entſcheiden, wie gluͤcklich — und ſchrieb weiter nichts. „Nun

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/111>, abgerufen am 19.04.2024.