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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Er versang sich immer tiefer in sein Herz --
Zeit und Welt verschwand -- er spielte wie eine
sterbende Ephemere süß in den hellern Strahlen
des Mondes und unter Mondsstäubchen --: da
kam Vult heiter zurück und brachte die Nachricht,
Wina sei angekommen, deckte aber sogleich deren
Werth für ihn selber durch eine zweite lustige zu
(und lachte stark) "daß er nämlich, sagt' er, im
Vorbeigehen zu seinem Schuster gegangen, um
ihn zu fragen, ob er denn seit 14 Tagen keinen
15ten gefunden, um die Rehabilitirung, Palin¬
genesie, Petersensche Wiederbringung seiner Stiefel
(so drücke mancher leider ihr Besohlen aus) zu vol¬
lenden; er habe ihn aber nicht eher als auf dem
Rückwege gefunden, wo er auffallend ihm immer
rechts in die Schattenseite ausgebogen; -- bis er
nach langem Predigen gesehen, daß der Mann die
Stiefel, welche der Bußtext der Kasualrede waren,
an den Beinen bei sich habe, und herumtrage,
um sie erst noch etwas abzutreten, bevor er sie
flicke." "War dieser Spaß, der noch dazu voll
Anspielungen steckt, nicht so viel werth als das
beste Paar Stiefel selber?" -- "Ist er denn so

Er verſang ſich immer tiefer in ſein Herz —
Zeit und Welt verſchwand — er ſpielte wie eine
ſterbende Ephemere ſuͤß in den hellern Strahlen
des Mondes und unter Mondsſtaͤubchen —: da
kam Vult heiter zuruͤck und brachte die Nachricht,
Wina ſei angekommen, deckte aber ſogleich deren
Werth fuͤr ihn ſelber durch eine zweite luſtige zu
(und lachte ſtark) „daß er naͤmlich, ſagt' er, im
Vorbeigehen zu ſeinem Schuſter gegangen, um
ihn zu fragen, ob er denn ſeit 14 Tagen keinen
15ten gefunden, um die Rehabilitirung, Palin¬
geneſie, Peterſenſche Wiederbringung ſeiner Stiefel
(ſo druͤcke mancher leider ihr Beſohlen aus) zu vol¬
lenden; er habe ihn aber nicht eher als auf dem
Ruͤckwege gefunden, wo er auffallend ihm immer
rechts in die Schattenſeite ausgebogen; — bis er
nach langem Predigen geſehen, daß der Mann die
Stiefel, welche der Bußtext der Kaſualrede waren,
an den Beinen bei ſich habe, und herumtrage,
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[164/0170] Er verſang ſich immer tiefer in ſein Herz — Zeit und Welt verſchwand — er ſpielte wie eine ſterbende Ephemere ſuͤß in den hellern Strahlen des Mondes und unter Mondsſtaͤubchen —: da kam Vult heiter zuruͤck und brachte die Nachricht, Wina ſei angekommen, deckte aber ſogleich deren Werth fuͤr ihn ſelber durch eine zweite luſtige zu (und lachte ſtark) „daß er naͤmlich, ſagt' er, im Vorbeigehen zu ſeinem Schuſter gegangen, um ihn zu fragen, ob er denn ſeit 14 Tagen keinen 15ten gefunden, um die Rehabilitirung, Palin¬ geneſie, Peterſenſche Wiederbringung ſeiner Stiefel (ſo druͤcke mancher leider ihr Beſohlen aus) zu vol¬ lenden; er habe ihn aber nicht eher als auf dem Ruͤckwege gefunden, wo er auffallend ihm immer rechts in die Schattenſeite ausgebogen; — bis er nach langem Predigen geſehen, daß der Mann die Stiefel, welche der Bußtext der Kaſualrede waren, an den Beinen bei ſich habe, und herumtrage, um ſie erſt noch etwas abzutreten, bevor er ſie flicke.“ „War dieſer Spaß, der noch dazu voll Anſpielungen ſteckt, nicht ſo viel werth als das beſte Paar Stiefel ſelber?“ — „Iſt er denn ſo

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/170>, abgerufen am 28.03.2024.