Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Klub beim Kaplan gehalten. Er versprach ih¬
nen auf Ostern das Gesicht ihres Landsmannes Se¬
bastian; und den edeln Maz hatt' er gleich anfings
mitgebracht. Mazens Freiheitsbaum war bloß ein
satirischer Dornstrauch: seine Satiren ersetzten die
Grundsätze. Nur ein einziger Drilling, den selber
der Böse mit Hörnern und Bocksfußen, nämlich der
Satyr, ritt, konnte den beissenden Evangelisten
und falschen Freiheits Apostel recht leiden: denn
in einem heitern lichten Kopf nimmt jedes fremde
Bonmots einen größern Schimmer an, wie Johannis¬
würmgen in dephlogistisirter Lustart heller glimmen.

Als Matthieu den Pfarrkutscher und den Lohnlakai
der Engländer, den Blasbalgtreter Zeusel -- den
Zwillingsbruder des Apothekers -- erblickte: erfand
er etwas, das ich eben erzählen werde. Der Apo¬
theker mußte sich bekanntlich seines leiblichen Bru¬
ders schämen, weil er ein bloßer Balgtreter war und
keinen Wind machte als musikalischen -- weil er fer¬
ner schlechte innere Ohren und aussen gar keine hatte.
Jedoch hatt' er sich wegen der letztern mit einem ge¬
richtlichen Zertifikat gedeckt, das ihm nachrühmte,
daß er seine Schallmuscheln auf eine ehrliche Art ver¬
loren, durch eine Aktion mit einem Badgast Türken.
Aber sein Kopf war sein Ohr: wenn er einen Stab
an den Redner oder an seinen Sessel hielt, oder
wenn man gerade über seinem Kopf haranguirte: so

einen Klub beim Kaplan gehalten. Er verſprach ih¬
nen auf Oſtern das Geſicht ihres Landsmannes Se¬
baſtian; und den edeln Maz hatt' er gleich anfings
mitgebracht. Mazens Freiheitsbaum war bloß ein
ſatiriſcher Dornſtrauch: ſeine Satiren erſetzten die
Grundſaͤtze. Nur ein einziger Drilling, den ſelber
der Boͤſe mit Hoͤrnern und Bocksfußen, naͤmlich der
Satyr, ritt, konnte den beiſſenden Evangeliſten
und falſchen Freiheits Apoſtel recht leiden: denn
in einem heitern lichten Kopf nimmt jedes fremde
Bonmots einen groͤßern Schimmer an, wie Johannis¬
wuͤrmgen in dephlogiſtiſirter Luſtart heller glimmen.

Als Matthieu den Pfarrkutſcher und den Lohnlakai
der Englaͤnder, den Blasbalgtreter Zeuſel — den
Zwillingsbruder des Apothekers — erblickte: erfand
er etwas, das ich eben erzaͤhlen werde. Der Apo¬
theker mußte ſich bekanntlich ſeines leiblichen Bru¬
ders ſchaͤmen, weil er ein bloßer Balgtreter war und
keinen Wind machte als muſikaliſchen — weil er fer¬
ner ſchlechte innere Ohren und auſſen gar keine hatte.
Jedoch hatt' er ſich wegen der letztern mit einem ge¬
richtlichen Zertifikat gedeckt, das ihm nachruͤhmte,
daß er ſeine Schallmuſcheln auf eine ehrliche Art ver¬
loren, durch eine Aktion mit einem Badgaſt Tuͤrken.
Aber ſein Kopf war ſein Ohr: wenn er einen Stab
an den Redner oder an ſeinen Seſſel hielt, oder
wenn man gerade uͤber ſeinem Kopf haranguirte: ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0291" n="281"/>
einen Klub beim Kaplan gehalten. Er ver&#x017F;prach ih¬<lb/>
nen auf O&#x017F;tern das Ge&#x017F;icht ihres Landsmannes Se¬<lb/>
ba&#x017F;tian; und den edeln Maz hatt' er gleich anfings<lb/>
mitgebracht. Mazens Freiheitsbaum war bloß ein<lb/>
&#x017F;atiri&#x017F;cher Dorn&#x017F;trauch: &#x017F;eine Satiren er&#x017F;etzten die<lb/>
Grund&#x017F;a&#x0364;tze. Nur ein einziger Drilling, den &#x017F;elber<lb/>
der Bo&#x0364;&#x017F;e mit Ho&#x0364;rnern und Bocksfußen, na&#x0364;mlich der<lb/>
Satyr, ritt, konnte den bei&#x017F;&#x017F;enden <hi rendition="#g">Evangeli&#x017F;ten</hi><lb/>
und fal&#x017F;chen Freiheits <hi rendition="#g">Apo&#x017F;tel</hi> recht leiden: denn<lb/>
in einem heitern lichten Kopf nimmt jedes fremde<lb/>
Bonmots einen gro&#x0364;ßern Schimmer an, wie Johannis¬<lb/>
wu&#x0364;rmgen in dephlogi&#x017F;ti&#x017F;irter Lu&#x017F;tart heller glimmen.</p><lb/>
          <p>Als Matthieu den Pfarrkut&#x017F;cher und den Lohnlakai<lb/>
der Engla&#x0364;nder, den Blasbalgtreter Zeu&#x017F;el &#x2014; den<lb/>
Zwillingsbruder des Apothekers &#x2014; erblickte: erfand<lb/>
er etwas, das ich eben erza&#x0364;hlen werde. Der Apo¬<lb/>
theker mußte &#x017F;ich bekanntlich &#x017F;eines leiblichen Bru¬<lb/>
ders &#x017F;cha&#x0364;men, weil er ein bloßer Balgtreter war und<lb/>
keinen Wind machte als mu&#x017F;ikali&#x017F;chen &#x2014; weil er fer¬<lb/>
ner &#x017F;chlechte innere Ohren und au&#x017F;&#x017F;en gar keine hatte.<lb/>
Jedoch hatt' er &#x017F;ich wegen der letztern mit einem ge¬<lb/>
richtlichen Zertifikat gedeckt, das ihm nachru&#x0364;hmte,<lb/>
daß er &#x017F;eine Schallmu&#x017F;cheln auf eine ehrliche Art ver¬<lb/>
loren, durch eine Aktion mit einem Badga&#x017F;t Tu&#x0364;rken.<lb/>
Aber &#x017F;ein Kopf war &#x017F;ein Ohr: wenn er einen Stab<lb/>
an den Redner oder an &#x017F;einen Se&#x017F;&#x017F;el hielt, oder<lb/>
wenn man gerade u&#x0364;ber &#x017F;einem Kopf haranguirte: &#x017F;o<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0291] einen Klub beim Kaplan gehalten. Er verſprach ih¬ nen auf Oſtern das Geſicht ihres Landsmannes Se¬ baſtian; und den edeln Maz hatt' er gleich anfings mitgebracht. Mazens Freiheitsbaum war bloß ein ſatiriſcher Dornſtrauch: ſeine Satiren erſetzten die Grundſaͤtze. Nur ein einziger Drilling, den ſelber der Boͤſe mit Hoͤrnern und Bocksfußen, naͤmlich der Satyr, ritt, konnte den beiſſenden Evangeliſten und falſchen Freiheits Apoſtel recht leiden: denn in einem heitern lichten Kopf nimmt jedes fremde Bonmots einen groͤßern Schimmer an, wie Johannis¬ wuͤrmgen in dephlogiſtiſirter Luſtart heller glimmen. Als Matthieu den Pfarrkutſcher und den Lohnlakai der Englaͤnder, den Blasbalgtreter Zeuſel — den Zwillingsbruder des Apothekers — erblickte: erfand er etwas, das ich eben erzaͤhlen werde. Der Apo¬ theker mußte ſich bekanntlich ſeines leiblichen Bru¬ ders ſchaͤmen, weil er ein bloßer Balgtreter war und keinen Wind machte als muſikaliſchen — weil er fer¬ ner ſchlechte innere Ohren und auſſen gar keine hatte. Jedoch hatt' er ſich wegen der letztern mit einem ge¬ richtlichen Zertifikat gedeckt, das ihm nachruͤhmte, daß er ſeine Schallmuſcheln auf eine ehrliche Art ver¬ loren, durch eine Aktion mit einem Badgaſt Tuͤrken. Aber ſein Kopf war ſein Ohr: wenn er einen Stab an den Redner oder an ſeinen Seſſel hielt, oder wenn man gerade uͤber ſeinem Kopf haranguirte: ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/291
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/291>, abgerufen am 28.03.2024.