Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Bloß gegen andere sey anders!" -- "Ich vergesse
bloß immer alles, was ich sagen will, oder leider
gesagt habe; nur ein Ding, wie ich, konnte es
gestern zu sagen vergessen, daß ich mich am in-
nigsten nach der erleuchteten Höle in Maulbronn,
wie nach dem Sternenhimmel meiner Kindheit
sehne, meiner guten Mutter halber." Ihr war
nämlich ein unauslöschliches Bild von der Stunde
geblieben, wo ihre Mutter sie als Kind in einer
großen mit Lampen erhellten Zauberhöle des
Orts -- ähnlich der Höle im Bade Liebenstein --
umhergetragen hatte.

Beyde waren nun Ein Herz. Bona hieß sie
zum Vater eilen -- wiederholte ihren Rath der
Vorsicht mit aller ihr möglichen Ruhe (ist sie fort,
dachte sie, so kann ich gerührt seyn, wie ich will)
vergaß sich aber selber, als Theoda weinend mit
gesenktem Kopfe langsam von ihr ging, daß sie
nachrief: "mein Herz: ich kann nur nicht auf
stehen, vor besonderer Mattigkeit, und dich be-
gleiten; aber kehre ja deshalb nicht wieder um
zu mir!" Aber sie war schon umgekehrt, und

Bloß gegen andere ſey anders!” — „Ich vergeſſe
bloß immer alles, was ich ſagen will, oder leider
geſagt habe; nur ein Ding, wie ich, konnte es
geſtern zu ſagen vergeſſen, daß ich mich am in-
nigſten nach der erleuchteten Hoͤle in Maulbronn,
wie nach dem Sternenhimmel meiner Kindheit
ſehne, meiner guten Mutter halber.” Ihr war
nämlich ein unausloͤſchliches Bild von der Stunde
geblieben, wo ihre Mutter ſie als Kind in einer
großen mit Lampen erhellten Zauberhoͤle des
Orts — aͤhnlich der Höle im Bade Liebenſtein —
umhergetragen hatte.

Beyde waren nun Ein Herz. Bona hieß ſie
zum Vater eilen — wiederholte ihren Rath der
Vorſicht mit aller ihr moͤglichen Ruhe (iſt ſie fort,
dachte ſie, ſo kann ich geruͤhrt ſeyn, wie ich will)
vergaß ſich aber ſelber, als Theoda weinend mit
geſenktem Kopfe langſam von ihr ging, daß ſie
nachrief: „mein Herz: ich kann nur nicht auf
ſtehen, vor beſonderer Mattigkeit, und dich be-
gleiten; aber kehre ja deshalb nicht wieder um
zu mir!” Aber ſie war ſchon umgekehrt, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0045" n="27"/>
Bloß gegen andere &#x017F;ey anders!&#x201D; &#x2014; &#x201E;Ich verge&#x017F;&#x017F;e<lb/>
bloß immer alles, was ich &#x017F;agen will, oder leider<lb/>
ge&#x017F;agt habe; nur ein Ding, wie ich, konnte es<lb/>
ge&#x017F;tern zu &#x017F;agen verge&#x017F;&#x017F;en, daß ich mich am in-<lb/>
nig&#x017F;ten nach der erleuchteten Ho&#x0364;le in Maulbronn,<lb/>
wie nach dem Sternenhimmel meiner Kindheit<lb/>
&#x017F;ehne, meiner guten Mutter halber.&#x201D; Ihr war<lb/>
nämlich ein unauslo&#x0364;&#x017F;chliches Bild von der Stunde<lb/>
geblieben, wo ihre Mutter &#x017F;ie als Kind in einer<lb/>
großen mit Lampen erhellten Zauberho&#x0364;le des<lb/>
Orts &#x2014; a&#x0364;hnlich der Höle im Bade Lieben&#x017F;tein &#x2014;<lb/>
umhergetragen hatte.</p><lb/>
            <p>Beyde waren nun Ein Herz. Bona hieß &#x017F;ie<lb/>
zum Vater eilen &#x2014; wiederholte ihren Rath der<lb/>
Vor&#x017F;icht mit aller ihr mo&#x0364;glichen Ruhe (i&#x017F;t &#x017F;ie fort,<lb/>
dachte &#x017F;ie, &#x017F;o kann ich geru&#x0364;hrt &#x017F;eyn, wie ich will)<lb/>
vergaß &#x017F;ich aber &#x017F;elber, als Theoda weinend mit<lb/>
ge&#x017F;enktem Kopfe lang&#x017F;am von ihr ging, daß &#x017F;ie<lb/>
nachrief: &#x201E;mein Herz: ich kann nur nicht auf<lb/>
&#x017F;tehen, vor be&#x017F;onderer Mattigkeit, und dich be-<lb/>
gleiten; aber kehre ja deshalb nicht wieder um<lb/>
zu mir!&#x201D; Aber &#x017F;ie war &#x017F;chon umgekehrt, und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0045] Bloß gegen andere ſey anders!” — „Ich vergeſſe bloß immer alles, was ich ſagen will, oder leider geſagt habe; nur ein Ding, wie ich, konnte es geſtern zu ſagen vergeſſen, daß ich mich am in- nigſten nach der erleuchteten Hoͤle in Maulbronn, wie nach dem Sternenhimmel meiner Kindheit ſehne, meiner guten Mutter halber.” Ihr war nämlich ein unausloͤſchliches Bild von der Stunde geblieben, wo ihre Mutter ſie als Kind in einer großen mit Lampen erhellten Zauberhoͤle des Orts — aͤhnlich der Höle im Bade Liebenſtein — umhergetragen hatte. Beyde waren nun Ein Herz. Bona hieß ſie zum Vater eilen — wiederholte ihren Rath der Vorſicht mit aller ihr moͤglichen Ruhe (iſt ſie fort, dachte ſie, ſo kann ich geruͤhrt ſeyn, wie ich will) vergaß ſich aber ſelber, als Theoda weinend mit geſenktem Kopfe langſam von ihr ging, daß ſie nachrief: „mein Herz: ich kann nur nicht auf ſtehen, vor beſonderer Mattigkeit, und dich be- gleiten; aber kehre ja deshalb nicht wieder um zu mir!” Aber ſie war ſchon umgekehrt, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/45
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/45>, abgerufen am 29.03.2024.