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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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rischen Wall und unter seine Sommerfreuden zu¬
rück zu fliegen. Wenn ihn die ungezogne Nach¬
kommenschaft Hoppedizels für dumm hielt, weil
er nicht listig, für stolz, weil er nicht laut war:
so stillte er das Bluten seines Innern, das ver¬
lacht und geneckt wurde, mit dem Gedanken an
die Menschen, die ihn geliebt hatten, an seinen
Genius und an seine Schäferin. Um seinen Aman¬
dus hätt' er so gern eine andere als hoppedizelische
Nachbarschaft gehabt, so[ ]gern die Fluren und den
freien Himmel seiner Heimath! -- Er liebte das
Stille und Enge neben sich und das Unermeßliche
in der Natur. O wenn du bei mir bist, Trau¬
ter, wie will ich dich schonen und lieben! dein
Auge soll nie trübe neben meinem Lehrstuhle wer¬
den, dein Herz nie schwer! du zarte Pflanze sollst
nicht mit einschneidenden Bindfaden um mich als
eine richtende Hopfenstange geschnüret seyn, sondern
mit lebendigen Epheuwurzeln sollst du selber mich
als etwas lebendiges umfassen!

Ueberhaupt hatte man im Hoppedizelischen
Hause ein verdammtes Hundsleben, wie ich selber
oft sah wenn ich und der Hausherr einander über
die ersten Prinzipien der Moral bloß moralisch bei

riſchen Wall und unter ſeine Sommerfreuden zu¬
ruͤck zu fliegen. Wenn ihn die ungezogne Nach¬
kommenſchaft Hoppedizels fuͤr dumm hielt, weil
er nicht liſtig, fuͤr ſtolz, weil er nicht laut war:
ſo ſtillte er das Bluten ſeines Innern, das ver¬
lacht und geneckt wurde, mit dem Gedanken an
die Menſchen, die ihn geliebt hatten, an ſeinen
Genius und an ſeine Schaͤferin. Um ſeinen Aman¬
dus haͤtt' er ſo gern eine andere als hoppedizeliſche
Nachbarſchaft gehabt, ſo[ ]gern die Fluren und den
freien Himmel ſeiner Heimath! — Er liebte das
Stille und Enge neben ſich und das Unermeßliche
in der Natur. O wenn du bei mir biſt, Trau¬
ter, wie will ich dich ſchonen und lieben! dein
Auge ſoll nie truͤbe neben meinem Lehrſtuhle wer¬
den, dein Herz nie ſchwer! du zarte Pflanze ſollſt
nicht mit einſchneidenden Bindfaden um mich als
eine richtende Hopfenſtange geſchnuͤret ſeyn, ſondern
mit lebendigen Epheuwurzeln ſollſt du ſelber mich
als etwas lebendiges umfaſſen!

Ueberhaupt hatte man im Hoppedizeliſchen
Hauſe ein verdammtes Hundsleben, wie ich ſelber
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[162/0198] riſchen Wall und unter ſeine Sommerfreuden zu¬ ruͤck zu fliegen. Wenn ihn die ungezogne Nach¬ kommenſchaft Hoppedizels fuͤr dumm hielt, weil er nicht liſtig, fuͤr ſtolz, weil er nicht laut war: ſo ſtillte er das Bluten ſeines Innern, das ver¬ lacht und geneckt wurde, mit dem Gedanken an die Menſchen, die ihn geliebt hatten, an ſeinen Genius und an ſeine Schaͤferin. Um ſeinen Aman¬ dus haͤtt' er ſo gern eine andere als hoppedizeliſche Nachbarſchaft gehabt, ſo gern die Fluren und den freien Himmel ſeiner Heimath! — Er liebte das Stille und Enge neben ſich und das Unermeßliche in der Natur. O wenn du bei mir biſt, Trau¬ ter, wie will ich dich ſchonen und lieben! dein Auge ſoll nie truͤbe neben meinem Lehrſtuhle wer¬ den, dein Herz nie ſchwer! du zarte Pflanze ſollſt nicht mit einſchneidenden Bindfaden um mich als eine richtende Hopfenſtange geſchnuͤret ſeyn, ſondern mit lebendigen Epheuwurzeln ſollſt du ſelber mich als etwas lebendiges umfaſſen! Ueberhaupt hatte man im Hoppedizeliſchen Hauſe ein verdammtes Hundsleben, wie ich ſelber oft ſah wenn ich und der Hausherr einander uͤber die erſten Prinzipien der Moral bloß moraliſch bei

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/198>, abgerufen am 24.04.2024.