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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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hineingestoßen, wer will dich trösten? -- Aber
eine schuldlose würde ich rufen und ihr das
schwere Sterben zeigen und sie fragen: soll
dein Kind auch so untergehen? --

59. Zykel.

Es war ein romantischer Tag für Zesara,
sogar von außen; Sonnenfunken und Regen¬
tropfen spielten blendend durch den Himmel.
Er hatte einen Brief von seinem Vater aus
Madrid bekommen, der auf den gedrohten
Tod seiner Schwester endlich das schwarze Sie¬
gel der Gewißheit drückte und worin nichts An¬
genehmes war als die Nachricht, daß Don
Gaspard mit der Gräfin de Romeiro, deren
Vormundschaft er nun schließe, in dem Herbste
(dem italienischen Frühling) nach Italien gehe.
Zwei Töne waren ihm aus der Tonleiter der
Liebe gerissen, er erfuhr nie, wie man einen
Bruder liebe und eine Schwester. Das Zu¬
sammentreffen ihrer Sterbenacht mit der Tar¬
tarus-Nacht, dieses ganze Einkrallen in die
heiligen Bilder und Wünsche seines Herzens em¬
pörte seinen Geist und er fühlte zornig, wie
ohnmächtig eine ganze antastende Welt Lia¬

hineingeſtoßen, wer will dich tröſten? — Aber
eine ſchuldloſe würde ich rufen und ihr das
ſchwere Sterben zeigen und ſie fragen: ſoll
dein Kind auch ſo untergehen? —

59. Zykel.

Es war ein romantiſcher Tag für Zeſara,
ſogar von außen; Sonnenfunken und Regen¬
tropfen ſpielten blendend durch den Himmel.
Er hatte einen Brief von ſeinem Vater aus
Madrid bekommen, der auf den gedrohten
Tod ſeiner Schweſter endlich das ſchwarze Sie¬
gel der Gewißheit drückte und worin nichts An¬
genehmes war als die Nachricht, daß Don
Gaſpard mit der Gräfin de Romeiro, deren
Vormundſchaft er nun ſchließe, in dem Herbſte
(dem italieniſchen Frühling) nach Italien gehe.
Zwei Töne waren ihm aus der Tonleiter der
Liebe geriſſen, er erfuhr nie, wie man einen
Bruder liebe und eine Schweſter. Das Zu¬
ſammentreffen ihrer Sterbenacht mit der Tar¬
tarus-Nacht, dieſes ganze Einkrallen in die
heiligen Bilder und Wünſche ſeines Herzens em¬
pörte ſeinen Geiſt und er fühlte zornig, wie
ohnmächtig eine ganze antaſtende Welt Lia¬

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[95/0103] hineingeſtoßen, wer will dich tröſten? — Aber eine ſchuldloſe würde ich rufen und ihr das ſchwere Sterben zeigen und ſie fragen: ſoll dein Kind auch ſo untergehen? — 59. Zykel. Es war ein romantiſcher Tag für Zeſara, ſogar von außen; Sonnenfunken und Regen¬ tropfen ſpielten blendend durch den Himmel. Er hatte einen Brief von ſeinem Vater aus Madrid bekommen, der auf den gedrohten Tod ſeiner Schweſter endlich das ſchwarze Sie¬ gel der Gewißheit drückte und worin nichts An¬ genehmes war als die Nachricht, daß Don Gaſpard mit der Gräfin de Romeiro, deren Vormundſchaft er nun ſchließe, in dem Herbſte (dem italieniſchen Frühling) nach Italien gehe. Zwei Töne waren ihm aus der Tonleiter der Liebe geriſſen, er erfuhr nie, wie man einen Bruder liebe und eine Schweſter. Das Zu¬ ſammentreffen ihrer Sterbenacht mit der Tar¬ tarus-Nacht, dieſes ganze Einkrallen in die heiligen Bilder und Wünſche ſeines Herzens em¬ pörte ſeinen Geiſt und er fühlte zornig, wie ohnmächtig eine ganze antaſtende Welt Lia¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/103>, abgerufen am 19.04.2024.