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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Und hiemit nahm sie Gertrud an Arm,
gieng mit ihr etliche Schritte, und wußte nicht,
was sie sagen wollte.

Gertrud rühmte von neuem den Rudj, und
seine Haushaltung, und sie hörte zu wie in
der Kirche, fragte einmal über das andere,
wie ist jezt das? Was sagst du? am Ende
gieng sie so freundlich von ihr heim, als sie un-
freundlich zu ihr gekommen.

§. 34.
Wie sich der Mensch an Seel und Leib
krümmt und windet -- wenn er etwas
will, und meynt -- er wolle es nicht.

Und dann daheim saß sie hinter dem Ofen,
machte kein Licht bis es stokfinster war,
und als sie ins Beth gieng, wollten ihr die Au-
gen nicht zu, was sie auch machte, sie mußte
nur an ihn sinnen.

Sie meynte freylich, sie könne ihn nicht neh-
men, sagte denn aber doch in ihrem Staunen:
ich wollte gern, ich könnte ihn nehmen, aber
es kann nicht seyn, -- so alt, -- und so viel
Kinder, -- es kann nichts draus werden; --
und doch stuhnd er ihr immer vor Augen, --
und es war ihr völlig, wie wenn jezo im Beth
ihr jemand vor den Ohren die gleichen Worte

wieder

Und hiemit nahm ſie Gertrud an Arm,
gieng mit ihr etliche Schritte, und wußte nicht,
was ſie ſagen wollte.

Gertrud ruͤhmte von neuem den Rudj, und
ſeine Haushaltung, und ſie hoͤrte zu wie in
der Kirche, fragte einmal uͤber das andere,
wie iſt jezt das? Was ſagſt du? am Ende
gieng ſie ſo freundlich von ihr heim, als ſie un-
freundlich zu ihr gekommen.

§. 34.
Wie ſich der Menſch an Seel und Leib
kruͤmmt und windet — wenn er etwas
will, und meynt — er wolle es nicht.

Und dann daheim ſaß ſie hinter dem Ofen,
machte kein Licht bis es ſtokfinſter war,
und als ſie ins Beth gieng, wollten ihr die Au-
gen nicht zu, was ſie auch machte, ſie mußte
nur an ihn ſinnen.

Sie meynte freylich, ſie koͤnne ihn nicht neh-
men, ſagte denn aber doch in ihrem Staunen:
ich wollte gern, ich koͤnnte ihn nehmen, aber
es kann nicht ſeyn, — ſo alt, — und ſo viel
Kinder, — es kann nichts draus werden; —
und doch ſtuhnd er ihr immer vor Augen, —
und es war ihr voͤllig, wie wenn jezo im Beth
ihr jemand vor den Ohren die gleichen Worte

wieder
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[160/0182] Und hiemit nahm ſie Gertrud an Arm, gieng mit ihr etliche Schritte, und wußte nicht, was ſie ſagen wollte. Gertrud ruͤhmte von neuem den Rudj, und ſeine Haushaltung, und ſie hoͤrte zu wie in der Kirche, fragte einmal uͤber das andere, wie iſt jezt das? Was ſagſt du? am Ende gieng ſie ſo freundlich von ihr heim, als ſie un- freundlich zu ihr gekommen. §. 34. Wie ſich der Menſch an Seel und Leib kruͤmmt und windet — wenn er etwas will, und meynt — er wolle es nicht. Und dann daheim ſaß ſie hinter dem Ofen, machte kein Licht bis es ſtokfinſter war, und als ſie ins Beth gieng, wollten ihr die Au- gen nicht zu, was ſie auch machte, ſie mußte nur an ihn ſinnen. Sie meynte freylich, ſie koͤnne ihn nicht neh- men, ſagte denn aber doch in ihrem Staunen: ich wollte gern, ich koͤnnte ihn nehmen, aber es kann nicht ſeyn, — ſo alt, — und ſo viel Kinder, — es kann nichts draus werden; — und doch ſtuhnd er ihr immer vor Augen, — und es war ihr voͤllig, wie wenn jezo im Beth ihr jemand vor den Ohren die gleichen Worte wieder

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/182>, abgerufen am 28.03.2024.