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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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IV. Ein Gehacktes.
nicht, daß man die Gerichte, die in dem so pos-
sirlichen Tempel des guten Geschmacks aufge-
tragen, denen kochmäßigen vorziehen werde.

Viertes Couvert.
Ein Gehacktes mit Rosinen und Kapern.

Wenn wir Köche ein Gerichte, das an sich
nicht gar zu appetitlich ist, als z. E. Lunge,
Kaldaunen, Flecke, Füße und dergleichen, so
zurichten wollen, daß es von gutem Geschmak-
ke
werde: So machen wir draus ein Gehack-
tes.
Z. E. ein Lungenmus mit kleinen Rosi-
nen, eine Gallert, Gänse-Klee, Schöpsen-But-
ten mit Kraut, etc. Ein solches Gehacktes hat
der neue Traiteur im eröffneten Tempel des
guten Geschmacks,
anstatt gebratener Fasa-
nen, oder anderer in sich reizender Speisen,
aufgetragen. Er liefert uns ein Gedichte, das
er in viel kleine Stückgen zerhackt hat. Er
hat sich einer neuen Erfindung bedient, oder
vielmehr um ein altes, kahles, und durch den
gemeinschaftlichen Demüthiger, wie ihn der
Autor nennt, als unschmackhaft erklärtes Zu-
gemüse eine neue Brühe gegossen. Was ist
nämlich bekannter und abgedroschener, als daß
man auf einer Seite eine Reihe Verse hinschrei-
bet, darauf Sterngen bey etlichen Passagen
macht, eine Linie unter den Text zieht, und die
Sterngen-Passagen in gewissen Anmerkungen
erläutert? Bey dieser Methode konnte man
nun doch den Vortheil haben, daß, wenn die

Noten

IV. Ein Gehacktes.
nicht, daß man die Gerichte, die in dem ſo poſ-
ſirlichen Tempel des guten Geſchmacks aufge-
tragen, denen kochmaͤßigen vorziehen werde.

Viertes Couvert.
Ein Gehacktes mit Roſinen und Kapern.

Wenn wir Koͤche ein Gerichte, das an ſich
nicht gar zu appetitlich iſt, als z. E. Lunge,
Kaldaunen, Flecke, Fuͤße und dergleichen, ſo
zurichten wollen, daß es von gutem Geſchmak-
ke
werde: So machen wir draus ein Gehack-
tes.
Z. E. ein Lungenmus mit kleinen Roſi-
nen, eine Gallert, Gaͤnſe-Klee, Schoͤpſen-But-
ten mit Kraut, ꝛc. Ein ſolches Gehacktes hat
der neue Traiteur im eroͤffneten Tempel des
guten Geſchmacks,
anſtatt gebratener Faſa-
nen, oder anderer in ſich reizender Speiſen,
aufgetragen. Er liefert uns ein Gedichte, das
er in viel kleine Stuͤckgen zerhackt hat. Er
hat ſich einer neuen Erfindung bedient, oder
vielmehr um ein altes, kahles, und durch den
gemeinſchaftlichen Demuͤthiger, wie ihn der
Autor nennt, als unſchmackhaft erklaͤrtes Zu-
gemuͤſe eine neue Bruͤhe gegoſſen. Was iſt
naͤmlich bekannter und abgedroſchener, als daß
man auf einer Seite eine Reihe Verſe hinſchrei-
bet, darauf Sterngen bey etlichen Paſſagen
macht, eine Linie unter den Text zieht, und die
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erlaͤutert? Bey dieſer Methode konnte man
nun doch den Vortheil haben, daß, wenn die

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[266/0274] IV. Ein Gehacktes. nicht, daß man die Gerichte, die in dem ſo poſ- ſirlichen Tempel des guten Geſchmacks aufge- tragen, denen kochmaͤßigen vorziehen werde. Viertes Couvert. Ein Gehacktes mit Roſinen und Kapern. Wenn wir Koͤche ein Gerichte, das an ſich nicht gar zu appetitlich iſt, als z. E. Lunge, Kaldaunen, Flecke, Fuͤße und dergleichen, ſo zurichten wollen, daß es von gutem Geſchmak- ke werde: So machen wir draus ein Gehack- tes. Z. E. ein Lungenmus mit kleinen Roſi- nen, eine Gallert, Gaͤnſe-Klee, Schoͤpſen-But- ten mit Kraut, ꝛc. Ein ſolches Gehacktes hat der neue Traiteur im eroͤffneten Tempel des guten Geſchmacks, anſtatt gebratener Faſa- nen, oder anderer in ſich reizender Speiſen, aufgetragen. Er liefert uns ein Gedichte, das er in viel kleine Stuͤckgen zerhackt hat. Er hat ſich einer neuen Erfindung bedient, oder vielmehr um ein altes, kahles, und durch den gemeinſchaftlichen Demuͤthiger, wie ihn der Autor nennt, als unſchmackhaft erklaͤrtes Zu- gemuͤſe eine neue Bruͤhe gegoſſen. Was iſt naͤmlich bekannter und abgedroſchener, als daß man auf einer Seite eine Reihe Verſe hinſchrei- bet, darauf Sterngen bey etlichen Paſſagen macht, eine Linie unter den Text zieht, und die Sterngen-Paſſagen in gewiſſen Anmerkungen erlaͤutert? Bey dieſer Methode konnte man nun doch den Vortheil haben, daß, wenn die Noten

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/274>, abgerufen am 28.03.2024.