Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Drum sind auch blos Saalbader in Gunst bei ihr, Saal-
bader in Achtung;
Drum liest sie nur dich, statt Goethe und statt Jean Paul,
saalbadernder Clauren,
Und blättert, anstatt in der Bibel, in euch, saalbadernde
Stunden der Andacht!
Ach, während der Wirth mir erzählte, befiel mich im Her-
zen die stärkste Versuchung:
O hätt' ich doch nur die geringste Partie vom Riesenver-
mögen der Lady!
Sie könnte mir wohl abtreten ein Theil, nur ein Röllchen
Dukaten als Zehrgeld:
Es erfordert ja doch ein gerechtes Gesetz gleichmäßige Gü-
tervertheilung!
O könnt' ich doch nur aufsprengen dahier die gewaltige Kiste
von Eisen!
Aber das ist ganz unmöglich, scheint's, da zu stark und
fest sie verwahrt ist.
Mag seyn, daß drinnen im Schlafkabinet zur Seite der
Lady die Börse
Auf dem Nachttisch liegt, die könnt' ich ja wohl, ganz ohne
Gefährde, stipitzen.
Doch würde mir wach die Britannierin? Dann müßt' ich
verstopfen den Mund ihr.
Wie verhängnißvoll, daß gerad' ich noch mithabe die Gabel
des Mopsus!
Nur ein Stich, so spaziert noch heute mir durch elysäische
Felder die Lady:
Glückseliges Loos! Auch sagte der Wirth, sie wäre vermuth-
lich ein Scheusal.
Hat Herkules nicht von solchem Gethüm die gesäuberten
Länder befreit einst?
Drum ſind auch blos Saalbader in Gunſt bei ihr, Saal-
bader in Achtung;
Drum liest ſie nur dich, ſtatt Goethe und ſtatt Jean Paul,
ſaalbadernder Clauren,
Und blaͤttert, anſtatt in der Bibel, in euch, ſaalbadernde
Stunden der Andacht!
Ach, waͤhrend der Wirth mir erzaͤhlte, befiel mich im Her-
zen die ſtaͤrkſte Verſuchung:
O haͤtt' ich doch nur die geringſte Partie vom Rieſenver-
moͤgen der Lady!
Sie koͤnnte mir wohl abtreten ein Theil, nur ein Roͤllchen
Dukaten als Zehrgeld:
Es erfordert ja doch ein gerechtes Geſetz gleichmaͤßige Guͤ-
tervertheilung!
O koͤnnt' ich doch nur aufſprengen dahier die gewaltige Kiſte
von Eiſen!
Aber das iſt ganz unmoͤglich, ſcheint's, da zu ſtark und
feſt ſie verwahrt iſt.
Mag ſeyn, daß drinnen im Schlafkabinet zur Seite der
Lady die Boͤrſe
Auf dem Nachttiſch liegt, die koͤnnt' ich ja wohl, ganz ohne
Gefaͤhrde, ſtipitzen.
Doch wuͤrde mir wach die Britannierin? Dann muͤßt' ich
verſtopfen den Mund ihr.
Wie verhaͤngnißvoll, daß gerad' ich noch mithabe die Gabel
des Mopſus!
Nur ein Stich, ſo ſpaziert noch heute mir durch elyſaͤiſche
Felder die Lady:
Gluͤckſeliges Loos! Auch ſagte der Wirth, ſie waͤre vermuth-
lich ein Scheuſal.
Hat Herkules nicht von ſolchem Gethuͤm die geſaͤuberten
Laͤnder befreit einſt?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#DAM">
            <p><pb facs="#f0085" n="79"/>
Drum &#x017F;ind auch blos Saalbader in Gun&#x017F;t bei ihr, Saal-<lb/>
bader in Achtung;<lb/>
Drum liest &#x017F;ie nur dich, &#x017F;tatt Goethe und &#x017F;tatt Jean Paul,<lb/>
&#x017F;aalbadernder Clauren,<lb/>
Und bla&#x0364;ttert, an&#x017F;tatt in der Bibel, in euch, &#x017F;aalbadernde<lb/>
Stunden der Andacht!<lb/>
Ach, wa&#x0364;hrend der Wirth mir erza&#x0364;hlte, befiel mich im Her-<lb/>
zen die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;te Ver&#x017F;uchung:<lb/>
O ha&#x0364;tt' ich doch nur die gering&#x017F;te Partie vom Rie&#x017F;enver-<lb/>
mo&#x0364;gen der Lady!<lb/>
Sie ko&#x0364;nnte mir wohl abtreten ein Theil, nur ein Ro&#x0364;llchen<lb/>
Dukaten als Zehrgeld:<lb/>
Es erfordert ja doch ein gerechtes Ge&#x017F;etz gleichma&#x0364;ßige Gu&#x0364;-<lb/>
tervertheilung!<lb/>
O ko&#x0364;nnt' ich doch nur auf&#x017F;prengen dahier die gewaltige Ki&#x017F;te<lb/>
von Ei&#x017F;en!<lb/>
Aber das i&#x017F;t ganz unmo&#x0364;glich, &#x017F;cheint's, da zu &#x017F;tark und<lb/>
fe&#x017F;t &#x017F;ie verwahrt i&#x017F;t.<lb/>
Mag &#x017F;eyn, daß drinnen im Schlafkabinet zur Seite der<lb/>
Lady die Bo&#x0364;r&#x017F;e<lb/>
Auf dem Nachtti&#x017F;ch liegt, die ko&#x0364;nnt' ich ja wohl, ganz ohne<lb/>
Gefa&#x0364;hrde, &#x017F;tipitzen.<lb/>
Doch wu&#x0364;rde mir wach die Britannierin? Dann mu&#x0364;ßt' ich<lb/>
ver&#x017F;topfen den Mund ihr.<lb/>
Wie verha&#x0364;ngnißvoll, daß gerad' ich noch mithabe die Gabel<lb/>
des Mop&#x017F;us!<lb/>
Nur ein Stich, &#x017F;o &#x017F;paziert noch heute mir durch ely&#x017F;a&#x0364;i&#x017F;che<lb/>
Felder die Lady:<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eliges Loos! Auch &#x017F;agte der Wirth, &#x017F;ie wa&#x0364;re vermuth-<lb/>
lich ein Scheu&#x017F;al.<lb/>
Hat Herkules nicht von &#x017F;olchem Gethu&#x0364;m die ge&#x017F;a&#x0364;uberten<lb/>
La&#x0364;nder befreit ein&#x017F;t?<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0085] Drum ſind auch blos Saalbader in Gunſt bei ihr, Saal- bader in Achtung; Drum liest ſie nur dich, ſtatt Goethe und ſtatt Jean Paul, ſaalbadernder Clauren, Und blaͤttert, anſtatt in der Bibel, in euch, ſaalbadernde Stunden der Andacht! Ach, waͤhrend der Wirth mir erzaͤhlte, befiel mich im Her- zen die ſtaͤrkſte Verſuchung: O haͤtt' ich doch nur die geringſte Partie vom Rieſenver- moͤgen der Lady! Sie koͤnnte mir wohl abtreten ein Theil, nur ein Roͤllchen Dukaten als Zehrgeld: Es erfordert ja doch ein gerechtes Geſetz gleichmaͤßige Guͤ- tervertheilung! O koͤnnt' ich doch nur aufſprengen dahier die gewaltige Kiſte von Eiſen! Aber das iſt ganz unmoͤglich, ſcheint's, da zu ſtark und feſt ſie verwahrt iſt. Mag ſeyn, daß drinnen im Schlafkabinet zur Seite der Lady die Boͤrſe Auf dem Nachttiſch liegt, die koͤnnt' ich ja wohl, ganz ohne Gefaͤhrde, ſtipitzen. Doch wuͤrde mir wach die Britannierin? Dann muͤßt' ich verſtopfen den Mund ihr. Wie verhaͤngnißvoll, daß gerad' ich noch mithabe die Gabel des Mopſus! Nur ein Stich, ſo ſpaziert noch heute mir durch elyſaͤiſche Felder die Lady: Gluͤckſeliges Loos! Auch ſagte der Wirth, ſie waͤre vermuth- lich ein Scheuſal. Hat Herkules nicht von ſolchem Gethuͤm die geſaͤuberten Laͤnder befreit einſt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/85
Zitationshilfe: Platen, August von: Die verhängnißvolle Gabel. Stuttgart u. a., 1826, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gabel_1826/85>, abgerufen am 29.03.2024.