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Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717.

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Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] [Ende Spaltensatz]
Wie die Schildkröten gefangen
werden.

Die Schildkröten werden auf drey-
erley Weise gefangen, wenn sie sich be-
gatten, mit dem Harpon, und wenn sie
aufs Land kommen.

Die Schildkröten gatten sich vom
Anfang des Mertzens bis mitten in den
May. Alle Umstände, die dabey vor-
gehen, lasse ich mit Willen aus, und sa-
ge nur, daß es auf dem Wasser geschehe,
dergestalt, daß sie gar leichtlich können
entdecket werden. Alsdann fallen ge-
schwind zwey oder drey Mann in ein
Kahn, fahren ihnen behende nach, und
kommen gantz leichtlich an sie. Drauf
legen sie ihnen eine Schlinge um den
Hals, oder an eine Pfote, oder ergreif-
fen sie, im Fall sie keinen Strick bey sich
haben, mit der Hand, oben beym Hal-
se, wo sich die Schale endiget. Bis-
weilen bekommt man sie allebeyde, ins-
gemein aber entwischet das Weiblein.
Allein die Männlein sind um dieselbe
Zeit mager und harte, hingegen die
Weiblein sehr fett.

Die Jagt der Schildkröten mit
dem Harpon geschicht auf eben die Art,
wie sie die Seekälber zu jagen pflegen,
ausgenommen, daß an statt des Har-
pons, unten in die Stange, welche
Varre genennt wird, ein viereckter sehr
spitziger Nagel, des halben Fingers
lang, geschlagen, und an diesen die Lei-
ne feste gemachet wird. Wenn nun
die Varre oder die Stange der Schild-
kröte auf den Buckel geworffen wird,
tringet der Nagel bis in die Helfte der
Schale, die aus lauter Bein bestehet,
hinein, und hält darinne, als ob er in
eine Eiche geschlagen wäre. Die Schild-
kröte so sich getroffen empfindet, wendet
eben soviel Kräfte an, als wie der La-
mantin, und der so sie geschossen, und
Varreur genennet wird, gleichen Fleiß.
Nun sagen wohl etliche, der Schildkrö-
te entgiengen die Kräfte, von wegen des
vergossenen Blutes; dieselben aber wis-
sen nicht, daß sie keinen einigen Tro-
pfen Bluts aus dem verwundeten Or-
te, ehe und bevor der Nagel herausge-
zogen worden, vergiesset.

Vom April an bis auf den August-
monat kommen die Schildkröten zu
Lande: dann um dieselbige Zeit befin-
[Spaltenumbruch] den sie sich ihres Wachsthums halber,
und wegen der grossen Menge Eyer, de-
rer zuweilen bis auf 2000. sind, be-
schweret, und also von Natur genöthi-
get, daß sie ohnverzüglich bey der Nacht
die See verlassen, und einen Ort am
Strande aussuchen müssen, an dem sie
sich ihrer Bürde, wenigstens zum Theil,
entledigen mögen. Wenn sie nun ei-
nen Ort ausgefunden, der zu ihrem
Vorhaben dienlich und beqvem, und
iederzeit sandicht ist, so lassen sie es die-
selbe Nacht dabey bewenden, daß sie
den Platz erkundiget, kehren gantz ge-
machsam zurücke nach der See, und
verschieben das übrige auf die folgende
Nacht, oder auch auf eine andere; den
Tag über weiden sie in dem Grase an
den Steinklippen, und schwimmen hin
und her, sonder Zweiffel, damit sie sich
von demjenigen Orte, dahin sie legen
wollen, nicht allzuweit entfernen mö-
gen.

Wann dann die Sonne wiederum
will zu Rüste gehen, lassen sie sich gantz
oben auf den Wellen sehen, und schau-
en auf allen Ecken um, gleich als ob sie
sich einiger Nachstellung befürchteten.
Wann sie nun iemand am Strande ge-
wahr werden, denn sie ein überaus
scharffes Gesichte haben, suchen sie also-
fort einen sicherern Ort. Mercken sie
aber niemand, so kommen sie bey der
Nacht aufs Land, und nachdem sie sich
überall wohl umgesehen, heben sie an
zu arbeiten, und mit den Vorderpfoten
ein rundes Loch zu graben, welches sie
eines Fusses breit und anderthalb
Schuh tieff machen. Darauf setzen
sie sich drüber, und legen auf einmahl,
hintereinander, zwey oder drey hun-
dert Eyer, welche so groß und rund sind,
als wie ein Spielball. Die Schale dieser
Eyer ist zähe, wie ein feuchtes Perga-
ment: das weisse kan niemahls gar
gekochet werden, ob schon das gelbe
leichtlich harte wird. Die Schildkröte
verharret länger als eine Stunde über
dem legen, und zu solcher Zeit könte ein
geladener Wagen über sie hinfahren,
ohne daß sie von der Stelle weichen
würde. Nachdem sie nun ihr Werck
vollbracht, verstopft sie das Loch so ge-
schicklich, und scharret so viel Sand
drum herum, daß einer alle Mühe hat

die
Der Spezereyen und Materialien
[Spaltenumbruch] [Ende Spaltensatz]
Wie die Schildkroͤten gefangen
werden.

Die Schildkroͤten werden auf drey-
erley Weiſe gefangen, wenn ſie ſich be-
gatten, mit dem Harpon, und wenn ſie
aufs Land kommen.

Die Schildkroͤten gatten ſich vom
Anfang des Mertzens bis mitten in den
May. Alle Umſtaͤnde, die dabey vor-
gehen, laſſe ich mit Willen aus, und ſa-
ge nur, daß es auf dem Waſſer geſchehe,
dergeſtalt, daß ſie gar leichtlich koͤnnen
entdecket werden. Alsdann fallen ge-
ſchwind zwey oder drey Mann in ein
Kahn, fahren ihnen behende nach, und
kommen gantz leichtlich an ſie. Drauf
legen ſie ihnen eine Schlinge um den
Hals, oder an eine Pfote, oder ergreif-
fen ſie, im Fall ſie keinen Strick bey ſich
haben, mit der Hand, oben beym Hal-
ſe, wo ſich die Schale endiget. Bis-
weilen bekommt man ſie allebeyde, ins-
gemein aber entwiſchet das Weiblein.
Allein die Maͤnnlein ſind um dieſelbe
Zeit mager und harte, hingegen die
Weiblein ſehr fett.

Die Jagt der Schildkroͤten mit
dem Harpon geſchicht auf eben die Art,
wie ſie die Seekaͤlber zu jagen pflegen,
ausgenommen, daß an ſtatt des Har-
pons, unten in die Stange, welche
Varre genennt wird, ein viereckter ſehr
ſpitziger Nagel, des halben Fingers
lang, geſchlagen, und an dieſen die Lei-
ne feſte gemachet wird. Wenn nun
die Varre oder die Stange der Schild-
kroͤte auf den Buckel geworffen wird,
tringet der Nagel bis in die Helfte der
Schale, die aus lauter Bein beſtehet,
hinein, und haͤlt darinne, als ob er in
eine Eiche geſchlagen waͤre. Die Schild-
kroͤte ſo ſich getroffen empfindet, wendet
eben ſoviel Kraͤfte an, als wie der La-
mantin, und der ſo ſie geſchoſſen, und
Varreur genennet wird, gleichen Fleiß.
Nun ſagen wohl etliche, der Schildkroͤ-
te entgiengen die Kraͤfte, von wegen des
vergoſſenen Blutes; dieſelben aber wiſ-
ſen nicht, daß ſie keinen einigen Tro-
pfen Bluts aus dem verwundeten Or-
te, ehe und bevor der Nagel herausge-
zogen worden, vergieſſet.

Vom April an bis auf den Auguſt-
monat kommen die Schildkroͤten zu
Lande: dann um dieſelbige Zeit befin-
[Spaltenumbruch] den ſie ſich ihres Wachsthums halber,
und wegen der groſſen Menge Eyer, de-
rer zuweilen bis auf 2000. ſind, be-
ſchweret, und alſo von Natur genoͤthi-
get, daß ſie ohnverzuͤglich bey der Nacht
die See verlaſſen, und einen Ort am
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ſich ihrer Buͤrde, wenigſtens zum Theil,
entledigen moͤgen. Wenn ſie nun ei-
nen Ort ausgefunden, der zu ihrem
Vorhaben dienlich und beqvem, und
iederzeit ſandicht iſt, ſo laſſen ſie es die-
ſelbe Nacht dabey bewenden, daß ſie
den Platz erkundiget, kehren gantz ge-
machſam zuruͤcke nach der See, und
verſchieben das uͤbrige auf die folgende
Nacht, oder auch auf eine andere; den
Tag uͤber weiden ſie in dem Graſe an
den Steinklippen, und ſchwimmen hin
und her, ſonder Zweiffel, damit ſie ſich
von demjenigen Orte, dahin ſie legen
wollen, nicht allzuweit entfernen moͤ-
gen.

Wann dann die Sonne wiederum
will zu Ruͤſte gehen, laſſen ſie ſich gantz
oben auf den Wellen ſehen, und ſchau-
en auf allen Ecken um, gleich als ob ſie
ſich einiger Nachſtellung befuͤrchteten.
Wann ſie nun iemand am Strande ge-
wahr werden, denn ſie ein uͤberaus
ſcharffes Geſichte haben, ſuchen ſie alſo-
fort einen ſicherern Ort. Mercken ſie
aber niemand, ſo kommen ſie bey der
Nacht aufs Land, und nachdem ſie ſich
uͤberall wohl umgeſehen, heben ſie an
zu arbeiten, und mit den Vorderpfoten
ein rundes Loch zu graben, welches ſie
eines Fuſſes breit und anderthalb
Schuh tieff machen. Darauf ſetzen
ſie ſich druͤber, und legen auf einmahl,
hintereinander, zwey oder drey hun-
dert Eyer, welche ſo groß und rund ſind,
als wie ein Spielball. Die Schale dieſer
Eyer iſt zaͤhe, wie ein feuchtes Perga-
ment: das weiſſe kan niemahls gar
gekochet werden, ob ſchon das gelbe
leichtlich harte wird. Die Schildkroͤte
verharret laͤnger als eine Stunde uͤber
dem legen, und zu ſolcher Zeit koͤnte ein
geladener Wagen uͤber ſie hinfahren,
ohne daß ſie von der Stelle weichen
wuͤrde. Nachdem ſie nun ihr Werck
vollbracht, verſtopft ſie das Loch ſo ge-
ſchicklich, und ſcharret ſo viel Sand
drum herum, daß einer alle Muͤhe hat

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[0444] Der Spezereyen und Materialien Wie die Schildkroͤten gefangen werden. Die Schildkroͤten werden auf drey- erley Weiſe gefangen, wenn ſie ſich be- gatten, mit dem Harpon, und wenn ſie aufs Land kommen. Die Schildkroͤten gatten ſich vom Anfang des Mertzens bis mitten in den May. Alle Umſtaͤnde, die dabey vor- gehen, laſſe ich mit Willen aus, und ſa- ge nur, daß es auf dem Waſſer geſchehe, dergeſtalt, daß ſie gar leichtlich koͤnnen entdecket werden. Alsdann fallen ge- ſchwind zwey oder drey Mann in ein Kahn, fahren ihnen behende nach, und kommen gantz leichtlich an ſie. Drauf legen ſie ihnen eine Schlinge um den Hals, oder an eine Pfote, oder ergreif- fen ſie, im Fall ſie keinen Strick bey ſich haben, mit der Hand, oben beym Hal- ſe, wo ſich die Schale endiget. Bis- weilen bekommt man ſie allebeyde, ins- gemein aber entwiſchet das Weiblein. Allein die Maͤnnlein ſind um dieſelbe Zeit mager und harte, hingegen die Weiblein ſehr fett. Die Jagt der Schildkroͤten mit dem Harpon geſchicht auf eben die Art, wie ſie die Seekaͤlber zu jagen pflegen, ausgenommen, daß an ſtatt des Har- pons, unten in die Stange, welche Varre genennt wird, ein viereckter ſehr ſpitziger Nagel, des halben Fingers lang, geſchlagen, und an dieſen die Lei- ne feſte gemachet wird. Wenn nun die Varre oder die Stange der Schild- kroͤte auf den Buckel geworffen wird, tringet der Nagel bis in die Helfte der Schale, die aus lauter Bein beſtehet, hinein, und haͤlt darinne, als ob er in eine Eiche geſchlagen waͤre. Die Schild- kroͤte ſo ſich getroffen empfindet, wendet eben ſoviel Kraͤfte an, als wie der La- mantin, und der ſo ſie geſchoſſen, und Varreur genennet wird, gleichen Fleiß. Nun ſagen wohl etliche, der Schildkroͤ- te entgiengen die Kraͤfte, von wegen des vergoſſenen Blutes; dieſelben aber wiſ- ſen nicht, daß ſie keinen einigen Tro- pfen Bluts aus dem verwundeten Or- te, ehe und bevor der Nagel herausge- zogen worden, vergieſſet. Vom April an bis auf den Auguſt- monat kommen die Schildkroͤten zu Lande: dann um dieſelbige Zeit befin- den ſie ſich ihres Wachsthums halber, und wegen der groſſen Menge Eyer, de- rer zuweilen bis auf 2000. ſind, be- ſchweret, und alſo von Natur genoͤthi- get, daß ſie ohnverzuͤglich bey der Nacht die See verlaſſen, und einen Ort am Strande ausſuchen muͤſſen, an dem ſie ſich ihrer Buͤrde, wenigſtens zum Theil, entledigen moͤgen. Wenn ſie nun ei- nen Ort ausgefunden, der zu ihrem Vorhaben dienlich und beqvem, und iederzeit ſandicht iſt, ſo laſſen ſie es die- ſelbe Nacht dabey bewenden, daß ſie den Platz erkundiget, kehren gantz ge- machſam zuruͤcke nach der See, und verſchieben das uͤbrige auf die folgende Nacht, oder auch auf eine andere; den Tag uͤber weiden ſie in dem Graſe an den Steinklippen, und ſchwimmen hin und her, ſonder Zweiffel, damit ſie ſich von demjenigen Orte, dahin ſie legen wollen, nicht allzuweit entfernen moͤ- gen. Wann dann die Sonne wiederum will zu Ruͤſte gehen, laſſen ſie ſich gantz oben auf den Wellen ſehen, und ſchau- en auf allen Ecken um, gleich als ob ſie ſich einiger Nachſtellung befuͤrchteten. Wann ſie nun iemand am Strande ge- wahr werden, denn ſie ein uͤberaus ſcharffes Geſichte haben, ſuchen ſie alſo- fort einen ſicherern Ort. Mercken ſie aber niemand, ſo kommen ſie bey der Nacht aufs Land, und nachdem ſie ſich uͤberall wohl umgeſehen, heben ſie an zu arbeiten, und mit den Vorderpfoten ein rundes Loch zu graben, welches ſie eines Fuſſes breit und anderthalb Schuh tieff machen. Darauf ſetzen ſie ſich druͤber, und legen auf einmahl, hintereinander, zwey oder drey hun- dert Eyer, welche ſo groß und rund ſind, als wie ein Spielball. Die Schale dieſer Eyer iſt zaͤhe, wie ein feuchtes Perga- ment: das weiſſe kan niemahls gar gekochet werden, ob ſchon das gelbe leichtlich harte wird. Die Schildkroͤte verharret laͤnger als eine Stunde uͤber dem legen, und zu ſolcher Zeit koͤnte ein geladener Wagen uͤber ſie hinfahren, ohne daß ſie von der Stelle weichen wuͤrde. Nachdem ſie nun ihr Werck vollbracht, verſtopft ſie das Loch ſo ge- ſchicklich, und ſcharret ſo viel Sand drum herum, daß einer alle Muͤhe hat die

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Zitationshilfe: Pomet, Peter: Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler. Leipzig, 1717, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pomet_materialist_1717/444>, abgerufen am 28.03.2024.