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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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wir zu steigen anfangen. Da sie von so hoch sin-
ken, und wir von so tief steigen müssen, so kann es
demohngeachtet noch lange dauern, ehe wir uns auf
demselben Punkte begegnen, aber, wie gesagt, uns
entgegen zu gehen, haben wir, glaube ich, angefan-
gen. Deutschland Glück auf!! erlangen deine Bewoh-
ner nur Freiheit, so wird ihnen jedes Streben
gelingen.



Die heutige Tagereise war nicht groß, aber in-
haltsschwer, denn der Ort, dessen Namen neben dem
Datum meines Briefes steht -- ist ja der Geburts-
ort Shakespeares! Es ist ein tief ergreifendes Ge-
fühl, die unbedeutenden Gegenstände zu sehen, die
vor Jahrhunderten mit einem so großen und gelieb-
ten Manne in unmittelbarer und häuslicher Be-
rührung standen, und gleich darauf den Ort, wo
längst seine Gebeine vermodern -- und so in wenig
Augenblicken von seiner Wiege den langen Weg bis
zu dem seines Grabes zurückzulegen. -- Das Haus
in dem er geboren ist, so wie die Stube selbst, in der
dies große Ereigniß vor sich ging, stehen noch fast
unverändert da. Die Stube gleicht vollkommen einer
geringen Bürgerstube, wie sie in unsern kleinen
Städten zu seyn pflegen, ganz der Zeit angemessen,

wir zu ſteigen anfangen. Da ſie von ſo hoch ſin-
ken, und wir von ſo tief ſteigen müſſen, ſo kann es
demohngeachtet noch lange dauern, ehe wir uns auf
demſelben Punkte begegnen, aber, wie geſagt, uns
entgegen zu gehen, haben wir, glaube ich, angefan-
gen. Deutſchland Glück auf!! erlangen deine Bewoh-
ner nur Freiheit, ſo wird ihnen jedes Streben
gelingen.



Die heutige Tagereiſe war nicht groß, aber in-
haltsſchwer, denn der Ort, deſſen Namen neben dem
Datum meines Briefes ſteht — iſt ja der Geburts-
ort Shakespeares! Es iſt ein tief ergreifendes Ge-
fühl, die unbedeutenden Gegenſtände zu ſehen, die
vor Jahrhunderten mit einem ſo großen und gelieb-
ten Manne in unmittelbarer und häuslicher Be-
rührung ſtanden, und gleich darauf den Ort, wo
längſt ſeine Gebeine vermodern — und ſo in wenig
Augenblicken von ſeiner Wiege den langen Weg bis
zu dem ſeines Grabes zurückzulegen. — Das Haus
in dem er geboren iſt, ſo wie die Stube ſelbſt, in der
dies große Ereigniß vor ſich ging, ſtehen noch faſt
unverändert da. Die Stube gleicht vollkommen einer
geringen Bürgerſtube, wie ſie in unſern kleinen
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[266/0312] wir zu ſteigen anfangen. Da ſie von ſo hoch ſin- ken, und wir von ſo tief ſteigen müſſen, ſo kann es demohngeachtet noch lange dauern, ehe wir uns auf demſelben Punkte begegnen, aber, wie geſagt, uns entgegen zu gehen, haben wir, glaube ich, angefan- gen. Deutſchland Glück auf!! erlangen deine Bewoh- ner nur Freiheit, ſo wird ihnen jedes Streben gelingen. Stratfort den 6ſten. Die heutige Tagereiſe war nicht groß, aber in- haltsſchwer, denn der Ort, deſſen Namen neben dem Datum meines Briefes ſteht — iſt ja der Geburts- ort Shakespeares! Es iſt ein tief ergreifendes Ge- fühl, die unbedeutenden Gegenſtände zu ſehen, die vor Jahrhunderten mit einem ſo großen und gelieb- ten Manne in unmittelbarer und häuslicher Be- rührung ſtanden, und gleich darauf den Ort, wo längſt ſeine Gebeine vermodern — und ſo in wenig Augenblicken von ſeiner Wiege den langen Weg bis zu dem ſeines Grabes zurückzulegen. — Das Haus in dem er geboren iſt, ſo wie die Stube ſelbſt, in der dies große Ereigniß vor ſich ging, ſtehen noch faſt unverändert da. Die Stube gleicht vollkommen einer geringen Bürgerſtube, wie ſie in unſern kleinen Städten zu ſeyn pflegen, ganz der Zeit angemeſſen,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/312>, abgerufen am 29.03.2024.