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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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Discretion für die Nachkommenden, auch wird den
Damen wenig Platz gemacht, desto sorgsamer ist aber
die Dienerschaft beflissen, von einer den Gästen un-
zugänglichen Seite den Tisch immer wieder frisch zu
besetzen, wenn Schüsseln und Flaschen leer werden.

Um Alles gehörig zu betrachten, blieb ich in einem
der bessern Häuser das erstemal bis 4 Uhr Morgens,
und fand das Ende der Fete, wo 3/4 der Gäste weg
waren, am angenehmsten, um so mehr, da die Töch-
ter vom Hause wirklich ausnehmend hübsch und lie-
benswürdig waren. Dagegen gab es aber auch ganz
famöse Originale auf diesem Balle, unter andern eine
dicke Dame von wenigstens 55 Jahren, welche in ei-
nem schwarz sammtnen Pelz mit weiß verbrämt, und
einen Turban mit schwankenden Straußfedern auf
dem Haupte, gleich einer Bachantin, wie rasend um-
herwalzte, so oft sie nur Platz dazu finden konnte.
Ihre drei recht hübschen Töchter versuchten vergebens,
es der Mama gleich zu thun; ich erklärte mir aber
diese herkulische Ausdauer, als ich erfuhr, die jetzt
sehr reich gewordene Dame habe ihr Vermögen frü-
her durch glücklichen Viehhandel erworben.

Die Musik bei allen diesen Bällen besteht blos aus
einem Piano und einem Blasinstrument. Die Mu-
siker wissen beiden aber einen solchen Lärm abzu-
locken, daß man in der Nähe aller Conversation ent-
sagen muß.

Discretion für die Nachkommenden, auch wird den
Damen wenig Platz gemacht, deſto ſorgſamer iſt aber
die Dienerſchaft befliſſen, von einer den Gäſten un-
zugänglichen Seite den Tiſch immer wieder friſch zu
beſetzen, wenn Schüſſeln und Flaſchen leer werden.

Um Alles gehörig zu betrachten, blieb ich in einem
der beſſern Häuſer das erſtemal bis 4 Uhr Morgens,
und fand das Ende der Fete, wo ¾ der Gäſte weg
waren, am angenehmſten, um ſo mehr, da die Töch-
ter vom Hauſe wirklich ausnehmend hübſch und lie-
benswürdig waren. Dagegen gab es aber auch ganz
famöſe Originale auf dieſem Balle, unter andern eine
dicke Dame von wenigſtens 55 Jahren, welche in ei-
nem ſchwarz ſammtnen Pelz mit weiß verbrämt, und
einen Turban mit ſchwankenden Straußfedern auf
dem Haupte, gleich einer Bachantin, wie raſend um-
herwalzte, ſo oft ſie nur Platz dazu finden konnte.
Ihre drei recht hübſchen Töchter verſuchten vergebens,
es der Mama gleich zu thun; ich erklärte mir aber
dieſe herkuliſche Ausdauer, als ich erfuhr, die jetzt
ſehr reich gewordene Dame habe ihr Vermögen frü-
her durch glücklichen Viehhandel erworben.

Die Muſik bei allen dieſen Bällen beſteht blos aus
einem Piano und einem Blasinſtrument. Die Mu-
ſiker wiſſen beiden aber einen ſolchen Lärm abzu-
locken, daß man in der Nähe aller Converſation ent-
ſagen muß.

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[374/0420] Discretion für die Nachkommenden, auch wird den Damen wenig Platz gemacht, deſto ſorgſamer iſt aber die Dienerſchaft befliſſen, von einer den Gäſten un- zugänglichen Seite den Tiſch immer wieder friſch zu beſetzen, wenn Schüſſeln und Flaſchen leer werden. Um Alles gehörig zu betrachten, blieb ich in einem der beſſern Häuſer das erſtemal bis 4 Uhr Morgens, und fand das Ende der Fete, wo ¾ der Gäſte weg waren, am angenehmſten, um ſo mehr, da die Töch- ter vom Hauſe wirklich ausnehmend hübſch und lie- benswürdig waren. Dagegen gab es aber auch ganz famöſe Originale auf dieſem Balle, unter andern eine dicke Dame von wenigſtens 55 Jahren, welche in ei- nem ſchwarz ſammtnen Pelz mit weiß verbrämt, und einen Turban mit ſchwankenden Straußfedern auf dem Haupte, gleich einer Bachantin, wie raſend um- herwalzte, ſo oft ſie nur Platz dazu finden konnte. Ihre drei recht hübſchen Töchter verſuchten vergebens, es der Mama gleich zu thun; ich erklärte mir aber dieſe herkuliſche Ausdauer, als ich erfuhr, die jetzt ſehr reich gewordene Dame habe ihr Vermögen frü- her durch glücklichen Viehhandel erworben. Die Muſik bei allen dieſen Bällen beſteht blos aus einem Piano und einem Blasinſtrument. Die Mu- ſiker wiſſen beiden aber einen ſolchen Lärm abzu- locken, daß man in der Nähe aller Converſation ent- ſagen muß.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/420>, abgerufen am 23.04.2024.