Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierundzwanzigstes Kapitel.

Der Novemberwind pfiff schärfer und schneidender
über das zerzauste, zerstampfte Götter-, Geister- und
Blutfeld. Die Sonne, die nur einen kurzen Moment
über dem Butzeberge durch das Gewölk geblickt und
"Wasser gezogen" hatte, war jetzt schon hinter den
Berg hinabgesunken. Es neigete sich der Tag wieder
dem Abend zu.

"Herr," sagte Knecht Heinrich, "wenn wir's wüßten,
wie wir's zu Hause in Amelungsborn finden werden,
so trügen wir ihn wohl mit nach Hause zwischen uns
Auch die Jungfern faßten wohl mit an bei den Füßen;
aber --"

"Aber wir haben vielleicht nicht, wo wir ihn nieder¬
legen könnten," sprach trostlos der alte Mann. "Wir
finden keine Stätte, wo er besser ruhete als wie hier,
Heinrich "wo" --

"Wo er sich selber nach seinem tollen Sinn den
Platz ausgesucht hat!" jammerte Mademoiselle. "O
Thedel, mein Thedel, mein lieber Junge, vergebe Er
mir, Junker von Münchhausen, um alter Zeiten im

Vierundzwanzigſtes Kapitel.

Der Novemberwind pfiff ſchärfer und ſchneidender
über das zerzauſte, zerſtampfte Götter-, Geiſter- und
Blutfeld. Die Sonne, die nur einen kurzen Moment
über dem Butzeberge durch das Gewölk geblickt und
„Waſſer gezogen“ hatte, war jetzt ſchon hinter den
Berg hinabgeſunken. Es neigete ſich der Tag wieder
dem Abend zu.

„Herr,“ ſagte Knecht Heinrich, „wenn wir's wüßten,
wie wir's zu Hauſe in Amelungsborn finden werden,
ſo trügen wir ihn wohl mit nach Hauſe zwiſchen uns
Auch die Jungfern faßten wohl mit an bei den Füßen;
aber —“

„Aber wir haben vielleicht nicht, wo wir ihn nieder¬
legen könnten,“ ſprach troſtlos der alte Mann. „Wir
finden keine Stätte, wo er beſſer ruhete als wie hier,
Heinrich „wo“ —

„Wo er ſich ſelber nach ſeinem tollen Sinn den
Platz ausgeſucht hat!“ jammerte Mademoiſelle. „O
Thedel, mein Thedel, mein lieber Junge, vergebe Er
mir, Junker von Münchhauſen, um alter Zeiten im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0287" n="[279]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Vierundzwanzig&#x017F;tes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <p>Der Novemberwind pfiff &#x017F;chärfer und &#x017F;chneidender<lb/>
über das zerzau&#x017F;te, zer&#x017F;tampfte Götter-, Gei&#x017F;ter- und<lb/>
Blutfeld. Die Sonne, die nur einen kurzen Moment<lb/>
über dem Butzeberge durch das Gewölk geblickt und<lb/>
&#x201E;Wa&#x017F;&#x017F;er gezogen&#x201C; hatte, war jetzt &#x017F;chon hinter den<lb/>
Berg hinabge&#x017F;unken. Es neigete &#x017F;ich der Tag wieder<lb/>
dem Abend zu.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr,&#x201C; &#x017F;agte Knecht Heinrich, &#x201E;wenn wir's wüßten,<lb/>
wie wir's zu Hau&#x017F;e in Amelungsborn finden werden,<lb/>
&#x017F;o trügen wir ihn wohl mit nach Hau&#x017F;e zwi&#x017F;chen uns<lb/>
Auch die Jungfern faßten wohl mit an bei den Füßen;<lb/>
aber &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber wir haben vielleicht nicht, wo wir ihn nieder¬<lb/>
legen könnten,&#x201C; &#x017F;prach tro&#x017F;tlos der alte Mann. &#x201E;Wir<lb/>
finden keine Stätte, wo er be&#x017F;&#x017F;er ruhete als wie hier,<lb/>
Heinrich &#x201E;wo&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wo er &#x017F;ich &#x017F;elber nach &#x017F;einem tollen Sinn den<lb/>
Platz ausge&#x017F;ucht hat!&#x201C; jammerte Mademoi&#x017F;elle. &#x201E;O<lb/>
Thedel, mein Thedel, mein lieber Junge, vergebe Er<lb/>
mir, Junker von Münchhau&#x017F;en, um alter Zeiten im<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[279]/0287] Vierundzwanzigſtes Kapitel. Der Novemberwind pfiff ſchärfer und ſchneidender über das zerzauſte, zerſtampfte Götter-, Geiſter- und Blutfeld. Die Sonne, die nur einen kurzen Moment über dem Butzeberge durch das Gewölk geblickt und „Waſſer gezogen“ hatte, war jetzt ſchon hinter den Berg hinabgeſunken. Es neigete ſich der Tag wieder dem Abend zu. „Herr,“ ſagte Knecht Heinrich, „wenn wir's wüßten, wie wir's zu Hauſe in Amelungsborn finden werden, ſo trügen wir ihn wohl mit nach Hauſe zwiſchen uns Auch die Jungfern faßten wohl mit an bei den Füßen; aber —“ „Aber wir haben vielleicht nicht, wo wir ihn nieder¬ legen könnten,“ ſprach troſtlos der alte Mann. „Wir finden keine Stätte, wo er beſſer ruhete als wie hier, Heinrich „wo“ — „Wo er ſich ſelber nach ſeinem tollen Sinn den Platz ausgeſucht hat!“ jammerte Mademoiſelle. „O Thedel, mein Thedel, mein lieber Junge, vergebe Er mir, Junker von Münchhauſen, um alter Zeiten im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/287
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/287>, abgerufen am 19.04.2024.