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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Fünftes Kapitel.

Sie blickten Alle auch dem Magister nach, wie er
seiner Thür zustapfte, die nicht in das Amts- und
Wirthschaftsgebäude führte, sondern in den Flügel des
Klosters, der einst hauptsächlich der berühmten Schule
und ihren Lehrern Unterkunft gegeben hatte. Bemer¬
kungen machten sie nicht hinter ihm drein, sie schüttelten
höchstens die Köpfe. Nur der geschlagene Knecht schien
einen Augenblick lang die Absicht zu haben, den alten
Herrn am Rockschooß zurück zu halten; doch auch er
ließ das, wandte sich zu seiner Arbeit und verschwand
im Pferdestall. Es wurde noch einmal still wie im
Frieden in Amelungsborn, trotzdem, daß der Krieg von
Neuem über den Solling heranzog und die Wetter¬
wolken drüben am andern Ufer der Weser gleichfalls
Miene machten, sich von Ohr her in Bewegung zu
setzen. Wie der Rabenzug es verkündigt, und das
Gerücht es über das Land hier geheult, dort geächzt
hatte.

Es war ganz dunkel, doch wer dreißig Jahre lang
den selben Weg gegangen ist, findet ihn im Dunkeln.

Fünftes Kapitel.

Sie blickten Alle auch dem Magiſter nach, wie er
ſeiner Thür zuſtapfte, die nicht in das Amts- und
Wirthſchaftsgebäude führte, ſondern in den Flügel des
Kloſters, der einſt hauptſächlich der berühmten Schule
und ihren Lehrern Unterkunft gegeben hatte. Bemer¬
kungen machten ſie nicht hinter ihm drein, ſie ſchüttelten
höchſtens die Köpfe. Nur der geſchlagene Knecht ſchien
einen Augenblick lang die Abſicht zu haben, den alten
Herrn am Rockſchooß zurück zu halten; doch auch er
ließ das, wandte ſich zu ſeiner Arbeit und verſchwand
im Pferdeſtall. Es wurde noch einmal ſtill wie im
Frieden in Amelungsborn, trotzdem, daß der Krieg von
Neuem über den Solling heranzog und die Wetter¬
wolken drüben am andern Ufer der Weſer gleichfalls
Miene machten, ſich von Ohr her in Bewegung zu
ſetzen. Wie der Rabenzug es verkündigt, und das
Gerücht es über das Land hier geheult, dort geächzt
hatte.

Es war ganz dunkel, doch wer dreißig Jahre lang
den ſelben Weg gegangen iſt, findet ihn im Dunkeln.

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[[47]/0055] Fünftes Kapitel. Sie blickten Alle auch dem Magiſter nach, wie er ſeiner Thür zuſtapfte, die nicht in das Amts- und Wirthſchaftsgebäude führte, ſondern in den Flügel des Kloſters, der einſt hauptſächlich der berühmten Schule und ihren Lehrern Unterkunft gegeben hatte. Bemer¬ kungen machten ſie nicht hinter ihm drein, ſie ſchüttelten höchſtens die Köpfe. Nur der geſchlagene Knecht ſchien einen Augenblick lang die Abſicht zu haben, den alten Herrn am Rockſchooß zurück zu halten; doch auch er ließ das, wandte ſich zu ſeiner Arbeit und verſchwand im Pferdeſtall. Es wurde noch einmal ſtill wie im Frieden in Amelungsborn, trotzdem, daß der Krieg von Neuem über den Solling heranzog und die Wetter¬ wolken drüben am andern Ufer der Weſer gleichfalls Miene machten, ſich von Ohr her in Bewegung zu ſetzen. Wie der Rabenzug es verkündigt, und das Gerücht es über das Land hier geheult, dort geächzt hatte. Es war ganz dunkel, doch wer dreißig Jahre lang den ſelben Weg gegangen iſt, findet ihn im Dunkeln.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [47]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/55>, abgerufen am 28.03.2024.